1923

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Januar 1923

  • 2. Januar (bis 4. Januar): Ein letzter Versuch Englands, Poincarè von seinen Forderungen auf „produktive Pfänder und Sanktionen“ zurückzuhalten, scheitert. Bonar Law weist nunmehr jede Verantwortung für das Kommende von sich.
  • 5. Januar: Der französische Ministerrat beschließt auf Vorschlag Poincarè einstimmig, das Ruhrgebiet zu besetzen. Dieser Plan setzt auch eine Mitwirkung der deutschen Wirtschaftsverbände in Rechnung; aber diese Erwartung trügt: In der Nacht vom 9. zum 10. Januar verlegen die Führer des Ruhrbergbaues mit Zustimmung der Gewerkschaften den Sitz des Kohlensyndikates von Essen nach Hamburg und entziehen damit den Franzosen die wichtigsten Unterlagen zur Ausbeutung des Reviers.
  • 10. Januar: Der französische Botschafter kündigt — genau 3 Jahre, nachdem das Diktat von Versailles in Kraft getreten ist — die Entsendung einer französisch-belgischen „Ingenieurkommission“ ins Ruhrgebiet an und warnt vor Anwendung von Gewalt. Die Reichsregierung legt hiergegen Verwahrung ein und bezeichnet diesen Schritt als einen Bruch der Verträge. Gleichzeitig werden die Leiter der deutschen Vertretungen in Paris und Brüssel abberufen. An alle Regierungen, die den Versailler Vertrag unterzeichnet haben, wird eine Protestnote abgesandt. Außerdem erklärt Deutschland, während der Dauer des Rechtsbruches weder in bar noch in Sachlieferungen irgendwelche Zahlungen zu leisten. Die gesamte Bevölkerung wird zum passiven Widerstand aufgefordert. Am Abend billigt eine gewaltige, aus allen Teilen des Industriegebietes besuchte Versammlung im Essener Saalbräu diese Maßnahmen.
Am gleichen Tage überrumpeln litauische Truppen das Memelgebiet angesichts der dort stehenden Franzosen. Diese ziehen ihr Militär ohne Einspruch zurück.

Der Einmarsch ins Ruhrgebiet

  • 11. Januar: Im Morgengrauen marschieren Franzosen und Belgier unter General Degoutte — zunächst insgesamt 40.000 Mann aller Waffen, Tanks, Flieger — in Essen und Gelsenkirchen ein. Gleichzeitig werden die Riesenanlagen der Krupp-Werke umstellt. Frankreich jubelt: Die deutsche Waffenschmiede ist in seiner Hand. Wo jedoch die fremden Truppen hinkommen, stehen buchstäblich alle Räder still: Häuser und Läden werden geschlossen. Die Züge bleiben auf offener Strecke stehen. Die Arbeiter verlassen ihre Betriebe und löschen die Feuer. Kein Eisenbahner darf einen französischen Militärzug fahren, kein Postbeamter eine feindliche Nachricht befördern, kein Bürgermeister leistet den feindlichen Requisitionen Folge. Eine vollkommene Erstarrung jedes öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens tritt ein. Dieser Widerstand hat Entsendung neuer Truppen zur Folge; bald sind es 87.000 Mann. Die Gefängnisse füllen sich, Kriegsgerichte fangen an zu arbeiten.
Über Deutschland geht eine Welle nationaler Erhebung, die in den besetzten Gebieten Unternehmer und Arbeiter in eine Front zusammenschmiedet
  • 15. Januar: In der Königsallee in Bochum wird ein waffenloser Umzug ohne vorherige Warnung beschossen. 5 Opfer ; es sind die ersten des Ruhrkampfes.
  • 16. Januar: 5 französische Divisionen haben das gesamte Einbruchsgebiet abgeriegelt. Düsseldorf und Mainz werden jetzt die Hauptquartiere. Über 10 Millionen Deutsche stehen damit unter fremder Gewaltherrschaft.
  • 20. Januar: Verhaftung Fritz Thyssens und zahlreicher anderer Industrieführer, welche die Ausführung der völkerrechtswidrigen Befehle verweigern: „Zu ehrlosen Handlungen gegen mein Vaterland lasse ich mich nicht zwingen“, erklärt Thyssen vor dem Kriegsgericht in Mainz. Das Urteil lautet zunächst nur auf Geldstrafe: 1 Million Goldfranken. Thyssen kehrt jubelnd begrüßt ins Revier zurück.
  • 24. Januar: Amerika zieht anläßlich des Ruhreinmarsches seine Truppen aus dem Rheinland zurück. Die Franzosen besetzen nun auch Koblenz. Die Rheinlandkommission dehnt gleichzeitig den Kampf auch auf das bisher besetzte Gebiet aus: Man beginnt die linksrheinischen Forsten, die Kohlenvorräte, Bergwerke und Eisenbahnen zu beschlagnahmen.
  • 26. Januar: Die Ruhrzechen sind nunmehr sämtlich von den Franzosen besetzt. Kein Stück Kohle darf mehr nach dem unbesetzten Deutschland. Dieses muß englische Kohle einführen, um den Zugverkehr notdürftig aufrechterhalten zu können.
Im freien Deutschland wird das Stahlhelmverbot aufgehoben.
  • 28. Januar: Erster Parteitag der NSDAP in München. Die nationalen Verbände stellen sich darauf ein, jetzt zu den Waffen gerufen zu werden. Die preußische Regierung stimmt jedoch nur der Aufstellung einer so genannten „schwarzen Reichswehr“ zum Schutz gegen Polen und die Tschechoslowakei zu.

Februar 1923

Bis Mitte Februar haben die Franzosen im ganzen 10 Waggon Kohle (!) aus dem Ruhrgebiet abfahren können. Jetzt rufen sie ein Heer von eigenen Leuten, im besonderen Eisenbahner, herbei. Um Platz zu machen, beginnen Ausweisungen größten Stils, angefangen mit oberen Beamten: Am 7. Februar wird der Oberbürgermeister von Mainz, Adelung — hier beanspruchen die Franzosen allein 5000 Privatzimmer! —, am 12. Februar der Regierungspräsident von Wiesbaden, Haenisch, ausgewiesen. Ganze Wohnviertel müssen oft in wenigen Stunden geräumt werden.
In Gelsenkirchen, das sich weigert, eine ihm auferlegte Geldbuße zu zahlen, treibt man diese gewaltsam bei: Die innere Stadt wird völlig abgeriegelt; planmäßig werden sämtliche Kassen beschlagnahmt. Allen Passanten wird auf offener Straße die gesamte Barschaft abgenommen. Die „Inkasso-Division" bringt innerhalb 4 Tagen 70 Millionen Papiermark zusammen.

März 1923

  • 3. März (bis 6. März): Die französische Besetzung wird auf Darmstadt, Mannheim, Karlsruhe, Remscheid und Vohwinkel ausgedehnt
  • 10. März: Von zunächst unbekannten Händen — in Wirklichkeit waren es französische Soldaten — werden in Buer 2 französische Offiziere erschossen. Belagerungszustand. Misshandlung der Bevölkerung. 2 Deutsche, deren Unschuld sich später herausstellt, werden beim Verhör getötet.
  • 19. März: Die neue französische Eisenbahnregie beginnt mit einem Stamm von 15.000 Angestellten den Betrieb eines Streckennetzes, das bisher 170.000 Vorgebildete Kräfte beschäftigt hat. Im Verkehr greifen mittelalterliche Zustände Platz : Für eine Fahrt von Trier nach Koblenz muß man 2-3 Tage rechnen. Essen ist von Hamm über Dortmund mit abwechselnder Benutzung von Eisenbahn, Straßenbahn und Fußmarsch in 14 Stunden zu erreichen. Die Bevölkerung hilft sich hauptsächlich mit Autolinien, die jedoch bald verboten werden.
  • 21. März: In Sachsen wird unter Zeigner ein linkssozialistisches Kabinett gebildet.
  • 31. März: Der blutige Karsamstag in Essen. Anschließend Verhaftung der Kruppschen Grubendirektoren. Auch bei den französischen Behörden ist der Eindruck dieser Vorkommnisse so stark, daß man den 13 Toten ein ehrenvolles Begräbnis zugesteht (10. April).
  • Ende März ist die staatliche deutsche Polizei aus dem gesamten Ruhrrevier abgeschoben; im besetzten Rheinland wird sie stark entrechtet.

April 1923

  • Nationalgesinnte Deutsche, meist ehemalige Front- und Freikorpskämpfer, beginnen den bisherigen passiven Widerstand planmäßig zu aktivieren. Schon im März hatten nach einem französischen Bericht 86 „Attentate" stattgefunden, von denen nur 20 auf Sprengkapseln zurückgingen. Alle anderen waren offenbar von fremden, unerfahrenen Hilfskräften ausgeführt. Jetzt häufen sich die Vorkommnisse. Die Franzosen zwingen deshalb deutsche Bürger, als „Geiseln" auf den Lokomotiven mitzufahren.
  • 10. April: Polens Ministerpräsident Wladyslaw Sikorski proklamiert in Posen eine Verdrängungs- und Enteignungspolitik gegen die etwa 1.200.000 Deutschen, die in den seit 1919 zu Polen gehörenden preußischen Provinzen Westpreußen und Posen leben.
  • 27. April: Zwischen dem besetzten und unbesetzten Gebiet wird der Paßzwang eingeführt.

Mai 1923

Die Reichsregierung hatte es übernommen, den Unterhalt für die Ruhrbevölkerung zu schaffen. Dies ist jedoch nur durch erhöhte Arbeit der Notenpresse möglich. Die dadurch in Deutschland heraufgeführte Inflation läßt die Goldmark vom Januar bis November 1923 von 2500 M. auf eine Billion steigen. Dies führt zusammen mit der Kohlen- und Halbfabrikatsperre Arbeitslosigkeit (2 Millionen) und Hungersnot in ganz Deutschland herauf. So beginnt der innere Zwiespalt allmählich wieder aufzuleben.
  • 1. Mai: Eine große kommunistische Maifeier auf dem Oberwiesenfeld bei München wird durch die SA unmöglich gemacht.
Schlageter-Denkmal am Ort seiner Ermordung durch französische Besatzungstruppen in der Golzheimer Heide bei Düsseldorf
  • 8. Mai: Kriegsgericht gegen die Krupp-Direktoren in Werden. Kurz zuvor war auch Krupp v. Bohlen-Halbach selbst verhaftet worden. Die Urteile schwanken zwischen 10 und 20 Jahren Gefängnis, von denen 6 Monate effektiv verbüßt wurden. Unter ungezählten anderen Prozessen seien vorab zwei genannt:
a)gegen den Oberbürgermeister von Duisburg, Dr. Jarres. Dieser war von den Belgiern ausgewiesen worden, hatte aber erklärt, „keiner Macht der Erde stehe das Recht zu, ihn gegen seinen Willen aus der rheinischen Heimat zu entfernen, in der er festgewurzelt sei". Er kehrte dementsprechend trotz gewaltsamen Abtransportes wieder zurück und musste ins Gefängnis wandern.
b) gegen den Oberbürgermeister von Oberhausen, Havenstein, der in seiner Verteidigungsrede ausführte: „Kein Gesetz der Welt, auch kein französisches, gibt es, das einen zwingt, gegen das Wohl des eigenen Landes etwas zu unternehmen und Verräter an seinem Vaterland zu werden." Er wird zu 3 Jahren Gefängnis verurteilt.
In allen diesen Fällen liegen Urteil und Begründung schon vor der Rede des Anklagevertreters zur Unterschrift bereit.
Im Mai haben die Franzosen und Belgier 5300 t Kohlen abtransportieren können. Es ist dies die höchste Monatsziffer, die sie während der Wirksamkeit des passiven Widerstandes erreicht haben. Unter normalen Verhältnissen hätten sie auf Reparationskonto pro Monat 200000 t erhalten.

Juni 1923

Die innen- und außenpolitischen Zustände spitzen sich zu. Reger Notenwechsel, der mehr und mehr die schwache Position der Reichsregierung offenbart. Um so unnachgiebiger fordert Poincarè völlige Unterwerfung: „Wir stehen im wirtschaftlichen Herzen Deutschlands; niemand wird erwarten, daß wir uns vor Bezahlung des letzten uns geschuldeten Franken wieder zurückziehen." Inzwischen wachsen bis weit in die bürgerliche Front hinein Zweifel, ob man durchhalten wird. Im Ruhrgebiet sowie in Sachsen kommt es Anfang Juni zu schweren Teuerungskrawallen mit zahlreichen Toten und Verwundeten.
  • 9. Juni: Belagerungszustand in Dortmund, weil 2 französische Sergeanten in einem Streit mit Deutschen erschossen wurden. Bei Barmen überschreiten französische Zollbeamte die Grenze des besetzten Gebietes. woraus sich eine Schießerei mit deutschen Polizisten entwickelt. Es folgt ein Sühnefeldzug in das unbesetzte Barmen. Die Polizei wird entwaffnet. Alles Geld der dortigen Reichsbankstelle wird mitgenommen.
  • 30. Juni: Sprengstoffanschlag auf die Duisburger Rheinbrücke, der mehrere Todesopfer fordert. Infolgedessen verbietet Frankreich auf über einen Monat für das besetzte Gebiet jegliche Ein- oder Ausreise. Die Ruhrunterstützung muß auf Schleichwegen bei Nacht durch die Grenzsperre geschmuggelt werden.

Juli 1923

Der „passive Widerstand" überschreitet seinen Höhepunkt. Das einst blühende wirtschaftliche Leben des gewaltigen Industriegebietes ist fast vollkommen vernichtet: 85% aller Hochöfen liegen still, der Rest arbeitet nur noch für den Eigenbedarf. Der Eisenbahnverkehr ist um 8010 zurückgegangen. Auch die Tonnenzahl der Kohlen, die nach Frankreich gebracht werden, ist gegenüber dem Mai im Juni und Juli wieder erheblich gesunken. Aber Poincarè arbeitet auf Zeitgewinn: Nach über 6 Monaten Ruhrbesetzung sind die ins Land geschickten Kräfte nun endlich so weit, in größerem Umfange die Zechen und Hütten auszubeuten. Es entsteht ein regelmäßiger Schnellzugverkehr Düsseldorf - Koblenz - Wiesbaden - Mainz. Besserung im Güterverkehr.
Für den inneren Dienst der französisch-belgischen Eisenbahn wird der „Regiefranken" herausgegeben. Der Bevölkerung aber empfiehlt man, ein eigenes „rheinisches Geld" zu schaffen. Damit nimmt man nunmehr wohl vorbereitet das in Angriff, was das eigentliche Ziel der damaligen französischen Politik ist: Die Abtrennung des Rheinlandes. Während Frankreich das Ruhrgebiet mehr und mehr zu einem vorgeschobenen Bollwerk ausgestaltet, von dem aus das Reich wirtschaftlich unterworfen werden soll, lagert sich das eigentliche Schwergewicht des politischen Druckes nunmehr wieder auf das Gebiet links des Rheines.
Dabei bedient sich Frankreich in erster Linie des „Separatismus".
Vor allem treten 3 Gruppen auf: In Koblenz Dr. Dorten (ehemaliger Staatsanwalt), — in Düsseldorf ein „landfremder" Schriftsteller aus Würzburg : Joseph Matthes, — daß in der Pfalz ein Landwirt aus Orbis: Joseph Heinz.
Im Juli beginnt überall eine rege Versammlungstätigkeit der Separatisten, zu der die französische Eisenbahnregie die Teilnehmer gratis befördert. Deutscherseits bildet sich dem gegenüber ein Netz von Vertrauensmännern unter der zielbewußten Leitung Hans Steinachers, des „Löwen von Kärnten".

August 1923

Nachlassen des passiven Widerstandes. Fast das ganze Rhein- und Ruhrgebiet ist ohne normale Arbeit und lebt irgendwie auf Reichskosten. Demgegenüber hat sich das unbesetzte Deutschland daran gewöhnt, in seiner Bevölkerung „Reichspensionäre" oder „Ruhrgewinnler" zu sehen. Inzwischen taumelt die Mark dem Abgrund zu: Im August reicht das Monatsgehalt eines mittleren Angestellten nicht mehr für ein Paar Schuhe. überall steht die Jagd nach dem „Sachwert" im Vordergrund; überall fragt man sich, ob vor dem Verhungern nicht doch das Nachgeben steht.
Dr. Stresemann wird Reichskanzler und gründet die „große Koalition": Sozialdemokraten, Demokraten, Zentrum, Deutsche Volkspartei.
  • Mitte d. M. Besprechungen führender Männer aus Politik und Wirtschaft, die an Rhein und Ruhr persönlich an der Spitze des Kampfes gestanden haben: Die Mehrzahl ist für Abbruch des passiven Widerstandes. In der Folge zahlreiche Friedensfühler, auf die jedoch Frankreich zunächst nicht eingeht.

September 1923

  • 1. September: Furchtbares Erdbeben in Japan mit großen Flutwellen und Feuersbrünsten. 100.000 Tote, 500 000 Gebäude zerstört.
  • 2. September: Deutscher Tag in Nürnberg: Eine ungeheure Kundgebung für nationale Politik, die jedoch an dem Verständigungswillen der breiten Masse nichts zu ändern vermag. Bündnis Hitler-Ludendorff.
  • 14. September: Primo de Rivera wird Diktator in Spanien.
  • 17. September: Die deutsche Regierung muß, um der absoluten Zahlungsunfähigkeit der Papiermark vorzubeugen, die Finanzierung des passiven Widerstandes in großem Umfange einstellen.
  • 9. September: In Indien wird zum Boykott gegen englische Waren aufgerufen.
  • 20. September: Spazierstockdemonstration der SA in Bayreuth gegen ein inzwischen erlassenes Waffenverbot.
  • 26. September: Offizieller Abbruch des Ruhrkampfes aus innerpolitischen und finanziellen Gründen.
Die deutsche Wirtschaft ist durch den Ruhrkampf um etwa 4 Milliarden Goldmark geschädigt. 180.000 Ausgewiesene. 132 Tote. 11 zum Tode Verurteilte. Ungezählte Gefängnis - und Geldstrafen. Völlige Vernichtung der Währung. Drohender Zerfall des Reiches. Die Regierung verhängt den Ausnahmezustand.

Drohender Zerfall des Deutschen Reiches

  • 30. September: Separatistentag in Düsseldorf, dem die deutsche Polizei heftigen Widerstand entgegensetzt. Straßenkämpfe. 21 Tote. darunter 5 Polizeibeamte. Der französische Kommandant verhängt das Standrecht, entwaffnet die Polizei und eröffnet gegen sie kriegsgerichtliche Verfahren. Mehr als 30 Beamte werden verurteilt, weil sie „eine von der Besatzungsbehörde genehmigte Versammlung gestört haben".

Oktober 1923

Putsch der schwarzen Reichswehr unter Major Buchrucker, die scharf gegen die Verständigungspolitik eingestellt ist und sich der Stadt Küstrin zu bemächtigen sucht. Sie wird aber von regierungstreuer Reichswehr eingeschlossen und entwaffnet.
  • 13. Oktober: Seit dem 21. März 1923 regiert in Sachsen das linksradikale Kabinett Zeigner, das in immer schärferen Gegensatz zur Reichsregierung gerät. Nunmehr treten die Kommunisten offiziell in die sächsische Regierung ein und bilden proletarische Hundertschaften. Der Befehlshaber des Wehrkreises IV, General Müller, will diese auflösen, worauf Zeigner im Sächsischen Landtag die Reichsregierung heftig angreift: Sie gehe gegen Sachsen scharf vor, lasse sich aber bayrische Verfassungsbrüche gefallen. Darauf bricht Bayern die diplomatischen Beziehungen zu Sachsen ab.
  • 15. Oktober: Gründung der deutschen Rentenbank.
Bis in den September hinein hatte die Reichsregierung geglaubt, die alte Papiermark retten zu können. Jetzt entschließt sie sich in letzter Minute zum Gegenteil. Karl Helfferichs Roggenbankprojekt, das seit Anfang September vorliegt, wird durch den Währungskommissar Dr. Schacht in ein Rentenbankprojekt umgewandelt. Das bedeutet das absichtlich herbeigeführte Ende der Papiermark, um an ihrer Stelle ein wertbeständiges. ganz neues Geld zu schaffen, das durch Grund und Boden sowie durch Hausbesitz gedeckt ist. Sein Erscheinen verhindert vorläufig ein Streik der Notendrucker. Vollkommenes Währungschaos. Bis zu den Städten und Privatfirmen hinunter druckt sich jeder sein eigenes Geld.
  • 20. Oktober: Adolf Hitler veranstaltet einen „Deutschen Tag“ in Bamberg gegen das Regime der Unterwerfung und der produktiven Pfänder.
  • 21. Oktober: Beginn der großen Separatistenaktionen. Unter dem Schutz der belgischen Militärmacht wird in Aachen die Rheinische Republik ausgerufen. Gegenüber dem Einspruch der preußischen Behörde erklärt die Besatzungsbehörde, daß sie „die Besitznahme der öffentlichen Gewalt durch eine politische Partei feststelle und keine Unruhen in der Stadt dulden werde“. Die Aachener Bevölkerung erobert jedoch unter Führung Hans Steinachers am 2. November die öffentlichen Gebäude und zuletzt das Rathaus zurück. Ähnlich verläuft der „Spuk“ in München-Gladbach, Mayen, Düren und Ems.
Ausbruch des Konfliktes Bayern-Reich.
Völkischer Beobachter 1928
Reichswehrminister Geßler, dem die Vollzugsgewalt übertragen ist, ersucht den bayrischen Generalstaatskommissar v. Kahr, den „Völkischen Beobachter" zu verbieten. Kahr lehnt ab. Jetzt wird der Befehlshaber der bayrischen Reichswehrtruppen, General v. Lossow, mit der Durchführung beauftragt. Auch dieser weigert sich, da ihn dies in Konflikt mit der bayrischen Regierung bringen würde. Geßler reist nun selber nach München; aber der General erscheint nicht zur Unterredung und wird daraufhin abgesetzt.
  • 22. Oktober: Die bayrische Regierung ernennt jetzt General v. Lossow zum Landeskommandanten und vereidigt die 7. Division auf die Farben Schwarz-Weiß -Rot. Einspruch des Chefs der Heeresleitung, General von Seeckt. Als am 27. Oktober Kahr jede weitere Verhandlung ablehnt, beschließt die Reichsregierung die Reichsexekution gegen Bayern. Hier scheint trotz der Verschiedenartigkeit der Ziele eine einheitliche Front Kahr, Lossow bis zu Hitler- Ludendorff zu entstehen. Schon marschieren an der bayrisch-thüringischen Grenze starke Verbände unter Kapitän Ehrhardt zum Vorstoß gegen Berlin auf.
  • 23. Oktober: Schwere kommunistische Unruhen in Hamburg, die der Polizei 14 Tote kosten.
Fortsetzung der Separatistenaktionen; in Koblenz, Bonn, Düsseldorf, Krefeld, Trier, Wiesbaden und Mainz werden unter dem Schutz der französischen Militärmacht auf den Rathäusern überall die Separatistenflaggen gehißt.
  • 24. Oktober: Der französische Oberkommissar Paul Tirard erkennt amtlich „die durch die Tatsachen geschaffene Lage" und die in Koblenz eingesetzte „vorläufige Regierung" der Separatisten an. Am gleichen Tage versucht der französische General de Metz in Speyer in Anbetracht der gegenwärtigen Verhältnisse in Bayern die Pfalz zu einem „autonomen Staat" zu erklären. Der pfälzische Kreistag lehnt jedoch einmütig jeden Verfassungsbruch ab. Darauf verbünden sich die Franzosen auch hier mit den ihnen an sich wenig sympathischen Separatisten.
  • 27. Oktober: Absetzung der Zeignerregierung in Sachsen. Nachdem auch die sozialdemokratische Regierung Thüringens sich offen auf die Seite Sachsens gestellt hat, wird hier eine „Regierung der Republik und proletarischen Verteidigung" gebildet. Die roten Hundertschaften werden mit staatlichen Mitteln bewaffnet. Der Besitz wird aufs schärfste durch Steuern erfaßt. Lebensmittel werden zwangsweise beigetrieben. Wer sich nicht fügt, wird verhaftet. Nunmehr stellt die Reichswehr erst in Sachsen. dann in Thüringen die Ordnung wieder her. Zeigner, der sich in seiner Amtsführung auch der Bestechlichkeit schuldig gemacht hat, wird verhaftet und verurteilt.
  • 29. Oktober: Die Türkei erhält eine republikanische Verfassung. Staatspräsident wird Mustafa Kemal Atatürk.

November 1923

Die Auflösung des Deutschen Reiches scheint unabwendbar. Überall befindet man sich mitten in der Katastrophe.
Im Osten warten Litauer, Polen und Tschechen auf „Grenzkorrekturen“. Bayern und Sachsen befinden sich im schärfsten Konflikt mit dem Reich. Eine deutsche Währung existiert nicht mehr. Im Rheinland und in der Pfalz scheint die endgültige Abtrennung bevorzustehen. Aus Frankreich fehlt noch jede Äußerung auf die Friedensfühler der Reichsregierung. Ein Winter ohne Kohlen und Lebensmittel droht. Der Mittelstand ist vollkommen vernichtet. Die Arbeitslosigkeit ist ungeheuer. Obwohl der passive Widerstand bereits am 26. September 1923 abgebrochen wurde, weicht Frankreich jeder Verhandlung über die Ingangsetzung des Wirtschaftslebens in Rhein und Ruhr aus. Aber auch Berlin vermag der Rhein- und Ruhrbevölkerung keine Hilfe mehr zu gewähren. Muß doch nach den gesetzlichen Verpflichtungen über die Einrichtung der Rentenbank die Notenpresse bis zum 15. November stillgelegt werden und jeder ertraglose Zuschuß aufhören. Eine ungeheure Hochspannung erfaßt das ganze deutsche Volk, ja die Welt. Nirgends ist ein Ausweg zu erblicken. Überall Parteikämpfe, Not, Plünderungen, Hoffnungslosigkeit Verzweiflung.
  • 8. November: v. Kahr erwartet den Sturz Stresemanns; dann will er Bayern aus dem Reichschaos herausziehen, um eine selbständige bayrische Monarchie unter dem Kronprinzen Ruprecht zu begründen. Um bis dahin die Bevölkerung zu beruhigen, beruft er eine Versammlung der vaterländischen Verbände nach dem Bürgerbräukeller. Demgegenüber kommt die großdeutsche Bewegung Hitlers in Gefahr, ins Schlepptau verhängnisvoller Sonderbestrebungen zu geraten. Hitler beschließt, v. Kahr zuvorzukommen, ihn mitzureißen. Er läßt das Bürgerbräu umstellen, dringt mit seiner SA (Hauptmann Göring) ein, verschafft sich durch einen Schuß gegen die Decke Gehör und proklamiert die „nationale Republik“.
Ludendorff tritt an seine Seite. Nach einigen Verhandlungen geben auch v. Kahr (als neuer „Landesverweser“), v. Lossow (Reichswehr), Oberst v. Seißer (Polizei) zustimmende Erklärungen ab, die sie aber widerrufen, sobald sie wieder unter dem Schutz der Münchner Reichswehr stehen.
Erlaß v. Kahr: „Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei sowie die Kampfverbände ‚Oberland' und ,Reichsflagge' sind aufgelöst.“ Aber Hitler hofft, mit einem Demonstrationsmarsch durch München die Volksstimmung vorwärtszureißen. An der Feldherrnhalle empfängt den Zug eine Feuersalve von Reichswehr und Polizei. 16 Tote, 10 Verwundete, darunter Göring. Ludendorff wird gefangen genommen.
  • 11. November: — 5 Jahre nach dem Waffenstillstand: Hitler wird in Uffing am Staffelsee verhaftet.
In Ausnützung der Ereignisse in Bayern, scheint der französischen Politik jetzt endlich der Zeitpunkt gekommen zu sein, mit ihren Zielen des Ruhrkampfes offen hervorzutreten. Sie gipfeln in einer Aufspaltung der Rheinlande: Der Süden mit Rheinpfalz, Rheinhessen, Nassau, Birkenfeld und dem preußischen Moseltal unter französischer Schutzherrschaft. Der Norden unter belgischer Obhut. Köln nach dem Vorbild Danzigs als Freistaat. Ruhrrevier und Sanktionsstädte als Reparationsprovinz bis zur völligen Abgeltung der deutschen Tribute.
Hiergegen aber beginnt sich England nunmehr ernstlich aufzulehnen. Am 11. November bezeichnet eine feierliche Regierungserklärung in London „die Auflösung Deutschlands als einen tödlichen Schlag für die Erhaltung Europas“.
Am gleichen 11. November bewilligt die Reichsregierung nach schwersten inneren Kämpfen für die besetzten Gebiete eine letzte Zuwendung von 100 Millionen Goldmark. Diese konnten höchstens für 10-12 Tage reichen. Dann stand man vor dem Nichts. In dieser verzweifelt knappen Frist aber vollzog sich der Umschwung:
  • 15. November: Die Rentenmark: 4,2 Billionen = 4,2 Rentenmark 1 Dollar, wird erstmalig ausgegeben. In überraschend kurzer Zeit gelingt ihre planmäßige Stabilisierung auch gegenüber dem Ausland.
  • 16. November: Separatistenschlacht im Siebengebirge.
Die separatistische „Fliegende Division Nord“ will von Linz und Honnef aus im Siebengebirge „requirieren“. Da läuten die Glocken Sturm. Am Ägidienberg reiben die dort ansässigen Bauern die Sonderbündler völlig auf.
Unter Führung von Peter Gessinger strömen planmäßig 4000 Bauern zusammen und erschlagen etwa 100 Separatisten, die in Wittlich die Macht ergriffen hatten, mit Knüppeln, Sensen und Dreschflegeln.
Diese Selbsthilfe, zu der sich die tätige Abwehr gerade der Arbeiterschaft in Stadt und Land gesellt (Lamprecht in der Pfalz, Brohltal, Adenau, in der Eifel und im Hunsrück, in Traben-Trarbach usw.), macht auf die öffentliche Meinung großen Eindruck. Noch aber übersieht niemand den Ausgang des Kampfes. Um in der furchtbaren Lage, in der Deutschland sich befindet. Bewegungsfreiheit zu haben, fordert Stresemann schon längst ein „Ermächtigungsgesetz“; aber der Reichstag versagt es ihm.
a) Das Kabinett Stresemann tritt zurück. Achttägige Regierungskrise — ausgerechnet in dieser Notzeit!
b) Das Reich verbietet die NSDAP, die Deutschvölkische Freiheitspartei und die Kommunistische Partei.
c) Frankreich hatte sich bisher trotz Aufgabe des passiven Widerstandes geweigert, mit der Reichsregierung über die Aufnahme der Arbeit im Ruhrgebiet zu verhandeln. Im Einverständnis mit letzterer unterzeichnen nunmehr Vertreter des Ruhrbergbaues in Düsseldorf ein Abkommen, nach welchem die dortige Industrie die Entschädigungslieferungen an Frankreich, die Zahlung der rückständigen Kohlensteuern und andere Leistungen übernimmt. Dafür allgemeine Arbeitsaufnahme.
d) Die Rentenmark wird nun auch im besetzten Gebiet zugelassen und damit die Einheit der deutschen Währung im gesamten Reichsgebiet, allerdings mit Ausschluß der Saar, wiederhergestellt.
Durch die Ereignisse zu c und d sind die besetzten Gebiete nicht mehr auf die Reichszuschüsse oder auf völlige Unterwerfung angewiesen.
e) Der alliierte Entschädigungsausschuß setzt auf den 30. November eine Besprechung an, welche — endlich ! —die ganze Streitfrage nunmehr auch einmal wieder von der wirtschaftlichen Seite her erörtern will.
  • 26. November: Ende der Separatistenherrschaft im Rheinland. Unter dem Eindruck der Haltung Englands und der Selbsthilfe der Bevölkerung sind zuerst die Belgier von den Sonderbündlern abgerückt Jetzt wird diesen persönlich die Angelegenheit bedenklich. Am 26. November löst sich die „Vorläufige Regierung der Rheinischen Republik“ von selbst auf. Nur in der Pfalz korrupt es erst im Februar 1924 zur endgültigen Entscheidung.
  • 28. November: Poincarè gesteht in einer Kammererklärung das Fehlschlagen seiner Politik ein: „Wir haben vorgezogen, von unseren Forderungen etwas abzulassen, um den beinah sicheren Bruch mit unseren Verbündeten zu vermeiden. Eine gemeinsame Maßnahme, selbst wenn sie unvollkommen ist, wiegt für uns mehr als eine entschiedene Maßnahme, die wir allein treffen.“
Während England und Amerika infolge der letzten Ereignisse sich scharf von Frankreich trennen, während Belgien bereits unsicher wird, ist es auch in Frankreich offenbar geworden, daß auf diese Art nichts aus Deutschland herauszuholen sei. Der Ruhreinbruch hatte Frankreich nach Abzug der Unkosten nur 350 Millionen Goldmark eingebracht. Dafür war Deutschland vollkommen zahlungsunfähig geworden — mindestens 3 Jahreszahlungen waren verloren, während die Abzahlung der französischen Schulden an Amerika weiterlief.
  • 30. November: Die Reparationskommission in Paris beschließt, 2 Sachverständigenausschüsse zu bilden. Der erste soll die deutsche Währung und den Staatshaushalt untersuchen. Den Vorsitz übernimmt der frühere amerikanische General Dawes, jetzt Mitglied der Direktion der Central Trust-Company in Chikago. Der zweite soll sich unter Leitung des früheren englischen Schatzkanzlers Mac Kenna mit der Prüfung der deutschen Kapitalflucht ins Ausland beschäftigen.
Am gleichen Tag kommt in Deutschland endlich das Kabinett Marx (bürgerliche Mitte) zustande. Stresemann bleibt Außenminister.

Dezember 1923

Deutschland beginnt sehr allmählich, vom Chaos zur Ordnung zurückzukehren. Noch zweifelt man allgemein an der Beständigkeit der Rentenmark. Aber der neue Aufbau glückt.
  • 7. Dezember: Veröffentlichung der 1. Steuernotverordnung.
  • 8. Dezember: Die Reichsregierung erhält ein beschränktes Ermächtigungsgesetz.
  • 15. Dezember: Die französische Militärbesatzung hat an diesem Tage ihren höchsten Stand erreicht: Im Rheinland 163.000 Mann, im Ruhrgebiet und in den Sanktionsstädten etwa 80.000 Mann. Dazu kommt noch die ungeheure Zahl der französischen und belgischen Beamten und ihrer Familienangehörigen. Die gesamte Besatzung mußte auf Kosten des Reiches unterhalten werden.
  • 19. Dezember: 2. Steuernotverordnung, betr. Umstellung auf Goldmark.
  • 22. Dezember: Schacht wird Reichsbankpräsident.