Akademisierungswahn

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Akademisierungswahn oder Zukunftshoffnung? Wo das Verwenden eines Nachschlagwerkes bei einer Prüfung schon als „Kompetenzwissen“ gilt.

Akademisierungswahn ist eine von Julian Nida-Rümelin, Philosophieprofessor und ehemaliger BRD-Kulturstaatsminister, geprägte Begrifflichkeit, die Kritik übt an der fehlenden Anerkennung und Achtung vor dem „dualen Ausbildungssystem, um das Deutschland in der ganzen Welt beneidet wird“. Nida-Rümelin gibt kund, daß vor lauter „Master“ die „Meister“ vergessen werden. Er sieht durch den propagierten Akademisierungswahn eine zunehmende Abwertung aller nichtakademischen Berufsabschlüsse und eine klaffende Schere zwischen „Studierten“ und „Nichtstudierten“, die einem Kultur- und Klassenkampf gleicht.

Der europäische Tatsachenvergleich

In seinem im Oktober 2014 veröffentlichten Buch „Der Akademisierungswahn – Zur Krise beruflicher und akademischer Bildung“ zeigt Nida-Rümelin anhand europäischer Beispiele, daß Akademisierung kein Garant für ein erfolgreiches Berufsleben darstellt und die Jugendarbeitslosigkeit statt dessen proportional zum Prozentsatz der Hochschulstudenten ansteigt. In der BRD hatten 2014 16 % der 25- bis 64jährigen einen Hochschulabschluß und dabei nur 8 % Jugendarbeitslosigkeit, in anderen Ländern, z. B. Schweden, wo über 75 % eines Jahrganges innerhalb von fünf Jahren nach dem Abschluß des Gymnasiums ein Studium an einer Hochschule beginnt (in der BRD waren es 2012 dagegen 54,7nbsp;%), liegt die Jugendarbeitslosigkeit zwischen 22 und 25 %. Nida-Rümelin ergänzt seine These mit:

„Die deutsche Bildungspolitik ist auf dem Holzweg: Die berufliche Bildung wird vernachlässigt, die akademische Bildung wird immer beliebiger und flacher.“

Drei Hauptthesen

Die These des Akademisierungswahns läßt sich nach Julian Nida-Rümelin in folgender Weise ausdifferenzieren:

  • „1. Es ist falsch, Jugendlichen zu suggerieren, daß sie auf ihrem Bildungsweg gescheitert sind, wenn sie nicht die Hochschulreife erreichen und dann ein Studium aufnehmen.
    • 1.1. Es ist in Sonderheit falsch, die Tatsache zu kritisieren, daß sich ein Teil der Studienberechtigten für einen Ausbildungsberuf entscheidet.
    • 1.2. Es ist falsch, die gestiegenen Abbrecherquoten pauschal als ein didaktisches Versagen der Hochschullehre zu interpretieren.
  • 2. Der generelle Trend, immer mehr Berufsausbildungsgänge zu Hochschulstudiengängen umzubilden, ist falsch.
    • 2.1. Das Bestreben, einen möglichst großen Anteil der Berufsausbildung an die Hochschulen zu verlagern, zeugt von mangelndem Respekt gegenüber der Qualität der beruflichen Bildung.
    • 2.2. Auf diese Verlagerung sind die Universitäten und oft auch die Fachhochschulen nicht vorbereitet.
    • 2.3. Die Akademisierung der beruflichen Bildung ist in der Regel mit einem Qualitätsverlust und nicht mit einem Qualitätsgewinn verbunden.
  • 3. Die demographische Entwicklung läßt die Jahrgangsstärken jedenfalls für den überschaubaren Zeitraum der nächsten zwei Jahrzehnte sinken. Ein weiteres Anwachsen der Studierendenquote bedeutet daher in der Konsequenz ein – sicher unbeabsichtigtes – Abwracken der nichtakademischen Berufsbildung im dualen System.
    • 3.1. Schon heute bestehen die größten Lücken im Arbeitskräfteangebot nicht im akademischen, sondern im nichtakademischen Sektor.
    • 3.2. Nur wenn das gesamte Begabungsspektrum auch in nichtakademischen Berufen präsent bleibt, haben diese eine gute Zukunft.
    • 3.3. Die Vorstellung, sozialer Aufstieg zeige sich in einer Abkehr vom Handwerklichen, Technischen und generell vom Praktischen, ist in vielen Kulturen der Welt aus erklärlichen historischen Gründen [z. B. den überlieferten Formen von Priesterherrschaft] tief verankert. Und dies beeinflußt auch solche Kulturen, die aufgrund der zünftischen Tradition einen eigenen Handwerkerstolz, eine Hochschätzung des Haptischen, des Technischen, des Handwerklichen und Gestaltenden kennen. Dazu zählt – möglicherweise sogar an vorderster Stelle weltweit – der deutschsprachige Raum in Europa. Aber auch in Italien gibt es diese Tradition, was wenigstens zum Teil das hohe Niveau des verarbeitenden Gewerbes in Italien erklärt.“
Einbruch der Wirklichkeit – Meldung von der Startseite der FAZ vom 24. April 2016

Linke Kritik

Linke sehen in den Aussagen Nida-Rümelins eine „Benachteiligung der Arbeiterkinder“ und befürchten eine „zunehmende Förderung der Eliten“. Richtig ist, daß die Zahl der Schulabsolventen sinkt. Allein der Anteil von Absolventen mit Hochschulzugangsberechtigung nimmt zu und mit ihm die Quote der Studienanfänger; die Begeisterung für die betriebliche Lehre nimmt dagegen ab.

Die wirkliche Entwicklung in der Bonner Republik

Niemand hat den unsinnigen Maßstab, wonach Akademisierung der einzige und einzig richtige Weg der Stratifizierung einer Gesellschaft sei, jahrzehntelang so in die Köpfe getrommelt wie ausgerechnet die Partei von Herrn Nida-Rümelin, die SPD (sowie die vielen Sozialdemokraten in den anderen Blockparteien). Darin liegt ein untergründiges Motiv ausgeprägter Unternehmerfeindschaft. Aus blankem ideologischen Unverstand heraus sehen solche Einpeitscher überhaupt nicht, welche eigenständigen Berufswege wirkliche Selbständigkeit verkörpern. Als Beispiel: Ein Thomas Mann hatte kein Abitur und wurde dennoch Literatur-Nobelpreisträger.

Auch eine anti-militaristische (jedoch unausgesprochen vorhandene) Unterströmung lebt sich hier aus: Die Idee „Der Mensch fängt an beim Abiturienten!“ ist nichts als ein affektiver Reflex auf die von Carl Zuckmayer in seinem Theaterstück „Der Hauptmann von Köpenick“ überlieferte Herrenreiterphrase: „Der Mensch fängt an beim Offizier!“[1] Während jedoch die am militärischen Leitbild orientierten europäischen Gesellschaften lange Epochen hindurch formschaffend und formfestigend funktioniert haben, gleitet dagegen eine Abiturienten-Zivilisation nach sozialdemokratischem Vorbild immer mehr ab in leeres, geschwätziges Funktionärstum, in staatspfründnerisches Vorteilsdenken und in eine Zerstörung echter akademischer Fähigkeiten auf breiter Front.

Der rapide Niedergang von Form, Haltung, Ebenmaß, persönlicher Verantwortung und Tatkraft (zugunsten einer parasitären Mentalität) in der BRD hängt kausal eng mit der von Sozialdemokraten gewünschten und durchgesetzten Zerstörung des deutschen Gymnasiums zusammen. Das Verfahren der Banalisierung, Schädigung und Zerrüttung wertvoller Kenntnisse geht so: Zuerst allen deutschen Arbeitern sagen, daß sie kollektiv in die Mittelschicht befördert werden (dank SPD). Dann ein paar Millionen Fremdarbeiter ins Land holen, die alle nicht wahlberechtigt sind (mit dem Aufstieg der Grünen, die da nicht mitmachen und deutsche Pässe lieber gleich pauschal verschenken wollen, hat keiner in der alten SPD gerechnet). Diese Millionen Nicht-Wahlberechtigten hat die SPD gezielt als Unterschicht-Darsteller ins Land geholt. Die begleitende Konditionierung dazu war ein „Bildungsinhalt“ und ein staatlich vorgegebenes „Lernziel“, wonach dieser Überfremdungs- und Frühverrentungsvorgang als sogenannte „Qualifizierung“ an Schulen und Hochschulen gelehrt und abgeprüft wird.[2] (Wer diese Politik „verstanden“ hat, bekommt eine gute Zensur, wer sie nicht „verstanden“ hat, der ist nicht „qualifiziert“. An Universitäten existiert für den speziellen Zweck, eingeschärfte Ideologen dieses Typs zu erziehen, das „wissenschaftliche“ Fach „Kulturpolitik“.)

Alle die pensionierten, frühverrenteten – und auf andere Weise von der Selbständigkeit ferngehaltenen und aus dem Arbeitsleben hinauskomplimentierten – Deutschen (etwa auch Millionen absichtsvoll „geparkte“ Bummelstudenten an „geöffneten“ Universitäten) glauben gutmütig, daß das „Ökonomie“ sei, so auf Verschleiß zu fahren.

Sozialdemokratischer Arbeiterverrat

Sozialdemokraten gelten in mehrfachem Sinn als Arbeiterverräter: eben auch in dieser besonderen Hinsicht, daß sie das Handwerk mißachten. Das hängt ursächlich damit zusammen, daß man in Großkonzernen per Arbeitsrecht mühelos eine gewerkschaftliche Organisation hinklotzen kann (das erzeugt Posten für SPD-Funktionäre), aber in hunderttausend Kleinbetrieben niemand sich irgendwelches Politiker-Gewäsch anhört, das die totale Freizeit sowie schnelle Frühverrentung „bei vollem Lohnausgleich“ zum Inhalt hat. In Kleinbetrieben weiß jeder, wie knapp gerechnet wird, und daß ein freigehaltenes Gewerkschafterbüro außer diesem Funktionär niemandem irgendetwas bringt.

Zitate

  • „Eine ganz unmittelbare Folge des allgemeinen Akademisierungswahns ist im aktuellen Berufsbildungsbericht zu erkennen: Deutschland gehen die Lehrlinge aus. [...] Die Zahl der Ausbildungsverträge ging 2012 um 2,2 Prozent auf 551.272 zurück. So festgefügt ist das Dogma der fortschreitenden Akademisierung, daß kaum jemand beim Namen nennt, woran das vor allem liegt: Die Lehrlinge, die sich die Betriebe wünschten, sind zum großen Teil an den Hochschulen eingeschrieben. Die Universitäten werden überlaufen und dem dualen Ausbildungssystem, das als einer der größten Standortvorteile der deutschen Wirtschaft gilt und mittlerweile in zahlreichen Ländern weltweit nachgeahmt wird, gehen die geeigneten Leute aus.“ — Ferdinand Knauß, wiwo.de
  • „Eine zentrale Ursache des Akademisierungswahns der letzten Jahre ist der internationale Vergleich. Es läßt sich allerdings rasch feststellen, daß dieser regelmäßig in die Irre führt. So wird die Akademikerquote in den USA gerne mit über 40 % beziffert, während sie – bei Vergleich des Vergleichbaren – nach meiner Einschätzung im Sinne des deutschen Bildungssystems bei unter 10 % liegen dürfte.“ — Julian Nida-Rümelin
  • „Wäre diese Erziehung nur nutzlos, so könnte man sich damit begnügen, die unglücklichen Kinder zu bedauern, denen man statt vieler notwendiger Dinge lieber die Genealogie der Söhne Chlotars, die Kämpfe zwischen Neustrien und Austrasien oder zoologische Einteilungen beibringt; aber sie bildet eine viel ernstere Gefahr, sie bewirkt bei dem, der sie genossen hat, einen heftigen Widerwillen gegen die Verhältnisse, in denen er geboren ist, und den nachdrücklichen Wunsch, aus ihnen herauszukommen. Der Arbeiter will nicht mehr Arbeiter, der Bauer nicht mehr Bauer bleiben, und der letzte Kleinbürger sieht für seine Söhne keine andere Möglichkeit als die Laufbahn eines festbesoldeten Staatsbeamten. Anstatt die Menschen für das Leben vorzubereiten, bereitet die Schule sie nur für öffentliche Ämter vor, in denen man ohne einen Schimmer von Tatkraft Erfolg haben kann. Sie erzeugt am Fuße der sozialen Leiter die proletarischen Heere, die mit ihrem Los unzufrieden und stets zum Aufstand bereit sind; oben aber unsere leichtfertige, zugleich skeptische und gläubige Bourgeoisie, mit ihrem übertriebenen Vertrauen zur Staatsvorsehung, die sie gleichwohl unaufhörlich beschimpft, weil sie stets ihre eigenen Fehler der Regierung zuschiebt und unfähig ist, ohne die Vermittlung der Obrigkeit etwas zu unternehmen. Der Staat kann nur eine kleine Anzahl der Anwärter verwenden, die er mit Hilfe von Handbüchern fabriziert und dafür auszeichnet, und läßt die andern ohne Beschäftigung. Er muß sich also dareinfinden, die ersten zu ernähren und die andern zu Feinden zu haben. Von der Spitze bis zum Fuß der sozialen Pyramide belagert heute das riesige Heer der Anwärter die verschiedenen Ämter. Ein Kaufmann findet schwer einen Stellvertreter in den Kolonien, aber es gibt Tausende von Kandidaten, die sich um die bescheidensten öffentlichen Stellungen bemühen. Das Seine-Departement allein zählt zwanzigtausend beschäftigungslose Lehrer und Lehrerinnen, die Feld und Werkstatt verachten und sich an den Staat wenden, um leben zu können. Da die Zahl der Auserwählten beschränkt ist, so muß notwendigerweise die der Unzufriedenen ungeheuer groß sein. Sie sind zu allen Revolutionen bereit, gleichgültig unter welchem Führer und zu welchen Zielen. Der Erwerb unnützer Kenntnisse ist ein sicheres Mittel, einen Menschen zum Empörer zu machen.“Gustave Le Bon[3]
  • „In Deutschland machen immer mehr Jugendliche Abitur. Und auch mit den Noten geht’s stetig bergan. Doch schlauer sind die Schüler nicht geworden.“ — Jenni Roth[4]

Siehe auch

Literatur

  • ExpressZeitung: Hinter der Maske des Friedens – Die hybride Kriegsführung, Ausgabe 31 (Februar 2020), besonders: Schlachtfeld Bildung (S. 93–100), Vorstellung und Bezugsnachweis
  • Julian Nida-Rümelin: Der Akademisierungswahn: Zur Krise beruflicher und akademischer Bildung, edition Körber-Stiftung (2014), ISBN 978-3896841612
  • Roland Baader: Totgedacht. Warum Intellektuelle unsere Welt zerstören. Resch, Gräfelfing 2002, ISBN 3-935197-26-8
  • Dieter Haselbach / Armin Klein / Pius Knüsel / Stephan Opitz: Der Kulturinfarkt. Von allem zuviel und überall das Gleiche. Eine Polemik über Kulturpolitik, Kulturstaat, Kultursubventionen. Albrecht Knaus Verlag, München ²2012, ISBN 978-3-8135-0485-9
  • Caspar von Schrenck-Notzing: Charakterwäsche. Die Re-education der Deutschen und ihre bleibenden Auswirkungen. Ares-Verlag, Graz 2004 (3. Aufl. 2010), ISBN 978-3-902475-01-5

Verweise

Fußnoten

  1. Friedrich Wilhelm Voigt (1849–1922) war ein aus Ostpreußen stammender Schuhmacher. Bekannt wurde er als der Hauptmann von Köpenick durch seine spektakuläre Besetzung des Rathauses der Stadt Cöpenick am 16. Oktober 1906, in dem er – als Hauptmann verkleidet – mit einem Trupp gutgläubiger, vom ihm buchstäblich auf der Straße abkommandierter Soldaten den Bürgermeister verhaftete und die Stadtkasse raubte. Dieses Ereignis, das auf großes öffentliches Interesse stieß und als die Köpenickiade sprichwörtlich in die deutsche Sprache einging, wurde häufig künstlerisch verarbeitet. Besonders bekannt ist Carl Zuckmayers Theaterstück „Der Hauptmann von Köpenick“.
  2. Wer sich dafür interessiert, ein fast vollständiges Phrasenregister sozialdemokratischer Bildungspolitik zu erhalten, sei verwiesen auf die von Jürgen Habermas herausgegebene Aufsatzsammlung: Stichworte zur „Geistigen Situation der Zeit“, 2 Bde., Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1979 [= edition suhrkamp, Bd. 1000], ISBN 3-518-11000-4
  3. Gustave Le Bon: Psychologie der Massen. Mit einer Einführung von Helmut Dingeldey, Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 1968, S. 64 f. (französische Originalausgabe: 1895)
  4. Jenni Roth: Abitur für fast alle – Deutschland im Akademisierungswahn, Neue Zürcher Zeitung, 3. November 2014