Der Tod kam vom Himmel (Margit Alm)

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Feuersturm in Hamburg: Unvergeßlich und unverzeihlich.

Der Tod kam vom Himmel ist eine Schilderung von Margit Alm aus dem Jahre 2003 exklusiv für die inzwischen indizierte Weltnetzpräsenz des Deutschherrenklubs. Sie beschreibt darin den Bombenholocaust der britischen Terrorflieger während der kriegsverbrecherischenOperation Gomorrha“ in Hamburg im Juli 1943, den sie als kleines sechsjähriges Mädchen miterleben mußte. In Neu York referierte der Schriftsteller Julien Green in seinem Tagebuch kommentarlos eine Meldung aus Stockholm (die er der New York Times vom 5. August 1943 entnommen hat):

„Ein deutsches Kind, Flüchtling aus Hamburg, erreicht die Grenze nach der grauenvollen Bombardierung Hamburgs durch die RAF. Das Kind ist zwölf Jahre alt. Es trägt zwei Säcke, die es vor den Zöllnern öffnen muß; der erste enthält die Kaninchen des kleinen Jungen, der zweite den Leichnam seines zweijährigen Bruders.“

Aus der Sicht eines Kindes

Quelle
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Der Tod kam vom Himmel

Hamburg, Juli 1943 – Aus der Sicht eines Kindes

Es war ein besonders warmer, sonniger Julitag gewesen, wie man ihn in Hamburg nicht oft erlebt. Wie so oft hatten wir, in unsere Ausgehkleider gehüllt, die beruhigende Wasser- und Gartenlandschaft der Binnen- und Außenalster auf einem langen Spaziergang genossen.

Wir wohnten in Hamburgs Innenstadt (Heuberg) in einem großen Wohnblock, der aus Geschäfts- und Privatwohnungen bestand, ungefähr 300 m entfernt vom Jungfernstieg und der Binnenalster.

Jetzt lagen wir – meine ältere Schwester, mein zweijähriger Bruder und ich – sicher und müde im Bett. Eine ältere Dame aus der Nachbarwohnung wachte über uns, während meine Mutter sich auf den Weg zum Hauptbahnhof machte, um meinen Vater abzuholen, der als Wehrmachtssoldat in Norddeutschland stationiert war. Eine in der Ukraine zugezogene Kriegsverletzung wurde dort ausgeheilt. Zu unserer größten Freude durfte er seine freien Tage in Hamburg verbringen.

Meine Eltern waren soeben wieder in der Wohnung angekommen, meine Mutter hatte den Wasserkessel für eine abendliche Tasse Kaffee aufgesetzt und den frisch gebackenen Kuchen angeschnitten, als die Sirenen auf Vollalarm heulten und gleichzeitig das brummende Geräusch der Bomber in unsere Ohren drang. In aller Eile wurden wir aus den Betten gerissen und in die noch vom Nachmittag bereitliegenden Kleider gesteckt. Meine Mutter griff nach ihrer stets bereit liegenden Handtasche, in welcher Papiere und Fotos aufbewahrt wurden; dann sausten wir in Windeseile von der vierten Etage die Treppen hinunter in den Keller. Zwischen der dritten und vierten Etage befand sich ein Fenster. Neugierig guckte ich hinaus und sah mit Schrecken in die den Himmel erleuchtenden „Weihnachtsbäume“ und in die in Massen fallenden Bomben.

Bei früheren Angriffen hatte ich immer eine stoische Ruhe bewahrt und haßte es, aus dem Schlaf gerissen zu werden. Ich vertrat mit der Weisheit einer Sechsjährigen den Standpunkt, daß ich den Bomben nichts tue, dann tun sie mir auch nichts. Was ich in einer Sekunde durch das Fenster sah, machte diesem Standpunkt für immer ein Ende.

Wir hockten, zusammen mit den anderen Hausbewohnern, im Keller. Jeder war mit seinen eigenen Gedanken und seiner eigenen Angst beschäftigt. Meinen Vater hielt es nicht im Keller. Er raste die vier Stockwerke bis zur Dachkammer hinauf und löschte Brandstellen, wo er sie fand, insgesamt achtzehn. Aber er allein kam nicht gegen die Gewalt einer Tausend-Bomben-Ladung an, die aufs Nachbarhaus gefallen war und sich blitzschnell auf unseren Block ausdehnte.

Als er in den Keller zurückkam, nahm er meine weinende Mutter in den Arm, sagte ihr, daß alles verloren sei und alle schnellstens den Keller verlassen müßten, da Erstickungsgefahr vom Rauch bestand. Schon fing der als bombensicher geltende Keller an, sich mit Rauch zu füllen. Mit nassen Taschentüchern vorm Gesicht eilten wir ins Foyer des Gebäudes, wo der einzige Ausgang ins Freie lichterloh brannte. Mein Vater ergriff einen einsam dastehenden Stuhl und schlug das neben dem Ausgang befindliche Fenster ein, durch das wir dann alle entflohen.

Entwarnung war noch nicht gegeben worden. Unsere Gruppe mußte eine sofortige neue Bleibe finden. 50 m straßabwärts, an der Ecke Große Bleichen/Bleichenbrücke, stand das noch ziemlich unbeschädigte Kaufmannshaus (es sollte den Krieg überdauern), wohin wir, geführt von meinem Vater, vorübergehend hinflüchteten, während er weiterlief und einen Bunker in den Großen Bleichen auskundschaftete, der uns dann für den Rest der Nacht beherbergte.

Als wir aus dem Kaufmannshaus heraustraten, stahl ich einen Blick auf unseren Wohnblock, wo ich so viele unbeschwerte, fröhliche und behütete Jahre verbracht hatte. Es stand da, als eine stumme und dunkle Silhouette in den feuererleuchteten Himmel hinausragend. Oben aus dem Dach loderten die Flammen; sie verschlangen das Haus von innen und mit ihnen die Träume meiner Kindheit.

Auf der gegenüberliegenden Seite, keine 5 m von uns entfernt, fiel krachend und knisternd ein lichterloh brennendes Gebäude in sich zusammen und schickte einen Schwall von Phosphorregen in unsere Richtung. Ein Funke muß mich im Gesicht getroffen haben. Ich zog mir eine Verletzung zu, und meine Mutter befürchtete, daß ich erblinden könnte. Zum Glück war dem nicht so.

Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob ich Angst hatte. Es war auch keine Zeit da, Angst zu haben. Man lief um sein Leben. Dieser Bombenangriff war eine total neue Erfahrung nicht nur für mich, sondern für uns alle. Ich vertraute voll und ganz auf meinen Vater, daß er uns sicher aus dieser Hölle rausführen würde.

Spielende Kinder zwischen Trümmern und Hausruinen in Hamburg, ein letztes Bißchen Normalität nach dem Terror von oben.

Wir hatten frühere Angriffe über Hamburg durchgestanden, die im Verhältnis wenig Schaden hinterließen. Ja, wir Kinder hatten unsere Freude daran, am Tage nach dem Angriff durch die Straßen der Innenstadt zu strolchen und uns den Schaden anzusehen. Diese Angriffe dienten in erster Linie der Zerstörung von Infrastruktur, wie z. B. der Hafen. Zum ersten Mal wurde mehr als Infrastruktur zerstört. Trotzdem glaube ich nicht, daß dieser Angriff auf die Zivilbevölkerung gezielt war, denn es wohnten in der Innenstadt verhältnismäßig wenige Zivilpersonen. Vielleicht war es ein Übungsangriff für das, was noch kommen sollte.

Sobald die ersten Morgenstrahlen den Tag ankündigten, machte mein Vater sich auf den Weg zu der ungefähr 4 oder 5 km entfernt liegenden Wohnung meiner Tanten, auf der anderen Seite der Innenstadt, am äußersten Rande von St. Georg. Hier befanden sich ausschließlich Wohnhäuser, die in dieser Nacht dem Bombenangriff entgangen waren. Mühselig arbeiteten wir unseren Weg durch die Straßen, wo uns im hellen Tageslicht die Zerstörung der Nacht so richtig graphisch vor Augen geführt wurde.

Die Wohnung meiner beiden Tanten war ein sicherer Hafen – so glaubten wir. Doch hatten wir kaum Zeit, uns etwas einzuleben und von dem Schrecken des Angriffes zu erholen, als bei Dunkelheit wiederum Vollalarm gegeben wurde. Wiederum eilten wir hastig in den Keller; ich trug nur einen viel zu großen Pyjama meiner etwas klein-gewachsenen Tante. Es blieb keine Zeit, zusätzliche Kleidung anzuziehen. Wiederum hockten wir stumm auf den Stühlen und Bänken und warteten auf die Dinge, die da kommen sollten. Nur war die Kellerbevölkerung dieses Mal wesentlich größer, da fünf Stockwerke von Zivilpersonen bewohnt wurden. Wiederum übernahm mein Vater, der nun Sonderurlaub bekommen hatte, um seine Familie in Sicherheit zu bringen, die Aufgaben des Luftschutzwartes und patrouillierte im Eilschritt das Treppenhaus. Und wiederum mußten wir schnellstens das Haus verlassen, nicht weil Rauch in den Keller drang, das war noch nicht der Fall, sondern weil mein Vater im Schacht des Hauses einen Zeitzünder entdeckte, der jeden Augenblick explodieren und das Haus zerreißen konnte.

Aber wohin sollten wir uns wenden? Auch hier hatte mein Vater herausgefunden, daß in nicht allzu weiter Entfernung der Luftschutzdienst mit Hilfe von Dynamit einen Mauerdurchbruch zur U-Bahn geschaffen hatte. Das sollte unsere Rettung werden. Mein Vater führte die Gruppe, meinen Bruder auf dem Arm tragend, dann folgte meine Mutter, die mich an der Hand führte, darauf meine Tante mit meiner Schwester, gefolgt von allen anderen. Als ich aus dem Türeingang heraustrat, blieb ich starr vor Schrecken auf der obersten Stufe stehen, riß mich von der Hand meiner Mutter los und schrie: „Da durch laufe ich nicht“ . Meine Mutter, von ihrem eigenen Momentum angetrieben, lief hinter meinen Vater hinterher und jammerte: „Ich habe Margit verloren“. (Ich habe mich später im Leben oft gefragt und nie meine Eltern zu fragen gewagt, was mein Vater in dem Augenblick von meiner Mutter dachte.) Ich erblickte ein unvorstellbares Inferno. Jedes Haus brannte lichterloh, angefacht von den starken Winden. Der Phosphorregen prasselte und wirbelte vom Himmel herunter und die Straße schien wie glühende Kohlen zu sein. Zu meiner Linken sah ich die Leute ein nach dem anderen an mir wie Schatten vorbeihuschen; sie ignorierten mich; jeder war mit sich selbst und seiner Hölle gucken zu müssen. Ich merkte, wie meine Pyjamahose beim Laufen von mir runterrutschte.

Nach einigen Minuten, die mir wie eine Ewigkeit düngten, fühlte ich wieder Boden unter den Füßen, spähte in einen dunklen Gang hinein und sah über mir das Gesicht meines Vaters und das meines Retters. Mein Retter war ein junger Holländer, der in dem Wohnblock lebte und meine Tanten sowie uns Kinder gut kannte. Mein Vater, nachdem er den Rest seiner Familie in Sicherheit wußte, hatte auf der Stelle kehrt gemacht und war auf dem Weg zurück zum Wohnblock, um mich zu holen. Er wäre zu spät gekommen, denn der Zeitzünder explodierte ganz kurz nachdem alle Bewohner das Gebäude verlassen hatten. Nur Trümmer blieben übrig. Das nennt man Glück im Unglück haben.

Durch den langen Gang und diesmal an der Hand meines Vaters erreichten wir den U-Bahn-Tunnel, wo wir den Rest der Nacht auf den Schienen hockend verbrachten, zusammen mit einer großen Menge von Passanten. Am nächsten Morgen besah sich mein Vater den Schaden der vorhergehenden Nacht bei Tageslicht. Sein Bericht war erschreckend: die Leichen lagen stapelweise aufeinandergehäuft am Straßenrand. Um uns, vor allem uns Kindern, diesen Anblick zu ersparen, liefen wir über eine längere Strecke entlang den Schienen, bis wir an einen U-Bahn-Ausgang kamen, der von dem Feuersturm der Nacht nicht betroffen wurde.

Ein Bus brachte uns in ein großes Auffanglager in Neumünster zur weiteren Verteilung über Norddeutschland. Eine neue Episode, die der Evakuierten, begann. Wir sollten Hamburg für mehr als vier Jahre nicht wiedersehen.

Mein Vater ist als Soldat mit mehreren Kriegsorden ausgezeichnet worden, die er am Ende des Krieges allesamt in einen Bach warf, da sie seine Flucht aus der russischen Gefangenschaft behindert hätten. Für mich aber war er der Held, der seine Familie und alle anderen Hausbewohner vor dem sicheren Tod bewahrte. Dafür hat er keine Medaille bekommen. Die meisten Kellerinsassen waren Frauen und Kinder. Aber ich erinnere mich an vereinzelte Männer. Niemand, außer dem Holländer, zeigte Initiative. Alle folgten willig dem Wehrmachtssoldaten.

Margit Alm

25. Mai 2003 – Melbourne, Australien

Nachwort:

Man mag sich fragen, warum ich, nach so langer Zeit, bereit bin, diese Erinnerungen zu Papier zu bringen. Dafür gibt es mehrere Gründe:

Es ist wohl über keinen Krieg mehr geschrieben und gefilmt worden, als über den Zweiten Weltkrieg. Das Ende haben wir noch lange nicht gesehen. Vieles was berichtet wird, wird verzerrt dargestellt oder zu einseitig.

Die jüdische Gemeinde hat aus ihrem Leiden eine Kunst/Religion/Industrie entwickelt. Einem Menschen vom Mars könnte verziehen werden, wenn er dächte, daß nur diese Gruppe gelitten hat. Es haben alle gelitten: der Schuldige wie das Opfer. Und wer ist der Schuldige und wer ist das Opfer? Es muß etwas Gleichgewicht in diese Kriegsberichte gebracht werden.

Ich habe Jörg Friedrichs „Der Brand“ gelesen und bin erschüttert. Meine Erlebnisse verblassen gegenüber denen in dem Buch. „Der Brand“ ist technisch und statistisch sehr detailliert, aber er befaßt sich nur in Kurzform (ich möchte es fast Punktform nennen) mit den persönlichen Ängsten und Nöten der Betroffenen. Welche Gedanken sind durch die Gehirne der Leute geflogen, wie haben sie gelitten, waren sie Helden oder Feiglinge usw. usf. Wenn man auch nicht ein umfassendes Werk wie Steven Spielbergs „Shoah“ auf die Beine stellen kann, vielleicht werden einige Leser, wenn sie diesen Bericht lesen, dazu veranlaßt, ihre jahrzehntelang aufbewahrten Geheimnisse mit der restlichen Welt zu teilen. Ich hoffe nur, daß „Der Brand“ in andere Sprachen, vor allem ins Englische, übersetzt wird.

Die jungen Generationen sind an der Vergangenheit interessiert. In Australien wird am 25. April jeden Jahres ANZAC gefeiert, ein Heldengedenktag, vornehmlich für die im Ersten Weltkrieg Gefallenen (inzwischen leben keine Soldaten vom Ersten Weltkrieg mehr), aber inzwischen auf alle Kriege seit der Zeit ausgedehnt. Die Enkel und Urenkel der Ersten-Weltkrieg-Generation, beginnen großes Interesse zu zeigen. Sie arbeiten sich durch Familiendokumente, tragen die Auszeichnungen der Groß- und Urgroßväter und reisen zu den in anderen Ländern befindlichen Soldatenfriedhöfen.

Unser hier in Australien geborener und aufgewachsener Sohn, jetzt 30 Jahre alt, ist sehr daran interessiert, daß seine Eltern ihre Kriegserlebnisse aufzeichnen (Englisch natürlich, da es mit dem Deutschen bei ihm etwas holperig ist.) Ich bin davon überzeugt, daß, sollte er mal Kinder/Enkelkinder haben, dieses Interesse wachsen wird.