Die Reise nach Tilsit (Film)

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FILM

Die Reise nach Tilsit.jpg
Filmdaten
Originaltitel: Die Reise nach Tilsit
Produktionsland: Deutsches Reich
Erscheinungsjahr: 1939
Laufzeit: 93 Minuten
Sprache: Deutsch
Filmproduktion: Majestic-Film GmbH
Erstverleih: Tobis-Filmkunst GmbH
IMDb: deueng
Stab
Regie: Veit Harlan
Regieassistenz: Wolfgang Schleif
Drehbuch: Veit Harlan,
Wolfgang Schleif
Vorlage: Hermann Sudermann
Produzenten: Franz Tappers,
Helmut Eweler
Produktionsleitung: Bruno Lopinski
Musik: Hans-Otto Borgmann
Ton: Hermann Stör
Kamera: Bruno Mondi
Kameraassistenz: Erich Grohmann
Optische Spezialeffekte: Erich Kilian
Bauten: Fritz Maurischat,
Paul Markwitz
Aufnahmeleitung: Kurt Heinz,
Paul Goergens
Schnitt: Marianne Behr
Besetzung
Darsteller Rolle
Kristina Söderbaum Elske Settegast
Frits van Dongen Fischer Endrik Settegast
Anna Dammann Madlyn Sapierska
Alfred Karen Besitzer des Pelzgeschäfts
Heinz Müller Dicker Mann auf dem Jahrmarkt
Wolfgang Kieling Klein Franz
Joachim Pfaff Klein Jons
Ferdinand Robert Gast im Café in Tilsit
Bruno Ziener Ober im Café
Manny Ziener Frau Pependieck
Lotte Spira Frau im Café
Ernst Legal Herr Wittkuhn
Charlotte Schultz Frau Wittkuhn
Max Wilmsen Begleiter der Frau im Café
Betty Waid Alte Frau aus dem Dorf
Eduard von Winterstein Elskes Vater
Clemens Hasse Mann aus der Straßenbahn
Eduard Wenck Dorfbewohner
Heiner Dugal Klein Wittkuhn
Albert Florath Lehrer
Babsi Reckewell Mariechen
Jakob Tiedtke Gastwirt
Paul Westermeier Ausrufer

Die Reise nach Tilsit ist ein deutsches Filmdrama von 1939. Der Film wurde vom 6. Feburar bis Mai 1939 in Karkeln (Kurische Nehrung), Tilsit, Pillkoppen, Nidden, Wollin und im Wellenbad Leipzig gedreht. Die Uraufführung fand am 15. November 1939 im Capitol in Berlin statt.

Handlung

Quelle
Folgender Text ist eine Quellenwiedergabe. Unter Umständen können Rechtschreibfehler korrigiert oder kleinere inhaltliche Fehler kommentiert worden sein. Der Ursprung des Textes ist als Quellennachweis angegeben.
Die Aufnahmen am Haff hatten ein interessiertes Publikum
Rechts Regisseur Veit Harlan, links der Kinderdarsteller Joachim Pfaff

Endrik Settegast ist ein wohlsituierter Großfischereibesitzer auf der Kurischen Nehrung. Er hat eine junge Frau und ein vierjähriges Kind. Die Ehe verläuft in der Harmonie des Alltags, als plötzlich Madlyn Sapierska, eine Polin oder, wie Elske sagt, eine Frau irgendwo aus Rußland oder von der polnischen Grenze, als Sommergast nach Elchweiden kommt. Wie alle Fischer, hat auch Endrik Settegast den Sommergästen ein Zimmer überlassen, und so wohnt Madlyn Sapierska bei Settegasts, und zwischen Endrik und ihr erwacht eine große, die Ehe zerstörende Liebe. Elske kämpft wie eine Löwin um ihren Mann, aber Endrik, der Elske wohl noch liebt, unterliegt dem Reiz des Fremden, des Neuen. Jedoch kann er sich nicht entschließen, sich von seiner Frau zu trennen.

Er glaubt, es sei das Kind allein, das er abgöttisch liebt und von dem er sich nicht trennen will. Er weiß noch nicht, daß die Wurzeln seines Lebens so tief in seine Ehe und in seine Beziehung zu Elske geschlagen sind, daß er diese Ehe nie verlassen kann, ohne selbst daran zugrunde zu gehen. Daher ist er entschlußlos, und Madlyn Sapierska fährt ab, weil sie glaubt, niemals den Mann für sich gewinnen zu können, aber Madlyn, die im Sommer gekommen war, im Winter wiederkam und wieder wegging, kommt im Frühjahr noch einmal. Der ganze kleine Ort erregt sich über den Störenfried. Der Vater von Elske wird gerufen, und er glaubt, mit Brachialgewalt Madlyn Sapierska dazu bewegen zu können, von Endrik zu lassen. Er schlägt ihr mit einer Hundepeitsche auf der Straße vor den Leuten ins Gesicht, und Madlyn muß beschämt Elchweiden verlassen, da sie sich gar nicht mehr auf der Straße vor den Leuten zeigen kann. Die Kinder äffen ihr schon nach. Aber alles nützt nichts. Madlyn ist nicht jene lockere, oberflächliche Frau, für welche Elske und ihr Vater und die Leute in Eichweiden sie halten, und Endrik liebt Madlyn scheinbar mehr, als man es glaubte. Sie treffen sich außerhalb Elchweidens, und die Beziehungen dauern an. Endrik ist durch die Gewalttat seines Schwiegervaters, von welcher er glaubt, daß seine Frau sie gewollt und erbeten hat, in einen namenlosen Haß gegen seine Frau gebracht worden. Die Ehe scheint völlig zerrüttet. Es sind nur Haß und Schweigen zwischen den beiden. Und die Versuche Elskes, durch ein Gespräch eine Besserung herbeizuführen, scheitern. Endrik sucht die Gewalt, mit welcher man Madlyn vertrieb und mit welcher man ihn zwingen wollte, von ihr zu lassen, mit Gewalt zu beantworten. Er will das Kind nicht lassen und will sich von seiner Frau trennen.

Seine Frau antwortet ihm in höchster Verzweiflung, daß sie eher ins Wasser springt und das Kind mitnehmen werde, ehe es eine neue Mutter bekommt. Ihre Liebe zu ihrem Kinde, aber auch ihre Liebe zu Endrik lassen sie wie eine Megäre erscheinen. Haß und Liebe, Kraft und Krampf und Unverstand steigern die beiden Menschen so gegeneinander, daß sich Endrik entschließt, Elske, seine Frau, zu töten. Er besteigt mit ihr ein Boot. Er will nach Tilsit fahren, sagt er, und sein Pferd verkaufen. Über das Haff will er mit Elske und dem Pferd fahren, denn es ist der direkte Weg nach Tilsit zum Pferdemarkt. Elske ahnt, was ihr droht. Sie weiß, Endriks Gedanken gehen die dunkelsten Wege, und dennoch fährt sie mit. Sie fährt mit, weil sie nun weiß, daß alle Gewalt keinen Sinn gehabt hat, daß nur noch das größte Opfer die Heilung dieser völlig zerstörten Ehe bringen kann. Sie weiß, sie wird niemals Endrik das Kind nehmen können, und sie selbst wird nie ohne das Kind leben wollen. Sie weiß, sie wird niemals Endrik zurückgewinnen können, solange sie Madlyn mit Gewalt von ihm trennt, und sie weiß, daß ohne das Kind und ohne Endrik ihr Leben sinnlos und inhaltlos geworden ist. Also macht sie diese Fahrt mit, die ihren Tod bedeuten kann. Endrik ahnt nicht, daß Elske seine dunklen Gedanken erraten hat. Und erst kurz bevor er seine Tat vollführen und sein Schiff kentern lassen will – scheinbar als sei ein Unglück geschehen –, sieht er die ganze Größe seiner Frau, die er verlassen will. Er gibt ihr das Steuer in die Hand – sie soll selbst in den Strudel hineinfahren. Und sie tut es. Sie fährt in der Richtung weiter, die ihren sicheren Tod bedeutet. Endrik, der wohl die böse Tat ersinnen, aber niemals ausführen konnte, schreit verzweifelt Elske an: „Willst du denn sterben?"

Elske antwortet nur noch: „Wenn du es willst, ja. Was soll ich denn noch auf der Welt?!" – „Kehr um, Elske", schreit Endrik, „kehr um!" Elske sagt mit einem tieferen Gedanken, der hinter diesen Worten wohnt: „Umkehren kannst nur du!" Und Endrik kehrt um, sie fahren nach Tilsit. Dort geht er neben seiner Frau, die er töten wollte. Durch das fürchterliche Verbrechen, vor dessen Ausführung er so dicht stand und das nur die Größe Elskes verhindert hat, ist er wie umgewandelt. Er weiß aber nicht, ob er Eiske liebt. Er sieht sich nur im Spiegel als einen Mörder, als den Mörder der Mutter seines Kindes. Er wagt Elske nicht mehr anzuschauen. Er läuft neben ihr her, und als die Kräfte sie verlassen, da das fürchterlichste Weh ihr Herz zu zerreißen droht, darf er sie nicht einmal mehr berühren. Er darf ihr nicht einmal mehr helfen. Zu nichts mehr hat er ein Recht. Er hat kein Recht auf ihre Liebe, und er hat kein Recht mehr, sie zu lieben, er hat kein Recht mehr zu helfen. Er hat nicht einmal ein Recht zu leiden. Vor sich selbst ist er ausgestoßen von allen Rechten, die Menschen untereinander haben. Elske findet sich langsam wieder und sieht Endrik in seiner namenlosen Verzweiflung. Ihre Liebe ist so unendlich groß, daß sie sogar das Geschehene überwindet, und so gewinnt sie Endrik in Tilsit zurück. Wie ein Rausch geht es über die beiden, die sich wieder finden, und ein wirklicher Rausch – Champagner – vertreibt ihnen alle vernünftigen Gedanken, denn die Vernunft stand beiden noch im Wege, auf welchem sie sich wieder finden wollten. Endrik hat das Pferd nicht verkauft. Elske zuliebe nimmt er es nun wieder mit zurück nach Elchweiden. In ihrem Rausch fahren sie zurück. Sie sehen nicht das aufkommende Wetter. Sie schützen sich zu spät. Und was Endrik tun wollte, das tut nun der Herrgott. Er wirft das Schifflein um. Es ist Nacht. Elske, die sich die kleine Schnur, welche vom Halfter des Pferdes herunterhing, um den Arm gewickelt hatte, um das Pferd zu halten, wird nun von dem Pferd, nachdem das Schifflein umgeschlagen ist, durch das nächtliche Haff gezogen. Am Ufer bleibt sie liegen, und neben ihr steht das Pferd. Endrik glaubt, Elske sei ertrunken. Herbeieilende Schiffer finden sie auch nicht. Sie bringen Endrik nach Hause.

Madlyn Sapierska hat auf Endrik in der Nähe von Elchweiden gewartet. In der Ferne sieht sie das Schifflein mit den Fackeln. Sie hört, daß ein Unglück geschehen sein soll. Sie ahnt, wen das Unglück betroffen hat und läuft nun das Ufer entlang nach Elchweiden in schrecklichster Unruhe um Endrik. Plötzlich steht ein Pferdekopf vor ihr in der Nacht. Sie sieht Elske zu Füßen des Pferdes. Voller Entsetzen reißt sie Elske hoch, die aber ihrer Sinne nicht mächtig ist. Das Unglück und der Champagner, alles zusammen, haben ihr für die schlimmsten Stunden gnädig die Besinnung genommen, und jetzt erkennt sie Madlyn und schreit, als sehe sie den Teufel. Madlyn läuft von ihr fort. Sie erfährt noch, daß Endrik lebt. Dann aber wendet sie sich ab und geht zurück in die Stadt, wo sie hingehört. Endrik und Elske aber finden sich über dem Bettchen ihres Kindes wieder. Endrik will Elske jetzt einen Schwur leisten, daß er in seinem ganzen Leben immer nur ihr ... „Sag nichts – frag nichts –“ sagt Elske, „ich weiß alles." Elske gibt ihm die Hand, und das halbschlafende Kind sagt: „Mutti, mach das Licht aus!" Elske löscht das Licht, und noch im Dunkel schauen die beiden Menschen, Endrik und Elske, sich an, und wir ahnen, daß ein neues, nun dauerndes Licht um sie ist.


Wissenswertes

Der Regisseur Veit Harlan erklärte zu dem Film 1939:

„Am Anfang war diese Reise eine Novelle, geschrieben von dem ostpreußischen Dichter Hermann Sudermann. Es wird geschildert, wie eine fremde Frau in den Frieden einer jungen Familie von Vater, Mutter und Kind eindringt. Sie fesselt den Mann erotisch an sich. Während eines Schiffsunglücks auf dem Haff erreicht die seelische Katastrophe ihren Höhepunkt und ihr Ende. Bei Sudermann ist die fremde Frau eine Magd, die besessen ist von einer widerlichen, hemmungslosen Triebhaftigkeit. – Später griff der deutsche Regisseur F. W. Murnau diesen Stoff noch einmal auf und verwandelte ihn für die Zwecke von Hollywood im Stummfilm zum Drama der menschlichen Bösartigkeit schlechthin. Der Film hieß ‚Sunrise‘ (‚Sonnenuntergang‘). Murnau verwandelte die fremde Frau in ein raffiniertes, verlorenes Geschöpf aus der Weltstadtgosse, das erfüllt war von unzüchtigen und berechnenden Instinkten. Er begnügte sich auch nicht mit Tilsit. Er baute aus Stahl und Beton ein modernes Babylon auf, das ungefähr wie Manhattan aussah.“ (Es ist übrigens zu bemerken, daß F. W. Murnau – ungeachtet dessen, daß er Konzessionen an den amerikanischen Geschmack machen mußte – diesen Film ausgezeichnet inszeniert hatte. Schriftleitung)

In Harlans Neufassung der „Reise nach Tilsit“ ist die fremde Frau eine Polin. Aber nur noch der Anflug des Ausländischen hebt sie dramaturgisch gegen die Ehefrau ab. Sie ist eine durchaus vollendete Dame. Sie ist charakterlich der Ehefrau im Grunde gleichwertig. Ihre Liebe zu dem verheirateten Mann ist von der Gewalt und der Unfaßbarkeit eines Naturereignisses. Es ist nichts Schmutziges und Minderwertiges mehr darin. Von dieser neuen Problematik geht Harlan aus. Er erklärte weiter:

„Ich verzichte auf das Schwarz-Weiß der herkömmlichen Dramaturgie, die die Guten säuberlich von den Bösen scheidet. Es hat sich leider in der Überzahl der Filme so eingebürgert, daß der intrigante Schurke sich während jedes Atemzuges und ohne Pause als schlechter Mensch erweist. Ich bin aber überzeugt, daß es absolut böse Menschen nicht gibt. Ich erkenne den Gegensatz von Gut und Böse, so dramaturgisch alt er schon sein mag, nicht an und will ihn durch einen neuen Gegensatz Stark und Schwach bewußt vermeiden.“

Harlan hatte gerade mit der Rollenbesetzung der fremden Frau in seinem Film die meisten Schwierigkeiten. Zwei sehr bekannte Schauspielerinnen lehnten das Angebot rundweg ab. Sie spielten, sagten sie entrüstet, keine Frau, die in eine Ehe einbricht. Harlan schilderte hierzu:

„Ich erschrak, als ich das hörte. Viele Filmdarstellerinnen glauben sehr naiv, man müsse sich dem Publikum immer so sympathisch wie möglich zeigen. Nun – ich meine, die Kunst stellt größere Aufgaben als nur die, immer und ewig sympathisch zu wirken. Sie stößt ins Dämonische, ins Unbegreifliche vor. Und ich für meine Person bin nicht zum Film gegangen, um diesen Anspruch der Kunst unterdrücken zu helfen. Ich habe von den beiden Damen nicht verlangt, sie sollten Typen von abstoßender Häßlichkeit oder überhaupt etwas Unästhetisches darstellen. Es kommt bei diesem Stoff ja gerade darauf an, daß die fremde Frau der Gattin des Mannes in nichts nachsteht.“

Harlan ging nach seinen unbefriedigenden Erfahrungen in die den Dämonen offnere Welt des Theaters, um die fremde Frau – Gegenspielerin für Kristina Söderbaum – zu suchen. So kam Anna Dammann vom Berliner „Deutschen Theater“ zu ihrer ersten Filmrolle. Es war keine Verlegenheitslösung. Harlan hatte sie mit gutem Gewissen entdeckt. Er zog es vor, mit Schauspielern zu arbeiten, die noch keine Filmroutine hatten. Aus diesem Grund hatte er auch die Söderbaum aus dem Heer der Unbekannten geholt. Hierzu sagte er 1939:

„Diese Schauspieler, glauben einem noch alles, was man an Impulsen und Korrekturen in sie hineinpumpt, und sie wollen gar nicht wissen, wie sie ihr Profil in der Großaufnahme halten müssen damit es zwar unglaublich schön, aber filmkünstlerisch fehl am Platze wirkt. Sie fühlen sich in ihrem Idealismus einer künstlerischen Gemeinschaftsarbeit verschworen. Sie gehen vorbehaltlos mit.“[1]

Filmplakate

Fußnoten