Dogmatismus

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Unter Dogmatismus (von altgr. δόγμα, dógma, „Meinung“, „Lehrsatz“; „Beschluss“, „Verordnung“) versteht man im allgemeinen das Sichberufen auf eine ungeprüft hingenommene Lehre (bzw. auf ein Dogma). Für Kant stellt der Dogmatismus die (fälschliche) Annahme dar, daß der Mensch die Wirklichkeit durch bloße Begriffe, mittels bloßer Vernunft erkennen könne.

Gegensätze des Dogmatismus' sind der Skeptizismus und Kritizismus bzw. die Kritik und Skepsis.

Wissenschaft

In der Wissenschaft stellt der Dogmatismus eine Richtung dar, die der Prüfung der Fundamente von vornherein abgeneigt ist, weil sie sich im Besitz des selbst Postulierten völlig sicher glaubt (Grundlagen des Universitätsfaches Theologie etwa sind ausnahmslos Artefakte und Festlegungen).

Allerdings sind erfahrungsgemäß auch Wissenschaftler nicht nur privat Dogmatiker, sondern namentlich auch in ihrem Fach. Der jüdischstämmige Wissenschaftstheoretiker Thomas S. Kuhn wurde weltberühmt mit seiner Analyse unter dem Titel „Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen“, ein Buch, in welchem er eingehend schilderte, in welch hohem Maß die Entfaltung einzelner Fachwissenschaften gerade nicht durch kontinuierliche Veränderungen stattfinde, sondern durch quasi revolutionäre Prozesse. Diese wiederum lösen sogenannte Paradigmenwechsel aus (dieser Ausdruck wanderte aus dem Buch von Kuhn seither in den Alltag aller Kultursprachen). Das heißt: Ein für ausschlaggebend erklärtes Beispiel in zentraler Argumentationsfunktion wird – von einer nachwachsenden Generation von Forschern – mit guten oder vorläufigen Gründen ausgetauscht durch ein anderes für ausschlaggebend erklärtes Beispiel.

Das hohe Maß an dogmatischem Denken innerhalb der Wissenschaften, kann ebenso auch abgelesen werden an der Existenz von Zitatkartellen, die Forschungsmittel einwerben helfen, Karrieren begründen oder beenden und den Denkstil eines Faches während einer Generation vorprägen können.

Friedrich Nietzsche: „Vorausgesetzt, dass die Wahrheit ein Weib ist...“

Die klassiche Aussage des europäischen Denkens zu Dogma, Dogmatismus und Dogmatikern, stammt von Friedrich Nietzsche. Er schrieb den berühmten Verdacht nieder, welcher besagt (in seinen Worten):

„Vorausgesetzt, dass die Wahrheit ein Weib ist -, wie? ist der Verdacht nicht gegründet, dass alle Philosophen, sofern sie Dogmatiker waren, sich schlecht auf Weiber verstanden? dass der schauerliche Ernst, die linkische Zudringlichkeit, mit der sie bisher auf die Wahrheit zuzugehen pflegten, ungeschickte und unschickliche Mittel waren, um gerade ein Frauenzimmer für sich einzunehmen? Gewiss ist, dass sie sich nicht hat einnehmen lassen: - und jede Art Dogmatik steht heute mit betrübter und muthloser Haltung da.“[1]

Diese Feststellung Nietzsches mag stimmen für seine Zeit. Im ausgehenden 19. Jahrhundert wurden gesellschaftliche Machtansprüche und normative Geltungsansprüche tatsächlich weniger denn je auf blanken Dogmatismus gestützt. Monarchien wurden zu konstitutionellen Monarchien und Regelsysteme aller Art, Gesetzgebungen, wurden mehr und mehr öffentlichen Kontrollverfahren ausgesetzt. Im 20. Jahrhundert änderte sich das Klima jedoch beträchtlich.

Der dogmatische Kommunismus, der ganz neu entstandene evangelikale Fundamentalismus,[2] der Wiederaufstieg des islamischen Fundamentalismus´ und nicht zuletzt die links-autoritär gefärbte Version eines Ökologie-Dogmatismus´ (samt CO₂-Ablaßhandel und verbalen Bußpraktiken), hat die geistig-spirituelle Situation in der späten Neuzeit völlig verändert. Nietzsche könnte seine vielen weiteren Ableitungen heute nicht mehr so vortragen. Wenn auch sein grundlegender Verdacht, daß die Wahrheit ja vielleicht „ein Weib“ sei, eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich beanspruchen darf.

Zitat

  • „Vorausgesetzt, dass die Wahrheit ein Weib ist -, wie? ist der Verdacht nicht gegründet, dass alle Philosophen, sofern sie Dogmatiker waren, sich schlecht auf Weiber verstanden? dass der schauerliche Ernst, die linkische Zudringlichkeit, mit der sie bisher auf die Wahrheit zuzugehen pflegten, ungeschickte und unschickliche Mittel waren, um gerade ein Frauenzimmer für sich einzunehmen? Gewiss ist, dass sie sich nicht hat einnehmen lassen: - und jede Art Dogmatik steht heute mit betrübter und muthloser Haltung da. Wenn sie überhaupt noch steht! Denn es giebt Spötter, welche behaupten, sie sei gefallen, alle Dogmatik liege zu Boden, mehr noch, alle Dogmatik liege in den letzten Zügen. Ernstlich geredet, es giebt gute Gründe zu der Hoffnung, dass alles Dogmatisiren in der Philosophie, so feierlich, so end- und letztgültig es sich auch gebärdet hat, doch nur eine edle Kinderei und Anfängerei gewesen sein möge; und die Zeit ist vielleicht sehr nahe, wo man wieder und wieder begreifen wird, was eigentlich schon ausgereicht hat, um den Grundstein zu solchen erhabenen und unbedingten Philosophen-Bauwerken abzugeben, welche die Dogmatiker bisher aufbauten, - irgend ein Volks-Aberglaube aus unvordenklicher Zeit (wie der Seelen-Aberglaube, der als Subjekt- und Ich-Aberglaube auch heute noch nicht aufgehört hat, Unfug zu stiften), irgend ein Wortspiel vielleicht, eine Verführung von Seiten der Grammatik her oder eine verwegene Verallgemeinerung von sehr engen, sehr persönlichen, sehr menschlich-allzumenschlichen Thatsachen. Die Philosophie der Dogmatiker war hoffentlich nur ein Versprechen über Jahrtausende hinweg: wie es in noch früherer Zeit die Astrologie war, für deren Dienst vielleicht mehr Arbeit, Geld, Scharfsinn, Geduld aufgewendet worden ist, als bisher für irgend eine wirkliche Wissenschaft: - man verdankt ihr und ihren "überirdischen" Ansprüchen in Asien und Agypten den grossen Stil der Baukunst. Es scheint, dass alle grossen Dinge, um der Menschheit sich mit ewigen Forderungen in das Herz einzuschreiben, erst als ungeheure und furchteinflössende Fratzen über die Erde hinwandeln müssen: eine solche Fratze war die dogmatische Philosophie, zum Beispiel die Vedanta-Lehre in Asien, der Platonismus in Europa. Seien wir nicht undankbar gegen sie, so gewiss es auch zugestanden werden muss, dass der schlimmste, langwierigste und gefährlichste aller Irrthümer bisher ein Dogmatiker-Irrthum gewesen ist, nämlich Plato's Erfindung vom reinen Geiste und vom Guten an sich. Aber nunmehr, wo er überwunden ist, wo Europa von diesem Alpdrucke aufathmet und zum Mindesten eines gesunderen - Schlafs geniessen darf, sind wir, deren Aufgabe das Wachsein selbst ist, die Erben von all der Kraft, welche der Kampf gegen diesen Irrthum grossgezüchtet hat.“Friedrich Nietzsche[3]

Siehe auch

Literatur

  • Michael Baigent: Die Gottesmacher. Die Wahrheit über Jesus von Nazareth und das geheime Erbe der Kirche. Lübbe, Bergisch Gladbach 2006 [englische Originalausgabe: The Jesus Papers: Exposing the Greatest Cover-Up in History], ISBN 3-7857-2252-4

Fußnoten

  1. Vgl.: Friedrich Nietzsche: Jenseits von Gut und Böse. Vorspiel einer Philosophie der Zukunft (Leipzig, 1886). Dort der Anfang der Vorrede.
  2. Ohne zu tief in Details der reformatorischen Glaubensgeschichte einzutreten, kann man doch sagen, daß — in den geschlossenen Milieus ländlicher und kleinstädtischer Gemeinden — das ganze 19. Jahrhundert hindurch Botschaften einer liberalen Theologie und die akademischen Methoden der „historisch-kritischen Exegese“ nie auch nur vom Hörensagen zu den einfachen Gläubigen gelangt sind. Insbesondere auch der Darwin-Skandal 1859 wirkte zwar innerhalb großstädtischer Milieus, brachte aber den gewöhnlichen evangelischen Christ-Gläubigen nicht von seinem Glauben an eine Verbalinspiration der Heiligen Schrift ab. Sehr spät also, erst nach 1900 (in den VSA), begann ein eigentlicher bibelgläubiger Fundamentalismus auf die permanenten Angriffe marxistischer, liberaler und wissenschaftsgläubiger Schichten nunmehr reaktiv zu antworten. So spät erst verlor sich eine Selbstverständlichkeit im Umgang mit dem fest geglaubten Schriftwort, und ein — propagandistisch-kalkulierend vorgehender — christlicher Fundamentalismus entwickelte dann erst seine modernen Methoden, die wir heute vor allem als VS-amerikanisches Religionsmarketing wahrnehmen.
  3. Vgl.: Friedrich Nietzsche: Jenseits von Gut und Böse. Vorspiel einer Philosophie der Zukunft (Leipzig, 1886, hier in der originalen Schreibung wiedergegeben). Darin der Anfang der Vorrede.