Duerr, Hans Peter

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Hans Peter Duerr (* 6. Juni 1943 in Mannheim) ist ein deutscher Ethnologe und Kulturhistoriker.

Werdegang

Duerr studierte Ethnologie an den Universitäten in Wien und Heidelberg, promovierte 1971 an der Universität Heidelberg mit einer Dissertation über Bewußtseinstheorie in Philosophie. Von 1975 bis 1980 war er Lehrbeauftragter und Gastprofessor für Ethnologie und Kulturgeschichte in Zürich, Kassel und Bern. 1981 habilitierte er sich an der Gesamthochschule Kassel. Von 1992 bis 1999 lehrte er als Professor für Ethnologie und Kulturgeschichte an der Universität Bremen. Seither lebt er wieder in Heidelberg. 1989/1990 war er Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin und 1995/1996 an der Europäischen Universität Florenz.

Wissenschaftliche Arbeit

Völkerkundliche Schwerpunkte in Duerrs Arbeiten sind das indigene Nordamerika, Ostindonesien und Nordfriesland.

Sein Band Traumzeit. Über die Grenzen zwischen Wildnis und Zivilisation erschien 1978 und wurde sogleich zu einem vielgelesenen Buch an deutschen Universitäten. Duerr beschreibt in dem Buch naturreligiöse Traditionen. Sein Thema sind Schamanen, Hexen, Astrologen. Er beschäftigt sich mit der Frage, was ein Mensch der westlichen Zivilisation von alten Traditionen lernen kann. Insbesondere verarbeitet er auch Erfahrungen, die er selber beim Umgang mit fremden Kulturen sammeln konnte. Der unstrittige Erfolg seiner Arbeit kann darin begründet liegen, daß Duerr in seiner wissenschaftlichen Arbeit exakt den Wandel des Zeitgeists verkörperte, ohne sich anzubiedern.

Nach der „Tendenzwende“ — Mitte der 1970er Jahre — zerstob der Glaube an eine marxistische Weltrevolution fast augenblicklich in der gesamten linken Universitätsszene. An die Stelle dieser ideologischen Fixierung trat ein Faible für Regionalismus, für Tradition, für Handwerk und eine bislang nicht dagewesene Offenheit für Phänomene einer neuen Religiosität. Zu Zeitmoden wurden New Age, der Glaube an das bevorstehende Wassermannzeitalter, sowie postmoderne Diskurse, die einen am Werk von Paul Feyerabend geschulten Begriff von Rationalität gegen den — zuvor beherrschend einflußreichen — marxistisch-deduktiven Rationalitätsbegriff favorisierten. Duerr konservierte keineswegs einen rousseauistischen Begriff des „edlen Wilden“, sondern seine Ethnologie verpflichtete die Wissenschaft darauf, anthropologische Konstanten endlich auch für rezente Steinzeitvölker anzuerkennen. Er wies damit einen naiven (naiv-marxistischen) Fortschrittsbegriff begründet zurück.

Das monumentale fünfbändige Hauptwerk von Duerr trägt den Titel Der Mythos vom Zivilisationsprozess und hat einen Umfang von mehr als 3500 Druckseiten. Duerr geht es darin um eine Widerlegung der Zivilisationstheorie von Norbert Elias, die dieser 1939 in seinem Hauptwerk Über den Prozeß der Zivilisation aufstellte. Während der jüdische Wissenschaftler Elias einen entschieden kolonialen Blick auf die sogenannten „Naturvölker“ pflegte, betonte Duerr die anthropologischen Universalien der Scham, der Schicklichkeit und der strikten sozialen Kontrolle der sexualethischen Sphäre schon bei absolut archaischen Völkerschaften. Zugleich öffnete er den Blick für die Tatsache, daß jede gesellschaftliche Schicklichkeit zu jeder Zeit immer auch an praktische Grenzen stößt und lebensweltlich umstandslos umgewendet werden kann.

Werke

Monographien und Aufsätze

  • Zahlreiche Artikel in Forum Academicum (Heidelberg) bis 1969
  • Ni Dieu — ni mètre. Anarchische Bemerkungen zur Bewußtseins- und Erkenntnistheorie, 1974
  • Traumzeit. Über die Grenzen zwischen Wildnis und Zivilisation, 1978
  • Satyricon, 1982
  • Sedna oder Die Liebe zum Leben, 1984
  • Der Mythos vom Zivilisationsprozeß
    • Band 1: Nacktheit und Scham, 1988
    • Band 2: Intimität, 1990
    • Band 3: Obszönität und Gewalt, 1993
    • Band 4: Der erotische Leib, 1997
    • Band 5: Die Tatsachen des Lebens, 2002
  • Frühstück im Grünen. Essays und Interviews, 1995
  • Gänge und Untergänge, 1999
  • Rungholt. Die Suche nach einer versunkenen Stadt, 2005
  • Tränen der Göttinnen, 2008
  • Die Fahrt der Argonauten. Insel Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-458-17469-1

Herausgeberschaft

  • Unter dem Pflaster liegt der Strand, 15 Nrn., 1. Jg. 1974–12. Jg., 1985
  • Versuchungen. Aufsätze zur Philosophie Paul Feyerabends
    • 1. Band, 1980
    • 2. Band, 1981
  • Der Wissenschaftler und das Irrationale, 1981
    • Band 1: Beiträge aus Ethnologie und Anthropologie
    • Band 2: Beiträge aus Philosophie und Psychologie
  • Die Mitte der Welt. Aufsätze zu Mircea Eliade, 1984
  • Authentizität und Betrug in der Ethnologie, 1987
  • Die wilde Seele. Zur Ethnopsychoanalyse von Georges Devereux. Suhrkamp, Frankfurt 1987

Verweise