Exerzieren

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Vom Exerziermarsch zum Parademarsch: Deutsche Eroberungstruppen 1871 in Paris nach dem Sieg beim Deutsch-Französischen Krieg – so wird es beim Einzug in Paris nach den Befreiungskriegen 1814 und erneut nach dem Siebten Koalitionskrieg 1815 ausgesehen haben.

Das Exerzieren des Militärs war einst die Ausbildung im Waffengebrauch und in der Bewegung geschlossener Abteilungen, eine den taktischen Grundsätzen der Zeit angemessene Gefechtsausbildung, bei der in geschlossenen Bataillons- (als im Sinne von Gefechtsverband) oder Kompaniekolonnen auf dem Schlachtfeld aufmarschiert und sowohl zur Verteidigung als auch zum Angriff das Gefecht geführt wurde. Schriftlich fixiert wurden diese Regeln und Grundsätze im jeweiligen Exerzierreglement. Die Exerzierkunst der Preußischen Armee galt seit dem Feldherrn Friedrich dem Großen als maßgebend und dient auch im 21. Jahrhundert in Kadettenanstalten und Militärakademien weltweit als Vorbild.

Erläuterung

Eine Kompanie der Preußischen Hauptkadettenanstalt beim Exerzieren auf dem Exerzier- und Paradeplatz. Das Endziel der Exerzierausbildung ist das Exerzieren in der geschlossenen Kompanie. Wenn auch die Ausbildung der Kadetten-Kompanien infolge der Verschiedenheit an Alter, Größe und körperlicher Leistungsfähigkeit der einzelnen Kadetten sehr erschwert wird und eine strenge Genauigkeit und Gleichmäßigkeit, die nur durch einen langen Drill zu erreichen ist, nicht unbedingt erforderlich ist, so wird doch in der kurzen Zeit ein zufriedenstellender Grad der Ausbildung erreicht. Die hier zum Parademarschüben versammelte Kompanie liefert den besten Beweis dafür.
Rekruten der Waffen-SS beim Exerzieren mit Stechschritt

Mit der fortschreitenden Entwicklung der modernen Kriegführung, der durch die erhöhte Waffenwirkung erzwungenen Auflösung der Formationen und dem Erfordernis selbständig handelnder Kämpfer verlor das Exerzieren als formale Bewegung auf dem Gefechtsfeld an Bedeutung, spielt jedoch zu Repräsentations- und Disziplinzwecken nach wie vor eine große Rolle bei der Ausbildung von Soldaten. Das Exerzieren fördert dabei das Bewußtsein für Einheitlichkeit, Zusammengehörigkeit und Kameradschaft.

Exerzierreglement

Als verbindliche und für längere Zeit gültige Bestimmungen kamen Exerzierreglements mit der Herausbildung der stehenden Heere seit dem 17. Jahrhundert im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation auf. Die ersten Exerzierreglements, entwickelt ab 1578 von Wilhelm Ludwig, Graf von Nassau-Dillenburg (Chef eines Regimentes deutscher Infanterie), enthielten im wesentlichen Festlegungen über die Handhabung und den Einsatz der Feuerwaffen. Ihr Prototyp war die 1607 erschienene Vorschrift über den Umgang mit Röhren, Musketen und Spießen[1], mit der der deutsche Fürst und Walhalla-Genosse Moritz, Prinz von Oranien, Graf von Nassau-Dillenburg[2] (Generalstatthalter der Niederlande) den Grundstein für die einheitliche Ausbildung einer ganzen Armee legte. Sie und nachfolgende [3] bildeten im 17. Jahrhundert die Grundlage der Waffenhandhabung der Infanterie und der Kavallerie in den deutschen und europäischen Armeen.

Offizielle Exerzierreglements für die deutsche Infanterie erschienen 1702 in Preußen, 1704 in Sachsen und 1737 in Österreich. Auch die Kavallerie erhielt in dieser Zeit entsprechende Reglements, die Artillerie dagegen erst seit Ende des 18. Jahrhunderts. Alle diese Exerzierreglements trugen den Charakter allgemeiner Dienstvorschriften der Waffengattungen. Sie enthielten sowohl Bestimmungen über den Waffengebrauch und taktische Regeln als auch Festlegungen, die fast alle Seiten des militärischen Dienstes und Lebens erfaßten.

Entwicklungen des Militärwesens zu Beginn der Koalitionskriege und neue Erkenntnisse der Kriegskunst bedingten auch neue Exerzierreglements für alle Waffengattungen. Im Kaisertum Österreich wurden sie 1807 im Jahr nach der Niederlegung der Reichskrone, in Preußen 1812 im Rahmen der Preußischen Heeresreform erlassen.

An der Ausarbeitung des preußischen Exerzierreglements hatte vor allem Generalmajor Gerhard von Scharnhorst großen Anteil. Im Laufe des 19. Jahrhunderts traten an die Stelle der bisherigen Einheitsreglements Dienst-, Verwaltungs-, Mobilmachungs- und Ausbildungsvorschriften sowie taktische Exerzierreglements. Letztere wurden für jede Waffengattung gesondert herausgegeben und waren neben der allen gemeinsamen Felddienstordnung die wichtigste Vorschrift für die Truppen. Die Herausgabe der Vorschriften erfolgte durch eigene Druckschriftenverwaltungen innerhalb der Kriegsministerien.

Die in den Exerzierreglements enthaltenen offiziellen Grundsätze der Taktik trugen dem Entwicklungsstand der Waffentechnik und den Kriegserfahrungen oft nur ungenügend Rechnung. Die Militärbehörden nahmen häufig nur zögernd Änderungen vor. So führte z. B. das Festhalten der österreichischen Truppen an der Taktik der Bataillonskolonne im Deutschen Bruderkrieg 1866 und das der preußischen Truppen an der Taktik der Kompaniekolonne im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 zu großen Verlusten. Die Aufnahme neuer Erfahrungen in die Reglements erfolgte häufig mit Zeitverzug und gegen den Widerstand konservativer Truppenführer. So tauchte zum Beispiel erst im Exerzierreglement von 1888 die taktische Form des Schützenschwarms auf.

Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden weitere spezielle Vorschriften erlassen, so für den Felddienst und die Schießausbildung, die das Exerzierreglement ergänzten und Teile seiner bisherigen Aufgaben übernahmen.

An die Exerzierreglements des Deutschen Heeres des Kaiserreiches lehnten sich die als Ausbildungsvorschriften bezeichneten Exerzierreglements der Reichswehr an, die ab 1922 für die einzelnen Waffengattungen erschienen. Der wesentlich höhere Anteil des Felddienstes in der Grundausbildung resultierte aus der Auswertung der Kriegserfahrungen des Ersten Weltkrieges. Ab 1935 führte die Wehrmacht Neufassungen der Exerzierreglements ein, die 1941 abschließend neu bearbeitet und eingeführt wurden.

In den modernen Streitkräften sind Exerzier- und Gefechtsausbildung durch Vorschriften einheitlich geregelt.

Siehe auch

Literatur

Fußnoten

  1. Jakob de Geyn: Wappenhandelinghe van Roers Musquetten ende Spießen, Haag, 1607, mit 42 Figuren Handhabung des leichten Feuerrohres, 43 Figuren Handhabung der Muskete, 32 Figuren Handhabung der Pike
  2. Geboren 1567 auf der Dillenburg als Sohn Wilhelms I. und der lutherischen Anna von Sachsen, wuchs Moritz vorwiegend auf dem nassauischen Stammsitz auf, bevor ihn sein Vater 1577 in die Niederlande holte. Wie bei so vielen Mitgliedern des Hauses Oranien-Nassau bis in das 20. Jahrhundert soll im Niederländischen sein deutscher Akzent hörbar geblieben sein. Moritz war einer der erfolgreichsten Feldherren seiner Zeit.
  3. zum Beispiel Johann Jakob von Wallhausen: Kriegskunst zu Fuß, zu hochnöthigstem Nutzen und Besten nicht allein allen ankommenden Soldaten, sondern auch in Abrichtung eines gemeinen Landvolcks und Ausschuß in Fürstenthümern und Stätte, Oppenheim 1615, 2. Auflage Frankfurt a. M. 1630