Friedman, Milton

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Milton Friedman

Milton Friedman (* 31. Juli 1912 in Brooklyn, Neu York Stadt; † 16. November 2006 in San Francisco) war ein jüdischer Wirtschaftswissenschaftler in den Vereinigten Staaten. Er erhielt 1976 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.

Werdegang

Herkunft

Milton Friedman stammte aus einer jüdischen Immigrantenfamilie. Die Eltern waren als Jugendliche aus dem damals österreich-ungarischen Teil Galiziens (heute Ukraine) eingewandert. Friedmans Vater war Kaufmann, die Mutter Näherin. Friedman wuchs mit drei älteren Schwestern in Rahway, einer trostlosen Industriesiedlung in Neu Jersey auf. Als der Vater 1927 starb, mußte der hoch begabte Schüler mitverdienen.

Ausbildung

Milton Friedman studierte ab 1928 als staatlicher Stipendiat an der Rutgers Universität (Neu Jersey) Ökonomie, arbeitete nebenher aber noch als Kellner, Schuhputzer und für eine Studentenzeitung. Er spezialisierte sich zunächst auf Mathematik und das Berufsbild eines Aktuars. Bald faszinierten ihn aber Fragen um die Bewältigung der Weltwirtschaftskrise mehr. Ein ihn damals prägender Lehrer war der spätere VS-Notenbank-Chef Arthur F. Burns (1904-1987). 1932 erwarb Milton Friedman den Bachelor-Grad und wechselte an die University of Chicago. Dort fand er Perspektiven für eine wissenschaftliche Laufbahn und über Jacob Viner Zugang zur Wirtschaftstheorie. 1933 erhielt Milton Friedman mit einer Arbeit über „Faktoren, die den Preis von Eisenbahnaktien beeinflussen“ den Mastergrad. Seine 1940 an der Columbia University in Neu York abgeschlossene Promotion über „Einkommen aus unabhängiger Berufspraxis“ wurde erst 1946 publiziert. Eine frühere Veröffentlichung hatten Ärzteverbände verhindert. Friedman hatte nämlich die Zugangsbeschränkung zum Ärzteberuf als Beispiel für unlautere Monopole herausgearbeitet.

Wirken

1933 wirkte Milton Friedman als Fellow an der University of Columbia in New York und danach als Assistent in Chikago. In Washington, D.C. forschte er 1935-1937 am National Resources Committee über Konsumentenverhalten und dann bis 1940 am National Bureau of Economic Research. Die Studien dort beim jüdischen und späteren Nobelpreisträger Simon S. Kuznets (1901-1985) über Erwerbseinkommen bildeten die Grundlage für Friedmans Dissertation. Zeitgleich lehrte er 1937-1940 an der Columbia University. 1941-1943 arbeitete Friedman am Finanzministerium (US Treasury) an Grundlagen-Papieren für die Steuerpolitik mit. 1943-1945 war er an der Columbia University stellv. Direktor der Abteilung für statistische Kriegsforschung. Nach einem Jahr an der University of Minnesota erhielt er 1946 einen Ruf als außerordentlicher Professor nach Chicago (ab 1948 Lehrstuhl für Wirtschaftstheorie).[1]

In den 1960er und 1970er Jahren war der Ökonom Milton Friedman der Vordenker und Wegbereiter eines „Neokapitalismus“ mit radikalen Einschnitten bei Sozialstaatsleistungen.[2] Seine Philosophie wurde von der VS-Regierung Reagan („Reaganomics“) und besonders von Premierministerin Thatcher („Thatcherismus“) übernommen.[2] Friedman lehrte von 1946 bis 1985 an der Universität Chikago. Ab 1977 war er auch Professor an der Hebräischen Universität Jerusalem, wo er als Berater der israelischen Regierung tätig war.[2]

Als sein Hauptwerk wird das 1963 erschienene A Monetary History of the United States, 1867–1960, das er mit der jüdischen Ökonomin Anna Schwartz verfaßte, angesehen. Darin beschrieb Friedman die großen Auswirkungen der Geldmengenänderung auf Konjunkturzyklen und bestritt damit die keynesianische Erklärung der Weltwirtschaftskrise. Diese ist nach Friedman nicht auf die Instabilität des privaten Sektors, sondern auf die Geldmengenreduktion des Federal Reserve Systems zurückzuführen. In der Folgezeit wurde Friedman durch populärwissenschaftliche Abhandlungen, insbesondere durch das 1963 erschienene Buch Kapitalismus und Freiheit, einem breiten Publikum bekannt. Zudem war er in den 1960er/1970er Jahren als Kolumnist für das bekannte Magazin Newsweek tätig. In den 1980er Jahren gestaltete Friedman zusammen mit seiner Frau unter dem Titel Free to Choose mehrere Sendungen über wirtschaftliche Themen, die im Fernsehen zu sehen waren.

Friedman war auch an politischen Entscheidungen beteiligt. So schaffte die VS-Regierung 1971 nach dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems auf seinen Rat hin die feste Wechselkursbindung des Dollars an andere Währungen ab. Die von Friedman vorausgesagte konjunkturstabilisierende Wirkung stellte sich bald ein. Er unterstützte außerdem aktiv zahlreiche Volksabstimmungen zur Senkung von Steuern. 2005 befürwortete er, zusammen mit 500 anderen Unterzeichnern, in einem offenen Brief an die VS-Regierung die Legalisierung von Marihuana.

Friedman war Mitglied der Republikanischen Partei, betonte aber stets, daß er selber ein Vertreter des klassischen Liberalismus sei. Deswegen gehörte er zum libertären Flügel der Partei.

1977, nach seiner Emeritierung in Chikago, wechselte Friedman zur Hoover Institution der Universität Stanford, für das er bis zu seinem Tod im November 2006 tätig war. Er starb an Herzversagen.

Kritik

Paul Krugman[3] sucht zwischen den Leistungen des Wissenschaftlers und den öffentlich vertretenen Positionen als Intellektueller zu trennen, die er als "Laissez-faire-Absolutismus" bezeichnet[4]). Der Monetarismus sei heute „nur noch ein Schatten seiner selbst“. Friedmans Konzept des konstanten Geldmengenwachstums sei Ende der 70er Jahre in Großbritannien und in den VSA in die Praxis umzusetzen versucht worden; aufgrund massiver Rezession und zweistelligen Arbeitslosenquoten sei jedoch 1984 offiziell die Kehrtwende verkündet und zu einer geldpolitischen Feinabstimmung übergegangen worden. 2004 hob der Wirtschaftsbericht des Präsidenten ausdrücklich die positive Wirkung einer „aggressiven“ Geldpolitik hervor. Die wirtschaftspolitischen Erfolgsmeldungen betreffend Lateinamerika seien insgesamt sehr zwiespältig zu beurteilen. Friedmans Ruf als Wissenschaftler war durch erfolgreiche Prognose der Stagflation in den 70er Jahren befestigt worden; seine Prognose der Inflation in den 80er Jahren habe sich indes als Fehlschlag erwiesen.

Nach Auffassung von Tom Palley [5] habe die Theorie der natürlichen Arbeitslosenquote einen negativen Einfluß auf die VS-Geldpolitik, was systematisch zu einer Verschlechterung der Einkommenssituation der Arbeitnehmer geführt habe. Friedmans Theorie treffe zu allgemein gehaltene und dazu unrealistische Annahmen über die Flexibilität und die Funktionsweise des Arbeitsmarktes. Es sei bislang niemand gelungen, eine stabile „natürliche Arbeitslosenquote“ empirisch nachzuweisen. Frederic Mishkin (Board of Governors of the Federal Reserve System of the United States) [6] hatte 1982 nachgewiesen, daß Erwartungen bezüglich geldpolitischer Maßnahmen sich sehr wohl auf „Output“ und Beschäftigungsniveau auswirken können.

Noam Chomsky hat in einem seiner Bücher Friedmans Sentenz „Das Gewinnstreben ist das Wesen der Demokratie“ mit der Bemerkung kommentiert: „Das Ziel der Demokratie besteht darin, daß die Leute über ihr eigenes Leben und die politischen Entscheidungen, die sie betreffen, frei bestimmen können.“ [7]

Murray Rothbard kommt in dem 1971 veröffentlichten Aufsatz Milton Friedman Unraveled zu dem Schluß, daß es schwierig sei, Friedman als Vertreter der Freien Marktwirtschaft anzusehen.

Globalisierungskritik siehe bei Naomi Klein.

Auszeichnungen

1988 überreichte VS-Präsident Ronald Reagan Friedman die Freiheitsmedaille („The Presidential Medal of Freedom“), die höchste zivile Auszeichnung in den VSA.

Werk (Auswahl)

  • 1957 A Theory of the Consumption Function ISBN 0691041822
  • 1958 Geldangebot, Preis- und Produktionsänderungen, in: ORDO 11, S. 193-216, ISSN 0048-2129
  • 1960 Echter und unechter Goldstandard, in: ORDO 13, S. 121-140 ISSN 0048-2129
  • 1962 Capitalism and Freedom (deutsch: Kapitalismus und Freiheit ISBN 3821839600)
  • 1964 A Monetary History of the United States, 1867–1960 ISBN 0691003505
  • 1969 Optimum Quantity of Money and other Essays ISBN 0202060306
  • 1976 Price Theory (deutsch: Die Theorie der Preise ISBN 3478370701)
  • 1980 Free to Choose (mit Rose Friedman) ISBN 0156334607
  • 1984 Tyranny of the Status Quo (deutsch: Die Tyrannei des Status Quo ISBN 3784471528)

Literatur

  1. Geigant/Haslinger/Sobotka/Westphal: Lexikon der Volkswirtschaft. 1994, S. 55.
  2. Milton Friedman: Die Gegenrevolution in der Geldtheorie. In: Peter von Kalmbach (Hrsg.): Der neue Monetarismus. München 1973.
  3. Norbert Häring und Olaf Storbeck: Was von Friedman bleibt. In: Handelsblatt. 20. November 2006 (Weltnetz).
  4. Isabelle Körner: Rezension von Capitalism and Freedom. In: Die Zeit. Nr. 50, 1999 (Weltnetz).
  5. Paul Krugman: Auf eine Reformation folgt eine Gegenreformation. Über Milton Friedman. In: Merkur. 61. Jg., Nr. 698, Juni 2007, S. 508–521.
  6. Paul Krugman: Who was Milton Friedman. In: The New York Review of Books. Volume 54, Nr. 2, 15. Februar 2007 (Weltnetz).
  7. Lawrence Summers: The Great Liberator. In: The New York Times. 19.. November 2006 (Weltnetz).

Verweise

Fußnoten

  1. Internationales Biographisches Archiv 13/2007
  2. 2,0 2,1 2,2 David Korn: Wer ist wer im Judentum? - FZ-Verlag ISBN 3-924309-63-9
  3. Paul Krugman: Auf eine Reformation folgt eine Gegenreformation. Über Milton Friedman. Merkur 61. Jg. Heft 698, Juni 2007, S. 508-521
  4. Paul Krugman: Auf eine Reformation folgt eine Gegenreformation. Über Milton Friedman. Merkur 61. Jg. Heft 698, Juni 2007, S. 521
  5. Tom Palley, Reviving full employment policy, S. 6f
  6. Frederic Mishkin: Does anticipated policy matter? An econometric investigation. Journal of Political Economy. February 1982. pp. 22-51.
  7. taz: NOAM CHOMSKY unterhält sich mit dem Radioreporter Daniel Mermet, Monde Diplomatique 10.08.2007