Bucerius, Gerd

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Karl Anton Martin Gerhard „Gerd“ Bucerius (Lebensrune.png 19. Mai 1906 in Hamm, Westfalen; Todesrune.png 29. September 1995 in Hamburg) war ein deutscher Rechtswissenschaftler, Verleger und BRD-Politiker (CDU).

Dr. jur. Gerd Bucerius

Werdegang

Von 1949 bis 1962 saß Bucerius – hier bei einer Debatte 1957 – im Deutschen Bundestag

Herkunft

Gerd Bucerius, evangelisch, wuchs in einer konservativ-bürgerlichen Familie auf. Er war Sohn des Bürgermeisters von Hannover und späteren Mitglieds des Direktoriums der Hugo Stinnes AG für Seeschiffahrt und Überseehandel, Walter Bucerius.

Wie zur Bekräftigung streute Bucerius gerne die Legende, daß die Familie vom elsässischen Reformator Martin Bucer (1491-1551) abstamme, der 1549 von Bonn nach England vertrieben wurde. Tatsächlich stammt die Familie aus dem Harz.[1] Bucerius soll über dessen Großmutter Goldschmidt jüdischer Abstammung gewesen sein.

„Urgroßvater Goldschmidt war getaufter Jude und Oberstabsarzt im oldenburgischen Heer. Sein Enkel, mein Vater, war also ‚Jüdischer Mischling zweiten Grades‘ (Vierteljude). Das war lästig, aber als Anwalt war mein Vater kaum behindert. Schlimmer dagegen: Ich hatte im Oktober 1932, eilig eine Jüdin geheiratet. Also war ich ‚jüdisch versippt‘.“ — Bucerius an Fritz J. Raddatz am 15. März 1985

Bucerius galt somit als deutschblütig, eine angebliche Einstufung als Achteljude gab es nicht und ist ein Produkt der Nachkriegspropaganda.

Ausbildung

Gerd Bucerius besuchte Realgymnasien in Essen, Hannover und ab 1923 in Hamburg. Von 1924 bis 1928 studierte er in Berlin, Hamburg und Freiburg im Breisgau Rechtswissenschaften, anschließend bis 1932 Referendarausbildung in Kiel, Altona und Berlin. Er promovierte an der Universität Hamburg zum Dr. jur. 1934.

Wirken

1932 heiratete er die Jüdin Detta „Gretel“ Goldschmidt, die 1938 nach England auswanderte, während Bucerius sich weigerte, Deutschland zu verlassen. Er wurde kurze Zeit Hilfsrichter u. a. in Kiel und Flensburg.

1933 trat Bucerius in die Kanzlei seines Vaters ein. Seine Berufslaufbahn begann Gerd Bucerius als Richter in Kiel und Flensburg. Danach war er Rechtsanwalt in Hamburg. Marion Gräfin Dönhoff charakterisierte später seine juristische Tätigkeit als „besinnungslos mutig“ – er verteidigte Gegner des Nationalismus und setzte sich „ohne Rücksicht auf die eigene Situation“ für die belange der Juden ein (u. a. den wegen Devisenvergehens angeklagten jüdischen Hamburger Reeder Arnold Bernstein), bis er schließlich in der Wirtschaft dienstverpflichtet wurde.[2] Er schmuggelte gar Revolver in eine Haftanstalt, um einen Freund zu befreien.[3]

Zweiter Weltkrieg

Bucerius wurde in Vorbereitung auf den Westfeldzug 1940 von der Wehrmacht einberufen, erhielt seine zweimonatige Infanterieausbildung und wurde anschließend der Reserve zugeteilt. Anschließend war er unter anderem als Prokurist und Justiziar eines als kriegswichtig eingestuften Produktionsunternehmens, das auch Zwangsarbeiter beschäftigte, tätig. 1944 wurde er deshalb auch endgültig vom Kriegsdienst freigestellt.

Nachkriegszeit

Nach Kriegsende wurde Bucerius, langjähriger Adenauer-Vertrauter, als Bausenator in den von der Besatzungsmacht berufenen Hamburger Senat berufen, außerdem rückte er in den Zonenbeirat ein und gehörte von 1947 bis 1949 als Vertreter Hamburgs dem Frankfurter Wirtschaftsrat an. Vom 14. August 1949 bis zum 21. März 1962 saß Bucerius als CDU-Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Daneben war er von 1952 bis 1957 Bundesbeauftragter für die Förderung der Berliner Wirtschaft. Als Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Berlin trat Bucerius seinerzeit ohne Erfolg dafür ein, Berlin wieder zum Mittelpunkt staatlichen Lebens zu machen. In der Auseinandersetzung um die früheren deutschen Ostgebiete gehörte Bucerius früh zu denen, die für eine mit „Opfern“ verbundene Verständigung mit Polen eintraten.[4]

Die Zeit

Neben seinem politischen Engagement war Bucerius als Verleger, der Hamburger Wochenzeitung DIE ZEIT, die er 1946, zusammen mit Richard Tüngel, Lowis H. Lorenz und Ewald Schmidt, gegründet hatte als jüdischer Meinungsmacher tätig. 1957 wurde er alleiniger Verleger des Blattes, in dem sich Bucerius immer wieder auch als Publizist zu Wort meldete. Wirtschaftlich machte DIE ZEIT allerdings zunächst keine Freude. Bis 1952 sank die Auflage von 80.000 auf 44.000 Exemplare. Die Millionenverluste glich Bucerius durch andere Einnahmen aus, insbesondere durch die Gewinne der Illustrierten stern, deren Mehrheitsanteile Bucerius 1951 erworben hatte. 1975 gelangte DIE ZEIT in die schwarzen Zahlen. Dazu trug auch das Supplement ZEIT-magazin bei, das Bucerius zu jener Zeit ... durchgesetzt hatte und das zum Vorbild für andere ähnliche werbeträchtige Publikationen wurde.[2]

Zeit“-Chef Gerd Bucerius war politisch eng mit Kanzler Konrad Adenauer verbunden.[5]

Die politische Zeitschrift „Der Monat“ wurde zuerst von der US-Militärregierung finanziert und erhielt dann Gelder von der Ford-Stiftung - und Zuwendungen der CIA; zuletzt war „Zeit“-Verlagschef Bucerius Miteigner, konnte aber das Aus des Blattes mangels Leserinteresses 1978 auch nicht mehr verhindern.[5]

Stiftung

1971 rief Bucerius die Zeit-Stiftung ins Leben, später umbenannt in „Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius“. Die Stiftung widmet sich heute kulturellen, wissenschaftlichen und gemeinnützigen Zwecken mit Hamburger Schwerpunkt. So gehen die Gründung des Bucerius Kunst Forums, der Gerd Bucerius Bibliothek im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe und die Buchreihe „Hamburger Reihe“ aus dem Engagement der Stiftung hervor.

Die Stiftung gründete im Jahre 2000 die nach Gerd Bucerius benannte, erste private Hochschule für Rechtswissenschaft in Hamburg, die Bucerius Law School. Heute ist die Bucerius Law School eine elitäre, kostenpflichtige Hochschule für Juristen nach VS-amerikanischem Vorbild.

Anti-deutsche Hetze

In den Münchener „Reden über das eigene Land“ schildert er 1983 seine hetzerischen, unerträglichen, unmenschlichen germanophoben Gedanken beim Angriff der Terrorflieger auf Hamburg 1943 (Operation Gomorrha):

„Ich stand an den drei Angriffstagen auf dem Dach meines Häuschens in der Hamburger Vorstadt. Oben flogen die englischen Bomber. ‚Endlich‘ rief ich immer wieder, ‚endlich‘. Endlich kamen sie, die Engländer […] Was habe ich damals gedacht: Grauen und Mitleid, natürlich. Aber auch: Ihr, die Toten, habt es so gewollt. Um wen habe ich während der Angriffe gebangt? Um die Piloten. Sie waren tapfer und taten, was ich von ihnen erhoffte.“[6]

Ämter

  • Von Februar bis November 1946 Bausenator in Hamburg
  • 1946 Mitglied der CDU
  • Für vier Legislaturperioden war er gemeinsamer Abgeordneter der FDP und CDU im Bundestag
  • Vertreter Hamburgs im Frankfurter Wirtschaftsrat
  • Bundesbeauftragter für die Förderung der Berliner Wirtschaft
  • Abgeordneter der Hamburgischen Bürgerschaft
  • Austritt aus der Partei 1962, Niederlegung des Bundestagsmandates

Tod

Gerd Bucerius starb am 29. September 1995 im Alter von 89 Jahren in Hamburg und hinterließ 1,6 Milliarden DM, mit denen er seine ZEIT-Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur testamentarisch ausstattete. Weggefährten zufolge blieb das „energiegeladene Bündel von Widersprüchen“ zeitlebens „im Tiefsten ein Einzelgänger.“[7]

Familie

Ab Herbst 1932 war Bucerius mit der Jüdin Gretel „Detta“ Goldschmidt verheiratet. Sie war die Tochter eines jüdischen Textilkaufmanns (mit der Familie von Großmutter Goldschmidt war sie nicht verwandt). Die Scheidung erfolgte im Dezember 1945. Gerd Bucerius war ab 1947 in zweiter Ehe mit Gertrud Ebel („Ebelin“), geb. Müller (1911–1997), kinderlos verheiratet.

Zitate

  • In seinem Wochenblatt raste er gegen die Deutschen:
    • „Unsere Nation hat durch Schuld mehr verspielt als irgendeine andere in der Welt […] Mein Volk wurde der tierischsten Verbrechen schuldig, die die Weltgeschichte kennt. Noch auf dem Sterbebett wird uns die Rechnung vorgehalten werden.“ (Nr. 9/1988).
  • Den Kindern und weiteren Nachgeborenen will er „Hitlers Schuld“ aufhalsen:
    • „Die Gnade der späten Geburt bewahrt keinen Nachgeborenen vor Scham und Verantwortung“.
  • Für Bucerius gibt es keinen Zweifel an der Kollektivschuld:
    • „Die Schuld aller Deutschen ist unstreitig. Es waren keine Taten Hitlers wie oft gesagt ... wird, sondern deutsche Verbrechen.“
  • Die Landesverräter hätten damals „in Notwehr gehandelt“.
  • Zur deutschen Frage:
    • „Die deutsche Frage ist eben offen, solange wir, wir Deutsche, sie entschieden für offen halten. Auch wenn wir nur noch eine real und durch den schlimmen Ruf der Hitlerjahre moralisch geschwächte Mittelmacht sind.“ — 1985 in „Die Zeit“
  • Zum Krieg:
    • „[...] Das war ein Krieg. Die überwältigende Zahl derer, die ihn führten und dabei tapfer ihr Leben riskierten, war davon überzeugt, daß dieser Krieg zu Recht geführt wurde. Selbst intelligenteste Soldaten, in höchsten Rängen, haben lange gebraucht, bis sie das Unrecht Hitlers und das ihre einsahen. Auch Stauffenberg war frisch, fromm, fröhlich, frei in den (gerechten) Krieg gezogen. Sie alle waren überzeugt, daß der Frieden von Versailles ‚Schmach‘ sei und gesühnt werden müsse. Deshalb ist es fatal, sie Verbrecher zu nennen. Das macht uns und der Geschichte die Abrechnung mit den wirklichen Mördern um so schwerer.“ — 15. März 1985 an Fritz J. Raddatz

Auszeichnungen und Ehrungen (Auszug)

  • Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland
    • Großes Verdienstkreuz mit Stern (1956)
    • Großkreuz mit Stern und Schulterband (1986)
  • Alexander-Rüstow-Plakette der Aktionsgemeinschaft soziale Marktwirtschaft (1978)
  • Ehrenbürger der Hansestadt Hamburg (Ernennung durch die Hamburger Bürgerschaft 1986)
  • Ludwig-Erhard-Medaille (1990)
  • Sonderbriefmarke Deutsche Post AG (2006)

Fußnoten

  1. Theo Sommer: „Der Mann, den wir Buc nannten“ in: DIE ZEIT, 19. Mai 2006
  2. 2,0 2,1 Munzinger-Archiv GmbH, 1995
  3. business.metropoleruhr.de, 2010: Ruhr-Juwelen - Persönlichkeiten - Gerd Bucerius, Publizistischer Gründervater der Bundesrepublik
  4. Internationales Biographisches Archiv 47/1995 vom 13. November 1995
  5. 5,0 5,1 David Korn: Wer ist wer im Judentum? - FZ-Verlag ISBN 3-924309-63-9
  6. Theo Sommer: Der Mann, den wir „Buc“ nannten, Die Zeit, 11. Mai 2006 S. 3 Vorsicht! Umerziehungsliteratur im antideutschen Sinne!
  7. Roger De Weck: „Bucerius und unsere Zeit“ in: DIE ZEIT, 37/2000