Becher, Johannes R.

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Johannes Robert Becher (geb. 22. Mai 1891 in München; gest. 11. Oktober 1958 in Berlin) war ein deutscher expressionistischer Dichter und Politiker, Minister für Kultur sowie erster Präsident des Kulturbundes der DDR. Bekannt ist er auch als Verfasser des Textes der Nationalhymne der DDR.

Werdegang

Herkunft

Johannes Robert Becher wurde 1891 in München als Sohn eines Amtsrichters, Staatsanwalts und späteren Richters am Bayerischen Obersten Landesgericht geboren.[1]

Ausbildung

Johannes Robert Becher besuchte in München die Volksschule und das Gymnasium und studierte 1911-1918 an den Universitäten Berlin, München und Jena Medizin und Philosophie, ohne einen Abschluss zu erlangen.

Wirken

Schon 1911 trat Johannes Robert Becher mit dem Lyrikband „Verfall und Triumph“, der einen scharfen Angriff gegen die Gesellschaftsordnung der Vorkriegszeit enthielt, an die Öffentlichkeit. Literarisch stand Becher, ein Anarchist der Form, dem leidenschaftlichen Expressionismus der Gruppe Heym, Schramm, Toller nahe. Als Mitarbeiter an den Zeitschriften „Aktion“ und „Die neue Kunst“ gehörte er zu den Wortführern des Expressionismus. Sein Auswahlband „Das Neue Gedicht“ wurde während des Krieges verboten.

Aufbahrung von Johannes R. Becher 1958, stehend von links: Anna Seghers, Erwin Strittmatter, Kurt Stern, Arnold Zweig, Jeanne Stern, Stefan Heym.

Eine katastrophale Liebestragödie im April 1910, als er zusammen mit seiner Geliebten Selbstmord begehen wollte, hatte tragische Nachwirkungen: Er schoss auf die sieben Jahre ältere Tabakwarenhändlerin Fanny Fuß, die nicht überlebte, und verletzte sich selbst schwer. Zwar kam es aufgrund der Einflussnahme seines Vaters zu keiner Gefängnisstrafe, Becher mußte sich aber einer psychiatrischen Behandlung unterziehen, blieb wegen der Schussverletzung während des Ersten Weltkriegs dienstuntauglich und wurde zwischen 1914 und 1918 wegen seiner Morphiumsucht mehrmals in eine Klinik eingewiesen. So der bürgerlichen Gesellschaft entfremdet, schlug er sich auf die Seite der „radikalen Linken“, trat 1917 in die USPD ein, wechselte 1918 zum Spartakusbund, aus dem 1919 die KPD hervorging. 1920 verließ Becher zwar die KPD, wandte sich vorübergehend stark der Religion zu, trat aber 1923 wieder ein und engagierte sich in der Folge stark in der Partei.[2]

Nach der Veröffentlichung des Antikriegsromans „Levisite oder Der einzig gerechte Krieg“ (1925), der Sammlung „Der Leichnam auf dem Thron“ und dem Gedicht „An Hindenburg“ wurde Becher 1926 wegen Vorbereitung zum Hochverrat angeklagt, das Verfahren jedoch 1929 wieder eingestellt. Mit seinen weiteren Werken – „Der Bankier reitet über das Schlachtfeld“ und „Der große Plan, Epos des sozialistischen Aufbaus“ (1931) – blieb er jedoch seiner Linie treu. Auch in seinem Lyrikband „Maschinenrhythmen“ thematisierte Becher den proletarischen Alltag und postulierte die Notwendigkeit eines revolutionären Kampfes. Außerdem übersetzte er mehrere Werke aus dem Russischen. 1928 war er Mitbegründer und Erster Sekretär des Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller, dessen Zeitschrift „Die Linkskurve“ er herausgab, ebenso ab 1932 die Zeitung „Die Rote Fahne“. 1932 trat er auch als KPD-Kandidat zu den Reichstagswahlen an.[2]

Nach dem Wahlsieg der Nationalsozialisten stand er als Staatsfeind auf einer Schwarzen Liste und musste gleich nach dem Reichstagsbrand untertauchen. Schon im März 1933 ging er über Brünn, Prag, Zürich und Paris, 1934 ausgebürgert, dann 1935 schließlich in die UdSSR. In Moskau wurde er Chefredakteur der Exilzeitschrift „Internationale Literatur - Deutsche Blätter“ und Mitglied des Zentralkomitees der KPD. Becher, obwohl erklärter „Stalin“-Bewunderer, geriet dort bald in den Sog der stalinistischen Säuberungen, wurde als „Abweichler“ und wegen vermeintlicher „trotzkistischer Schwankungen“ verdächtigt, beteiligte sich offenbar aber auch an Denunziationen von Schriftstellerkollegen. 1941 wurde Becher nach Taschkent umgesiedelt, wo er angeblich mehrmals versuchte, sich das Leben zu nehmen.[2]

1943 gehörte Becher zu den Mitbegründern des „Nationalkomitees Freies Deutschland“. In seiner Exilzeit hatte Becher intensiven Kontakt mit dem Philosophen und Literaturtheoretiker Georg Lukács. 1945 kehrte Becher nach Deutschland zurück und ließ sich in der Sowjetischen Besatzungszone nieder. Nach der Gründung des „Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“ wurde er dessen Präsident, Mitbegründer des Aufbau-Verlags und der Literaturzeitschrift „Sinn und Form“. Nach Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 wurde Becher Volkskammerabgeordneter. Seit Mitte Juni 1950 war er auch Vizepräsident der Ost-Berliner Akademie der Künste, ab 1950 Mitglied der SED, 1953-1956 deren Präsident, Mitglied des Zentralkomitees der SED und gleichzeitig Vizepräsident des deutschen PEN-Clubs bis zu seiner Spaltung.[2]

Becher, der in seinen Reden und Werken die Sowjetunion und den sozialistischen Aufbau verherrlichte, war auch Verfasser der Nationalhymne der DDR („Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt ....“) und erhielt dafür den Nationalpreis, 1952 den Stalin-Friedenspreis und 1954 den „Vaterländischen Verdienstorden in Silber“. 1954-1958 war Becher Kulturminister der DDR. Er trat in dieser Funktion für den Leipziger Literaturhistoriker Hans Mayer, den ungarischen Philosophen Georg Lukács und den Dozenten Wolfgang Harich ein. Da er so während der Tauwetter-Periode, mit der 1956 die Abkehr vom Stalinismus begann, für politische Reformen eintrat, wurde er 1957 politisch kaltgestellt. Dabei galt Becher als undurchschaubarer Taktierer. Als Walter Ulbricht im November 1956 zum Gegenschlag ausholte und Harich verhaften ließ, unterschrieb Becher als einer der ersten die Ergebenheitserklärung des mitteldeutschen Schriftstellerverbandes für den Parteichef. Auch in der folgenden Auseinandersetzung mit den oppositionellen Intellektuellen fehlte seine Stimme vollständig. Im Februar 1958 wurde er als Präsident des „Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung“ von Max Burghardt abgelöst. Er war damals bereits krank und wurde in der Öffentlichkeit auch als Kulturminister durch seinen Stellvertreter Alexander Abusch vertreten. Er starb noch im gleichen Jahr. „Er war kein Teufel – aber ein machtlüsterner Intrigant; er war ein kultivierter Poet – aber ein erkalteter Dichter. Er war ein Kulturdiktator mit profunden literarischen Interessen und zugleich dem ausgeprägten Instinkt, sie abzutreiben, wenn es den Hierarchen genehm war“, schrieb Fritz J. Raddatz später über „die Selbstverstümmelung des Johannes R. Becher“ in DER ZEIT (1. November 1991). In posthum herausgegebenen Manuskripten und Briefwechseln wurde deutlich, daß Becher seine letzten Lebensjahre in tiefer Resignation verbracht hatte und es als „Grundirrtum meines Lebens“ bezeichnet hatte, „daß der Sozialismus die menschlichen Tragödien beendet“, so das Hamburger Abendblatt (10. Juni 1988), das ihm ebenfalls große Ambivalenz bescheinigte: „In seinen Gedichten erwies er sich als ein glühender Verehrer Stalins; er schrieb politische Gefühlslyrik und epigonale Preislieder – ebenso schlecht wie linientreu.“ Die DDR überhäufte ihn mit Auszeichnungen. Gleichzeitig aber setzte er sich auch für unliebsam gewordene Intellektuelle ein.[2]

Familie

Der kommunistische DDR-Staatsdichter Johannes R. Becher war mit der Jüdin Lilly Becher verheiratet[3] und hatte einen (unehelichen) Sohn Thomas, der mit seiner Mutter in London lebte und in den 1950er Jahren nach einem Besuch in der DDR seinem Vater seelische Verkrüppelung vorwarf und sich von ihm distanzierte. Im 68. Lebensjahr starb Johannes R. Becher am 11. Oktober 1958 an einer Lungenembolie in Berlin und wurde auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin-Mitte beigesetzt, wo seine Grabstätte zu den Ehrengräbern des Landes Berlin gehört.

Fußnoten

  1. Internationales Biographisches Archiv 10/2009
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 Munzinger-Archiv GmbH, 2009
  3. David Korn: Wer ist wer im Judentum? - FZ-Verlag ISBN 3-924309-63-9