Scherr, Johannes

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Prof. Dr. phil. Johannes Scherr benutzte auch als Pseudonym unter anderem Heinrich Siegfried, Jedediah Gaudelius Enzian, Jeremia Sauerampfer, Ilius Pamphilius und Johannes Zinnober sowie Zacharias Zinnober.

Johannes „Hans“ Hieronymus Scherr (Lebensrune.png 3. Oktober 1817 in Rechberg bei Schwäbisch Gmünd, Königreich Württemberg; Todesrune.png 21. November 1886 in Zürich) war ein deutscher Kulturhistoriker und Schriftsteller. Scherr legte eine Vielzahl kulturhistorischer Veröffentlichungen vor, von denen am einflußreichsten die „Deutsche Kultur- und Sittengeschichte“ war. Daneben verfaßte er auch Romane und Erzählungen: „Buch um Buch floß aus seiner Feder.“

Werdegang

Prof. Dr. Scherr in Zürich

Scherr machte 1837 sein Abitur am bischöflichen Konvikt in Ehingen. Nach der ungeliebten theologischen Ausbildung studierte er von 1837 bis 1840 deutsche Philologie und Geschichte an der Universität Tübingen, wo er mit dem Thema „Über das Lied der Nibelungen“ promovierte.

Von 1840 bis 1843 war er Lehrer an der Privatschule seines Bruders in Winterthur und danach Schriftsteller in Stuttgart. Von 1848 bis 1849 war er jüngster Abgeordneter der Zweiten Kammer des württembergischen Landtags für Geislingen. Scherr mußte nach der gescheiterten Revolution 1849 in die Schweiz fliehen, wo er sich habilitieren konnte und 1860 zum Ordinarius (ordentlicher Professor) für Geschichts- und Literaturwissenschaften am Polytechnikum Zürich berufen wurde.

Neue Deutsche Biographie

Aus dem Vorwort in „Geschichte der deutschen Frauenwelt“
Der aus ärmlichen Verhältnissen stammende S. besuchte seit 1828 das Gymnasium in Schwäbisch Gmünd und Zürich, seit 1834 das bfl. Konvikt in Ehingen. Nach dem Abitur 1837 studierte er, finanziell unterstützt von seinem Bruder Thomas, besonders dt. Philologie, Geschichte und Philosophie in Tübingen. Anschließend an die Promotion (Ueber d. Nibelungenlied, 1840) war er als Lehrer in Winterthur, seit 1843 als freier Schriftsteller und Publizist in Stuttgart tätig. Sein öffentlichkeitswirksames Auftreten als Demokrat und Republikaner führte ihn 1847 in die Württ. Abgeordnetenkammer. Während der Revolution trat er als Großdeutscher und Preußenkritiker für die Reichsverfassung ein und verurteilte die militärische Konterrevolution in Wien und Berlin. Als Mitgründer des „Demokratischen Vereins“ wurde er 1849 zu 15 Jahren Haft verurteilt. S. floh in die Schweiz, wo er als Publizist, Schriftsteller, Übersetzer und Lehrer, seit 1860 als Professor für Geschichte und Literatur am Polytechnikum Zürich wirkte. Durch seinen lebendigen Vortrag zählte er hier zu den frequentiertesten Dozenten. Lange auf die schriftstellerische Tätigkeit als Broterwerb angewiesen, schrieb er in schneller Folge viele Bücher zur Geschichte und zur Literaturgeschichte, zeitgeschichtliche und kulturelle Essays sowie Erzählungen, Romane, Schauspiele und Gedichte. Die in zahlreichen Auflagen verbreiteten Werke machten S. zu einem vielgelesenen Autor. Er war gewandter Erzähler, furioser Polemiker und Sprachbildner zugleich. Als Kulturhistoriker bemühte sich S., der politischen Geschichte eine Darstellung der Lebensweise und des Bildungsgangs des Volkes entgegenzustellen. Sein in der Völkerwanderungszeit beginnendes Hauptwerk, „Dt. Kultur- und Sittengeschichte“ (1852, 21858), führt bis zum 19. Jh. und bezieht politische Geschehnisse nur ein, um Veränderungen der Lebensweise und der Geisteshaltungen zu erläutern, um despotische Herrschaftsformen und das Kriegswesen zu kritisieren. Bedeutsam sind die Schilderungen der materiellen Kultur, der sozialen Zustände und Ungleichheit sowie von Sitten und Gebräuchen. Es ist Geschichte mit dem Blick von unten. S. kritisierte die kirchliche Orthodoxie ebenso scharf wie – in den Schriften nach 1871 – den mangelnden demokratischen Gehalt der Bismarckschen Reichsverfassung. Konzentrierte er sich in der Kulturgeschichte auf den dt. Raum, bezog er sich in der Literaturgeschichte, v. a. der „Allgemeinen Geschichte der Litteratur“ (1851), auf die Weltliteratur von der Antike bis zur Gegenwart, eingeschlossen die seltener beachtete slaw. Literatur. Besonders würdigte er die verschiedenen Formen der Volkspoesie (Volkslieder, Volksmärchen, epische Werke) und berücksichtigte auch historische Literatur. In seinen letzten 15 Lebensjahren verdrängten geschichts-pessimistische Auffassungen zunehmend demokratische Zukunftshoffnungen.[1]

Familie

Johannes wurde im Oktober 1817 in Schwäbisch Gmünd geboren. Der Vater Franz Hieronymus Scherr, ein Dorfschullehrer und Pfeifenmacher, wollte, daß er katholischer Priester werde. Seine Mutter war Cäcilia, geb. Nuding. Er hatte zehn Geschwister, darunter Thomas Scherr (1801–1870), Taubstummen- und Blindenlehrer, Schulreformer, 1852-55 Präsident des Erziehungsrates im Kanton Thurgau und Verfasser zahlreicher bildungspolitischer Schriften.

Ehen

1845 in Zürich heiratete er die Schriftstellerin Maria Susanne „Susette“, geb. Kübler, geschiedene Haggenmacher (1814–1873) aus Gundetswil, die er in Winterthur kennen gelernt hatte, welche zwei ihrer Söhne aus erster Ehe mit ins Haus brachte – darunter sein späterer Verleger Prof. Dr. theol. Otto Haggenmacher (1843-1918). Aus der Ehe sind drei gemeinsame Kinder entsprossen (nach anderen Quellen zwei Stiefkinder und ein gemeinsames). Susanne, die mit Jakob Ulrich Haggenmacher (1811–1888)[2] insgesamt drei Söhne und fünf Töchter hatte,[3] mußte als gewandte Übersetzerin und Artikelschreiberin zum Unterhalt der Familie beisteuern. Vor der Vermählung war Dr. Scherr demonstrativ aus der Kirche ausgetreten. 1874 heiratete er dann die Schweizerin Maria Lüthy (1844–1898), aus dieser Ehe sind zwei weitere Kinder entsprossen. Seine Tochter Marie Scherr (1876–1942) heiratete 1904 den Chemiker Erich Ebler. Sein früh verstorbener Sohn Walter (1878–1901) war Jurist und Doktorand in Zürich.

Werke (Auswahl)

Literatur

Verweise

Fußnoten

  1. Scherr, Johann(es) Hieronymus, in: „Neue Deutsche Biographie“ 22 (2005), S. 703-704
  2. Haggenmacher Familie
  3. Von den Töchtern heirateten deren zwei: Maria Elisabeth (1840-1915) wurde die Gattin von Benjamin Karl Sträuli 1839-1913, Seifenfabrikant in 2. Generation, und Anna Susanna (1851-1900) war mit Dr. h. c. Julius Weber, Direktor der SLM verheiratet. Von den drei Söhnen wurden zwei nicht sehr alt. Der jüngste, Jakob Heinrich (1849-1871) verstarb mit 22 Lebensjahren und Rudolf Friedrich 1836-1866 (Nr. 81) wurde nur 30 Jahre alt. Letzterer verschied kurz vor der Geburt seines Sohnes Rudolf Friedrich (1866-1931). Dieser Stammhalter wurde von seinem Großvater erzogen. Nach einem Abstecher in die USA kehrte er mit seiner Frau Wilhelmine, geb. Kölliker, in die Schweiz zurück und arbeitet bei der Firma Zwicky in Wallisellen und anschliessend bei Weidmann in Thalwil als Färbermeister. Der mittlere seiner drei Söhne, Jakob Karl Ulrich 1898 war Buchdruckerei-Direktor in Zürich gewesen. Die beiden anderen, Julius Friedrich (gen. Fritz, 1896) und August (1901) gründeten die Gartenbaufirma Haggenmacher in Winterthur. Bis spät in 20. Jhdt. hinein war ihr Geschäft mit Baumschule im Kemptrank zwischen Winterthur-Töss und Kemptthal mit einem Seerosenteich ein Anziehungspunkt gewesen.