Kleider machen Leute (1940)

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FILM

Kleider machen Leute.jpg
Filmdaten
Deutscher Titel: Kleider machen Leute
Produktionsland: Deutsches Reich
Erscheinungsjahr: 1940
Laufzeit: 106 Minuten
Sprache: Deutsch
Im Auftrag von: Terra Filmkunst
Erstverleih: Terra-Filmkunst GmbH
Stab
Regie: Helmut Käutner
Regieassistenz: Rudolf Jugert
Drehbuch: Helmut Käutner
Vorlage: Gottfried Keller (Motive der Novelle)
Produktionsleitung: Arthur Kiekebusch
Musik: Bernhard Eichhorn
Ton: Erich Schmidt
Kamera: Ewald Daub
Kameraassistenz: Franz Koch,
Johannes Nowak
Standfotos: Erich Kügler,
Georg Kügler
Bauten: Robert Herlth,
Heinrich Weidemann
Aufnahmeleitung: Veit Massary,
Willi Rother
Herstellungsleitung: Heinz Rühmann,
Hans Tost
Schnitt: Helmuth Schönnenbeck
Besetzung
Darsteller Rolle
Heinz Rühmann Schneidergeselle Wenzel
Hertha Feiler Nettchen
Hans Sternberg Amtsrat Küchlin
Fritz Odemar Graf Stroganoff
Hilde Sessak Fräulein von Serafin
Olga Limburg Ihre Begleiterin
Rudolf Schündler Händler Melcher-Böhni
Erich Ponto Puppenspieler Christoffel
Hans Stiebner Wirt
Leopold von Ledebur Bürgermeister
Helmut Weiss Häberlin Junior
Aribert Wäscher Franz Stein Apotheker Püntschli
Klaus Pohl Bettler
Jeanette Bethge Köchin in der Gastwirtschaft
Conrad Curt Cappi Diener bei Püntschli
Karin Lüsebrink 1. Dienstmädchen im Wirtshaus
Dolly Raphael 2. Dienstmädchen im Wirtshaus „Zur Waage“
Paul Mehler Lohndiener im Wirtshaus „Zur Waage“
Alfred Karen 1. Gast der Verlobungsfeier
Illo Gutschwager 2. Gast der Verlobungsfeier
Hella Holz

Kleider machen Leute ist ein deutscher Spielfilm von Helmut Käutner aus dem Jahr 1940 nach Motiven der gleichnamigen Novelle von Gottfried Keller aus dem Jahr 1866 (Erstveröffentlichung des Buches 1874).

Wissenswertes

Die 1874 erschienene Novelle „Kleider machen Leute“ von Gottfried Keller gehört zu den bedeutendsten Werken der deutschsprachigen Literatur. Unzählige Schüler kennen sie als Pflichtlektüre aus dem Unterricht. 1940 verfilmte Helmut Käutner die Geschichte auf der Grundlage seines eigenen Drehbuchs. Heinz Rühmann spielte die Rolle des armen Schneidergesellen Wenzel, der wegen seiner noblen Kleidung für einen Grafen gehalten wird. Als verliebtes Nettchen ist Hertha Feiler, damals gerade erst „Frau Rühmann“ geworden, zu sehen. „Kleider machen Leute“ ist ein Kostümfilm, der in der Biedermeierzeit spielt. Mit leisem Humor erzählt er ein romantisches Märchen, dessen Thema jedoch ernst ist: Es geht um die Macht des äußeren Scheins und um den Willen der Menschen, an ihn zu glauben. Damit machen der Schriftsteller Gottfried Keller und der Filmautor Helmut Käutner den Menschen Mut, sich der Realität zu stellen. Sie warnen vor Selbstbetrug und Weltfremdheit, die nur ins Unglück führen, und empfehlen statt dessen den klaren Blick auf die Wirklichkeit.

Bei „Kleider machen Leute“ übernahm Rühmann zusammen mit dem Produzenten Hans Tost ganz offiziell die Herstellungsleitung. Gemeinsam dirigierten sie die Produktionsabläufe, Tost in organisatorischer und finanzieller Hinsicht, Rühmann vor allem in künstlerischer. Dazu gehörte auch die Besetzung. Selbstverständlich übernahm er selbst die Hauptrolle, und seine junge Ehefrau Hertha Feiler sollte Nettchen spielen, in die er sich im Film verliebt. Er handelte auch noch eine Sondergage für sie aus: Hertha Feiler erhielt 25.000 Reichsmark statt der 20.000, die ihr laut Gagenliste der Reichsfilmkammer zustanden. Als Herstellungsleiter konnte Rühmann auch den Regisseur bestimmen. Seine Wahl fiel auf Helmut Käutner. Der hatte gerade erst seinen zweiten Film inszeniert, die Komödie „Frau nach Maß“ mit Leny Marenbach – eine Kollegin, an die sich Rühmann nur ungern erinnerte, weil sie ihn nach einer leidenschaftlichen Affäre verlassen hatte.

Käutner arbeitete, wie Rühmann, akribisch und verfügte gleichzeitig über die leichte Hand, die notwendig war, um den heiteren Stoff vor ernstem Hintergrund publikumswirksam in Szene zu setzen. Wie für viele andere seiner späteren Filme schrieb Käutner auch für „Kleider machen Leute“ das Drehbuch. Diese Tätigkeit nahm der Filmemacher nicht weniger ernst als die Regie. Seine Drehbücher waren sorgfältig ausgearbeitet. Da wurde nichts der Improvisation am Set überlassen. Jede Dialogzeile, jeder szenische Einfall war bereits im Drehbuch festgelegt.

Einen Kostümfilm hatte Käutner vor „Kleider machen Leute“ weder geschrieben noch gedreht. Aber seiner Liebe zum Detail kam gerade dieses Genre sehr entgegen. So stimmt etwa die Garderobe der Schauspielerinnen bis hin zur Unterwäsche mit der historischen Frauenkleidung der Biedermeierzeit überein. Für die Darsteller war der Dreh kein Honiglecken. Die meisten Außenszenen wurden im Studio gedreht. Da die Geschichte im tiefsten Winter spielt, mußten die Schauspieler warme Kleidung und dicke Pelzmützen tragen – und das in den von Scheinwerfern aufgeheizten Ateliers. Der Verbrauch an Kunstschnee war enorm.

Der Film wurde vom 28. März 1940 bis zum Juli 1940 auf dem Freigelände Barrandov und im Atelier Prag sowie im Filmstudio Babelsberg und im UFA-Atelier Berlin-Tempelhof gedreht. Heinz Rühmann, der auch an der Herstellungsleitung beteiligt war, singt im Film das Lied „Ein Schneider, der muß wandern“, Hertha Feiler singt „Taratateiti“. Uraufführung war am 16. September 1940 in Konstanz, die Erstaufführung in Berlin am 23. Oktober 1940 im Marmorhaus. Im Fernsehen erfolgte die Erstsendung am 29. Januar 1957 durch die ARD.

Gut 15 Jahre später realisierte Helmut Käutner mit Heinz Rühmann einen weiteren Kostümfilm: „Der Hauptmann von Köpenick“ (1956) nach dem Drama von Carl Zuckmayer. Mit dieser ausgezeichneten Literaturverfilmung setzte Käutner einen Glanzpunkt im deutschen Nachkriegskino. Für Rühmann bedeutete seine Rolle als Schuster Voigt, der in einer Hauptmannsuniform der preußischen Bürokratie ein Schnippchen schlägt, die endgültige Anerkennung als großer Charakterdarsteller.

Nicht nur thematisch – durch einen Kleiderwechsel gewinnt ein „kleiner Mann“ plötzlich Ansehen – zeigen „Kleider machen Leute“ und „Der Hauptmann von Köpenick“ einen ähnlichen Ansatz. Heinz Rühmann verfolgte mit beiden Filmen ein ähnliches Ziel: Er wollte weg von der reinen Unterhaltung und neue Facetten seiner Schauspielkunst zeigen. Doch der verhaltene, melancholische Ton, den er in „Kleider machen Leute“ anschlug, löste nicht die Begeisterung aus, an die der Star gewohnt war. Das Publikum hatte eine typische Rühmann-Komödie erwartet, wollte laut lachen, nicht nur leise schmunzeln. Erst 1956, mit der Zuckmayer-Verfilmung, gelang Heinz Rühmann der wirkliche Wechsel ins Charakterfach.

Kritiken

  • „Detailfreudig, atmosphärisch und brillant hat Helmut Käutner die Stimmung von Gottfried Kellers Novelle in filmgerechte Bilder umgesetzt. Die ironischen Weisheiten und boshaften Anspielungen Kellers wurden durch tragikomische Akzente ergänzt.“ — Thomas Kramer in Reclams Lexikon des deutschen Films, Stuttgart, 1995
  • „Eine vorzügliche Komödie in zart versponnener Romantik und satter Milieumalerei mit ironischen Lebensweisheiten.“ — Film-Dienst

Handlung

Quelle
Folgender Text ist eine Quellenwiedergabe. Unter Umständen können Rechtschreibfehler korrigiert oder kleinere inhaltliche Fehler kommentiert worden sein. Der Ursprung des Textes ist als Quellennachweis angegeben.

Es war einmal ein Schneider, der hieß Wenzel und war bei dem bewährten Meister Hürli in Seldwyla beschäftigt. Er konnte gut mit Nadel und Zwirn umgehen, aber wenn das große Träumen und Spintisieren aber ihn kam, ließ er Nadel, Schere und Bügeleisen ruhen und blickte in eine Ferne, die ihm blinkende Paläste zeigte.

So geschah es, daß er wieder einmal seinen Phantasien nachhing und sich mitten drin sah in einem Land Utopia, und zwar nicht als ein kümmerlicher Schneidergeselle, sondern als ein großer Herr, köstlich gekleidet und die Nase hoch in der Luft. Kaum daß Wenzel begriff, was mit Ihm geschah, hatte er den Frack, der für den Bürgermeister von Seldwyla bestimmt war, zurechtgeschnitten und genäht. Und als der Herr Bürgermeister dann kam und in den Frack hineinfuhr, daß alle Nähte krachten, gab es ein schlimmes Ende für den armen Wenzel. Den Frack, der zu nichts mehr nutze war, warf man ihm nach, als er davonzog, mitten im kalten Winter und ohne Geld und Ziel.

Zwischen Seldwyla und Goldach holte ihn eine Prachtkutsche ein. Ein Graf aus dem Russischen hatte sie in Basel bestellt, und sie war nach Goldach unterwegs. Da saß ein geheimnisvoller und seltsamer Mann am Wege, ein Puppenspieler, dieser Schalk und Possenmacher redete es dem Kutscher ein, der Graf, dem die Staatskutsche gehöre, sei Wenzel, der Wanderer im Frack. Und der Kutscher ließ Wenzel einsteigen.

Unterwegs begegnete man der Goldacher Postkutsche. Das postalische Gefährt saß mit einem gebrochenen Rad fest, und ein hübsches Fräulein faßte sich ein Herz und bat den vornehmen Mann im Frack, er möchte es mit nach Goldach nehmen, Nettchen hieß das schöne Kind, und Wenzel wagte kaum, die Jungfrau anzusehen. Aber soviel Entschlossenheit brachte er auf, daß er einen Begleiter der Dame, den Schneidermeister Böhnl aus Goldach, der mit in die Kutsche steigen wollte, energisch zurückwies. Herr Böhnl raste, und man muß wissen, daß er sich als der künftige Ehemann des schönen Nettchens fühlte.

Im Gasthof zur Waage, der am Marktplatz zu Goldach steht, erwarteten Wenzel vielerlei Überraschungen. Der Wirt eilte herbei, und es nützte Wenzel gar nichts, daß er immerfort wiederholte: „Bin kein Graf.“ Der Wirt wußte von einem adligen Fräulein, welches im Erkerzimmer wohnte, daß es einen russischen Grafen erwarte, und wer anders konnte das sein als Wenzel. Dieses Fräulein von Serafin war eine Dame, die zu lange in die Sterne geguckt hatte. Der russische Graf, den sie erwartete, hatte Briefe mit ihr gewechselt. Briefe poetischen Inhaltes. Briefe voll von Romantik. Und nun glaubte sie, den Briefschreiber in Wenzel zu erkennen.

Inzwischen war der wirkliche Graf in der „Waage“ abgestiegen. Er beschloß, sich ein Vergnügen zu machen, gab sich als Kammerdiener Wenzels aus und nannte sich Siroganoff. Und er griff in das Spiel ein, zwar zugunsten Wenzels, nachdem er erkannt hatte, daß der arme Schneider kein Hochstapler, sondern ein Träumer war. Das Schicksal wollte es, daß Wenzel von Nettchens Vater, dem biederen Herrn Küchlin, eingeladen wurde und daß dadurch seine Annäherung an das liebenswerte Mädchen Fortschritte machen konnte. Doch dadurch kam er dem eifersüchtigen Böhnl erneut in die Quere. Auf einem Maskenfest, das die Goldacher zu Ehren ihres hohen Gastes veranstalteten, hatte Böhnl ein Gespräch zwischen dem echten und dem falschen Grafen belauscht. Aber auf diesem Fest hatten sich Wenzel und Netchen endlich gefunden, und zwar zu einem so dauerhaften Bunde, daß Herr Böhnl, als er die Entlarvung Wenzels zu einem ganz großen Skandal aufbauschen wollte, eine bittere Enttäuschung einstecken mußte. Am Ende siegten die Vernunft des Herrn Küchlin und die Liebe Nettchens zu ihrem Wenzel. Wie das alles geschah, ist so wundersam, ist hier nicht mit dürren Worten zu erzählen. Von nun an brauchte Wenzel keinen Phantasien mehr nachzuhängen. Die Wirklichkeit war viel schöner.


Der Film