Libertarismus

Aus Metapedia
Wechseln zu: Navigation, Suche

Libertarismus (lat. Libertas: Freiheit) oder Libertarianismus (Lehnwort zu „libertarianism“) ist eine politische Philosophie, deren unterschiedliche Strömungen alle vom Prinzip des „Selbsteigentums“ ausgehen und für eine Abschaffung oder strikte Beschränkung des Staates eintreten („Nachtwächterstaat“).

Libertäre betonen, daß jedes Individuum das Recht dazu habe, das zu tun, was immer es möchte, solange dadurch die Freiheit anderer Individuen nicht verletzt werde. Unterscheiden lassen sich unterschiedliche libertäre Strömungen vor allem in ihren Ansichten über den Staat und über Eigentumsrechte sowie in ihrer naturrechtlichen oder utilitaristischen Begründung individueller Freiheit. Insbesondere wird innerhalb des Libertarismus zwischen linken und rechten Strömungen unterschieden, die sich durch unterschiedliche Auffassungen über die Grenzen und den Erwerb von Eigentumsrechten unterscheiden.

Eine einheitliche Bedeutung hat der Begriff des „Libertarismus“ nicht. Während im englischen Sprachraum unter libertarianism oft schlicht Wirtschaftsliberalismus verstanden wird, wird die deutsche Bezeichnung „libertär“ herkömmlicherweise für anarchistisch gebraucht. Diese überkommenen Ungenauigkeiten sind auch die Ursache dafür, daß im Deutschen die Ausdrücke „liberal“ und „libertär“ mit unsicherer Verwendungsweise nebeneinander gebraucht werden.

Geschichte

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde unter Libertarismus (libertarianism) in England die philosophische Auffassung von der Willensfreiheit verstanden. Die erste politische Verwendung des Ausdrucks „libertär“ stammt von dem Anarchisten Joseph Déjacque, der den französischen Ausdruck „libertaire“ 1857 in einem Brief an Pierre-Joseph Proudhon benutzte.

Ins Französische hielt die amerikanische Neudeutung als „libertarianisme“ einen eigenen, von „libertaire“ abgegrenzten Begriff. Auch im Deutschen findet sich mit „Libertarianismus“ ein Lehnwort zum amerikanischen „libertarianism“. Erschaffen als ein Antonym zu Autoritarismus, wurde der Name von diversen unterschiedlichen politischen Bewegungen gebraucht.

Seit Mitte der 1950er Jahre wurde der Begriff insbesondere in den Vereinigten Staaten von Eigentumsverfechtern benutzt, welche sich überwiegend als Rechtslibertäre sehen, und einem Bedeutungswandel unterzogen.

Seit den 1950er Jahren wurde das Wort „liberal“ in den USA mit linker Politik in Verbindung gebracht, welche ihrerseits die liberale Minimalstaatsphilosophie ablehnte. Die Libertären der USA berufen sich jedoch weiterhin auf Vertreter des Klassischen Liberalismus der Aufklärung. Zentral sind die Eigentumstheorie von John Locke sowie die moralische und ökonomische Lehre von Adam Smith. In den USA als „libertarian“ bezeichnete Positionen sind im deutschen Kontext oft schlicht als „wirtschaftsliberal“ zu übersetzen.

Zusätzlich flossen Positionen der sogenannten Österreichischen Schule der Nationalökonomie in die Begriffsbildung ein. Ludwig von Mises (Jude) grenzte hierbei den Libertarianismus von anarchistischen Motiven ab. Auch Friedrich August von Hayek hat auf die freiheitswahrende Funktion des Rechtsstaates verwiesen, die in einer anarcho-libertären Gesellschaft nicht mehr erfüllt werden könne.

Eine beträchtliche Anzahl von Theoretikern des Libertarismus waren bzw. sind Juden[1] in den USA.[2]

Überblick

Wegen der zahlreichen unterschiedlichen Strömungen und Positionen gibt es keine einheitliche Theorie des Libertarismus. Innerhalb des Libertarismus existieren sogar einige unterschiedliche Strömungen, die einander zum Teil nicht als „libertär“ anerkennen. Ein von allen Gruppen des Libertarismus geteiltes grundsätzliches Postulat ist, daß jeder Mensch nur sich selbst gehört und nicht der Gemeinschaft, und daß er ein Recht auf Selbsteigentum habe.

Von Libertären wird der Libertarismus in der heutigen Zeit oft als Form des Liberalismus charakterisiert, in der die Forderung nach individueller und negativer Freiheit bis zur Wurzel gedacht wurde. Staatlicher Herrschaft und demokratischer Gesetzgebung stehen Libertaristen skeptisch bis ablehnend gegenüber. Dabei werden keine positiv definierten Rechte wie etwa das Recht auf Nahrung, Obdach oder Gesundheitsfürsorge anerkannt, sondern nur negativ definierte Freiheiten. Darunter zählt die Freiheit, nicht angegriffen, mißbraucht, beraubt oder zensiert zu werden. Soziales Handeln und Solidarität entstehen nach Einschätzung der libertären Philosophie nicht mit juristischem Druck, sondern durch ethische oder sachdienliche (wirtschaftliche, soziale etc.) Erwägungen. Libertäre halten staatlich geplante soziale Maßnahmen für kontraproduktiv und daher im Ergebnis auch für unsozial (→ Sozialdarwinismus).

Beispiele für verschiedene Richtungen innerhalb des Libertarismus

Anarchokapitalismus

Bestimmte Vertreter des Libertarismus, die Anarchokapitalisten (auch „Marktanarchisten“, „Anarcholiberale“ und „Anarcho-Libertäre“ genannt) oder auch politische Voluntaristen, lehnen den Staat insgesamt als nicht legitime (weil unfreiwillige) Zwangsorganisation ab. Ein bekannterer Vertreter ist Hans-Hermann Hoppe. Libertäre legen das Selbstbestimmungsrecht des Individuums so aus, daß es völlig frei in seinem Handeln und im Gebrauch seines Privateigentums sein sollte, solange die Rechte von niemand anderem verletzt werden. Insofern stimmen sie mit dem klassischen Liberalismus überein. Erhebliche Unterschiede bestehen aber in den Ansichten darüber, wie dem Recht in Konfliktfällen Geltung verschafft werden soll: Hier verläuft eine Trennlinie zwischen Anhängern eines den Rechtsstaat garantierenden Minimalstaates (Minarchismus) und den Anarchokapitalisten, die den Staat als illegitime Herrschaftseinrichtung grundsätzlich ablehnen (Anarchismus).

Minarchismus (Minimalstaat/Nachtwächterstaat)

Zentrales Interesse ist der Schutz der individuellen Freiheiten. Dabei steht die freie Verfügung über Privateigentum im Vordergrund, da sich daraus alle anderen Freiheitsrechte ergeben. Es gibt eine marktwirtschaftliche Orientierung, die beinhaltet, daß die Interaktion zwischen den Bürgern weitgehend durch Marktprozesse koordiniert werden, und daß ein wesentlicher Teil sozialer Beziehungen selbst aus Tauschhandlungen besteht, die zwanglos und zum gegenseitigen Vorteil ablaufen. Der Minimalstaat hat zur Aufgabe, monopolisierendes oder gewalttätiges Verhalten, das Freiheit, Eigentum und Tausch bedroht, zu verhindern und die Erhaltung der ökonomischen Ordnung (Freiheits-, Eigentums- und Vertragsverhältnisse) zu garantieren. Das bedeutet insbesondere, daß er nicht in die Produktionsverhältnisse eingreifen und keine sozialstaatliche Umverteilung vornehmen darf. Hiermit nimmt der Libertarismus in Anspruch, die Tradition des wahren Liberalismus zu vertreten und sich von egalitären Strömungen innerhalb des Liberalismus (im Sinne von John Rawls) abzugrenzen. Bekannte Theoretiker und Aktivisten dieser Richtung sind in der BRD beispielsweise Roland Baader (gest. 2012), Markus Krall und Peter Boehringer.

Paläo-Libertarismus

Der Paläo-Libertarismus ist eine Strömung des amerikanischen Libertarismus, welche von Lew Rockwell und Murray Rothbard (Jude) begründet wurde. Er hat sein intellektuelles Zentrum im Umfeld des jüdisch-amerikanischen „Ludwig von Mises Institute“. Der Paläo-Libertarismus vereinigt radikalen Liberalismus in Wirtschaft und Politik mit institutionellem und kulturellem Konservatismus im gesellschaftlichen Bereich. Wichtige Quellen für die Perspektiven des Paläo-Libertarismus auf Wirtschaft, Kultur und Staatswesen sind die Österreichische Schule der Ökonomie und die amerikanische politische Tradition des „antifederalism“ (im europäischen Sinne: Antizentralismus).

Etliche, jedoch nicht alle, Paläo-Libertäre sind auch Anarcho-Kapitalisten. Der Paläo-Libertarismus hat gewisse inhaltliche Überschneidungspunkte mit dem Konservatismus. So argumentiert beispielsweise Lew Rockwell, daß eine libertäre Gesellschaft bestimmte gesellschaftliche Institutionen und moralische Standards brauche, um das Individuum vor dem Staat zu schützen. Solche (auch informellen) Institutionen seien unter anderem kulturelle Normen, Religion, bürgerliche Moral und gesellschaftliche (naturgegebene) Autorität. Ähnliche Einschätzungen bezüglich der Wichtigkeit gesellschaftlicher Institutionen findet man allerdings schon in vielen Klassikern des Liberalismus und Konservatismus, so u. a. bei Friedrich von Hayek oder früher bereits bei Edmund Burke. Wie ein Großteil des libertären Spektrums, tritt der Paläo-Libertarismus für Dezentralisierung und eine nicht-interventionistische Außenpolitik ein, also gegen eine militärische Einmischung in auswärtige Konflikte und Staaten (alle kriegführenden US-Präsidenten haben jedoch genau dieses Bekenntnis – vor dem jeweiligen Kriegseintritt oder Beginn eines Angriffskrieges – unaufgefordert abgelegt).

Linker Libertarismus

Des weiteren hat sich in den letzten Jahren aus der amerikanischen libertären Tradition heraus eine ihr untergeordnete Richtung entwickelt, die den Libertarismus als linke Philosophie versteht und Potential für eine breitere Unterstützung des Libertarismus in der traditionellen Linken sieht. Diese linkslibertäre Diskussion knüpft sowohl an die liberale Tradition als auch an anarchistische Positionen an. Ein Unterschied zum Anarchismus besteht darin, daß Linkslibertäre nicht für eine Abschaffung des Eigentums eintreten, sondern für eine „gerechtere“ Verteilung der natürlichen Ressourcen.

Technolibertäre

„Techno-Libertarians“ wie John Perry Barlow beschäftigen sich vor allem mit der Regulierung der elektronischen Kommunikation und plädieren für den ungehinderten Diebstahl geistigen Eigentums.

Philosophie

Eigentum

Für prominente Libertäre wie Rothbard und Jan Narveson basiert individuelle Freiheit auf Eigentumsrechten des Einzelnen an sich selbst und an materiellen Gütern. Außerdem legen libertäre dieses Typs großen Wert auf die Feststellung, daß Menschen verantwortlich sind für ihr Handeln, Verhalten und ihre Entscheidungen. Diese Schule (die Lehre des Eigentums jedes Menschen an seinem Körper und der persönlichen Verantwortung) definiert sich selber als „rationale“ Richtung.

Hinsichtlich der Berechtigung und des Erwerbs von privatem Eigentum gibt es innerhalb des Libertarismus unterschiedliche Auffassungen. Libertäre machen geltend, daß in der freien Gesellschaft, die sie für sich anstreben, Eigentum nur das Ergebnis freiwilliger Interaktion und keine politische Doktrin sein könne.

Umstritten ist unter Libertären, inwiefern aus dem Prinzip des Selbsteigentums notwendig auch das Recht auf Privateigentum an materiellen Ressourcen folgt. Während viele Anarchokapitalisten unter Berufung auf Robert Nozick von einem naturrechtlich begründeten Eigentumsrecht ausgehen, bestreiten Linkslibertäre wie Hillel Steiner, Peter Vallentyne und Michael Otsuka, daß das Selbsteigentumsprinzip absolute Rechte auf Privateigentum an externen Gütern, insbesondere Land, begründen kann.

Im Gegensatz zu modernen Eigentumstheorien, die zumeist von einem Bündel von Rechten ausgehen, die differenziert auf unterschiedliche Berechtigte aufgeteilt werden können, verstehen Libertäre wie Nozick oder Rothbard das Eigentum als absolutes und exklusives Recht, über eine Sache zu verfügen. Unter Libertären herrschen unterschiedliche Auffassungen darüber, inwiefern Eigentum an intellektuellen Ressourcen begründet werden kann.

Kritisch eingewendet wird oft gegen anarchokapitalistische Eigentumstheorien, daß Eigentum in einer Massengesellschaft nur durch einen Rechtsstaat als Gewaltmonopolist garantiert werden könne. Der Eigentumsbegriff (sofern er Gerechtigkeit in dem Sinne einschließt, daß sich der Eigentümer sein Eigentum in irgendeiner Weise „verdient“ oder „erarbeitet“ haben soll) setzt in dieser Sichtweise das Vorhandensein eines Staates notwendigerweise voraus, um in einer Massengesellschaft überhaupt sinnvoll zu sein. Minarchisten würden dieser Position zustimmen, während Anarchokapitalisten darauf verweisen, daß im Verhältnis der Staaten zueinander eine ebensolche Situation besteht, daß es keinen obersten Gewaltmonopolisten gibt und friedliches Zusammenleben inklusive Eigentumsschutz offensichtlich möglich ist. Jedoch widerspricht diesem Argument das ständige Auftreten und Fortbestehen von intra- und internationalen Konflikten und Kriegen.

Staat

Schaubild „Staatsfunktionen“, mit libertären Einordnungen

Libertäre lehnen eingreifende Staatswesen grundsätzlich ab und fordern eine Rückführung des Staates auf seine Funktion zur Sicherstellung der Grundfreiheiten oder sogar eine völlige Abschaffung des Staatswesens.

Einige Libertäre sind Minarchisten, d. h., sie betrachten einen minimalen Staat mit einer minimalen Steuerquote als notwendiges Übel für das Aufrechterhalten öffentlicher Institutionen zum Schutz von Bürgerfreiheiten und Eigentumsrechten, beispielsweise der Polizei, eines freiwilligen Militärs ohne Wehrpflicht und öffentlicher Gerichte.

Im Gegensatz dazu betrachten Anarchokapitalisten – wie z. B. David D. Friedman oder Murray Rothbard – den Staat selbst als überflüssig bzw. verwerflich. Sie lehnen staatliche Steuern, das staatliche Gewaltmonopol und staatliche Gesetzgebung und Rechtspflege vollständig ab und befürworten eine Gesellschaft, in welcher diese Aufgaben durch private Organisationen kommerzieller und nichtkommerzieller Art wahrgenommen werden. Sie argumentieren im Gegensatz zu den Minarchisten, daß jedes Staatswesen nicht in einem vernünftigen Rahmen gehalten werden kann und sich zwangsläufig zu einem despotischen Zwangssystem entwickelt.

Die politischen Positionen von Minarchisten und Anarchokapitalisten zu aktuellen Hauptstromthemen scheinen sich häufig zu überlappen, da beide Pole existierende Staatswesen als zu ausufernd und bevormundend betrachten.

Die Frage, wie in anarchokapitalistischen Verhältnissen oder in einem Minimalstaat die Bürger und Privateigentümer vor dem Einströmen unerwünschter Personen auf ihr Territorium geschützt werden können (Grenzschutz) und wie eine entsprechende Willensbildung überhaupt vonstatten gehen könnte, übergehen sowohl die Theoretiker als auch Aktivisten und Organisationen des Libertarismus durchgängig. Gleiches gilt für die Frage des Umgangs mit zerstörerischen Kräften, die sich gegen die Gesellschaft und das Zusammenleben richten.

Naturrecht und andere Begründungen

Libertäre wie Robert Nozick und Murray Rothbard sehen die Rechte auf Leben, Freiheit und Eigentum als Naturrechte, d. h. aus sich selbst begründet. Direkt oder indirekt gehen ihre Ansichten auf die Schriften von David Hume und John Locke zurück. Ayn Rand, eine andere Autorin mit großem Einfluß auf den Libertarismus, sah diese Philosophie im Naturrecht begründet. Wegen des apriorischen Charakters der Normen wird dem Libertarismus der Vorwurf des Fundamentalismus entgegengehalten.

Einige Liberale wie z. B. Milton Friedman, Ludwig von Mises oder Friedrich Hayek leiteten Eigentumsrechte und Vertragsfreiheit aus anderen Überlegungen ab. Liberalismus ist aus ihrer Sicht die effektivste Wirtschaftspolitik, um Wohlstand und Reichtum für alle Individuen der Gesellschaft zu schaffen und zu erhalten. Sie sehen auch Gewaltanwendung in einigen Notfällen als gerechtfertigt an. Libertäre wie Jan Narveson leiten ihre Philosophie aus dem Vertragsrecht ab – rational handelnde Menschen würden sich auf diese Rechte als Grundlage ihrer Interaktion einigen.

Politik

Viele Libertäre gehen davon aus, daß eine Organisation der Gesellschaft nach dem Marktprinzip letztlich die stabilste Form der Gesellschaft mit dem größten Wohlstand für alle nach sich zieht. Sie fordern daher ein völliges Laissez-faire sowohl im Bereich der Wirtschafts- als auch der Gesellschaftspolitik. Generell vertreten sie die Ansicht, daß Aufgaben durch den Marktmechanismus besser und günstiger gelöst werden, als es durch Staaten jemals möglich wäre. So befürworten sie beispielsweise Freihandel und Wettbewerb von Geldsystemen bzw. bei der Herausgabe von Geld. Mit der Auffassung, daß der Marktmechanismus grundsätzlich zu besseren Ergebnissen kommt, als es durch staatliche Eingriffe möglich sei, widersprechen sie der herrschenden ökonomischen Meinung. Nicht zuletzt daher ist im Libertarismus die von der herrschenden Meinung abweichende Österreichische Schule populär.

Sie betrachten jede Form staatlichen Eingreifens in die Wirtschaft, etwa durch Einschränkung der Vertragsfreiheit oder Steuern („Steuern sind Diebstahl“), als illegitime „Enteignung“. Bekämpft wird auch das Eingreifen des Staates in das Privatleben der Menschen, etwa durch staatliche Überwachung oder Wehrpflicht.

Die Zurückweisung und Beschränkung staatlicher Macht fußt in der Auffassung, daß der Staat eine Ansammlung egoistischer Individuen sei, welche die ihnen zur Verfügung stehende Macht zuallererst zur eigenen Bereicherung nutzten. Libertäre werfen politischen Gegnern häufig Staatshörigkeit und „Staatsfetischismus“ vor, da diese dem Staat ausufernde Macht zugeständen, ohne den praktizierten Machtmißbrauch durch Politiker zu überdenken. Anderen politischen Richtungen, welche wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Aufgaben durch einen zentral geleiteten Staat bewältigen wollen, werfen Libertäre dementsprechend häufig Staatsgläubigkeit vor: Es sei ein Irrtum, daß der Staat durch zentrale Planung und Intervention Probleme lösen könne. Tatsächlich dienten staatliche Interventionen nur den Interessen von Lobbys, und durch das Setzen falscher Anreize und Fehlallokationen infolge unzureichender Information, kombiniert mit zu großer Macht, würde Menschen Schaden zugefügt werden.

Im Gegensatz zur gängigen Meinung, daß die heutige Weltordnung „kapitalistisch“ oder „neoliberal“ dominiert sei, betrachten viele Libertäre das derzeitige globale Staatensystem als sozialistisch und sehen eine generelle Tendenz zu Totalitarismus und Kollektivismus. Freihandel beispielsweise wird als Selbstentfaltung weltweit vernetzter Wirtschaftsakteure verstanden, welchen autoritäre Staaten durch Protektionismus und im Interesse bestimmter, mit ihnen verbundener Monopolisten einschränken wollten.

Die meisten Libertären sind skeptisch gegenüber der Demokratie. Einige lehnen sie als Regierungsform ab. So kritisiert der Ökonom Bryan Caplan irrationales Wählerverhalten in der Demokratie. Hans-Hermann Hoppe befürwortet „Freiheit statt Demokratie“ und sieht die Monarchie gegenüber der Demokratie als geringeres Übel an.

Parteien

In den Vereinigten Staaten von Amerika sind viele Libertäre in der Libertarian Party aktiv. Sie ist die mit Abstand drittstärkste Partei hinter den Demokraten und Republikanern.[3] Die Parteimitglieder sehen sich selbst jenseits eines politischen „Rechts-links“-Schemas. Allerdings gab und gibt es auch Libertäre in den großen Parteien. Der ehemalige republikanische Kongreßabgeordnete Ron Paul etwa führte über Jahre eine libertäre Kampagne an. Sein Sohn Rand Paul, ebenfalls Republikaner und Befürworter massiver illegaler Immigration in die USA, gilt ebenfalls als Libertärer.

Libertäre Medien

Eine der frühesten libertären amerikanischen Publikationen war die 1873 gegründete Nachrichtenzeitung Detroit News. 1881 erschien in Amerika die Zeitschrift Liberty, die von Benjamin Tucker bis 1908 publiziert wurde. Der oberfränkische Lehrer Max Stirner übte großen Einfluß auf den Pionieranarchisten Benjamin Tucker aus, welcher wiederum durch die Liberty Murray N. Rothbard beeinflußte. Im 20. Jahrhundert gab es mehrere Gründungen von libertären jüdisch-amerikanischen Medien. 1977 gründete Murray N. Rothbard das Journal of Libertarian Studies.

Im deutschen Sprachraum gibt es hauptsächlich Medien mit liberalem Inhalt, die sich allerdings auch mit libertärer Meinungsbildung beschäftigen. Dazu zählen die konservativ-christliche Monatszeitschrift eigentümlich frei, Espero, NOVO, Schweizer Monat, Blink und Smart Investor.

Stellung im politischen Spektrum und Kritik

Libertäre betrachten sich selbst häufig als radikale Vertreter des Liberalismus und sehen sich weniger in Opposition zu gemäßigten Liberalen, sondern vielmehr als Untergruppe im Spektrum des politischen Liberalismus. Allerdings werden viele libertäre Positionen, etwa die Disponibilität von „Menschenrechten“ und die Ablehnung demokratischer Institutionen, als illiberal angesehen. Wirtschaftlich steht der Libertarismus sowohl nationaler Politik als auch linker oder sozialistischer Politik entgegen. Libertäre halten nur ein minimales Eingreifen in die Wirtschaft für erträglich. In wirtschaftlichen Fragen sehen einige Libertäre Gemeinsamkeiten mit Konservativen und versuchen, politische Allianzen mit ihnen zu bilden. Hierbei muß allerdings zwischen „konservativ“ im amerikanischen und im europäischen Sinn unterschieden werden. Während amerikanische Konservative ein schwaches Eingreifen des Staates in die Wirtschaft befürworten, was sich größtenteils mit den Zielen libertärer Politik deckt, bezeichnet der Ausdruck „konservativ“ in Europa oft eine auf „soziale“ Umverteilung ausgerichtete Politik, was in diesem Fall libertären Idealen diametral entgegensteht.

Gesellschaftspolitisch führt das Ideal des minimalen Staates zu Opposition sowohl gegenüber linken und sozialistischen als auch gegenüber rechten, konservativen und nationalistischen Gruppen. Gesellschaftliche Veränderungen von seiten des Staates können aus libertärer Sicht keine positive Auswirkung auf die Individuen einer Gesellschaft haben, etwaige politische Maßnahmen dienten in Wahrheit lediglich Einzelinteressen und der despotischen Umsetzung von Ideologien.

Trotz dieses Nichtinterventionsprinzips haben Libertäre durchaus gesellschaftspolitische Vorhaben. Das Spektrum reicht von Neokonservativen, welche im Rahmen einer freien Gesellschaft ein Leben nach entsprechenden Wertvorstellungen leben wollen, bis hin zu polemisch als „Sex,-Drugs-and-Rock-’n’-Roll-Libertären“ bezeichneten Individuen, welche die libertäre Gesellschaft als Voraussetzung für Meinungsfreiheit, sexuelle Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung sehen. Libertäre jeder Richtung lehnen jedoch die Umsetzung gesellschaftlicher Entwürfe durch Zwang und Indoktrination strikt ab.

Viele Libertäre wehren sich gegen eine Einordnung in das traditionelle politische Links/Rechts-Schema, da sie sich sowohl zu konservativer und nationalistischer wie auch zu sozialistischer Politik in Opposition sehen. In ihren Augen besteht kein wesentlicher Unterschied zwischen (extremer) linker und (extremer) rechter Politik.

Anstelle des Links/Rechts-Spektrums bevorzugen einige Libertäre insbesondere in den USA ein zweidimensionales Feld, um politische Ansichten zu klassifizieren. Hierbei wird die Einstellung zur „persönlichen Freiheit“ auf der einen, und die „wirtschaftliche Freiheit“ auf der anderen Achse dargestellt, wobei diese von „absolut restriktiv“ bis „absolut liberal“ reichen. Detmar Doering, Leiter des Liberalen Instituts der steuerfinanzierten Friedrich-Naumann-Stiftung, hält das libertäre Ideal einer Gesellschaft, die auf vollkommener Freiwilligkeit basiert, aus liberaler Sicht zwar für erstrebenswert, kritisiert aber, daß es kein reales Beispiel einer staatslosen Industriegesellschaft gebe und daß Staaten bisher aus Gründen wie Krieg, Bürgerkrieg oder ethnischen Spannungen verschwunden seien. Er legt dazu statistische Untersuchungen vor, daß in solchen instabilen Ländern weniger Freiheit und Rechtsordnung existiere als in stabilen Staaten. Ein gewaltsamer Übergang in eine nichtstaatliche Gesellschaft könne nicht funktionieren, da dazu eine stärkere Gewalt als die bisherige nötig sei, aus der sich wieder staatliche Macht bilden würde. Als Beispiel für solche Entwicklungen führt er die Französische Revolution an.

Zitate

  • „Der Sozialismus kann dazu dienen, die Gefahr aller Anhäufungen von Staatsgewalt recht brutal und eindringlich zu lehren und insofern vor dem Staate selbst Mißtrauen einzuflößen. Wenn seine rauhe Stimme in das Feldgeschrei: ›so viel Staat wie möglich‹ einfällt, so wird dieses zunächst dadurch lärmender als je: aber bald dringt auch das Entgegengesetzte mit umso größerer Kraft hervor: ›so wenig Staat wie möglich‹.“ — Friedrich Nietzsche (1878)[4]

Siehe auch

Filmbeiträge

Beispiel libertärer Ansichten (anarchokapitalistische Ausrichtung)
Hans-Hermann Hoppe: „Die Wurzel des Übels: Ausbeutung und Rechtsbruch“
– Vortrag, gehalten am 15. Juni 2013 in München

Literatur

  • Keith Knight (Hg.): Voluntarismus: Aufsätze, Texte und Zitate über die Freiheit, Independently published, 2023, ISBN‎ 979-8378044351 [427 S.]
  • Michael Brückner: Die Gerechtigkeits-Lüge: Die Ausbeutung des Mittelstandes im Namen der sozialen Gerechtigkeit. Frank & Frei, 2019, ISBN 978-3903236264 [110 S.]
  • Johannes Scharf: Der Tribalolibertarismus (Areopag II), Metapol Verlag & Medien, 2021, ISBN 9783949653018, Buchvorstellung und Bezugsnachweis
  • Titus Gebel: Freie Privatstädte: Mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt, Aquila Urbis Verlag; 2. Aufl. 2018, ISBN 978-3000626777, auch als Hörbuch erhältlich
  • Ron Siderius: Die letzte Verteidigungslinie: Mehr Waffen, weniger Angst. Lichtschlag Medien und Werbung, 2018, ISBN 978-3939562818 [420 S.]
  • Birgit Kelle, René Zeyer u. a.: Infantilismus: Der Nanny-Staat und seine Kinder. Verlag Frank&Frei, 2016, ISBN‎ 978-3950408164 [224 S.]
  • Alexander Neubacher: Total beschränkt. Wie uns der Staat mit immer neuen Vorschriften das Denken abgewöhnt. Deutsche Verlags-Anstalt, 2014, ISBN 978-3421046550 [304 S.]
  • Olaf Baale: Die Verwaltungsarmee. Wie Beamte den Staat ruinieren. dtv, München 2004, ISBN 3-423-24412-7
  • Karel Beckman / Frank Karsten: Wenn die Demokratie zusammenbricht. Warum uns das demokratische Prinzip in eine Sackgasse führt. FinanzBuch Verlag, Edition Lichtschlag, 2012, ISBN 978-3898797122 [Libertäre Gesichtspunkte]
  • Stefan Blankertz: Das libertäre Manifest. Über den Widerspruch zwischen Staat und Wohlstand. Verlag Books on Demand, Norderstedt 2012, ISBN 978-3848231874 [vollständige Überarbeitung der 2001 im Verlag Lichtschlag erschienenen Erstauflage]
  • Roland Baader: Das Kapital am Pranger. Ein Kompaß durch den politischen Begriffsnebel. Resch-Verlag, Gräfelfing 2005, ISBN 3-935197-45-4
  • Hans-Hermann Hoppe: Der Wettbewerb der Gauner. Über das Unwesen der Demokratie und den Ausweg in die Privatrechtsgesellschaft. Holzinger Hubert W., 2012, ISBN 978-3926396587
  • André Lichtschlag: Libertarianism: Eine (anti-)politische Bewegung in den USA und ihre Bedeutung für Deutschland. Lichtschlag, 2008, ISBN 978-3939562078
  • Alain de Benoist: Gegen den Liberalismus. Die Gesellschaft ist kein Markt. Jungeuropa Verlag, 2021, ISBN‎ 978-3948145132 [412 S.]
  • Josef Schüßlburner: Die Unvermeidbarkeit der Macht. Über die Unmöglichkeit der Anarchie und Auswege durch Staatenpluralismus, eigentümlich frei, Juli/August 2006, S. 49–51
  • Robert Nef:
    • Neidökonomie. 2000, ISBN 978-3858238597
    • Lob des Non-Zentralismus. Academia-Verlag, St. Augustin 2001, ISBN 3896652133
    • Politische Grundbegriffe. NZZ-Verlag, Zürich 2002, ISBN 3858239569
  • Frédéric Bastiat: Der Staat – die große Fiktion. Ott, Thun 2001, ISBN 3-7225-6918-4
  • Manfred Kleine-Hartlage: Die liberale Gesellschaft und ihr Ende. Über den Selbstmord eines Systems. Verlag Antaios, Schnellroda 2013, ISBN 978-3-944422-30-5
  • Alfred Bosch / Reinhold Veit: Parasitäre Erscheinungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Folgen des Mißbrauchs staatlichen Zwangs, in: Gerd-Klaus Kaltenbrunner (Hg.): Schmarotzer breiten sich aus – Parasitismus als Lebensform, Herderbücherei Initiative, Bd. 43, Freiburg i. Br. 1981, S. 125–137
  • Rainer Zitelmann: Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung: Eine Zeitreise durch 5 Kontinente. FinanzBuch Verlag, 2018, ISBN 978-3959720885 [288 S.]
  • Igor R. Schafarewitsch: Der Todestrieb in der Geschichte – Erscheinungsformen des Sozialismus, Lichtschlag Medien und Werbung, 2. Aufl. 2016, ISBN 978-3939562634 (russ. Original 1975)
  • Sean Gibb: Das Recht auf Rauchen – Freiheit, Klassenkampf und Herrschaft. Mit einem Vorwort von Robert Grözinger, Lichtschlag Medien und Werbung, 2017, ISBN 978-3939562696 [276 S.]
Englischsprachig
  • Hans-Hermann Hoppe: Getting Libertarianism Right, Ludwig von Mises Institute, 2018, ISBN 978-1610166904
  • Llewellyn Rockwell: Against the State: An Anarcho-Capitalist Manifesto. Rockwell Communications LLC, 2014, ISBN‎ 978-0990463108
  • Albert Jay Nock: Our Enemy, the State. CreateSpace Independent Publishing Platform, 2014 [Erstveröffentlichung 1935], ISBN ‎978-1502585639 [226 S.]
  • L. Neil Smith: Down With Power: Libertarian Policy in a Time of Crisis. Arc Manor, 2013, ISBN 978-1612420554 [302 S.]

Verweise

Englischsprachig

Fußnoten

  1. Ludwig von Mises, Murray Rothbard, Ayn Rand, Milton Friedman, David D. Friedman, Robert Nozick, Noam Chomsky, Richard Epstein, Murray Bookchin, Hillel Steiner
  2. 2,0 2,1 Brenton Sanderson: Frei zu verlieren – Juden, Weiße und der Libertarianismus, As der Schwerter, 25. November 2011
  3. Sie tritt unter anderem seit 1971 für die gesetzliche Anerkennung homosexueller Verbindungen als „Ehe“ ein. Netzpräsenz Libertarian Party, [1]
  4. In: Menschliches, Allzumenschliches I, Nr. 473