Nürnberger Ärzteprozeß

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Der Nürnberger Ärzteprozeß zählt zu den zwölf Nachfolgeverfahren des Nürnberger Tribunals, welche die Alliierten während der Jahre ihrer Terrorherrschaft nach dem Zusammenbruch 1945 in Deutschland veranstalteten. Das Ziel war es, das nationalsozialistische Medizinalwesen öffentlich und pauschal zu kriminalisieren.

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Verlauf

Der Prozeß fand zwischen dem 9. Dezember 1946 und dem 20. August 1947 vor einem US-amerikanischen Militärgericht statt, das sich offiziell als „Internationales Militärtribunal“ darzustellen versuchte. Angeklagt waren zwanzig Ärzte sowie drei Nicht-Mediziner. Das Verfahren endete mit sieben Todesurteilen, fünf lebenslänglichen, zwei zwanzigjährigen, einer fünfzehn-, einer zehnjährigen Haftstrafe sowie sieben Freisprüchen.

Die dreiundzwanzig Angeklagten und ihre Rechtsbeistände

Anklage

Die Anklage gliederte sich in vier Punkte:

  • I. Der gemeinsame Plan oder Verschwörung (zur Begehung der Punkte II und III)
  • II. Kriegsverbrechen
  • III. Humanitätsverbrechen
  • IV. Mitgliedschaft in einer „verbrecherischen Organisation

Im Mittelpunkt standen unter den vier Anklagepunkten die Veranlassung von Humanexperimenten in Konzentrationslagern und die Euthanasiepolitik des Dritten Reiches.

Humanversuche

Die Angeklagten sollten aufgrund u. a. folgender Versuchsreihen inkriminiert werden:

  • Die Höhenversuche März – August 1942 im KL Dachau
  • Die Wiedererwärmungsversuche August 1942 – Mai 1943 im KL Dachau
  • Die Malariaimpfstoffversuche Februar 1942 – April 1945 im KL Dachau
  • Die Sulfonamidversuche Juli 1942 – September 1943 im KL Ravensbrück
  • Die Versuche zur Trinkbarkeitsmachung von Meerwasser Juli – September 1944 im KL Dachau
  • Die Fleckfieberimpfstoffversuche Dezember 1941 – Februar 1945 im KL Buchenwald und im KL Natzweiler
  • Die Gelbsuchtimpfstoffversuche Juni 1943 – Januar 1945 im KL Natzweiler und im KL Sachsenhausen

Verteidigungsführung

Die unbedingte, kriegsbedingte Notwendigkeit verschiedener Versuche, so insbesondere der Fleckfieberimpfstoffversuche oder der Meerwasserexperimente wurde ebenso wie der damit verbundene Hinweis auf Befehlsnotstand durch das Tribunal als Verteidigungsbasis verworfen. Auf den Nachweis, daß es sich bei den Probanden um zum Tode verurteilte Freiwillige gehandelt habe, denen eine Begnadigung in Aussicht gestellt wurde, reagierte das Tribunal mit dem Pauschalhinweis, daß bereits das entsprechende Todesurteil des „NS-Unrechtsregimes“ keinerlei Rechtsmaßstäben entsprochen haben könne, wodurch die Versuchsdurchführung per se als rechtswidrig anzusehen sei.

Einen hervorzuhebenden Aspekt des Verfahrens bildete die allgemeine Beweisführung über Humanversuche und ärztliche Ethik. So wurde zur Diskussion gestellt, daß vergleichbare Humanexperimente, gegen solche im Ärzteprozeß verhandelt wurde, weltweit stattfinden und einen Gegenstand der wissenschaftlichen Praxis bilden. Dieses Verteidigungsargument wurde für unerheblich befunden.

Der Versuch der Anklageführung, die Euthanasiepolitik des Dritten Reiches als „Ausgeburt des Nationalsozialismus“ zu charakterisieren, ließ sich z. B. mit Hinweis auf die Werke des Nobelpreisträgers und Philosophen Alexis Carrel oder des Eugenikers Madison Grant widerlegen.

Prozeßbeobachter

Die bedeutendsten Besucher des Ärzteprozesses waren Francois Bayle, Alexander Mitscherlich und Fred Mielke. Diese publizierten über dessen Verfahrensverlauf.

Im März 1947 veröffentlichte Mitscherlich die tendenziöse Dokumentation zum Ärzteprozeß „Diktat der Menschenverachtung“, welche in einer späteren Neuauflage unter dem Titel „Wissenschaft ohne Menschlichkeit“ erschien. 1960 erfolgte eine weitere Auflage unter dem Titel „Medizin ohne Menschlichkeit“. Das Mitscherlich-Mielke-Pamphlet sollte in der Ärzteschaft keine Anerkennung finden.

Der französische Marineoffizier Francois Bayle veröffentlichte die ausführliche Prozeßabhandlung „Croix gammee contre Caducee“ (1950), die psychologische Profile der Angeklagten enthält. In einer deutschen Übersetzung liegt die Arbeit nicht vor.

Urteil

Festzustellen ist, daß das Siegertribunal sämtliche der Beklagten unter dem Anklagepunkt I nicht für schuldig befand. Am 20. August 1947 erging das Urteil im Ärzteprozeß:

Trotz zahlreicher Eingaben und Gnadengesuche wurden die sieben Todesurteile in der Justizvollzugsanstalt Landsberg am 2. Juni 1948 durch den US-Henker John C. Woods durch Erhängen vollstreckt. Anders erging es den zu Freiheitsstrafen Verurteilten des Prozesses. Am 31. Januar 1951 erfolgte durch die politische Entwicklung des Kalten Krieges und einer damit verbundenen Änderung der Okkupationspolitik in Deutschland eine Reduzierung des Strafmaßes des Nürnberger Ärzteprozesses.

Der US-Hochkommissar John McCloy wandelte die Urteile im Falle wider Siegfried Handloser und Karl Genzken jeweils in eine zwanzigjährige Haftstrafe um, das Strafmaß gegen Oskar Schröder, Gerhard Rose und Fritz Fischer wurde zu fünfzehn, jenes gegen Hermann Becker-Freyseng, Wilhelm Beiglböck und Herta Oberheuser zu zehn Jahren Haft herabgesetzt. Helmut Poppendick wurde am 3. Februar 1951 entlassen.

Eine endgültige, medizinisch-ethische Grundsatzdiskussion zum Umgang mit Humanexperimenten in der Forschung steht nach wie vor aus und der Nürnberger Siegerprozeß hat keinen sinnvollen Beitrag zu diesem Diskurs geliefert. Die Bilanz des Tribunals zur als „Humanitätsverbrechen“ deklarierten Euthanasiepolitik hatte folgenden Wortlaut:

„Wir zweifeln nicht, daß Karl Brandt [...] aufrichtig daran glaubt, daß die Euthanasie hoffnungslos Kranken gewährt werden soll, deren Leben ihnen selbst eine Last ist [...].
Die abstrakte Fragestellung, ob die Euthanasie in gewissen Fällen der erwähnten Kategorie gerechtfertigt sei, beschäftigt diesen Gerichtshof nicht. Ob ein Staat gültige Gesetzgebung, welche die Euthanasie über gewisse Kategorien seiner Bürger verhängt, erlassen kann, ist ebenfalls eine Frage, welche nicht hier herein spielt.“

Die Urteile werden gesprochen (Filmbeitrag)

Sentencing of the defendants of the Doctor's Trial (englischsprachig):

Der Ärzteprozeß und der Nürnberger Kodex von 1947

Als bedeutendstes Ergebnis des Ärzteprozesses wird die Verabschiedung des zehn Punkte umfassenden Nürnberger Kodex angesehen, der neue medizinethische Standards setzen sollte.

Das auch im Ausland als überzogen hart empfundene Urteil des Nürnberger Ärzteprozesses hat diese hehren Ansprüche nicht erfüllt. Weder hat das Siegertribunal zur Weiterentwicklung der medizinischen Ethik in der Praxis beigetragen, noch hat es den Prinzipien des Nürnberger Kodex Geltung verschaffen können. Im Gegenteil hat sich gezeigt, daß dem Nürnberger Kodex allenfalls eine historische, aber keine allgemeinverbindliche Bedeutung zuzuschreiben ist.

Ausgerechnet die federführende Anklagemacht VSA des Ärzteprozesses steht an der Spitze der Durchführung von Menschenversuchen. Die Aufstellung des Nürnberger Kodex tat der Durchführung der VS-Humanexperimente keinerlei Abbruch, die auch bis heute eine gängige Forschungspraxis in den VSA darstellt.

Darunter fand mit den Versuchen von Tuskegee zwischen 1932 und 1972 zur Erforschung des Krankheitsverlaufes der Syphilis ohne Wissen der Probanden das bislang umfangreichste staatlich organisierte Humanexperiment der Menschheitsgeschichte statt.

1940 wurden vierhundert Strafhäftlinge in Chicago und Illinois mit Malaria infiziert, um die Wirksamkeit verschiedener Impfstoffe testen zu können, wobei den Probanden eine Strafreduzierung in Aussicht gestellt wurde.

Das „Jewish chronic desease hospital“ in Brooklyn führte 1963 Krebsforschungen durch, indem es geisteskranken Patienten ohne deren Kenntnis fremdstämmige Krebszellen einimpfte, um die Wirkung zu testen.

In den Universitätskliniken von Cincinnati fanden zwischen 1944 und 1974 Versuche mit radioaktiver Strahlung statt, ohne die Einwilligung der 16.000 Probanden einzuholen. Diese Zahl wurde von der VS-Energieministerin Hazel O'Leary offiziell bestätigt.

1978 fanden in Neuyork, Los Angeles und San Francisco Hepatis-epidemica-Virus-Forschungen der Organisation Centers of disease control and prevention statt.

Pfeil 2 siehe auch.pngSiehe auch: VS-Humanexperimente

Revision des Nürnberger Kodex

In der Deklaration von Helsinki der achtzehnten Generalversammlung des Weltärztebundes vom Juni 1964 wurde festgestellt:

„Im Bereich der klinischen Forschung sollte eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen Forschung, deren grundlegendes Ziel Heilung ist und Forschung, die rein wissenschaftliche Ziele verfolgt und aus der der einzelne keinen Nutzen zieht, getroffen werden.“

Dies entspricht nahezu wortwörtlich den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen Andrew Conway Ivy im Nürnberger Ärzteprozeß, der eine klare Abgrenzung zwischen dem Arzt als Therapeut und dem Arzt als Experimentator betonte – eine durch die Verteidigung vertretene Theorie, die das US-Tribunal 1947 aberkannte.

Die von 34 Staaten unterzeichnete Bioethik-Konvention von 1997 autorisiert die Experimentierung an nicht-einwilligungsfähigen Patienten, wie Demenzkranken oder Komatösen. So heißt es im Artikel XII („Schutz von einwilligungsunfähigen Personen bei Versuchsvorhaben“) der Konvention:

„In Ausnahmefällen und nach Maßgabe der gesetzlich vorgeschriebenen Schutzbestimmungen Forschung, die potentiell nicht von ummittelbaren Nutzen für die Gesundheit des Betroffenen ist.
Vorausgesetzt die Forschung hat zum Ziel, durch eine spürbare Verbesserung des wissenschaftlichen Verständnisses für den Zustand, die Krankheit oder die Störung der Person dazu beizutragen, letztlich Ergebnisse zu erreichen, die geeignet sind, dem betroffenen oder anderen Personen, die sich in der gleichen Altersstufe befinden oder die an der gleichen Krankheit leiden, zu nutzen.“

Siehe auch

Literatur

  • ExpressZeitung: 100 Jahre Krieg gegen Deutschland (Teil 2), Ausgabe 29 (November 2019), Heftvorstellung und Bezugsnachweis
  • Claus Nordbruch: Der deutsche Aderlaß – Alliierte Kriegspolitik gegen Deutschland nach 1945, Veröffentlichungen des Instituts für Deutsche Nachkriegsgeschichte, Bd. 28, 3. Aufl., Grabert-Verlag, Tübingen 2012, Kapitel Folter als Mittel, ›Recht‹ zu sprechen und historische ›Tatsachen‹ zu schaffen (S. 155–166) und Kapitel Deutsche in Gefangenschaft der Sieger (S. 215–260)
  • Alexis Carrel: Der Mensch – Das unbekannte Wesen. Stuttgart/Berlin 1957
  • Egmont R. Koch / Michael Wech: Deckname Artischocke. Die geheimen Menschenversuche der CIA. C. Bertelsmann Verlag, München 2002, ISBN 3-570-00662-X
  • Viktor von Weizsäcker: Euthanasie und Menschenversuche. Sonderdruck aus der Zeitschrift PSYCHE I. 1947

Verweise

  • Trials of War Criminals Before the Nuernberg Military Tribunals Under Control Council Law No. 10 (Englische Prozeßprotokolle)
    • Volume I, Case No. 1: The Medical Case (HTML|PDF)
    • Volume II, Case No. 1: The Medical Case (HTML|PDF)