Neidhart von Reuenthal

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Herr Nithart, genannt von Reuental (Große Heidelberger Liederhandschrift, um 1300)

Neidhart von Reuenthal (auch Neidhardt oder Neythart und Reuental, Riuwental oder Riwental; Lebensrune.png Ende des 12. Jahrhunderts oder Anfang des 13. Jahrhunderts; Todesrune.png um 1240), war ein deutscher Dichter, dessen Lyrik und Minne des Mittelalters von großer Bedeutung in der deutschen Kulturgeschichte ist. 132 Lieder sind unter seinem Namen überliefert, davon 55 mit Melodien.

Leben

Die Forschung datiert Neidhart von Reuenthal zwischen 1180 und 1240. Aufgrund der Ortsnamen in seinen Liedern ist eine Herkunft aus dem Raum Bayern/Salzburg wahrscheinlich. Später läßt er seine Heimat hinter sich und geht in den Wiener Raum. Er nennt Friedrich II., Herzog von Österreich (regierte ab 1230), als Gönner, von dem er ein Haus am Lengenbach erhalten haben will. Er berichtet in zwei Liedern von der Kreuzzugsteilnahme „mit chaiser Fridreichs her“, wahrscheinlich 1228. Auch römisch-deutscher Kaiser Otto IV. wird in einem seiner Lieder erwähnt. Neidhart soll in Wien begraben sein, wo sich auf der Südseite des Stephansdomes ein (später errichtetes) Grabmal befindet.[1]

Wirken

Frankfurter Neidhart-Fragment O
Ausschnitt aus den Neidhart-Fresken

Zu seinem Wirken heißt es:[2]

Neidhart von Reuenthal, in seinen melodiösen Tanzliedern der Hauptvertreter der höfischen Dorfpoesie, hatte das bei Landshut gelegene Dorf Reuenthal als Lehen von den Herzögen Ludwig und Otto von Bayern inne, wurde seines Lehens verlustig, ging nach Österreich, erhielt von Herzog Friedrich dem Streitbaren Unterkunft in Melk, dann ein Haus zu Altlengbach im Wiener Wald, wo er fortan mit Frau und Kindern lebte. Er scheint bis 1245 gedichtet zu haben. 1217-19 hatte er die Kreuzfahrt Herzog Leopolds VII. von Österreich mitgemacht. Den Beginn seiner Dichterzeit setzt man jetzt schon in das erste Jahrzehnt des XIII. Jahrhunderts. (...)

Herders Conversations-Lexikon

Tanzlied
Neidhart von Reuenthal, gemeiniglich Herr Nithart, auch der Bauernfeind genannt, vielleicht einer aus dem Geschlechte derer von Fuchs, geborner Bayer, bereits um 1217 ein berühmter Minnesänger, lebte lange am Hofe Friedrichs des Streitbaren von Oesterreich, st. vor 1246, wurde in der Stephanskirche zu Wien begraben. N. machte die spöttische Schilderung der gemeinen Wirklichkeit des Bauernlebens seiner Zeit, die Hoffart, Tänze u. Prügeleien der »Dörper« (Tölpel-Dorfbewohner) sowie der Streiche, die er ihnen und die sie ihm spielten, zu seiner Hauptaufgabe. Er sang seine munteren Spottlieder keineswegs für das Volk, sondern für den ritterlichen Hof, wurde aber dennoch dadurch Einführer der höfischen Dorfpoesie und schlug die Brücke vom Minnesang zum Volkslied. N.s Lieder lebten noch in der Reformationszeit im Munde Vieler, seine Person selbst wurde zum Mittelpunkte zahlreicher und mitunter unsauberer Schwänke (Nitharte) gemacht, häufig mit dem possenreißenden Pfaff vom Kalemberge verwechselt und als 2. Till Eulenspiegel betrachtet.[3]

Minnegesang

Mit dem sogenannten „Frankfurter Neidhart-Fragment O“ aus der Zeit um 1300 liegt wahrscheinlich die früheste Überlieferung zum Minnesang überhaupt vor.

Überliefertes Notenmaterial (Auswahl)

  • Berliner Neidhart-Handschrift (c) (45 Melodien)
  • Wiener Neidhart-Handschrift (w) (9 Melodien)
  • Codex Buranus (1 Melodie, Neumen)
  • Sterzinger Miszellaneen-Handschrift (9 Melodien)
  • Kolmarer Liederhandschrift (1 Melodie)
  • Handschrift x, Nürnberg (1 Melodie)
  • Freiburger Neidhart-Eintrag (1 Melodie in Neumen)
  • Frankfurter Neidhart-Fragment (Handschrift O; Faksimile aus der Magisterarbeit Marc Lewons; 5 Melodien)

Liedbeispiele

Instrumentale Version von Neidhart von Reuentals „Maienzid“
Grabmal im Stephansdom zu Wien
Meie, dîn liehter schîn
und diu kleinen vogelîn
bringent vröuden vollen schrîn
daz si willekomen sîn
ich bin an den vröuden mîn
mit der werlde kranc.
alle tage ist mîn klage,
von der ich daz beste sage
unde ir holdez herze trage,
daz ich der niht wol behage
von der schulden ich verzage
daz mir nie gelanc.
also noch genuogen an ir
dienest ist gelungen
die nach guoter wibe lone
hoveschlichen rungen,
nu han ich beidiu umbesunst
gedienet unde gesungen.


Maien dein heller Schein
und die kleinen Vögelein,
die aus voller Kehle schrei'n,
sie soll'n mir willkommen sein,
doch bei aller Freude mein
wird mir noch ganz bang.
Alle Tage bringt mir Klage,
die die ich im Herzen trage,
von der ich nur Gutes sage,
auch wenn ich ihr nicht behage,
spüre, dass ich fast verzage,
weil mir nichts gelang.
And'ren ist in ihrem Dienste
so viel mehr gelungen,
Die um ihre Anerkennung
voller Fleiß gerungen,
Ich nur habe ihr umsonst
gedienet und gesungen.


Gôzbreht, Willebolt, Gumpreht und Eppe,
Willebreht, meiers kneht,
Werenbolt und ouch der junge Tuoze.
Megenbolt, des meiers sun, und Reppe,
Irenwart, Brohselhart,
dar nâch springet der vil wilde Ruoze,
derst ein tumber, geiler Holingaere –
er gęt frîen durch daz jâr, des nemt wâr,
und ist doch den meiden gar unmaere!


Gossbart, Willibold, Gumprecht und Eppe,
Wüllenbrecht, Meiers Knecht,
Wehrenbold und auch der junge Tutze,
Megenbold, des Meiers Sohn, und Reppe,
Irrenwart, Bröselhart,
Und am Ende kommt der tumbe Rutze!
Er springt rum, als wäre er von Sinnen,
Folgt den Frauen stundenlang wild im Drang,
Aber keine kann er je gewinnen![4]

Fresken

Die ältesten erhaltenen nichtkirchlichen Wandmalereien in Wien, die Neidhartfresken, befinden sich im Haus Tuchlauben 19. Das Gebäude stammt aus dem 14. Jahrhundert und wurde um 1398 von dem wohlhabenden Wiener Händler Michel Menschein mit einem großzügigen Bilderzyklus ausgestattet. Die Fresken zeigen Szenen aus dem Leben und den Dichtungen des deutschen Minnesängers Neidhart von Reuental sowie ein Frühlingsfest und einen Reigen mit Festmahl. Entdeckt wurden die Fresken im Jahre 1979, als die Wohnung, in der sich die Fresken unter einer dicken Schicht neuzeitlichem Putz befanden, umgebaut werden sollte.

Lebendiges Kulturerbe

„Wie stark mußte das germanisch-deutsche Erbe im Volke der Ostmark lebendig sein, wenn die von alters her gesungenen Heldenlieder noch im 12. und 13. Jahrhundert aufgezeichnet werden konnten. Im Raum der Ostmark wurde das Nibelungenlied im ungestörten Gedächtnis des Volkes bewahrt, konnte aufgeschrieben werden und ist dem Deutschen Volke als Nationalepos erhalten geblieben, als im Westen des Reiches die Erinnerung an die alte Heldenzeit längst verblaßt war. Das Kudrunlied, die Heldenlieder von Biterolf, Dietleib, Walter und Hildegunde, von Ortmut, Wolfdietrich und Dietrich von Bern werden vom Volke wie vom Adel mit gleicher Begeisterung gehört und gesungen. Es bildet sich in Österreich geradezu ein besonderer Stil des Heldenliedes heraus und es bleibt lebendiges Kulturgut noch bis ins 14. und 15. Jahrhundert hinein. In der Begeisterung für Dietrich von Bern wird die Erinnerung an den großen Gotenkönig Theoderich mit der Heldengestalt Siegfrieds verknüpft. Ist es nicht auch ein Beweis eines nie unterbrochenen germanisch-deutschen Zusammenhanges, daß germanisches Geschichts- und Sagengut in diesem Raum so unaustilgbar im Gedächtnis blieb? So stark, daß die Kirche für ihren Nachwuchs den Namen ‚Dietrich‘ verbot? Der Hof der Babenberger war Mittelpunkt des kulturellen Lebens. Und Träger der Dichtung im Herzogtum Österreich war der Spielmann. Daß die Spielleute geradezu einen eigenen Stand bilden konnten, zeigt ihre im Kunstleben der Zeit bedeutende Rolle. Die Namen der größten Spielleute des Mittelalters sind als große Dichter in die Walhall unserer Nation eingezogen: Walther von der Vogelweide und Neidhardt von Reuenthal, beide auch politisch-lyrische Dichter. Walther singt von deutscher Art und Minne, der reinen Sitte deutscher Frauen, vom deutschen Lande vom Rhein bis zur Etsch und bis zum Ungarnlande. Er stellt sich schützend vor Kaiser und Reich gegen päpstliche Anmaßung und den Übermut der Pfaffen.“ [5]

Musik

Sumer diner suzzen wunne:
(in einer Darbietung des „Ensemble für frühe Musik Augsburg“)

Werke (Auswahl)

Literatur

  • Moriz Haupt:
  • Friedrich Keinz:
    • Die Lieder Neidharts von Reuenthal (1889) (PDF-Datei)
    • Nachtrag zur Neidhart-Ausgabe (1889) (PDF-Datei)
  • Richard Brill: Die Schule Neidharts. Eine Stiluntersuchung (1908) (PDF-Datei)
  • Richard Moritz Meyer: Die Reihenfolge der Lieder Neidharts von Reuenthal, 1883 (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
  • C. Pfeiffer: Die dichterische Persönlichkeit Neidharts von Reuenthal - Eine Studie, 1903 (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
  • Eduard Theodor Walter: Zu den Dialogstrophen Neidharts von Reuenthal, 1896 (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
  • Eduard Tischer: Über Nîthart von Riuwenthal, 1872 (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
  • Karl Credner: Neidhartstudien I. - Strophenbestand und Strophenfolge, 1897 (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!

BRD-Literatur

  • Rudolf Scharl: Neidharts Reuental - Eine Suche im Erdinger Land (PDF-Datei)
  • Marc Lewon: Untersuchungen zu den Melodien Neidharts - Eine musikalische Analyse der Handschrift O, Magisterarbeit 2002 (PDF-Datei)
  • Dieter Kühn: Neidhart und das Reuental – Eine Lebensreise, FISCHER Taschenbuch (1996), ISBN 978-3596133352

Verweise

Fußnoten

  1. Neidhart „von Reuental“ von Dr. Lothar Jahn
  2. Bilderatlas zur Geschichte der deutschen Nationallitteratur – Eine Ergänzung zu jeder deutschen Litteraturgeschichte herausgegeben von Dr. Karl Friedrich Gustav Könnecke
  3. Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 311.
  4. Originale: Neidhart „Meie din“ und „Sinc an guldin huon“, 13. Jahrhundert; Nachdichtungen: Lothar Jahn 2009
  5. Lisbeth Grolitsch: Lebendiges Kulturerbe, in: „Notwende“, S. 120–121