Katastrophe von Neuhammer

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Stukas im Formationsflug Richtung Neuhammer, August 1939

Die Katastrophe von Neuhammer war ein Flugunfall der deutschen Luftwaffe im Rahmen einer Manöverübung kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges. Dreizehn von 30 gestarteten Ju 87 B der I. Gruppe/Sturzkampfgeschwaders 76 (Grazer Gruppe des Sturzkampf-Geschwaders 168) zerschellten infolge Bodennebels innerhalb weniger Minuten am Boden bei dem Unglück unter den Augen Generalmajor Wolfram Freiherr von Richthofens sowie der Generäle Hugo Sperrle, Bruno Loerzer und weiterer Luftwaffengeneräle während einer Vorführung über dem Truppenübungsplatz Neuhammer bei Neuhammer am Queis in Niederschlesien am 15. August 1939.

Geschichte

Flugzeugabsturz in Neuhammer.jpg
Ausgebranntes Flugzeugwrack in einem Wald in der Nähe von Neuhammer am Queis, 15. August 1939

Der Befehl: geschlossener Sturzkampfangriff, Abwurfmunition Zementbomben mit Rauchsatz über dem Truppenübungsplatz Neuhammer. Die Wettererkundungsstaffel meldete eine Stunde vorher: Wolkenbank im Zielgebiet, 2/3 bedeckt, Wolkenhöhe 2.000 Meter, Wolkenuntergrenze bei 900 Metern, darunter gute Erdsicht. Der Anflug erfolgte in 4.000 bzw. 5.000 Metern; im Sturz sollten die Wolken durchstoßen werden, und vor dem Abfangen zwischen 300 und 400 Metern sollte das Ziel ins Visier kommen. Die tatsächliche Wolkenuntergrenze lag jedoch bei nur rund 100 Metern.

Der Kommandeur der Gruppe und Kettenführer ging als Erster in den Sturzflug über, bei dem die Höhenmeßgeräte nicht zu benutzen waren, und durchstieß die Wolkendecke – statt bei vermeintlich 900 Metern in nur 100 Metern Höhe. Er konnte seine Maschine noch hochziehen, da er sich zufällig über einer Waldschneise befand. Er warnte seine Gruppe über Funk, die beiden ihm folgenden Kettenflieger der Führungskette stürzten jedoch in den Wald und mit ihnen die komplette 2. Staffel mit neun Maschinen sowie weitere zwei Maschinen der 3. Staffel.

Alle 26 Besatzungsmitglieder kamen ums Leben. Der Gruppenkommandeur Walter Sigel wurde vom einberufenen Kriegsgericht freigesprochen, da er sich auf eine Wettermeldung verlassen hatte. Für ihn und seine Männer mit ihren 29 Sturzkampfbombern (Höllenvögel) wurde der Luftangriff auf die militärischen Einrichtungen im westlichen Teil von Wielun während des Polenfeldzuges vom Flugplatz Nieder-Ellguth am Steinberg nordöstlich von Oppeln aus zur erfolgreichen Bewährungsprobe.

Bericht

„15. August 1939. Auf dem Fliegerhorst Cottbus stehen Stukas in Reih und Glied. Die Motoren sind angeworfen. Es ist die I./StG 76, genannt die ‚Grazer Gruppe‘, weil ihr Friedensstandort in der schönen Steiermark lag. Im Rahmen der Kriegsvorbereitungen gegen Polen ist die Gruppe nach Schlesien vorgezogen und dem Fliegerführer z. b. V., Generalmajor v. Richthofen, unterstellt worden. Heute soll sie vor den Augen hoher Luftwaffengenerale einen Angriff auf den Truppenübungsplatz Neuhammer in der Saganer Heide fliegen. Im geschlossenen Gruppenverband. Abwurfmunition: Zementbomben mit Rauchsatz. Der Kommandeur, Hauptmann Walter Sigel, hält Einsatzbesprechung mit den Flugzeugführern. Er befiehlt Angriffsformation und Reihenfolge beim Sturz. Dann landet die Wettererkundungsstaffel und meldet: Im Zielgebiet Wolkenbank, zwei Drittel Bedeckung, Wolkenhöhe 2000 Meter, Wolkenuntergrenze bei 900 Meter, darunter gute Bodensicht. Damit ist der Angriff klar: Sie werden in 4000 Meter anfliegen, im Sturz die Wolken durchstoßen und auf den letzten 300 bis 400 Metern vor dem Abfangen das Ziel ins Visier bekommen. ‚Sonst noch Fragen? Gut, dann also Hals- und Beinbruch!‘ Minuten später rollen die Stukas zum Start, heben kettenweise ab und formieren sich über dem Platz zum Gruppenkeil. [...]
Hoch über den Wolken nähert sich die I./StG 76 ihrem Ziel Neuhammer. Wenige Minuten vor 6 Uhr morgens am 15. August 1939 befiehlt Hauptmann Sigel Angriffsformation. Er selbst wird mit der Führungskette – links sein Adjutant, Oberleutnant Eppen, rechts der technische Offizier, Oberleutnant Müller – zuerst stürzen. Dann folgen die 2. und die 3. Staffel, und zum Schluß die 1. Staffel, die sich jetzt bei der Auflösung des Gruppenkeils nach hinten heraussetzt. Niemand von der 1. Staffel – deren Kapitän der später zum General der Kampfflieger avancierte Oberleutnant Dieter Peltz ist – kann ahnen, daß diese taktische Verschiebung ihnen allen das Leben rettet. Hundertmal haben sie es geübt: Der Kommandeur kippt ab zum Sturz. Kette um Kette folgt. Sie jagen auf die Wolkenbank zu. Tauchen hinein. Stürzen weiter durch den milchweißen Dunst. Zehn Sekunden, 15 Sekunden – eine Viertelminute nur,dann müssen sie durch sein. Aber wie lang sind 15 Sekunden? Wer hat im Sturz ein Gefühl für Zeit? Wer schaut schon nach dem Höhenmesser, der ohnehin wild hin- und hertanzt? Wer denkt überhaupt etwas anderes als: Gleich wirst du durch die Wolken sein, und dann mußt du blitzschnell das Ziel auffassen ... Hauptmann Sigel tritt der Schweiß auf die Stirn. Immer weiter stürzt er durch die Wolken. Starrt verzweifelt nach vorn. Jetzt, in jedem Augenblick, muß er doch endlich Bodensicht haben! Plötzlich färbt sich die weiße Waschküche vor ihm dunkel.
In diesem Sekundenbruchteil weiß er es: Das da vom, das Dunkle, ist schon die Erde. Höchstens 100 Meter ist er noch hoch. Er stürzt in einem Nebelsack direkt ins Verderben. Und die ganze Gruppe ist hinter ihm! Blitzschnell reißt Sigel den Steuerknüppel. Und schreit ins Mikrophon des Funkgeräts: ‚Ziehen – ziehen – Bodennebel!‘ Der Wald rast auf ihn zu. Da – eine Schneise. Die Ju taucht hinein. Bäumt sich auf. Und Sigel hat sie wieder in der Gewalt. Buchstäblich zwei Meter über dem Erdboden fängt sich die Maschine und rast zwischen den Bäumen die Schneise entlang. Sigel zieht vorsichtig hoch und schaut sich um. Links rasiert Eppens Ju die Bäume ab und bleibt hängen. Rechts geht Müller, der zweite Kettenhund, in Flammen auf. Der weitere Anblick bleibt dem Kommandeur erspart. Die ganze 2. Staffel unter Oberleutnant Goldmann rammt mit neun Stukas in den Boden. Von der 3. Staffel kommen ein paar Maschinen klar. Die anderen fangen zu krampfhaft ab, überziehen in den Looping und stürzen rückwärts in den Wald. Leutnant Hans Stepp, Kettenführer in der zuletzt stürzenden 1. Staffel, ist ebenfalls schon abgekippt, als er im Sprechfunk die verzweifelte Stimme seines Kommandeurs hört: ‚Ziehen – ziehen – Bodennebel!‘ Stepp fängt sofort ab und stößt wieder über die Wolken. Suchend kreist die 1. Staffel am Himmel. Auf einmal bricht brauner Qualm aus der Wolkenbank und steigt nach oben ... Die Luftwaffe verliert auf einen Schlag dreizehn Stukas. 26 junge Flieger sind tot. Wolfram v. Richthofen, der Mann, der immer gegen die Stukas war und der sie nun im Kriege führen soll, ist Zeuge der Katastrophe. Hitler starrt nach Erhalt der Nachricht zehn Minuten lang wortlos aus dem Fenster. Doch die Annahme, daß der abergläubische Mann wenigstens diese zehn Minuten lang in seiner Kriegsabsicht schwankend geworden sei, ist nicht zu beweisen. Noch am gleichen Tage wird ein Kriegsgericht unter Vorsitz von General Hugo Sperrle einberufen. Ein Schuldspruch wird nicht gefällt. Der Bodennebel muß in der knappen Stunde zwischen Wettererkundung und Einsatzzeit aufgetreten sein. Der Kommandeur hat, als er die Gefahr erkannte, alles getan, um seine Männer zu warnen. Die I./StG 76 wird durch Abgaben aus allen anderen Stukaverbänden sofort wieder aufgefüllt. Vom ersten Tage an greift sie in den Polenfeldzug ein. Sie stürzt auf Bunker, Straßenkreuzungen und Züge, bombt Bahnhöfe und Brücken. Die Katastrophe von Neuhammer ist schnell vergessen.“[1]

Überlebende (Auswahl)

Fußnoten

  1. Vgl. Cajus Bekker: Angriffshöhe 4000 – Ein Kriegstagebuch der deutschen Luftwaffe, Pavillon (2003), ISBN 978-3453870987