Reichskriegshafen

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Ein Reichskriegshafen war seit der Bismarckschen Reichsverfassung 1871 (Abschnitt IX. Marine und Schiffahrt. Artikel 53.) ein Kriegsmarinehafen unter Reichsverwaltung aus der Reichskasse unterhalten. Darüber hinaus waren sie Festungen.

Die Reichskriegshäfen

Das Kaiserliche Deutschland erklärte mit Bekanntmachung zum 20. April 1871 in der Reichsverfassung im Artikel 53, Absatz 2: Der Kieler Hafen und der Jadehafen [gemeint ist Wilhelmshaven] sind Reichskriegshäfen. Eine räumliche Bestimmung von 1883 besagt:

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§ 1.

Die Reichs-Kriegshäfen werden seewärts im Sinne dieses Gesetzes begrenzt:

a) bei Kiel durch eine gebrochene Linie, welche auf 10° 20’ Ostlänge von Greenwich von der Küste ab nach Norden bis 54° 28’ Nordbreite gezogen ist und demnächst dieser Breite nach Westen bis zur Küste nördlich von Alt-Bülk folgt; b) bei Wilhelmshaven durch eine Linie zwischen der Minsener Kirche, dem Wangerooger Leuchtthurm, dem Weser-Leuchtthurm und der Langwardener Kirche.

Innerhalb dieser Grenzen wird die Fläche des Kieler Hafens durch eine die Nullpunkte der Hafenpegel zu Ellerbeck und Friedrichsort schneidende Horizontalebene, die Fläche des Jadehafens durch den gewöhnlichen Hochwasserstand von 3,76 Meter über dem Nullpunkt des Daunsfelder Pegels an der Südmole bestimmt.

– Gesetz, betreffend die Reichs-Kriegshäfen und die Feststellung eines Nachtrages zum Reichshaushalts-Etat für das Etatsjahr 1883/84 19. Juni 1883, Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1883, Nr. 10, Seite 105 - 108, verkündet am 29. Juni 1883

Im Großdeutschen Reich wurde ein dritter Hafen benannt. Mit einem Erlaß vom 28. November 1939, verkündet im Reichsgesetzblatt I, S. 2341 vom 1. Dezember 1939, wurde Gotenhafen zum Reichskriegshafen erklärt.

Auswirkungen des Versailler Vertrages

Wie weit die beiden kaiserlichen Kriegshäfen als praktischer Begriff den Versailler Vertrag von 1919 überstanden haben ist noch zu klären. Die für eine Küstenfestung zur Artillerie notwendigen Minensperren wurden Wilhelmshaven (53° 31′ N) jedenfalls im Artikel 193, Absatz 2, zwischen 53° 00' und 59° 00' N-Breite verboten. Für Kiel wurde schwammig bestimmt: Deutschland hat ebenso diejenigen Zonen der Ostsee, die ihm späterhin durch die Regierungen der alliierten und assoziierten Hauptmächte bezeichnet werden, von Minen zu säubern und freizuhalten. Eine genauere Bestimmung zu Kiel (54° 20′ N, 10° 8′ O) gab es im Artikel 195: Damit allen Nationen völlig freier Zutritt zur Ostsee gesichert wird, darf Deutschland in der Zone zwischen 55° 27' und 54° 00' nördlicher Breite und 9° 00' und 16° 00' östlicher Länge von Greenwich keine Befestigung anlegen und keine Seewege zwischen Nordsee und Ostsee beherrschende Geschütze aufstellen. Die Befestigungen, die zur Zeit in dieser Zone vorhanden sind, sind zu schleifen....

Rechtliche Grundlagen

Als Beispiele rechtlicher Grundlagen die Erklärung Gotenhafens und die Behandlung der Liegenschaften im Wortlaut:

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I. Gotenhafen wird zum Reichskriegshafen erklärt. II. Das Reichskriegshafengebiet Gotenhafen wird begrenzt: a) durch eine Linie von einem Punkt an der Westküste der Danziger Bucht in 54°29‘12‘‘ N-Breite und 18°34‘24‘‘ O-Länge von Greenwich (Redlauer Spitze) nach einem Punkt in 54°29‘12‘ N-Breite und 18°40‘0‘‘ O-Länge von Greenwich; von dort in nordöstlicher Richtung bis zur Südspitze von Hela in 54°35‘40‘‘ N-Breite und 18°48‘45‘‘ O-Länge von Greenwich; b) innerhalb dieser Linie durch die Schnittlinie des natürlichen oder künstlichen Ufers der Putziger Wiek – einschließlich sämtlicher in dieser liegenden Häfen – mit einer waagerechten Linie in Höhe Normal-Null. Berlin, den 28. November 1939. Der Führer und Oberste Befehlshaber der Wehrmacht Adolf Hitler Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht Keitel

– Reichsgesetzblatt I, S. 2341 vom 1. Dezember 1939
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Der Ministerrat für die Reichsverteidigung verordnet mit Gesetzeskraft: […] § 2 (1) In den Teilen des Marinefestungsgebietes Gotenhafen, die nicht zu den Hafengebieten (§1) gehören, geht das Eigentum an denjenigen Liegenschaften und beweglichen Sachen, die der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine für die Errichtung des Marinefestungsgebietes Gotenhafen endgültig benötigt und in Anspruch nimmt, mit der Inanspruchnahme auf das Deutsche Reich (Kriegsmarine) über. Ausgenommen hiervon sind Wohngebäude. […] § 3 Im Marinefestungsgebiet Gotenhafen gehen alle Liegenschaften und beweglichen Sachen, die der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine für die Durchführung des Krieges und zur Einrichtung des Reichskriegshafens benötigt und in Anspruch nimmt, mit der Inanspruchnahme in die Verwaltung der Kriegsmarine über. Die Inanspruchnahme des Wohnraums wird von der Kriegsmarine im Einvernehmen mit der zuständigen Gemeindeverwaltung geregelt. […] Der Vorsitzende des Ministerrats für die Reichsverteidigung Göring Generalfeldmarschall Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht Keitel Der Reichsminister und Chef der Reichskanzlei Dr. Lammers

– Reichsgesetzblatt I, S. 2475 vom 27. Dezember 1939

Warum wird ein Kriegshafen Festung?

Nicht nur in einer landeinwärtigen Festung liegen andere rechtliche Regelungen vor als in der zivilen Umgebung. Ein Festungsrayon (Marinefestungsgebiet) ist ein oft noch unterteilter Bereich in der Umgebung von Festungen, in der den Eigentümern von Liegenschaften und Immobilien Baubeschränkungen auferlegt und Enteignungen vorgenommen werden können. Bei den Marinefestungen Wilhelmshaven und Kiel kommt hinzu, daß sie damit der reinen Kriegsseeschiffahrt, durch einen Hafenkapitän geregelt, in weiten Bereichen entzogen wurden und dem Marinestationschef der Küstenverteidigung überantwortet wurden.

  • Wilhelmshaven als Festung (mit Friedrichsort ist die Kieler Seefestung gemeint, nicht der Reichskriegshafen Kiel): Bekanntmachung, betreffend die Erweiterung von Festungs-Anlagen. vom 1. Februar 1873, verkündet im Deutschen Reichsgesetzblatt Band 1873, Nr. 3, Seite 39.

Auf Grund des §. 35 des Reichsgesetzes, betreffend die Beschränkungen des Grundeigenthums in der Umgebung von Festungen, vom 21. Dezember 1871 (Reichs-Gesetzbl. S. 467) wird bekannt gemacht, daß die Erweiterung der Festungs-Anlagen von Köln, Koblenz, Mainz, Ulm, Spandau, Küstrin, Posen, Thorn, Königsberg, Swinemünde, Friedrichsort, Sonderburg-Düppel, an der unteren Elbe, an der unteren Weser und von Wilhelmshaven, beziehungsweise ihrer Rayons, in Aussicht genommen ist. Berlin, den 1. Februar 1873. Der Reichskanzler. Fürst v. Bismarck.

  • Kiel als Festung? (Hier ist eher die Kieler Seefestung Friedrichsort gemeint): Bekanntmachung, betreffend die Neubefestigung von Kiel vom 8. Januar 1882, verkündet im Deutschen Reichsgesetzblatt Band 1882, Nr. 2, Seite 3.

Auf Grund des §. 35 des Gesetzes, betreffend die Beschränkungen des Grundeigenthums in der Umgebung von Festungen, vom 21. Dezember 1871 (Reichs-Gesetzbl. S. 467) wird bekannt gemacht, daß die Neubefestigung von Kiel nach der Landseite hin in Aussicht genommen ist. Berlin, den 8. Januar 1882. Der Reichskanzler. Fürst v. Bismarck.

  • Gotenhafen als Festung: siehe oben.

Der Ministerrat für die Reichsverteidigung verordnet mit Gesetzeskraft: […] § 2 (1) In den Teilen des Marinefestungsgebietes Gotenhafen,...

Die Eingriffe in die Eigentumsrechte der Umwohner nach dem oben schon erwähnten Gesetz, betreffend die Beschränkungen des Grundeigenthums in der Umgebung von Festungen vom 21. Dezember 1871 umfaßten ua.:

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§. 1.

Die Benutzung des Grundeigenthums in der nächsten Umgebung der bereits vorhandenen, sowie der in Zukunft anzulegenden permanenten Befestigungen unterliegt nach Maßgabe dieses Gesetzes dauernden Beschränkungen. §. 33. Behufs der Kontrole über alle Bauten, Anlagen und die Benutzung von Grundstücken in den Rayons sind die Kommandanturen und Ortspolizeibehörden und deren Organe befugt, in den Stunden von 8 Uhr Morgens bis 4 Uhr Nachmittags den Zutritt zu allen Privat- und öffentlichen Grundstücken in den Rayons zu verlangen. Die Organe der Kommandantur sind die Ingenieur-Offiziere vom Platz, Posten-Offiziere und Wallmeister. Alljährlich einmal erfolgt eine allgemeine Revision der Bauten und Anlagen in allen Rayons durch die Kommandantur oder ihre Organe unter Zuziehung der Ortspolizeibehörde und des Gemeindevorstandes. §. 41.

[…] Innerhalb derselben Präklusivfrist ist die Militairbehörde berechtigt, die Enteignung des Grundstücks zu verlangen. Macht sie von diesem Rechte Gebrauch, so ist der Besitzer die Ausdehnung der Enteignung auf alle diejenigen Theile des Grundstücks zu verlangen berechtigt, deren fernere Benutzung in der bisherigen Weise nach dem Gutachten von Sachverständigen durch die Abtrennung des den Rayonbeschränkungen unterworfenen Theils wesentlich beeinträchtigt, erschwert oder verhindert werden würde. Die Erklärung der Militairbehörde an die höhere Verwaltungsbehörde, daß von dieser Befugniß Gebrauch gemacht wird, unterbricht den Lauf der im Absatz 3 bestimmten Frist und das gerichtliche Verfahren über die Höhe der Entschädigung. [...].

– Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1871, Nr. 51, Seite 459 - 471, verkündet am 29. Dezember 1871

Exkurs Marinestation

Von 1854 an war Danzig Marinestation der Ostsee, ab 1865 Kiel. 1870 wurde Wilhelmshaven Marinestation Nordsee. Eine Marinestation ist kein anderer Begriff für Kriegshafen. Die Marinestation Nordsee war für die dortige Küstenverteidigung zuständig und das Kommando in Kiel für die Ostsee. Auch wenn die Kommandos der Marinestationen in den Reichskriegshäfen stationiert waren, betraf die Kommandogewalt des Marinestationschefs nur die Sicherung der Anlagen des Kriegshafens und des Festungsrayons im Sinne der Küstenverteidigung. Ihm unterstand sozusagen die "Marine zu Lande". Die "Marine zur See" mit ihren Schiffsbewegungen oder der nautischen Verwaltung war Sache des Hafenkapitäns. Als Beispiel: Die Seeminengürtel im Festungsrayon auf See sind Sache des Marinestationschefs, die Lotsen zum umfahren dieser Gürtel sind Sache des Hafenkapitäns.

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§ 2. Der zuständige Marinestationschef ist befugt, in den durch §. 1 bestimmten Reichs-Kriegshafengebieten, jedoch mit Ausschluß der oldenburgischen Häfen, soweit die Sicherheit des Kriegshafens, seiner Werke und Anlagen dies erfordert,

1. Anordnungen wegen Erhaltung des Fahrwassers und dessen Kennzeichnung zu treffen, 2. hierüber, sowie über das Ein- und Auslaufen, Ankern, Laden, Löschen und über das Verhalten der Schiffe und Fahrzeuge und ihrer Bemannung in seepolizeilicher Beziehung Verordnungen zu erlassen. Die letzteren sind in den zu den amtlichen Publikationen der höheren Civil-Verwaltungsbehörden des betreffenden Hafenbezirks bestimmten Blättern öffentlich bekannt zu machen. Die verbindliche Kraft einer solchen Verordnung beginnt, sofern nicht in derselben eine kürzere Frist bestimmt ist, mit dem vierzehnten Tage nach dem Ablauf desjenigen Tages, an welchem das betreffende Blatt ausgegeben worden ist. Zuwiderhandlungen gegen polizeiliche Verordnungen des Marinestationschefs werden mit Geldstrafe bis zu einhundertundfünfzig Mark oder mit Haft bestraft, unbeschadet der Befugniß des Marinestationschefs zur zwangsweisen Durchführung der erlassenen Verfügungen auf Kosten des Zuwiderhandelnden.

– Gesetz, betreffend die Reichs-Kriegshäfen und die Feststellung eines Nachtrages zum Reichshaushalts-Etat für das Etatsjahr 1883/84 19. Juni 1883, Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1883, Nr. 10, Seite 105 - 108, verkündet am 29. Juni 1883


Stationierungen in den Reichskriegshäfen und Marinestationen der Reichsmarine 1925

  • Wilhelmshaven: Flottenkommando, Marinewerft, Inspektion der Marine-Artillerie (Schiffs-Artillerie-Schule Kiel-Wik, Küsten-Artillerie-Schulen Schillig und Wilhelmshaven, Marineschießplatz Altenwalde), Marinedepotinspektion (Marine-Artillerie- und Munitionsdepots, Minen- und Sperrdepots), Befehlshaber der Seestreitkräfte der Nordsee mit den Linienschiffen Braunschweig und Elsaß, den Kreuzern Hamburg und Amazone, II. Torpedobootflottille, Flottentender Hela
  • Kiel: Marinearsenal, Inspektion des Torpedo- und Minenwesens (Torpedolaboratorium, Torpedoversuchsanstalt Eckernförde, Torpedoschule Flensburg-Mürwik, Funkversuchsstelle Pelzerhaken, Sperrversuchs- und Lehrkommando Kiel-Wik mit Tenderhalbflottille), Inspektion des Bildungswesens (Marineschulen Flensburg-Mürwik und Kiel, Schulkreuzer Berlin, Segelschulschiff Niobe, Fachschulen in allen Marinestandorten), Befehlshaber der Seestreitkräfte der Ostsee mit den Linienschiffen Hannover und Hessen, dem Kreuzer Nymphe, dem Vermessungsschiff Panther, Peilboote, Tender, I. Torpedobootflottille
  • Marinestationen: Marineteile am Lande (um 1883 Seebataillon, Matrosenartillerie), Küstenverteidigung mit 6 Küstenwehrabteilungen, Einstellung und Entlassung des Personals (Schiffsstammdivisionen), Küstennachrichtenwesen, Vermessungsschiff Meteor[1]

Stationierungen 1932[2][3]

Marinestationen 1932.jpg

Fußnoten

  1. Der Kleine Brockhaus. 1925. S. 578.
  2. Grundkurs deutsche Militärgeschichte. Band 2: Das Zeitalter der Weltkriege. 2009. 2. Aufl. S. 183.
  3. U.a. am 1. Juni und 15. Oktober 1923 sowie am 1. April 1925 erfolgten Neugliederungen der Reichsmarine. Die oben gezeigten Stationierungen zu 1925 und 1932 werfen nur ein Streiflicht und reichen daher für ein geschlossenes Bild zu den Stationierungen nicht aus.