Reichsstände

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Reichsstände beim Reichstag zu Regensburg am 13. bis 23. Juni 1653

Die Reichsstände des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation waren diejenigen Personen und Korporationen, die Sitz und Stimme im Reichstag besaßen. Der Kreis der Reichsstände schloß sich erst allmählich zu Beginn des 16. Jahrhunderts ab durch gemeinsame Teilhabe an den Reichslasten (v. a. Türkensteuern), Beschickung der Reichstage, Anerkennung der Reichsgerichte und Einbeziehung in die Reichskreise.

Erläuterung

Jeder Kurfürst, Fürst und Fürstbischof verfügte im Reichstag über eine eigene Stimme, die so genannte Virilstimme (von lat. vir für Mann). Die Grafen waren dagegen in vier Kollegien zusammengeschlossen, in die westfälische, die wetterauische, die fränkische und die schwäbische Grafenbank, die jeweils nur eine gemeinsame Kuriatstimme hatten. Auch die Freien Reichsstädte bildeten zwei Kollegien, die rheinische und die schwäbische Bank.

„Diejenigen Personen und Korporationen, die im Heiligen Römischen Reich Sitz und Stimme im Reichstag hatten. Dieser war seit 1489 in drei Kollegien gegliedert, und zwar in das Kurfürstenkollegium, den Reichsfürstenrat und das Städtekollegium. Zuständig war der Reichstag für die Erklärung von Kriegen, den Abschluß von Friedensverträgen, die Errichtung von Reichsfürstentümern und die Gesetzgebung im Bereich des Heerwesens und der Steuern. Hatte eine Person für sich die Stimme, dann wurde sie als Virilstimme ausgeübt; die Stimme einer Korporation (z. B. einer Grafenbank) wurde als Kuriatstimme bezeichnet.“[1]

Die Reichsstände waren dem Kaiser reichssteuerpflichtig und mußten Truppenkontingente zur Reichsarmee stellen. Alle Reichsstände waren zur persönlichen Teilnahme an den Reichstagen verpflichtet; die Entsendung eines Vertreters war möglich. Im Gegenzug konnte kein allgemeines Reichsgesetz ohne Verabschiedung durch die Reichsstände erlassen werden. Sie konnten über die Erklärung des Reichskrieges und über den Abschluß von Verträgen zwischen dem Reich und anderen Staaten sowie über die Errichtung neuer Fürstentümer beschließen.

„Die Reichsstände argumentierten fortan stets mit der deutschen (oder ständischen) Libertät, wenn sie Alleinherrschaftsbestrebungen witterten: Das Reich besitze alte, die Freiheit sichernde Grundgesetze, es regiere sich selbst und sei niemandem unterworfen – auch nicht dem eigenen Kaiser.“ — Georg Schmidt

Zusammensetzung

Dies waren in der Frühen Neuzeit mehr als 300 geistliche und weltliche Fürsten, Prälaten, Vertreter von Ritterorden, Grafen und Herren sowie Freie- und Reichsstädte. Die Reichsstandschaft konnte durch den Kaiser auch solchen Personen verliehen werden, die über kein Territorium verfügten (Personalisten). Ab dem Jahre 1654 war aber zum Erwerb der Reichsstandschaft der Besitz eines reichsunmittelbaren Territoriums erforderlich, d. h. eines Lehens, das direkt vom römisch-deutschen Kaiser vergeben wurde. Außerdem war die kaiserliche Approbation, die Aufnahme in das betreffende Kollegium des Reichstages und die Zustimmung des ganzen Reichstages sowie die Aufnahme in einen bestimmten Reichskreis notwendig. Außerdem wurde in der Regel die Übernahme eines bestimmten Beitrags zu den militärischen Lasten (Römermonat) und zum Unterhalt des Kammergerichts (Kammerzieler) verlangt. Alle Reichsstände waren in der Reichsmatrikel verzeichnet.

Geistliche Reichsstände waren:

Zu den weltlichen Reichsständen gehörten:

Seit 1489 waren die Stände im Reichstag des Heiligen Römischen Reiches in drei Kollegien gegliedert. Man unterschied das Kurfürstenkollegium/den Kurfürstenrat, den Reichsfürstenrat und das Kollegium der Reichsstädte. Die Grafen und Herren waren innerhalb des Reichsfürstenrats nicht mit Einzel- bzw. Virilstimmen vertreten, sondern als Mitglieder von zunächst zwei, später vier Grafenbänken, die je eine Kuriatstimme führten.

„Die kleinsten (Reichsritter) hatten oftmals Herrschaft nur über ein paar Bauernhöfe inne. Auch geistliche Amtsträger (Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, Äbtissinnen) waren Reichsstände und zugleich Inhaber weltlicher Landeshoheit. Das Interesse der Reichsglieder an gemeinsamem politischen Agieren war sehr unterschiedlich ausgeprägt; ebenso die Fähigkeit zu eigenständiger Politik. Die kleinen, mindermächtigen Reichsstände waren vielfältig abhängig von den großen; so bildeten vor allem der Kaiser selbst im katholischen Reichsadel, Brandenburg-Preußen im norddeutsch-protestantischen Raum Klientelnetze aus. Große und mächtige Reichsstände entzogen sich (vor allem im 18. Jh.) der Loyalität gegenüber dem Reichsganzen, während mittlere und kleine darauf existentiell angewiesen waren.“

Die Reichsritter waren zwar reichsunmittelbar, jedoch nicht als Stände auf dem Reichstag vertreten; sie versuchten mehrfach vergeblich, für sich wenigstens eine korporative Reichsstandschaft zu erlangen.

Siehe auch

Literatur

  • Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deutschen Länder. Die deutschen Territorien und reichsunmittelbaren Geschlechter vom Mittelalter bis zur Gegenwart. 7. Auflage, C. H. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-54986-1.
  • Carl Wilhelm von Lancizolle: Uebersicht der deutschen Reichsstandschafts- und Territorialverhältnisse vor dem französischen Revolutionskriege, der seitdem eingetretenen Veränderungen und der gegenwärtigen Bestandteile des deutschen Bundes und der Bundesstaaten. Dümmler, Berlin 1830 (Digitalisat)
  • Gerhard Oestreich, E. Holzer: Übersicht über die Reichsstände. In: Bruno Gebhardt (Begr.), Herbert Grundmann (Hrsg.): Handbuch der Deutschen Geschichte. Band 2. Von der Reformation bis zum deutschen Absolutismus. 9. Auflage. Ernst Klett Verlag, Stuttgart 1973, S. 769–784, ISBN 3-8002-1013-4

Verweise

Fußnoten