Schlußwort im Nürnberger Prozeß: Franz von Papen

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Euer Lordschaft, Hohes Gericht! Als ich 1919 in die Heimat zurückkehrte, fand ich ein von politischen Kämpfen der Parteien zerrissenes Volk vor, das aus dem Zusammenbruch nun eine neue Lebensform zu finden suchte. In diesen Unglückstagen meiner Heimat glaubte ich, als verantwortungsbewußter Deutscher nicht tatenlos abseits stehen zu dürfen. Es war mir klar, daß eine Wiedergeburt des Vaterlandes allein auf dem Wege des Friedens und der geistigen Auseinandersetzung möglich war, einer Auseinandersetzung, die nicht nur um die politische Form ging, sondern vielmehr noch um die Lösung des brennendsten sozialen Problems, die Voraussetzung für jede innere Befriedung. Gegenüber dem Ansturm rationalistischer Ideologien galt es, und das war meine innerste Überzeugung, das Christentum als Ausgangspunkt des Neuaufbaues zu erhalten. Vom Ausgang dieser inneren Auseinandersetzung mußte auch die Aufrechterhaltung des europäischen Friedens abhängen.

Der ganze Einsatz meiner besten Jahre hat dieser Frage gegolten, in der Gemeinde, im Parlament, im Staat Preußen und im Reich. Wer die Tatsachen kennt, weiß, daß ich mich 1932 nicht zu dem hohen Amte gedrängt habe. Hindenburgs dringender vaterländischer Appell war mir Befehl, und wenn ich mit ungezählten anderen Deutschen in der Zwangslage von 1933 mich an hervorragender Stelle zur Mitarbeit entschlossen habe, dann, weil ich es für meine Pflicht hielt und weil ich an die Möglichkeit glaubte, den Nationalsozialismus in verantwortungsbewußte, ruhige Bahnen lenken zu können, weil ich hoffte, daß die Aufrechterhaltung christlicher Grundsätze das beste Gegengewicht gegen ideologischen und politischen Radikalismus sein und eine friedliche innere und äußere Entwicklung gewährleisten werde.

Das Ziel ist nicht erreicht worden. Die Kraft des Bösen war stärker als die des Guten und hat Deutschland unrettbar in die Katastrophe getrieben. Aber sollen deshalb auch diejenigen verdammt werden, die im Kampfe des Glaubens gegen den Unglauben die Fahne des ersteren hochgehalten haben? Und berechtigt es Justice Jackson zu der Feststellung, ich sei nur der frömmelnde Agent einer ungläubigen Regierung gewesen? Oder was gibt Sir Hartley Shawcross das Recht, mit Hohn und Spott und Verachtung zu sagen: Er zog es vor, in der Hölle zu herrschen, anstatt im Himmel zu dienen? Meine Herren Ankläger! Dieses Urteil steht nicht Ihnen zu, das steht einem anderen Richter zu. Aber ich frage, steht nicht die Frage nach der Verteidigung der transzendenten Werte heute noch weit stärker im Mittelpunkt der Bemühungen um den Neubau der Welt?

Ich glaube, daß ich mit einem reinen Gewissen mich der Verantwortung stellen kann. Liebe zu Heimat und Volk waren allein entscheidend für alle meine Handlungen. Ich habe ohne Menschenfurcht gesprochen, wenn ich sprechen mußte. Nicht dem Nazi-Regime, sondern dem Vaterland habe ich gedient, wenn ich trotz herbster Enttäuschungen über den innerpolitischen Fehlschlag meiner Hoffnungen versucht habe, von diplomatischen Stellungen aus wenigstens den Frieden zu retten.

Wenn ich mein Gewissen prüfe, so finde ich keine Schuld da, wo die Anklage sie sucht und behauptet, aber, wo wäre ein Mensch ohne Schuld oder Fehl? Historisch gesehen mag diese Schuld an jenem tragischen 2. Dezember 1932 liegen, als ich nicht versuchte, den Reichspräsidenten mit allen Mitteln zu bewegen, seinen Entschluß vom Vorabende aufrechtzuerhalten trotz Verfassungsbruchs und trotz der Drohung General von Schleichers mit dem Bürgerkrieg.

Will die Anklage wirklich alle Menschen, die sich ehrlichen Wollens zur Mitarbeit gestellt haben, verdammen? Will sie behaupten, daß das deutsche Volk 1933 Hitler gewählt habe, weil es den Krieg wollte? Will sie wirklich behaupten, daß es in seiner überwältigenden Mehrheit die gewaltigen seelischen und materiellen Opfer bis zum Opfer seiner Jugend auf den Schlachtfeldern dieses Krieges für Hitlers utopische und verbrecherische Ziele gebracht habe?

Das Hohe Gericht steht vor der unendlich schwierigen Aufgabe, ohne zeitlichen Abstand von der Katastrophe Ursache und Wirkung der historischen Entwicklung in ihren wahren Zusammenhängen zu erkennen.

Nur wenn dieses Hohe Gericht die historische Wahrheit erkennt und anerkennt, wird der geschichtliche Sinn dieses Prozesses erfüllt. Nur dann wird das deutsche Volk, obwohl sein Reich zerstört ist, die Erkenntnis seiner Fehler, aber auch die Kraft für seine zukünftige Aufgabe finden.

Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg, Nürnberg 1947, Bd. 22, S. 455–456 (Zeno)


Schlußworte im Nürnberger Prozeß