Unternehmen „Tiger“

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Das Unternehmen „Tiger“ war eine von der Organisation Todt erkundete, von der Abwehr geplante und von den Brandenburgern ausgeführte Geheimdienstoperation in Afghanistan und im Norden Indiens von Ende 1940 bis Mitte 1943. Ziel des Unternehmens war die Aufwiegelung, Ausbildung und Ausrüstung der Stämme und Freiheitskämpfer der beiden Länder gegen die britische Besatzungsmacht und die Unterstützung der jeweiligen Unabhängigkeitsbewegung, insbesondere der des indischen Widerstandskämpfers Subhash Chandra Bose. Der Deckname „Tiger“ wurde aus zweierlei Gründen gewählt: Erstens trugen die Kämpfer Boses die Ehrenbezeichnung Die Tiger und zweitens wurde der Fakir von Ipi im allgemeinen der Tiger von Wasiristan genannt.

Nordwest-Afghanistan an der Grenze zu Indien, 1941

Hintergrund

Bereits wenige Tage nach Beginn des Zweiten Weltkrieges gab es im Oberkommando der Wehrmacht (OKW) konkrete Pläne, an der afghanisch-indischen Grenze gegen die englische Kolonialmacht Unruhe zu stiften, um dort englische Truppen zu binden und dadurch vom europäischen Kriegsschauplatz fernzuhalten. Die in dem gebirgigen und unwegsamen Grenzgebiet lebenden Pathan-Stämme (besonders die Waziris, Afridis) kämpften schon lange gegen die brutale englische Herrschaft an der Westgrenze des damaligen Indiens (heute Pakistan). Die für Sabotage und Unterstützung von aufständischen Minderheiten zuständige Abwehrabteilung II des „Amtes Ausland/Abwehr“ (d. h. des deutschen militärischen Geheimdienstes), plante, durch kleine Kommandotrupps diese um Freiheit und Selbstbestimmung kämpfenden aufständischen Stämme zu unterstützen und auf indischem Gebiet Sabotage zu betreiben. Zu diesem Zwecke sollten Landeplätze für Fernflugzeuge und Abwurfplätze für eine Luftversorgung angelegt werden. Auch eine Funkstation war geplant, um eine direkte Verbindung nach Indien herstellen zu können. Für einen eventuellen Einsatz an der Nordwestgrenze von Indien war bereits aus englischen Kriegsgefangenen indischer Herkunft ein deutsch-indischer Kommandotrupp geschaffen worden. Dies war eine Kompanie im Bau-Lehr-Regiment z. b. V. 800 „Brandenburg“, das direkt der Abwehrabteilung II unterstand. Der Leiter der deutsch-indischen Truppe war Rittmeister Walter Harbich, ein ehemaliger k. u. k.-Offizier und besonderer Kenner des fernen Ostens. Der Ausbildungsort der deutsch-indischen Kompanie war der Truppenübungsplatz „Regenwurmlager“ bei Meseritz 60 Kilometer östlich von Frankfurt (Oder) bzw. Küstrin. Angehörige der Organisation Todt wurden unter einem zivilen Deckmantel nach Afghanistan verschickt, um Land, Hauptstadt und Grenzregion auszukundschaften – der eigentlich Anfang des Unternehmens. Die Vorbereitungen zum ersten Waffen- und Personentransport nach Afghanistan liefen auf vollen Touren. Die Firma Rheinmetall-Borsig AG hatte sich verpflichtet, diese Agenten gewis­sermaßen als Tarnung für ihre Arbeit anzustellen. Oft hatten sie Diplomatengepäck dabei, Handfeuerwaffen und eine 2-cm-Flak mit Munition und Lafette.

Alles sollte der Bewaffnung der bereits ins Leben gerufenen Agenten- und Beratergruppen dienen. Wo sie einzusetzen waren, hatten bereits zu Jahresbeginn 1940 Agenten des Amtes Abwehr und solche der italienischen Abwehr in enger Zusammenarbeit erkundet, indem sie die Bergstämme im Grenzgebiet Indien-Afghanistan 1938 bis 1939 besuchten und deren Stimmung erkundeten. Vor allem galt es, die konterrevolutionären Emigrantenorganisationen des letzten Emirs von Buchara und die Nachkommen des Emirs von Chiwa zu mobilisieren und zu motivieren.

„Mit dem Besitz Indiens steht und fällt das Britische Empire. [...] Die Nordwestgrenze ist die Achillesferse Indiens und damit des ganzen Britischen Empires. Alle Eroberer, die Indien heimsuchten, kamen durch Afghanistan – nur die Engländer kamen vom Meer. Aber sie fürchten die ‚offene Tür‘ und treffen seit Jahren ihre Vorbereitungen, um sie im Bedarfsfall schließen zu können – Peschawar [vor dem Khaibar-Paß im damaligen Britisch-Indien] ist die größte Landfestung Asiens.“ — Herbert Tichy[1]

Als die deutschen Divisionen 1942 vor Alexandria und am Kaukasus (→ Unternehmen „Edelweiß“) standen, war der Marsch von Afghanistan nach Indien durch eine gigantische Zangenbewegung militärisch bereits in den Bereich des Möglichen gerückt – dieser Plan gelang jedoch nicht.

Das Unternehmen

Die geheimnisvolle Stadt Kabul, 1932

Das Unternehmen „Tiger“ wurde durch Erwin von Lahousen in enger Zusammenarbeit mit der deutschen Gesandt­schaft in Kabul gesteuert und koordiniert. Im Frühjahr 1941 wurden mehrere Abwehrmitarbeiter eingeschleust worden waren, u. a. Einsatz-Hauptmann Dietrich F. Witzel (ggf. als Dietrich Kirn), Chef des Front-Aufklärungs-Kommandos 200 (FAK 200; Tarnname PATHAN), als „Abwehr-II-Resident“ und die Funker Doh und Zugenbühler. Durch geheime chiffrierte Telegramme stand die Abwehrstelle in der Gesandtschaft mit dem Auswärtigen Amt in Berlin in enger Verbindung. In Berlin arbeiteten sowohl das Auswärtige Amt als auch die Abwehr mit dem germanophilen Unabhängigkeitskämpfer Subhas Chandra Bose zusammen. Bose war 1938/39 Präsident des Indischen Nationalkongresses und ein unversöhnlicher Gegner der britischen Besatzungsmacht, der aber im Gegensatz zu Gandhi auch den bewaffneten Kampf befürwortete. Bose war mit einer aus Wien stammenden Frau verheiratet und sprach Deutsch.

Am 20. April 1941, dem Führergeburtstag, gab die Abwehr mit einem gKdos-Fernschreiben (geheime Kommandosache) an die deutsche Gesandtschaft in Kabul ihre Zustimmung und zugleich den Auftrag, mit den Sabo­tageakten im afghanisch-indischen Grenzgebiet zu beginnen. Ab dem 24. April fanden erste Aktionen statt.

Eine besondere Rolle bei diesem „Tiger“ genannten Unternehmen spielte der „Fakir von Ipi“ (Mirza Ali Khan, lebte ca. 1895–1960), der religiöse und militärische Führer des Stammes der Waziris in Waziristan, einer Provinz südöstlich von Kabul auf der indischen Seite des afghanisch-indischen (heute pakistanischen) Grenzgebietes gelegen. Er wurde mit Zahlungen aus Deutschland und Italien in seinem Freiheitskampf unterstützt, um sich mit seinen Stammeskriegern gegen die Engländer zu erheben (Unternehmen „Feuerfresser“).

So wurden von der Abwehr zwei sehr unterschiedliche Männer für den Hauptteil des Unternehmens ausgewählt: der große, blonde, kompromißlose, direkte Forscher Dr. Manfred Oberdörffer aus Hamburg, der kaum Erfahrungen im Umgang mit Moslems hatte, und der kleinere, wie die einheimischen Afridis rothaarige, polyglotte, aus St. Petersburg stammende Deutsch-Balte Dr. Fred Brandt, der über ein Jahr lang im Iran gelebt hatte und die Sprache und vor allem Sitten und Gebräuche des Landes kannte. Brandt konnte sich kleiden und bewegen wie ein Einheimischer, während sein militärischer Vorgesetzter Oberdörffer durch Aussehen und Benehmen eher auffiel.

Oberdörffer und Brandt gerieten, höchstwahrscheinlich durch Verrat, in einen Hinterhalt, bevor sie Mirza Ali Khan erreichen konnten. Oberdörffer fiel im Kampf und Brandt wurde verwundet, konnte jedoch Kabul erreichen. Hier wurde er bis zu seiner Ausreise vom afghanischen Militär vor dem britischen Geheimdienst beschützt. Im Oktober 1941 mußten die Mitglieder der deutschen Kolonie aufgrund englisch-sowjetischen Drucks Afghanistan verlassen. Darunter waren zahlreiche Techniker, Ingenieure und Lehrer, die sich nach dem Ersten Weltkrieg bewußt für das deutschfreundliche Land entschieden hatten. Es wurde ihnen freies Geleit zugesichert. Mit ihnen kehrte auch Fred Brandt über Indien und den Nahen Osten nach Deutschland zurück. Er wurde später in Albanien eingesetzt. Dennoch war das Unternehmen kein reiner Fehlschlag, denn Witzel konnte noch bis 1943 im Land agieren.

Die Gesandtschaft und der Abwehrstützpunkt in Kabul wurden nun zum konspirativen Scharnier zwischen Subhas Chandra Bose in Deutschland und seinen Vertrauten im Freiheitskampf Indiens. Sie erhielten von den Brandenburgern in Kabul auch Sabotage-, Funk- und Chiffrier-Ausbildung, und gemeinsam mit ihnen wurden weitreichende Sabotagepläne erarbeitet. Witzel führte selbst in Landestracht mit Turban und Kittel manche Sabotagetrupps an; mit weiteren Männern von der Abwehrkampfschule „Quenzgut“ (Havel) angereist, ging es in die Grenzregionen zur Sowjetunion, dort zerstörten die deutschen Elitekrieger und die fremdländischen Freiheitskämpfer Eisenbahngleise, Brücken und mindestens ein Kraftwerk.

Wie heute zugänglichen alliierten Geheimakten zu entnehmen ist, gelang es Bose allerdings doch noch, auch von sowjetischer Seite Unterstützung zu erhalten. Parallel zur Verbindung zur deutschen Seite hatten seine Kämpfer dann auch Kontakt zur sowjetischen Botschaft in Kabul.

Die Bedingungen für die konspirative Arbeit in Kabul verschlechterten sich jedoch angesichts des für die Achsenmächte negativen Kriegsverlaufs. Afghanistan blieb zwar bis zum Kriegsende neutral und die Gesandtschaft behielt ihren exterritorialen Status bis zum 8. Mai 1945, jedoch mußten Witzel und einer seiner Abwehrfunker auf Druck der Alliierten, die in der Präsenz der „Brandenburger“ noch immer eine Bedrohung sahen, im September 1943 Afghanistan verlassen. Die Verbindung zu den indischen Bose-Anhängern wurde vorher an die japanische Botschaft in Kabul übergeben, nicht zuletzt auch weil Bose sich seit Frühjahr 1943 in Ostasien aufhielt.[2]

Literatur

  • Hans-Walter Gaebert: Flucht zum Fakir von Ipi, Wehnert (1941)
  • Ernst Friedrich Löhndorff: Khaiberpaß, Verlag Carl Schünemann, Bremen (1941)
  • Günther W. Gellermann: Moskau ruft Heeresgruppe Mitte ... Was nicht im Wehrmachtbericht stand – Die Einsätze des geheimen Kampfgeschwaders 200 im Zweiten Weltkrieg, Bernard & Graefe, 1988, ISBN 3-7637-5856-9
  • Dietrich F. Witzel: Kommandoverbände der Abwehr II im Zweiten Weltkrieg. In: Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hg.): Militärgeschichtliches Beiheft zur Europäischen Wehrkunde. Heft 5, Oktober 1990
  • Jan Kuhlmann: Subhas Chandra Bose und die Indienpolitik der Achsenmächte, epubli GmbH (2012), ISBN 978-3844237368
  • Herbert Tichy: Afghanistan: Das Tor nach Indien, Edition Sonnenaufgang (2010), ISBN 978-3950159141

Fußnoten

  1. Abwehragent Tichy behauptet, daß er im Mai 1941, vier Wochen vor Ausbruch des Krieges mit Rußland [22. Juni 1941], mit dem Trans-Sibirien-Expreß nach Osten gefahren sei. Ende Juli war er in Thailand und reiste über Saigon und Hué nach Shanghai. Manfred Oberdörffer und Fred Brandt waren am 21. Mai 1941 Richtung Moskau gefahren; vielleicht in demselben Zug wie Tichy. Abwehr-Major Lothar Eisenträger (Todesrune.png 1963) fuhr noch kurz vor Kriegsbeginn Anfang Juni 1941 mit dem Sibirien-Expreß nach China, um als Leiter die „Kriegsorganisation Ferner Osten“ in Shanghai zu übernehmen. Auch Tichy dürfte im Auftrag der Abwehr nach Fernost gefahren sein. Am 27. Juli 1941 war er in Battombong/Siam (Thailand) und fuhr danach über Saigon, Hué, Macao nach Shanghai, wo er zufällig – eigenen Angaben zufolge – wegen eines kurz vor seinem Eintreffen ermordeten Agenten in einem japanischen Gefängnis saß. Auch der Abwehr-Major d. R. Bernhardt Schulze-Holthus (Abw. I Luft; d. h. Abteilung: Geheimer Meldedienst, Amtsgruppe: Luftwaffe), der von 1941 bis 1944 in Südpersien im Untergrund lebte und gegen die Engländer agierte, fuhr im Mai 1941 mit dem Zug von Berlin über Moskau nach Persien.
  2. Rolf-Dieter Müller: Afghanistan als militärisches Ziel deutscher Außenpolitik im Zeitalter der Weltkriege, in: Bernhard Chiari (Hrsg.): Wegweiser zur Geschichte − Afghanistan (2. Auflage), Paderborn/München/Wien/Zürich 2007, S.49f