§ 175 StGB

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Der § 175 des deutschen Strafgesetzbuchs (§ 175 StGB-Deutschland) existierte vom 1. Januar 1872 (Inkrafttreten des Reichsstrafgesetzbuches) bis zum 11. Juni 1994. Er stellte sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe. Bis 1969 bestrafte er auch die „widernatürliche Unzucht mit Tieren“ (ab 1935 nach § 175b ausgelagert). Insgesamt wurden etwa 140.000 Männer nach den verschiedenen Fassungen des § 175 verurteilt.

1935 verschärften die Nationalsozialisten den Paragraphen 175, unter anderem durch Anhebung der Höchststrafe von sechs Monaten auf fünf Jahre Gefängnis. Darüber hinaus wurde der Tatbestand von beischlafähnlichen auf sämtliche „unzüchtigen“ Handlungen ausgeweitet. Der neu eingefügte § 175a bestimmte für „erschwerte Fälle“ zwischen einem Jahr und zehn Jahren Zuchthaus.

Die DDR kehrte 1950 zur alten Fassung § 175 zurück, beharrte aber gleichzeitig auf einer weiteren Anwendung des § 175a. Ab Ende der 1950er Jahre wurde Homosexualität unter Erwachsenen nicht mehr geahndet. 1968 erhielt die DDR ein eigenes Strafgesetzbuch, das in § 151 homosexuelle Handlungen mit Jugendlichen sowohl für Frauen als auch für Männer unter Strafe stellte. 1988 wurde dieser Paragraph ersatzlos gestrichen.

Die Bundesrepublik hielt zwei Jahrzehnte lang an den Fassungen der §§ 175 und 175a aus der Zeit des Nationalsozialismus fest. 1969 kam es zu einer ersten, 1973 zu einer zweiten Reform. Seitdem waren nur noch homosexuelle Handlungen mit männlichen Jugendlichen unter 18 Jahren strafbar, wogegen das Schutzalter bei lesbischen und heterosexuellen Beziehungen bei 14 lag. Nach einer gescheiterten Gesetzesinitiative der Grünen in den 1980er Jahren wurde § 175 im Zuge der Rechtsangleichung mit der ehemaligen DDR erst 1994 aufgehoben.

Im Volksmund wurden Schwule oft als 175er bezeichnet. „175erei“ stand für gleichgeschlechtliche Handlungen. Gleichzeitig nannte man den 17. Mai (17.5.) zahlenspielerisch den „Feiertag der Schwulen“. Heutzutage finden zufällig am selben Tag Aktionen zum International Day Against Homophobia statt.

Vorgeschichte

In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurden schwule Beziehungen fast überall in Europa mit der Todesstrafe belegt.

1532 schuf Karl V. mit der Constitutio Criminalis Carolina für diese Rechtspraxis eine gesetzliche Grundlage, die im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation bis zum Ende des 18. Jahrhunderts Gültigkeit behielt. So hieß es dort in § 116:

„Item so eyn mensch mit eymem vihe, mann mit mann, weib mit weib, vnkeusch treiben, die haben auch das leben verwürckt, vmd man soll sie der gemeymen gewomheyt mach mit dem fewer vom leben zum todt richten.“

Im Jahr 1794 setzte Preußen als dritter Staat Europas, nach Österreich (1787) und Frankreich (1791) und mit Pennsylvania (1786) vierter Staat der Welt, mit der Einführung des Allgemeinen Landrechts die Todesstrafe auf eine Gefängnisstrafe und Verbannung herab. Die §§ 1069 und 1070 des zwanzigsten Titels bestimmten:

„Sodomiterey und andre dergleichen unnatürliche Sünden, welche wegen ihrer Abscheulichkeit hier nicht genannt werden können, erfordern eine gänzliche Vertilgung des Andenkens.“
„Es soll daher ein solcher Verbrecher, nachdem er ein- oder mehrjährige Zuchthausstrafe mit Wilkommen und Abschied ausgestanden hat, aus dem Orte seines Aufenthalts, wo sein Laster bekannt geworden ist, auf immer verbannt, und das etwa gemißbrauchte Thier getödtet, oder heimlich aus der Gegend entfernt werden.“

„Wilkommen und Abschied“ bedeute körperliche Züchtigung bei Antritt und Ende der Haftstrafe. Unter Sodomie verstand man damals alles, was nicht Koitus zwischen Mann und Frau war. Damit war Preußen zu diesem Zeitpunkt noch Vorreiter und galt als aufklärerisch – wurde indes schon bald von anderen Ländern in der Entwicklung überholt. So stellte der französische Code Pénal von 1810 nur noch solche Handlungen unter Strafe, die in die Rechte eines Dritten eingriffen, was zur vollständigen Legalisierung einvernehmlicher Sexualhandlungen zwischen Männern führte. Im Rahmen seiner Eroberungen exportierte Napoleon den Code Pénal und Code Civil darüber hinaus in eine Reihe anderer Staaten, wie zum Beispiel die Niederlande. Auch Bayern orientierte sich am französischen Vorbild und ließ in seinem Gesetzbuch von 1813 alle opferlosen Straftaten ersatzlos fallen. Im Jahre 1851 wurde der strafrechtliche Teil des Allgemeinen Landrechts aufgehoben und dafür das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten mit 14. April verkündet und am 1. Juli in Kraft gesetzt. Dort war der Tatbestand wieder genauer definiert, und statt der Verbannung wurden die bürgerlichen Ehrenrechte vorübergehend aberkannt.

Am 1. Juli 1853 bestätigte das Preußisches Obertribunal die bisherige Rechtsauffassung, dass „gegenseitige Onanie“ zwischen Mann und Mann straflos sei.[1] Schon 1865 reichte Karl Heinrich Ulrichs beim Deutschen Juristentag eine Petition zur Abschaffung der Strafbestimmungen ein, welche aber unterdrückt wurde. Beim Treffen des Juristentages am 29. August 1867 in München forderte Ulrichs vor 500 Zuhörern öffentlich die Abschaffung aller gegen „Urninge“ gerichteten Paragrafen, wird jedoch durch den lauten Protest der Juristen daran gehindert, seine Rede zu beenden. Ab 1868 beginnen die Beratungen zu einem Strafgesetz für den Norddeutschen Bund, und Ulrichs richtet ab Herbst 1868 zahlreiche Petitionen an die zuständigen Politiker, welche aber letztendlich auf taube Ohren stoßen.

Angesichts der Entwicklungen in Frankreich, den besetzten Gebieten, Bayern und der vorsichtigen Stimmen einzelner Mediziner und Juristen zeigte sich die preußische Regierung über die Zukunft ihres Paragraphen besorgt und versuchte daher, ihn wissenschaftlich zu legitimieren. Die zu diesem Zweck vom Justizministerium beauftragte Königliche wissenschaftliche Deputation für das Medizinalwesen, der unter anderem die berühmten Ärzte Rudolf Virchow und Heinrich Adolf von Bardeleben angehörten, legte am 24. März 1869 ihr Gutachten vor. Sie sahen es als Mediziner nicht in ihrer Kompetenz liegend, darüber zu urteilen, ob einzelne Unzuchtsakte eine besondere Unsittlichkeit oder Herabwürdigung des Menschen im Gegensatz zu anderen darstellen. Sie sahen sich außerstande, „irgend welche Gründe dafür beizubringen, dass, während andere Arten der Unzucht vom Strafgesetze unberücksichtigt gelassen werden, gerade die Unzucht mit Thieren oder zwischen Personen männlichen Geschlechts mit Strafe bedroht werden sollte“. Der § 143 des preußischen Strafgesetzbuches scheint im Entwurf des Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund als § 152 auf. Neben Ulrichs wendet sich auch Karl Maria Kertbeny gegen die Strafbarkeit im Entwurf und prägt dabei die Bezeichnungen „homosexual“ und „heterosexual“. Bismarck legt 1870 dem Reichstag des Norddeutschen Bundes den vom Bundesrat beschlossenen Entwurf eines Strafgesetzbuches vor:

„Denn selbst, wenn man den Wegfall dieser Strafbestimmungen vom Standpunkt der Medizin, wie durch manche der, gewissen Theorieen des Strafrechtes entnommenen Gründe rechtfertigen könnte; das Rechtsbewußtsein im Volke beurtheilt diese Handlungen nicht blos als Laster, sondern als Verbrechen, und der Gesetzgeber wird billig Bedenken tragen müssen, diesen Rechtsanschauungen entgegen Handlungen für straffrei zu erklären, die in der öffentlichen Meinung als strafwürdige gelten.“

Eine Straffreistellung würde also als gesetzlicher Missgriff getadelt werden. Die Formulierung von 1851 wurde somit in das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund übernommen.

Schon der deutsche Psychiater Richard von Krafft-Ebing kam jedoch bereits um 1900 zu der Erkenntnis, daß Schwule für ihre angeborene „Inversion des Sexualtriebes“ nicht verantwortlich seien und somit auch nicht in die Hände der Strafrichter gehörten. Es handele sich dabei vielmehr um eine krankhafte Verirrung als Fall für Nervenärzte.

Kaiserreich

Tabelle 1: Vergehen nach § 175 StGB-Deutschland (1902–1918)
Jahr    Abgeurteilte  Verurteilte
1902 364  / 393 613
1903 332  / 389 600
1904 348  / 376 570
1905 379  / 381 605
1906 351  / 382 623
1907 404  / 367 612
1908 282  / 399 658
1909 510  / 331 677
1910 560  / 331 732
1911 526  / 342 708
1912 603  / 322 761
1913 512  / 341 698
1914 490  / 263 631
1915 233  / 120 294
1916 278  / 120 318
1917 131  / 70 166
1918 157  / 3 118
Mittlere Spalte: Homosexualität / Sodomie

Am 1. Januar 1872 wurde aus dem exakt ein Jahr zuvor in Kraft getretenen Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bunds das Strafgesetzbuch des Deutschen Reichs. Damit war der Beischlaf zwischen Männern auch in Bayern wieder strafbar. Nahezu wortgleich mit seinem preußischen Vorbild aus dem Jahr 1851 bestimmte der neue § 175 des Reichsstrafgesetzbuchs (RStGB):

„Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Thieren begangen wird, ist mit Gefängniß zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.“

Die Mindeststrafe wurde gegenüber § 143 des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten von sechs Wochen auf einen Tag reduziert. Der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte konnte u. a. in der Aberkennung des Doktorgrades oder im Entzug des aktiven und passiven Wahlrechts bestehen.

Schon in den 1860er Jahren hatten Einzelpersonen wie Karl Heinrich Ulrichs und Karl Maria Kertbeny erfolglos ihre Stimme gegen den preußischen § 143 erhoben. Im Kaiserreich bildete sich mit dem 1897 gegründeten Wissenschaftlich-humanitären Komitee (WhK) nun eine Honoratioren-Bewegung, die mit der These von der angeborenen Natur der Homosexuellen gegen den § 175 vorzugehen versuchte.

Eine auf dieser Argumentation aufbauende Petition des Arztes und Wissenschaftlich-humanitäres Komitee-Vorsitzenden Magnus Hirschfeld zur Streichung des § 175 schaffte es 1897, 6.000 Unterschriften hinter sich zu versammeln. Ein Jahr später brachte sie der SPD-Vorsitzende August Bebel in den Reichstag ein. Der gewünschte Erfolg blieb jedoch aus. In den Jahren 1907 bis 1909 fanden die aufsehenerregenden Prozesse im Zusammenhang mit der Harden-Eulenburg-Affäre statt. Dies bewirkte ab 1909 bis zum Ersten Weltkrieg einen merklichen Anstieg der Verurteilungen wegen Homosexualität. Gut zehn Jahre nach der Petition von Hirschfeld plante die Regierung, den § 175 auch auf Frauen auszuweiten. In ihrem „Vorentwurf zu einem deutschen Strafgesetzbuch“ (E 1909) hieß es:

„Die Gefahr für das Familienleben und die Jugend ist die gleiche. Daß solche Fälle in der Neuzeit sich mehren, ist glaubwürdig bezeugt. Es liegt daher im Interesse der Sittlichkeit wie der allgemeinen Wohlfahrt, daß die Strafbestimmungen auch auf Frauen ausgedehnt werden.“[2]

Der Entwurf sollte nach den Berechnungen von Experten frühestens 1917 zur Abstimmung in den Reichstag gelangen. Der Erste Weltkrieg und der Untergang des deutschen Kaiserreichs machten ihn aber zur Makulatur.

Weimarer Republik

Tabelle 2: Vergehen nach § 175 StGB-Deutschland (1919–1933)
Jahr    Abgeurteilte  Verurteilte
1919 110  / 10 89
1920 237  / 39 197
1921 485  / 86 425
1922 588  / 7 499
1923 503  / 31 445
1924 850  / 12 696
1925 1225  / 111 1107
1926 1126  / 135 1040
1927 911  / 118 848
1928 731  / 202 804
1929 786  / 223 837
1930 723  / 221 804
1931 618  / 139 665
1932 721  / 204 801
Mittlere Spalte: Homosexualität / Sodomie

Ähnlich wie im Kaiserreich scheiterte in der Weimarer Republik die von den linken Parteien angestrebte Abschaffung des § 175 an den fehlenden Mehrheitsverhältnissen. Durch dem aufsehenerregenden Prozess um den Serienmörder Fritz Haarmann im Jahre 1924 stiegen die Fallzahlen und Verurteilungen sprunghaft an und hielten sich dann auf einem höheren Niveau als vor 1914. 1927 verteilte Friedrich Radszuweit einen Aufruf zur Reform des § 175 an die Reichstagsmitglieder.[3] Aussichtsreicher waren dagegen die Pläne einer Mitte-Rechts-Regierung im Jahr 1925 zur Verschärfung des § 175. Im vorgelegten Reformentwurf sollte zusätzlich zum § 296, der sich mit dem alten § 175 deckte, der § 297 geschaffen werden. Er sah vor, sogenannte qualifizierte Fälle wie homosexuelle Prostitution, Sex mit männlichen Jugendlichen unter 21 Jahren sowie Missbrauch von Männern in einem Dienst- und Arbeitsverhältnis als „schwere Unzucht“ und damit als Verbrechen statt als Vergehen einzustufen. Für diesen neuen Tatbestand sollten nicht mehr nur beischlafähnliche Handlungen relevant sein, sondern auch andere Formen der homosexuellen Betätigung wie beispielsweise gegenseitige Masturbation.

Zur Begründung der beiden neuen Paragraphen beriefen sich die Verfasser auf den Schutz der Volksgesundheit:

„Dabei ist davon auszugehen, daß der deutschen Auffassung die geschlechtliche Beziehung von Mann zu Mann als eine Verirrung erscheint, die geeignet ist, den Charakter zu zerrütten und das sittliche Gefühl zu zerstören. Greift diese Verirrung weiter um sich, so führt sie zur Entartung des Volkes und zum Verfall seiner Kraft.“[4]

Als dieser Entwurf im Jahr 1929 vom Strafrechtsausschuss des deutschen Reichstags diskutiert wurde, gelang es KPD, SPD und DDP zunächst, eine Mehrheit von 15:13 Stimmen gegen den § 296 zu mobilisieren. Dies wäre einer Legalisierung der „einfachen Homosexualität“ unter erwachsenen Männern gleichgekommen. Gleichzeitig wurde aber mit übergroßer Mehrheit – gegen nur drei Stimmen der KPD – die Einführung des neuen § 297 (sogenannte qualifizierte Fälle) beschlossen. Doch auch dieser Teilerfolg, den das sexualreformerische Wissenschaftlich-humanitäre Komitee als „einen Schritt vorwärts und zwei Schritte zurück“ charakterisierte, wurde im März 1930 zunichte gemacht, als der Interparlamentarische Ausschuß für die Rechtsangleichung des Strafrechts zwischen Deutschland und Österreich mit 23:21 Stimmen den § 296 wieder in das Reformpaket aufnahm. Zu dessen Verabschiedung kam es allerdings nicht mehr, da die Präsidialkabinette der frühen 30er Jahre das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren weitgehend zum Erliegen brachten.

Nationalsozialismus

Tabelle 3: Verurteilungen nach §§ 175, 175a und b (1933–1943)
Jahr    Erwachsene    Jugendliche
1933  853 104
1934  948 121
1935 2106 257
1936 5320 481
1937 8271 973
1938 8562 974
1939 8274 689
1940 3773 427
1941 3739 687
1942 3963 nv
1943* 2218 nv
Jugendliche: bis zum 18. Lebensjahr
* 1943: 1. Halbjahr verdoppelt
Quellen: „Statistisches Reichsamt“
und Baumann 1968 S. 61
[5]

Im Jahr 1935 verschärften die Nationalsozialisten den § 175, indem sie die Höchststrafe im Zuge einer Umdefinition vom Vergehen zum Verbrechen von sechs Monaten auf fünf Jahre Gefängnis heraufsetzten. Durch Streichung des Adjektivs „widernatürlich“ wurde die traditionsreiche Beschränkung auf beischlafähnliche Handlungen aufgehoben. Der Straftatbestand war nun erfüllt, wenn „objektiv das allgemeine Schamgefühl verletzt und subjektiv die wollüstige Absicht vorhanden war, die Sinneslust eines der beiden Männer oder eines Dritten [zu] erregen“[6]. Eine gegenseitige Berührung war nicht mehr erforderlich.

Darüber hinaus wurde – ähnlich wie bereits 1925 geplant – ein neuer § 175a geschaffen, der sogenannte qualifizierte Fälle als „schwere Unzucht“ mit Zuchthaus zwischen einem und zehn Jahren bestrafte. Hierzu zählten:

  • die Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses,
  • homosexuelle Handlungen mit Männern unter 21 Jahren und
  • die männliche Prostitution.

Die „widernatürliche Unzucht mit Tieren“ wurde nach § 175b ausgelagert.

In der amtlichen Begründung wurde die Novellierung des § 175 mit dem Interesse an „der sittlichen Gesunderhaltung des Volkes“ gerechtfertigt, denn „erfahrungsgemäß“ habe Homosexualität die „Neigung zu seuchenartiger Ausbreitung“ und übe „einen verderblichen Einfluß“ auf die „betroffenen Kreise“ aus.

Tatsächlich war die Novellierung eine Folge des sogenannten Röhm-Putsches, der von den Nationalsozialisten auch dazu genutzt wurde, das Ansehen in der wertkonservativen und vor allem katholischen Bevölkerung aufrechtzuhalten. Die Homosexualität von Ernst Röhm war in der Bevölkerung ein offenes Geheimnis.

Diese Verschärfung zog eine Verzehnfachung der Zahl der Verurteilungen auf jährlich 8.000 nach sich. Allein zwischen 1937 und 1939 wurden fast 100.000 Männer in der geheimen „Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung“ erfasst. Etwa die Hälfte der tatsächlich ausgelösten Verfahren resultierte dabei aus privaten Anzeigen Nichtbeteiligter (ca. 40 Prozent) sowie aus Anzeigen von Betrieben und Behörden (ca. 10 Prozent).

Im Unterschied zur Kriminalpolizei konnte die Gestapo jederzeit Schutzhaft gegen schwule Männer anordnen. Diese Willkürmaßnahme wurde z. B. nach einem Freispruch angewandt oder wenn die bereits verbüßte Haftstrafe als zu milde bewertet wurde. Die Kriminalpolizei verfügte stattdessen über das Mittel der Vorbeugehaft. Hiervon betroffen waren sogenannte gefährliche Sittlichkeits- sowie Berufsverbrecher. Ein Runderlass des Reichssicherheitshauptamts vom 12. Juli 1940 bestimmte, „alle Homosexuellen, die mehr als einen Partner verführt haben, nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis in polizeiliche Vorbeugungshaft zu nehmen“. Nach er „Befreiung“ wurden die meisten zurück an ein Gefängnis überstellt, weil sie ihre Freiheitsstrafe nach dem weiterhin gültigen § 175 noch nicht vollständig verbüßt hatten.

Nachkriegszeit

Entwicklung in der SBZ und der DDR

In der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) war die Rechtsentwicklung uneinheitlich. Während die Regierung von Thüringen 1945 eine Abmilderung der §§ 175 und 175a beschloss, die in etwa dem Strafrechtsentwurf von 1925 entsprach, galt in den anderen Ländern die Fassung von 1935 unverändert fort. 1946 riet der Juristische Prüfungsausschuss des Magistrats von Groß-Berlin zwar, den „§ 175 StGB in ein neues Strafrecht nicht zu übernehmen“, diese Empfehlung blieb jedoch folgenlos. Für Sachsen-Anhalt entschied das Oberlandesgericht (OLG) Halle im Jahr 1948, dass die §§ 175 bis 175b typisch nationalsozialistisches Unrecht seien, weil sie eine fortschrittliche Rechtsentwicklung abgebrochen und in ihr Gegenteil verkehrt hätten. Homosexuelle Handlungen seien daher ausschließlich nach dem Strafrecht der Weimarer Republik zu verurteilen.

Ein Jahr nach der Republikgründung von 1949 entschied das Kammergericht Berlin für die gesamte DDR, dass der Paragraph 175 in der alten, bis 1935 gültigen Fassung anzuwenden sei. Jedoch hielt es im Unterschied zum OLG Halle unverändert am neuen § 175a fest, weil er dem Schutz der Gesellschaft gegen „sozialschädliche homosexuelle Handlungen qualifizierter Art“ diene. 1954 entschied dasselbe Gericht, dass § 175a im Unterschied zu § 175 keine beischlafähnlichen Handlungen voraussetzt. Unzucht sei jede zur Erregung der Geschlechtslust vorgenommene Handlung, „die das Sittlichkeitsgefühl unserer Werktätigen verletzt“.

Durch das Strafrechtsänderungsgesetz von 1957 wurde die Möglichkeit geschaffen, von einer Strafverfolgung abzusehen, wenn eine gesetzwidrige Handlung mangels schädigender Folgen keine Gefahr für die sozialistische Gesellschaft darstellt. Dies setzte den § 175 faktisch außer Kraft, da das Kammergericht Berlin gleichzeitig urteilte, „daß bei allen unter § 175 alter Fassung fallenden Straftaten weitherzig von der Einstellung wegen Geringfügigkeit Gebrauch gemacht werden soll“. Homosexuelle Handlungen unter Erwachsenen blieben daher ab Ende der 50er Jahre straffrei.

1968 gab sich die DDR ein eigenes Strafgesetzbuch. In ihm bestimmte der neue § 151 StGB-DDR eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Verurteilung auf Bewährung für einen Erwachsenen, der mit einem Jugendlichen gleichen Geschlechts „sexuelle Handlungen vornimmt“. Aufgrund der nicht länger geschlechtsbezogenen Formulierung erfasste das Strafgesetz nun auch Sex zwischen Frauen und Mädchen unter 18 Jahren.

Am 11. August 1987 hob das Oberste Gericht der DDR ein Urteil wegen § 151 mit der Begründung auf, dass „Homosexualität ebenso wie Heterosexualität eine Variante des Sexualverhaltens darstellt. Homosexuelle Menschen stehen somit nicht außerhalb der sozialistischen Gesellschaft, und die Bürgerrechte sind ihnen wie allen anderen Bürgern gewährleistet.“ Ein Jahr später strich die Volkskammer der DDR in ihrem 5. Strafrechtsänderungsgesetz den § 151 ersatzlos. Das Gesetz trat am 30. Mai 1989 in Kraft.

Von diesem Zeitpunkt an galt allein § 149 StGB-DDR (Einfacher Missbrauch), der ein einheitliches Schutzalter für homo- und heterosexuelle Handlungen von 16 Jahren vorsah.

Entwicklung in der alten Bundesrepublik

Tab. 4: Verurteilungen nach §§ 175, 175a (1946–1994)
Jahr  Anzahl      Jahr  Anzahl
1946: ~1152 1969: 894
1947: ~1344 1970: 340
1948: ~1536 1971: 372
1949: ~1728 1972: 362
1950: 2158 1973: 373
1951: 2359 1974: 235
1952: 2656 1975: 160
1953: 2592 1976: 200
1954: 2801 1977: 191
1955: 2904 1978: 177
1956: 2993 1979: 148
1957: 3403 1980: 164
1958: ~3486 1981: 147
1959: ~3804 1982: 163
1960: ~3406 1983: 178
1961: 3196 1984: 153
1962: 3098 1985: 123
1963: 2803 1986: 118
1964: 2907 1987: 117
1965: 2538 1988: 95
1966: 2261 1989: 95
1967: 1783 1990: 96
1968: 1727 1991: 86
1992: 77
1993: 76
1994: 44
Quelle: Hoffschildt 2002[7]
* 1946-1949 Komlettschätzung,
angelehnt an den Verlauf um den 1. WK
* Vor 1962 bzw. 1961 sind
West-Berlin und Saarland dabei.
(Davor nie berücksichtig!)
* 1958-1960 Teilschätzung Saarland (~59)

Schon vor der Gründung der Bundesrepublik hatte in den westlichen Besatzungszonen kaum ein Zweifel an der Fortgeltung der §§ 175 und 175a in ihrer Fassung von 1935 bestanden. 1949 wurde nun auch offiziell alles bis dahin geltende Recht übernommen, „soweit es dem Grundgesetz nicht widerspricht“ (Art. 123 Abs. 1 GG). In einer Reihe von Entscheidungen schloss sich der Bundesgerichtshof hinsichtlich der Auslegung des § 175 der Rechtsprechung des Dritten Reichs an, wonach der Tatbestand der Unzucht keine gegenseitige Berührung voraussetzt. Bestraft werden könne auch gleichzeitige Onanie oder der Zuschauer beim Triolenverkehr. Allerdings wurde aus dem Merkmal „Treiben“ abgeleitet, dass das Handeln „stets eine gewisse Stärke und Dauer haben“ müsse. Auf dieser Grundlage kam es zwischen 1950 und 1969 zu mehr als 100.000 Ermittlungsverfahren und etwa 50.000 rechtskräftigen Verurteilungen.

Während einige Richter große Bedenken hatten, den ihrem Rechtsempfinden widersprechenden § 175 anzuwenden – so verurteilte 1951 das Landgericht Hamburg zwei homosexuelle Männer lediglich zu einer Ersatzgeldstrafe von 3 DM –, legten andere besonderen Ehrgeiz bei der Strafverfolgung an den Tag. Eine Verhaftungs- und Prozesswelle in Frankfurt zeigte 1950/51 erschütternde Folgen:

„Ein Neunzehnjähriger springt vom Goetheturm, nachdem er eine gerichtliche Vorladung erhalten hat, ein anderer flieht nach Südamerika, ein weiterer in die Schweiz, ein Zahntechniker und sein Freund vergiften sich mit Leuchtgas. Insgesamt werden sechs Selbstmorde bekannt. Viele der Beschuldigten verlieren ihre Stellung.“[8]

Im September 1951 brachte der Bonner Amtsgerichtsrat Richard Gatzweiler im römisch-katholischen Volkswartbund sein erstes Pamphlet zum Thema Homosexualität heraus, in dem er quasi eine Verschärfung der Vorgehensweise fordert und eine Strafbarkeit weiblicher Homosexualität. Mit der biblischen Methapher „Was soll man aber mit einem Baum tun, dem die Fruchtbarkeit versagt ist?“ und anderen Aussagen näherte er sich dem nationalsozialistischem Sprach- und Argumentationsgebrauch. Auch hält er die Selbstmorde im Zuge der Frankfurter Ermittlungen letzen Endes für durchaus gerechtfertigt und wünschenswert.[9] Viele kirchliche Gemeindeblätter verbreiten seine Ideen.[10] Im selben Monat sprach sich beim 39. Deutsche Juristentag in Stuttgart eine knappe Mehrheit (14:11 Stimmberechtigte bei 300 Teilnehmern) für Straflosigkeit nach § 175 und für eine Neufassung des § 175a aus.[10]

1955 reichten zwei Männer Verfassungsbeschwerde ein mit der Begründung, dass die §§ 175 und 175a schon allein deshalb nichtig seien, weil sie auf der Grundlage des Ermächtigungsgesetzes erlassen worden seien. Außerdem verstießen sie gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Geschlechter. Am 10. Mai 1957 wies das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde zurück.[11] Die beiden Paragraphen seien „formell ordnungsgemäß erlassen“ worden und „nicht in dem Maße ‚nationalsozialistisch geprägtes Recht‘“, dass ihnen „in einem freiheitlich-demokratischen Staate die Geltung versagt werden müsse“. Die unterschiedliche Behandlung männlicher und weiblicher Homosexualität wurde auf biologische Gegebenheiten und das „hemmungslose Sexualbedürfnis“ des homosexuellen Mannes zurückgeführt. Als zu schützendes Rechtsgut wurden „die sittlichen Anschauungen des Volkes“ genannt, die sich maßgeblich aus den Lehren der „beiden großen christlichen Konfessionen“ speisten.

Fünf Jahre später rechtfertigte 1962 der unter Konrad Adenauer vorgelegte Regierungsentwurf eines Strafgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland[12] die Aufrechterhaltung des § 175 wie folgt:

„Ausgeprägter als in anderen Bereichen hat die Rechtsordnung gegenüber der männlichen Homosexualität die Aufgabe, durch die sittenbildende Kraft des Strafgesetzes einen Damm gegen die Ausbreitung eines lasterhaften Treibens zu errichten, das, wenn es um sich griffe, eine schwere Gefahr für eine gesunde und natürliche Lebensordnung im Volke bedeuten würde.“[13]

und meinte weiterhin:

„Die von interessierten Kreisen in den letzten Jahrzehnten wiederholt aufgestellte Behauptung, dass es sich bei dem gleichgeschlechtlichen Verkehr um einen natürlichen und deshalb nicht anstößigen Trieb handele, kann nur als Zweckbehauptung zurückgewiesen werden. […] Wo die gleichgeschlechtliche Unzucht um sich gegriffen und großen Umfang angenommen hat, war die Entartung des Volkes und der Verfall seiner sittlichen Kraft die Folge.“[14]


Aber schon ab 1965 zeichete sich der allgemeine Wertewandel in der Gesellschaft auch immer mehr in der Statistik der Verurteilungen durch sinkende Zahlen ab. Durch das 1. StrRG vom 25. Juni 1969 wurde kurz vor Ende der Großen Koalition von Bundeskanzler Kiesinger der § 175 reformiert, indem nur noch die qualifizierten Fälle (Sex mit einem Unter-21-Jährigen, homosexuelle Prostitution und Ausnutzung eines Dienst-, Arbeits- oder Unterordnungsverhältnisses) erhalten blieben, die vorher durch § 175a geregelt worden waren. Wie dieser entfiel nun auch § 175b (Sodomie). Die Änderungen traten am 1. September 1969 in Kraft.

Am 23. November 1973 führte die sozialliberale Koalition schließlich eine umfassende Reform des Sexualstrafrechts durch. Der entsprechende Abschnitt im StGB wurde von „Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit“ in „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ umbenannt. Ebenso wurde der Begriff der Unzucht durch den der „sexuellen Handlungen“ ersetzt. Im § 175 blieb nur noch der Sex mit Minderjährigen als qualifizierendes Merkmal zurück, wobei man das sogenannte Schutzalter von 21 auf 18 Jahre absenkte. Sexuelle Kontakte zwischen Frauen fanden im Strafgesetz keine Erwähnung. Für Mädchen galt ein Schutzalter von 14 Jahren. Mit dem damaligen § 182 konnte auf Antrag eines Erziehungsberechtigten der sexuelle Kontakt eines erwachsenen Mannes mit einem Mädchen zwischen 14 und 16 geahndet werden. Am 2. Oktober 1973 bestätigte das BVerfG in einem Beschluss[15] diese Fassung als verfassungskonform.

1986 brachte der erste offen schwule Bundestagsabgeordnete Herbert Rusche zusammen mit seiner Fraktion, den Grünen, einen Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag ein, der die Streichung der §§ 175 und 182 vorsah. Dies hätte die bestehende Ungleichbehandlung aufgehoben und das Schutzalter für alle einheitlich bei 14 Jahren festgelegt. Sowohl die damalige Regierungskoalition aus CDU und FDP als auch die SPD lehnten diesen Gesetzentwurf ab, was zu einem Weiterbestehen des § 175 in der Fassung von 1973 bis zum Jahre 1993 führte. Einer der prominentesten Gegner einer Veränderung der Rechtslage bzgl. der Homosexualität war Bundeskanzler Helmut Schmidt, dem der deutlich ablehnende Satz „Ich bin Kanzler der Deutschen, nicht Kanzler der Schwulen“ zugeschrieben wird.

Erklärung zum Saarland: Nachdem in den linksrheinischen Gebieten 1811 der Code pénal eingeführt worden war und 1818 beibehalten wurde, galt nach der Verabschiedung der Reichsjustizgesetze 1878 ab 1. Oktober 1879 deutsches Recht, auch als Gebiete unter französischem Einfluss standen.[16]

Entwicklungen nach 1990

Streichung des § 175

Im Zuge der Rechtsangleichung zwischen den beiden deutschen Staaten nach 1990 musste sich der Bundestag entscheiden, ob er den § 175 StGB streichen oder ihn in der bestehenden Form auf die östlichen Bundesländer ausweiten wollte. Im Jahr 1994, mit Ablauf der Frist für die Rechtsangleichung, entschied man sich – auch angesichts der inzwischen eingetretenen gesellschaftlichen Veränderungen – mit dem 29. Strafrechtsänderungsgesetz vom 31. Mai 1994, den § 175 StGB aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Das absolute Schutzalter für sexuelle Handlungen wie beispielsweise Geschlechtsverkehr mit Jugendlichen wurde einheitlich auf 14 Jahre festgelegt (§ 176 StGB); zusätzlich wurde für besondere Fälle der § 182 StGB mit einem relativen Schutzalter von 16 Jahren ausgeweitet und geschlechtsneutral formuliert. Ein Verstoß gegen § 182 Abs. 2 StGB wird gemäß § 182 Abs. 3 StGB im Gegensatz zu einem Verstoß gegen § 176 StGB grundsätzlich nur auf Antrag verfolgt (relatives Antragsdelikt). Ausnahmen sind aber möglich, wenn die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse als gegeben ansieht.

Gemäß § 182 Abs. 4 StGB kann das Gericht von Strafe absehen, wenn das Unrecht der Tat als gering eingeschätzt wird. Als problematisch gilt die Fülle unbestimmter Rechtsbegriffe im § 182 StGB, die der Rechtssicherheit abträglich sein könnte. Ähnlich wie beim § 207b des österreichischen Strafgesetzbuches wird von vielen die Gefahr gesehen, dass vom sozialen Umfeld unerwünschte Beziehungen hiermit kriminalisiert werden könnten. In der BRÖ wurde mit der Streichung des dortigen § 209 StGB und der Einführung des § 207b StGB eine analoge Entwicklung vollzogen.

Rechtsbeugung

Symbolisch auf den 17. Mai (Zahlenspiel: 17.5.) gelegt, beschloss der Bundestag im Jahr 2002 gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP eine Ergänzung des NS-Aufhebungsgesetzes.[17][18] Damit wurden die Urteile gegen Homosexuelle und Wehrmachts-Deserteure in der Zeit des Nationalsozialismus für nichtig erklärt. Der rechtskonservative CSU-Politiker Norbert Geis bezeichnete die generelle Aufhebung als Schande, bezog sich dabei, wie im Plenarprotokoll nachzulesen, jedoch nicht auf die Aufhebung der Verurteilungen wegen homosexuellen Handlungen, sondern gegen die Aufhebungen von Urteilen wegen Desertierens. Kritik wurde jedoch auch von der „Lesben- und Schwulenbewegung“ laut, da der Bundestag die Urteile nach 1945 unangetastet ließ, obwohl die Rechtsgrundlage bis 1969 die gleiche war.

Wortlaut der Fassungen des § 175 und der Vorbestimmungen

Constitutio Criminalis Carolina von 1532

Straff der vnkeusch, so wider die natur beschicht[19]
116.
Item so eyn mensch mit eymem vihe, mann mit mann, weib mit weib, vnkeusch treiben, die haben auch das leben verwürckt, vmd man soll sie der gemeymen gewomheyt mach mit dem fewer vom leben zum todt richten.

Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten vom 5. Februar 1794

Zweyter Theil
Zwanzigster Titel. Von den Verbrechen und deren Strafen. (§§. 1–1577)[20]
Zwölfter Abschnitt
Von fleischlichen Verbrechen
Unnatürliche Sünden.
§. 1069.
Sodomiterey und andre dergleichen unnatürliche Sünden, welche wegen ihrer Abscheulichkeit hier nicht genannt werden können, erfordern eine gänzliche Vertilgung des Andenkens.
§. 1070.
Es soll daher ein solcher Verbrecher, nachdem er ein- oder mehrjährige Zuchthausstrafe mit Willkommen und Abschied ausgestanden hat, aus dem Orte seines Aufenthalts, wo sein Laster bekannt geworden ist, auf immer verbannt, und das etwa gemißbrauchte Thier getödtet, oder heimlich aus der Gegend entfernt werden.
§. 1071.
Wer jemanden zu dergleichen unnatürlichen Lastern verführt und mißbraucht, der ist doppelter Strafe schuldig.
§. 1072.
Machen sich Aeltern, Vormünder, Lehrer oder Erzieher dieses Verbrechens schuldig: so soll gegen dieselben vier- bis achtjährige Zuchthausstrafe mit Willkommen und Abschied statt finden.

Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten vom 14. April 1851

Zweiter Theil.
Von den einzelnen Verbrechen und Vergehen und deren Bestrafung
Zwölfter Titel. Verbrechen und Vergehen gegen die Sittlichkeit (§§. 139 bis 151)
§ 143 [21]
Die widernatürliche Unzucht59), welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Thieren verübt wird, ist mit Gefängniß von sechs Monaten bis zu vier Jahren, sowie mit zeitiger Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte zu bestrafen.

Inkrafttreten: 1. Juli 1851; Stand: 30. April 1856

Erläuterungen dazu (1864)

59) Darunter ist die Sodomie gemeint. Dies ist jede Wollustbefriedigung, außer dem natürlichen Beischlafe zwischen Mann und Frau hervorgebracht. Der Begriff ist von Juristen gebildet; der Name ist genommen von Sodom und Gomorra, welche dieser Laster wegen zerstört wurden. Bei den Römern findet sich ein lex Catinia, von der nur das bekannt, daß sie gegen unnatürliche Fleischesverbrechen gerichtet war; alles nähere ist unbekannt, selbst der Name ist ungewiß. Die lex Jul. de adult. hat dieses Verbrechen nur höchste beschränkt aufgefaßt, nämlich nur von dem, was an einem Knaben von guter Familie verübt war. Wurde Gewalt an einem Manne in dieser Absicht gebraucht, so war die That unerlaubte Gewalt (vis). L. 5 D. de vi publ. Eine rechte Strafsanktion gegen dieses Verbrechen finden wir also im R. R. nicht, vielmehr finden wir dasselbe ungerügt. Erst seit konstantin ist gegen unnatürliche Wollustbefriedigung das Schwert verordnet. L. 31 C. ad I. Jul. de adult. Justitians Novelle 77 droht ebenfalls ultima supplicia. – Das kan. R. bestimmt Kirchenstrafen. Die P. G.O. Art. 116 hebt nur drei Arten der unnatürlichen Wollustbefriedigung hervor: mit einem thiere; mit einem Manne; Weib mit Weibe; und droht Feuerstrafe. Die deutsche Praxis dehnt aber diese Bestimmung auch auf andere Fälle aus und unterscheidet so sodomia propria und impropria; strafte aber die Fälle der letzteren nur willkürlich. Der §. 143 hat den dritten Fall der P. G.O. nicht aufgenommen und die Praxis nimmt an, daß auch die s. impropia nicht unter die Strafbestimmung falle. „Unter widernatürlicher Unzucht im Sinne des §. 143 ist die eigentliche Sodomie (sodomia propria) in ihren beiden Formen zu verstehen, nicht andere derartige Handlungen, namentlich nicht gegenseitige Onanie zwischen Personen männlichen Geschlechts.“ Br. des Obertr., S. f. Str.G., Nr. 48, vom 1. Juli 1853. (Entsch. Bd. XXVI, S. 403.)[21]

Fassung vom 15. Mai 1871 (Verkündung)

§ 175
Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Thieren begangen wird ist mit Gefängniß zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.[22]

Juristische Erläuterungen dazu (1913)

1. Sog. Päderastie, Bestialität, Sodomie; nicht die Tribadie (Unzucht zwischen Frauen)
2. Die widernatürliche Unzucht erfordert einen dem natürlichen Beischlaf ähnlichen Vorgang; immer muß das entblößte Glied des einen Täters den Körper des anderen berührt haben; dies braucht nicht entblößt gewesen zu sein.
3. Unter § 175 fällt auch, wer den Geschlechtsteil eines anderen in den Mund nimmt, nicht wechselseitige Onanie.
4. Es genügt, wenn einer der beiden die Befriedigung des Geschlechtstriebes anstrebt; doch ist auch der andere als Täter, nicht nur als Gehilfe strafbar. Die Befriedigung braucht nicht eingetreten zu sein, daß beide vorsätzlich gehandelt haben, ist nicht erfordert.
5. Auch bei der sodomia tarione generis ist ein beischlafähnlicher Akt erforderlich, daher nicht genügend, daß sich eine Frau den Geschlechtsteil von einem Hunde belecken laßt.
6. Idealkonkurrenz mit §§ 173, 174, 176, 178 möglich
7. Zuständig: Strafkammer"[23]

Fassung vom 1. September 1935

§ 175[24]
(1) Ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen läßt, wird mit Gefängnis bestraft.
(2) Bei einem Beteiligten, der zu Zeit der Tat noch nicht einundzwanzig Jahre alt war, kann das Gericht in besonders leichten Fällen von Strafe absehen.
§ 175a
Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter drei Monaten wird bestraft:
1. ein Mann, der einen anderen Mann mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben nötigt, mit ihm Unzucht zu treiben, oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen;
2. ein Mann, der einen anderen Mann unter Mißbrauch einer durch ein Dienst-, Arbeits- oder Unterordnungsverhältnis begründeten Abhängigkeit bestimmt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen;
3. ein Mann über einundzwanzig Jahre, der eine männliche Person unter einundzwanzig Jahren verführt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen;
4. ein Mann, der gewerbsmäßig mit Männern Unzucht treibt oder von Männern sich zur Unzucht mißbrauchen läßt oder sich dazu anbietet.
§ 175b
Die widernatürliche Unzucht, welche von Menschen mit Tieren begangen wird, ist mit Gefängnis zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.

Fassung ab 1949 (DDR)

§ 175 – Widernatürliche Unzucht[25]
Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Tieren begangen wird, ist mit Gefängnis zu bestraften; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
§ 175 a – Schwere Unzucht zwischen Männern
Mit Zuchthaus bis zu 10 Jahren, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter 3 Monaten wird bestraft,
1. ein Mann, der einen anderen Mann mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben nötigt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich mit ihm zur Unzucht missbrauchen zu lassen;
2. ein Mann, der einen anderen Mann unter Mißbrauch einer durch ein Dienst-, Arbeits- oder Unterordnungsverhältnis begründeten Abhängigkeit bestimmt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht missbrauchen zu lassen;
3. ein Mann über einundzwanzig Jahren, der eine männliche Person unter einundzwanzig Jahren verführt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht missbrauchen zu lassen;
4. ein Mann, der gewerbsmäßig mit Männern Unzucht treibt oder von Männern sich zur Unzucht missbrauchen läßt oder sich dazu anbietet.

Fassung ab 1968 (DDR, § 151)

§ 151[26]
Ein Erwachsener, der mit einem Jugendlichen gleichen Geschlechts sexuelle Handlungen vornimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Verurteilung auf Bewährung bestraft.

Fassung vom 25. Juni 1969 (BRD)

§ 175 Unzucht zwischen Männern
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren wird bestraft:
1. ein Mann über achtzehn Jahre, der mit einem anderen Mann unter einundzwanzig Jahren Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen läßt,
2. ein Mann, der einen anderen Mann unter Mißbrauch einer durch ein Dienst-, Arbeits- oder Unterordnungsverhältnis begründeten Abhängigkeit bestimmt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen,
3. ein Mann, der gewerbsmäßig mit Männern Unzucht treibt oder von Männern sich zur Unzucht mißbrauchen läßt oder sich dazu anbietet.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist der Versuch strafbar.
(3) Bei einem Beteiligten, der zur Zeit der Tat noch nicht 21 Jahre alt war, kann das Gericht von Strafe absehen.
§ 175b
(aufgehoben)

Fassung vom 23. November 1973 (BRD)

§ 175 Homosexuelle Handlungen
(1) Ein Mann über achtzehn Jahren, der sexuelle Handlungen an einem Mann unter 18 Jahren vornimmt oder von einem Mann unter 18 Jahren an sich vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn
1. der Täter zur Zeit der Tat noch nicht einundzwanzig Jahre alt war oder
2. bei Berücksichtigung des Verhaltens desjenigen, gegen den die Tat sich richtet, das Unrecht der Tat gering ist.

Fassung vom 10. März 1994

§ 175
(aufgehoben)

Neubekanntmachung des StGB vom 13. November 1998

§ 175
(weggefallen)

Siehe auch

Literatur

  • Fred Duswald: Überhöhte Zahlen bei Homo-Opfern, in: Rolf Kosiek / Olaf Rose (Hgg.): Der Große Wendig, Bd. 3, Grabert Verlag, Tübingen, 3. Aufl. 2010, S. 525–528 – zur offiziellen Erzählung betreffend homosexuelle Häftlinge in deutschen Konzentrationslagern

Fußnoten

  1. Br. des Obertr., S. f. Str.G., Nr. 48, vom 1. Juli 1853. (Entsch. Bd. XXVI, S. 403.); Siehe auch den obigen Kommentar von 1864
  2. Stümke 1989: 50 f.
  3. Friedrich Radszuweit: Irrlehren über die Homosexualität. § 175 muss abgeschafft werden! Denkschrift an den Deutschen Reichstag zur Beseitigung einer Kulturschande, herausgegeben von Bund für Menschenrechte, Berlin 1927, 14 Seiten
  4. Stümke 1989, 65 f.
  5. „Statistisches Reichsamt“
    Jürgen Baumann: Paragraph 175, Luchterhand, Darmstadt 1968
    Zusammengefasst in: Hans-Georg Stümke, Rudi Finkler: Rosa Winkel, rosa Listen, Rowohlt TB-V., Juli 1985, ISBN 3-499-14827-7 S. 262
  6. RGSt 73, 78, 80 f
  7. Rainer Hoffschildt: 140.000 Verurteilungen nach „§ 175“; in: Fachverband Homosexualität und Geschichte e.V. (Hrsg.): Invertito - 4. Jg. - Denunziert, verfolgt, ermordet: Homosexuelle Männer und Frauen in der NS-Zeit, MännerschwarmSkript Verlag, Hamburg 2002, ISBN 3-935596-14-6, S. 140-149
  8. Kraushaar 1997, 62
  9. Gottfried Lorenz: Richard Gatzweiler, Anläßlich der Führung durch die Ausstellung "Homosexuellenverfolgung in Hamburg" (Staatsbibliothek Hamburg) am 25. 2. 2007
  10. 10,0 10,1 Andreas Pretzel: NS-Opfer unter Vorbehalt: Homosexuelle Männer in Berlin nach 1945, LIT Verlag Berlin-Hamburg-Münster, 2002, ISBN 3-8258-6390-5, S. 306 f.
  11. BVerfGE 6, 389
  12. E 1962, BT-Drs. IV/650
  13. Stümke 1989: 183 f.
  14. Entwurf eines StGB E 1962 mit Begründung, Deutscher Bundestag, 4. Wahlperiode, Drucksache IV/650
  15. BVerfG – Beschluß vom 2. Oktober 1973 (1 BvL 7/72)
  16. GStA Koblenz - Wir über uns / Geschichte, justiz.rlp.de, Abruf: 21. August 2008
  17. BT-Drs. 14/8276, 14/9092
  18. Plenarprotokoll 14/237 S. 23734 ff.
  19. Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. (Constitutio Criminalis Carolina) von 1532, bei smixx.de
  20. Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten vom 5. Februar 1794 bei smixx.de
  21. 21,0 21,1 Christian Friedrich Koch: Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten, 3. verm. Aufl. Band 2,2,2 = 4,2, Nachtr. u. d. Reg. , Berlin 1864, S. 141 bei dlib-pr.mpier.mpg.de
  22. RGBl. 1875 S. 127
  23. Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich nebst dem Einführungsgesetz in kurzen Erläuterungen, bearbeitet von Dr. Hermann Göbel, Direktor am Landgericht I zu Berlin, Verlag C. L. Hirschfeld, Leipzig 1913
  24. Art. 6 des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs vom 28. Juni 1935. RGBl. I S. 839
  25. Strafgesetzbuch und andere Strafgesetze, hrsg. von dem Ministerium der Justiz der Deutschen Demokratischen Republik, Deutscher Zentralverlag, Berlin 1951
  26. Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik, herausgegeben vom Ministerium der Justiz, 8. Auflage, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1984