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Zusammenfassung: Pläne und Vorschläge die im Aussenministerium der Vereinigten Staaten von Amerika um 1945 kursierten. Zusammenfassung im Dokument Morgenthau-Plan.

Autor: Henry Morgenthau

Veröffentlichungsdatum: September 1944

Zielpublikum: Alliiertes Oberkommando

Quelle
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Inhaltsverzeichnis

Programm, um Deutschland davon abzuhalten, einen III. Weltkrieg anzufangen

1. Entmilitarisierung Deutschlands

Es sollte das Ziel der Alliierten Streitkräfte sein, die vollständige Entmilitarisierung Deutschlands in der kürzestmöglichen Zeit nach der Kapitulation durchzuführen. Das bedeutet eine vollständige Entwaffnung der deutschen Wehrmacht und des Volkes (einschließlich der Beseitigung und Vernichtung jeglichen Kriegsmaterials), die totale Zerstörung der gesamten deutschen Rüstungsindustrie sowie die Beseitigung und Zerstörung anderer Schlüsselindustrien, welche die Grundlage für die militärische Stärke darstellen.

2. Deutschlands neue Grenzen

  • (a) Polen soll den Teil Ostpreußens bekommen, der nicht an die UdSSR fällt, sowie den südlichen Teil Schlesiens.
  • (b) Frankreich soll die Saar und die anliegenden Gebiete, die vom Rhein und von der Mosel begrenzt werden, bekommen.
  • (c) Wie nachstehend unter 4. aufgeführt, soll eine internationale Zone geschaffen werden, welche die Ruhr und die umliegenden Industriegebiete umfaßt.

3. Teilung des neuen Deutschlands

Das verbleibende Rest-Deutschland sollte in zwei autonome und unabhängige Staaten aufgeteilt werden:

  • (1) ein Süddeutscher Staat würde Bayern, Württemberg, Baden und einige kleinere Gebiete umfassen,
  • (2) ein Norddeutscher Staat würde einen großen Teil des alten preußischen Staatsgebietes, Sachsen, Thüringen und verschiedene kleinere Staaten einbeziehen.

Zwischen dem neuen Süddeutschen Staat und Österreich, das wieder in seinen alten Grenzen von vor 1938 hergestellt wird, soll es eine Zollunion geben.

4. Das Ruhrgebiet

(Die Ruhr, die umliegenden Industriegebiete, wie auf der Karte verzeichnet, einschließlich des Rheinlandes, des Keil-Kanals* und alle deutschen Gebiete nördlich dieses Kanals.) Anmerkung d. Übersetzers: Es wurde hier aus dem englischen Text die Schreibweise "Keil- Kanal" übernommen. Morgenthau scheint den Kiel- bzw. Nord-Ostsee-Kanal, früher Kaiser-Wilhelm-Kanal, zu meinen. Hier liegt das Herz der deutschen Industriemacht. In diesem Gebiet sollen nicht nur alle jetzt bestehenden Industrien demontiert werden, sondern es soll auch so geschwächt und kontrolliert werden, daß es in absehbarer Zukunft nicht wieder zu einem Industriegebiet werden kann. Die folgenden Schritte werden das bewirken:

  • (a) Innerhalb eines kurzen Zeitraumes, wenn möglich nicht länger als 6 Monate nach Beendigung der Feindseligkeiten, sollen alle Industrieanlagen und -ausrüstungen, die nicht schon durch Kriegseinwirkung zerstört sind, vollständig abgebaut und in Alliierte Länder als Sühneleistung [restitution] abtransportiert werden. Alle Ausrüstungen sollen aus den Bergwerken entfernt und diese selbst geschlossen werden.
  • (b) Das Gebiet sollte zu einer internationalen Zone erklärt und von einer internationalen Sicherheitsorganisation verwaltet werden, die von den Vereinten Nationen einzusetzen wäre. Bei der Verwaltung des Gebietes sollte die internationale Organisation von Richtlinien geleitet werden, welche so gestaltet sind, daß sie den vorstehend genannten Zielen förderlich sind.

5. Rückgabe und Reparation

Reparationen in der Form zukünftiger Zahlungen oder Lieferungen sollten nicht gefordert werden. Rückgabe und Reparation sollten vielmehr durch eine Übereignung von bestehendem deutschen Vermögen und von Gebietsteilen geschehen, zum Beispiel:

  • (a) durch Rückgabe des Eigentums, welches die Deutschen in den besetzten Gebieten erbeutet hatten;
  • (b) durch Übereignung deutschen Territoriums und deutscher privater Rechte an industriellem Eigentum in diesem Territorium an die besetzten Länder und an die internationale Organisation im Rahmen des Aufteilungsprogrammes;
  • (c) durch Demontage und Verteilung von innerhalb der internationalen Zone und des Norddeutschen und des Süddeutschen Staates liegenden Industrieanlagen und -ausrüstungen unter den verwüsteten Ländern, wie im Abschnitt über die Landesteilung festgelegt;
  • (d) durch Zwangsarbeit von Deutschen außerhalb Deutschlands; und
  • (e) durch Einziehung sämtlicher deutschen Vermögenswerte außerhalb Deutschlands, welcher Art diese auch sein mögen.

6. Erziehung und Propaganda

  • (a) Alle Schulen und Universitäten bleiben solange geschlossen, bis eine Alliierte Kommission für Erziehung ein wirksames Reorganisationsprogramm erstellt hat. Es wird damit gerechnet, daß es eine erhebliche Zeit dauern kann, bis irgendwelche höheren Lehreinrichtungen wieder geöffnet werden können. In der Zwischenzeit wird die Ausbildung deutscher Studenten an ausländischen Universitäten zugelassen sein. Die Grundschulen werden wieder geöffnet, sobald geeignete Lehrer und entsprechende Schulbücher zur

Verfügung stehen.

  • (b) Alle deutschen Rundfunksender- Zeitungen, Zeitschriften, Wochenzeitungen usw. haben ihren Betrieb einzustellen, bis entsprechende Kontrollen eingerichtet sind und ein geeignetes Programm erstellt ist.

7. Politische Dezentralisierung

Die militärische Verwaltung in Deutschland sollte in der Anfangsphase im Hinblick auf eine anschließende Teilung Deutschlands gehandhabt werden. Um diese Teilung zu erleichtern und deren Dauerhaftigkeit zu sichern, sollten die Militärbehörden von folgenden Grundsätzen geleitet sein:

  • (a) Entlassung sämtlicher Beamten der Reichsregierung mit politischer Entscheidungs-Kompetenz sowie Verhandlungen zunächst nur mit den örtlichen Behörden.
  • (b) Förderung der Wiederherstellung von Staats-Regierungen in jedem der einzelnen Staaten (Länder) entsprechend den l8 Staaten, in die Deutschland gegenwärtig unterteilt ist, wobei zusätzlich noch aus den preußischen Provinzen getrennte Staaten zu bilden sind.
  • (c) Betreffs der Teilung Deutschlands sollten die verschiedenen Länderregierungen veranlaßt werden, eine Bundesregierung für die jeweils neugeschaffenen Teilgebiete zu bilden. Die besagten Länderregierungen sollten den Charakter eines Staatenbundes tragen, wobei die Betonung auf den Rechten der Staaten und in einer weitreichenden örtlichen Autonomie liegen soll.

8. Verantwortung der Militärverwaltung für die örtliche deutsche Wirtschaft

Der einzige Zweck der Militärverwaltung in Bezug auf die Kontrolle der deutschen Wirtschaft ist der, die militärischen Operationen und die militärische Besetzung zu erleichtern. Die Alliierte Militärregierung soll keineswegs die Verantwortung für wirtschaftliche Probleme übernehmen wie etwa Preiskontrollen, Rationierung, Arbeitslosigkeit Produktion, Wiederaufbau, Verteilung, Verbrauch, Wohnungsfragen Verkehrswesen oder irgendwelche Maßnahmen, die geeignet wären, die deutsche Wirtschaft zu erhalten oder zu stärken, mit Ausnahme derer, die aus militärischen Gründen notwendig sind. Die Verantwortung für die Erhaltung der deutschen Wirtschaft und des Volkes verbleibt bei dem deutschen Volk selbst, mit den Möglichkeiten, die unter den gegebenen Umständen zur Verfügung stehen.

9. Lenkungsmaßnahmen im Bereich der deutschen Wirtschaftsentwicklung

Für einen Zeitraum von mindestens zwanzig Jahren nach der Kapitulation sollen entsprechende Kontrollen, einschließlich Kontrollen über den Außenhandel und scharfe Beschränkungen von Kapitalimporten durch die Vereinten Nationen beibehalten werden mit der Absicht, der Errichtung oder Erweiterung von für das deutsche Militärpotential grundlegenden Schlüsselindustrien vorzubeugen und andere Schlüsselindustrien zu steuern.

10. Landwirtschaftsprogramm

Alle großen Landwirtschaftsbetriebe sollen aufgeteilt und unter den Bauern verteilt werden. Das System des Erstgeburtsrechts und des Erbhofs [entail] soll abgeschafft werden.

11. Bestrafung von Kriegsverbrechen und Behandlung besonderer Gruppen

Ein Programm zur Bestrafung bestimmter Kriegsverbrechen und zur Behandlung von Nazi- Organisationen und anderen besonderen Gruppen ist im Abschnitt 11. enthalten.

12. Uniformen und Paraden

  • (a) Kein Deutscher darf ab einer angemessenen Zeit nach Einstellung der Feindseligkeiten irgendeine Militäruniform oder die Uniform einer militärähnlichen Organisation tragen.
  • (b) In ganz Deutschland dürfen keine Militärparaden mehr stattfinden und alle Militärkapellen sind aufzulösen.

13. Luftfahrzeuge

Sämtliche Luftfahrzeuge (einschließlich Segelflugzeuge) ob Militär- oder Handelsflugzeuge, werden für spätere Verwendung beschlagnahmt. Kein Deutscher darf ein Flugzeug fliegen noch dabei sich als Kopilot o. ä. betätigen einschließlich solcher Flugzeuge, die Ausländern gehören.

14. Verantwortung der Vereinigten Staaten

Obwohl die Vereinigten Staaten eine vollständige militärische und zivile Vertretung bei allen internationalen Kommissionen oder bei den Kommissionen, die zur Durchführung des gesamten Deutschland betreffenden Programms zu schaffen wären, unterhalten würden, fällt die Hauptverantwortung für das Vorgehen gegenüber Deutschland und für die zivile Verwaltung dort in erster Linie den Streitkräften der kontinentalen Nachbarn Deutschlands zu. Dies würde vor allem russische, französische, polnische, tschechische, griechische, jugoslawische, norwegische, niederländische und belgische Soldaten betreffen. Bei Einhaltung dieses Programms könnten die Vereinigten Staaten ihre Truppen innerhalb einer relativ kurzen Zeit abziehen.

Reparationen bedeuten ein mächtiges Deutschland

Wenn wir davon ausgehen, daß Deutschland laufende Reparationen zahlt, ob das nun in Form von Geld oder Waren sei, würden wir von Anfang an gezwungen sein, ein Sanierungs- und Wiederaufbauprogramm für die deutsche Wirtschaft anlaufen zu lassen. Wir müßten Deutschland z.B. Transportmittel, Ersatzteile für die öffentlichen Versorgungsbetriebe, Lebensmittel für die arbeitende Bevölkerung sowie Maschinen für die bombengeschädigte Schwerindustrie beschaffen und für den Wiederaufbau von Wohnungen wie für Rohstoffe für die Industrie sorgen. Unabhängig davon, wie man das Programm gestalten mag, würden wir im Endeffekt für Deutschland das tun, was wir für die befreiten Gebiete Europas in Gang zu setzen beabsichtigen; aber möglicherweise in einem noch größeren Ausmaß, da die Industrialisierung Deutschlands weiter fortgeschritten ist. Wenn dann die Reparationslieferungen auslaufen, würde Deutschland mit einer stärkeren Wirtschaftskraft dastehen und auf den Auslandsmärkten einen größeren Anteil haben, als es ihn in den dreißiger Jahren hatte. Daher muß ein weitreichendes Reparationsprogramm aus folgenden Gründen abgelehnt werden:

  • 1. Politisch würde es sehr schwierig sein, die Völker des befreiten Europas und der anderen Völker der Vereinten Nationen, einschließlich der USA, zu überreden, ein Programm zum sofortigen Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft anzunehmen.
  • 2. Wenn das befreite Europa wirtschaftlich von den Reparationen Deutschlands abhängig wird, kann diese Abhängigkeit nicht einfach mit Beendigung der Reparationen abgebrochen werden. Das übrige Europa würde weiterhin von Deutschland sowohl als Versorgungsquelle wie auch als Markt abhängig sein. Diese wirtschaftlichen Bindungen würden auch politische Bindungen bedeuten. Deutschland würde dann wieder dort angelangt sein, wo es sich in den dreißiger Jahren befand, als es durch seine industrielle Stärke das übrige Europa wirtschaftlich zu beherrschen vermochte und seine wirtschaftliche Macht zur Erreichung der politischen Vorherrschaft einsetzen konnte.
  • 3. Ein wirtschaftlich mächtiges Deutschland stellt ipso facto [durch sein bloßes Dasein, d.Üb.] eine militärische Bedrohung der Sicherheit der Welt dar.
  • 4. Die Zahlung von Reparationen stellt eine direkte Konkurrenz zur Exportindustrie der USA, Großbritanniens und Frankreichs dar und würde politische Unstimmigkeiten innerhalb der Vereinten Nationen hervorrufen.
    • (a) Alles, was die Empfängerländer an Reparationen erhalten, werden sie in der Nachkriegszeit nicht von den Alliierten Industriemächten kaufen.
    • (b) Wenn man Deutschland auf die Grundlage von Reparationen stellt, muß es Industriegüter an die nicht-europäischen Märkte exportieren, um die nötigen Devisen zum Import der Rohstoffe für seine Industrie zu beschaffen. Damit würde es erneut mit England und den Vereinigten Staaten auf den Märkten von Lateinamerika, Afrika und Asien konkurrieren.
  • 5. Ein wirtschaftlich starkes Deutschland würde in der Lage sein, noch wirkungsvoller mit anderen Ländern zu konkurrieren, sobald die Reparationszahlungen aufhören. Ein Reparationsprogramm für Deutschland nach diesem Kriege verspricht keinen größeren Erfolg als der Versuch mit dem Dawes- und Young-Plan nach dem Ersten Weltkrieg.

Wirtschaftliche Ersatzleistung Deutschlands an die Vereinten Nationen

An Stelle von wiederkehrenden Reparationszahlungen werden die Nationen, die einen Anspruch auf solche Zahlungen haben, von Deutschland einen Pauschalbetrag erhalten, und zwar in Gestalt von deutschen Sachgütern, deutschen Arbeitskräften und deutschem Gebiet Diese Pauschalzahlung, die eher als Sühneleistung denn als Wiedergutmachung beschrieben werden könnte, wird in folgender Weise verwirklicht:

  • (a) durch die Übereignung deutscher Territorien an die befreiten Länder, einschließlich der darauf befindlichen Industrieeinrichtungen. Es ist beabsichtigt, die großen Industriegebiete Schlesiens an Polen und die Industrie der Saar zusammen mit den umliegenden Territorien an Frankreich zu übereignen. Diese Gebiete werden für die Empfängerländer einen enormen Wert darstellen;
  • (b) durch Demontage und Verteilung von Industrieanlagen und -ausrüstungen sowie Verkehrseinrichtungen, einschließlich Eisenbahnen, die im restlichen Deutschland und im Ruhrgebiet gelegen sind, an die verwüsteten Länder. Beabsichtigt ist, vollständige Betriebe, Maschinen, Ausrüstungen Rohstofflager, Eisenbahn- und Schiffsbestand an die verwüsteten Länder zu übereignen und damit eine echte Grundlage für den Wiederaufbau und für die Industrialisierung des befreiten Europas zu schaffen. Innerhalb des Möglichen wird so die gesamte Industrie der Ruhr überführt werden;
  • (c) durch die Schaffung von deutschen Arbeitsbataillonen, die zur Wiederaufbauarbeit außerhalb Deutschlands eingesetzt werden;
  • (d) durch Einziehung aller deutschen Auslandsguthaben, welcher Art diese auch sein mögen. Die oben beschriebene Ersatzleistung wird für die Empfängerländer sowohl politisch als auch wirtschaftlich günstiger sein, als es wiederkehrende Reparationszahlungen wären. Der Nutzen würde sofort durch den Erhalt von Maschinen, Einrichtungen und Arbeitskräften eintreten, und die Wirtschaft der einzelnen Empfängerländer wird gegenüber Deutschland sowohl absolut als auch relativ gestärkt werden.

In dem Maße, wie der Bedarf dieser Länder an Industriegütern von den USA und Großbritannien anstatt von Deutschland gedeckt wird, ziehen die Empfängerländer den Nutzen aus der schnelleren Lieferung für die Zeit unmittelbar nach dem Krieg. Außerdem hätten die USA und Großbritannien den Vorteil, ihre ausländischen Nachkriegsmärkte zu erweitern.

Es ist ein Trugschluß, daß Europa ein starkes, industrialisiertes Deutschland braucht

  • 1. Die manchmal vertretene Annahme, Deutschland sei für das übrige Europa eine unentbehrliche Quelle für industrielle Versorgungsgüter, trifft nicht zu. Die USA, Großbritannien und die französisch-luxemburgisch-belgischen Industriezentren hätten mit Leichtigkeit aus ihrer ungenutzten Industriekapazität heraus praktisch alles liefern können, was Deutschland während des Zeitraumes vor dem Kriege nach Europa lieferte. Für den Zeitraum nach dem Krieg kann die erweiterte Industriekapazität der Vereinten Nationen,

besonders der USA, mit Leichtigkeit den Bedarf für den Wiederaufbau und die Industrie Europas ohne Beihilfe Deutschlands decken. Die gesamten deutschen Exporte in die ganze Welt betrugen 1938 nur etwa 2 Mrd. Dollar, wobei der Anteil von Maschinen, Stahl und Stahlwaren bei etwa 750 Mio. Dollar, von Kohle bei 165 Mio. Dollar und Chemikalien bei 230 Mio. Dollar lag. Diese Beträge sind unbedeutend im Vergleich zu dem erhöhten Industriepotential alleine der USA oder Großbritanniens. Ein Fünftel unseres Leib- und Pachtexports von 1943 würde genügen, um die Exporte Deutschlands in die ganze Welt in ihrem vollen Umfang zu ersetzen.

  • 2. Man hat die Behauptung aufgestellt, daß Europa von der Ruhrkohle abhängig sei. Die französisch-belgische Stahlindustrie und einige neue Industriekomplexe, die nach dem Krieg in Europa entstehen werden. benötigen die Versorgung mit importierter Kohle. Die britische Kohlenindustrie jedoch, die vor dem Krieg unter der deutschen Konkurrenz litt, wird in der Lage sein, den größten Teil, wenn nicht überhaupt den gesamten Bedarf, zu decken. Die Kohlenindustrien in Frankreich, Polen, Schlesien und an der Saar sind ebenfalls zu einer Produktionserweiterung fähig, wenn die Konkurrenz der Ruhr ausgeschaltet ist. Eine weitere Deckung des Bedarfs könnte erforderlichenfalls von den Vereinigten Staaten erreicht werden, allerdings zu einem wesentlich höheren Preis. Die unterschiedliche Qualität der Ersatzkohle mag einige technische Abänderungen erfordern, aber eine solche Umstellung ist durchführbar. Deutschland wies 1937 einen Netto-Kohlenexport von 32 Mio. Tonnen aus. Die Differenz der britischen Kohlenproduktion zwischen einem guten Jahr und einem unterdurchschnittlichen Jahr war größer als der gesamte deutsche Kohlenexport. Darüber hinaus hat die britische Kohlenindustrie in den letzten 25 Jahren nie mit voller Kapazität gearbeitet.
  • 3. Deutschland war für das übrige Europa bedeutsam als Markt vor allem für landwirtschaftliche Überschüsse. Die deutschen Lebensmittelimporte aus der ganzen Welt betrugen 1937 etwa 800 Mio. Dollar, wovon auf Europa etwa 450 Mio. Dollar entfielen. Die gesamten deutschen Rohstoffkäufe in Europa betrugen 1937 etwa 350 Mio. Dollar. Der Verlust des deutschen Marktes wird weitgehend durch die folgenden Entwicklungen kompensiert:
    • (a) Wenn die deutsche Industrie ausgeschaltet ist, wird die Masse der industriellen Rohstoffe, die bisher Deutschland zu kaufen pflegte, zweifellos von anderen europäischen Nationen gekauft werden, welche von nun an jene Industriegüter herstellen werden, die früher Deutschland hergestellt und nach Europa exportiert hatte.
    • (b) Die Industrialisierung und die Erhöhung des Lebensstandards im übrigen Europa werden einen Teil der Lebensmittelüberschüsse absorbieren, die früher nach Deutschland gingen.
    • (c) Diejenigen Teile Deutschlands, die anderen Ländern zugeschlagen werden (das Rheinland, Schlesien, Ostpreußen), werden wohl einen genau so hohen Lebensmittelimport haben wie vorher, vielleicht sogar noch einen höheren.
    • (d) Der restliche Teil Deutschlands wird weiterhin einige Lebensmittel importieren vielleicht 25% - 50% der früheren Lebensmittelimporte.
  • 4. Deutschland war für das übrige Europa in den nachfolgenden Bereichen als Markt wichtig:

Prozentsatz der Exporte eines jeden Landes nach Deutschland:

       1938
       Großbritannien 4%
       Frankreich 6%
       UdSSR 7%
       Belgien 12%
       Norwegen 13%
       Italien 15%
       Tschechoslowakei 15%
       Niederlande 15%
       Dänemark 20%
       Polen 24%
       Jugoslawien 38%
       Griechenland 38%

Großbritannien exportierte hauptsächlich Kohle und Textilien nach Deutschland, und Frankreich exportierte hauptsächlich Eisenerz und Wolle. Die Ausschaltung der deutschen Industrieexporte wird entsprechende Märkte für diese und weitere Exporte schaffen. Der Verlust des deutschen Marktes könnte für die Balkanländer von Bedeutung sein. Die landwirtschaftlichen Exporte dieser Länder nach Deutschland waren im Jahre 1938 unnatürlich umfangreich wegen der deutschen skrupellosen Ausnutzung durch das Zahlungsausgleichs-Abkommen und andere Kunstgriffe. Diese Länder werden für einen Teil ihrer Lebensmittelüberschüsse Märkte finden, allein schon durch die Industrialisierung und durch einen höheren Lebensstandard innerhalb des eigenen Landes. Die deutschen Gebiete werden weiterhin einige Lebensmittel von ihnen importieren. Einen Netto-Marktverlust könnten jedoch die Länder Dänemark, Holland und Jugoslawien ausweisen. Diese Länder werden allerdings eine Anpassung ihrer Wirtschaftsstrukturen durchführen müssen, was wohl nicht schwierig sein dürfte in der Zeit großer Umschichtungen, die mit der Befreiung kommen wird.

  • 5. Zusammengefaßt: Die Behauptung, daß eine gesunde europäische Wirtschaft von der deutschen Industrie abhängt, war niemals wahr, noch wird sie in Zukunft wahr sein. Deshalb sollte über die Behandlung Deutschlands ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Folgen für das übrige Europa entschieden werden. Im schlimmsten Fall werden diese wirtschaftlichen Folgen nur relativ geringe wirtschaftliche Nachteile für gewisse Teile Europas mit sich bringen. Im günstigsten Fall werden sie die industrielle Entwicklung Europas außerhalb Deutschlands beschleunigen. Aber alle Nachteile werden durch echte Vorteile in Bezug auf die politischen

Ziele und die wirtschaftlichen Interessen der Vereinten Nationen als Ganzes mehr als ausgeglichen werden.

Warum die Rohstoffvorkommen an der Ruhr unzugänglich gemacht und die Anlagen demontiert werden sollten

Während der letzten hundert Jahre ist die Industriemacht des Ruhrgebietes die Grundlage des modernen deutschen Militarismus gewesen. Sehr ausgedehnte Vorkommen von Kohle hoher Qualität, die sich besonders gut zur Herstellung von Koks eignet, und eine günstige geographische Lage, die den Import von Eisenerz erleichterte, waren die Grundlage einer industriellen Struktur, die einzigartig auf der Welt ist und deren Entwicklung bewußt durch militärische Zielsetzungen gesteuert worden ist. Die Beseitigung dieser industriellen Struktur ist unumgänglich, um eine erneute deutsche Aggression auf viele Jahre hinaus unmöglich zu machen. Kein anderer Plan könnte diesem zentralen Anliegen der Vereinten Nationen mit derselben Wirksamkeit dienen. Die Zerstückelung Deutschlands alleine würde nicht genügen, da politische Entwicklungen in kommenden Jahrzehnten eine Wiedervereinigung verschiedener deutscher Staaten möglich machen könnten. In diesem Falle würde ein wiedervereinigter deutscher Staat sofort wieder ein enormes Industriepotential besitzen, falls die Ruhrindustrie nicht zerstört wird. Wenn das Ruhrgebiet erst einmal ausgeschaltet ist, werden zweifellos neue Eisen- und Stahlindustrien im übrigen Europa aufgebaut werden, um die benötigten Mengen an Eisen und Stahl zu beschaffen die sonst von der Ruhr kamen, und um die französische Eisenerzproduktion zu nutzen. Kohle könnte man aus dem Saargebiet aus einer erhöhten Förderung in Frankreich. aus Großbritannien, Schlesien und Polen bekommen. Die Ausschaltung der Ruhr würde daher ein willkommener Beitrag zum Gedeihen der Kohlenindustrie von mehreren der Vereinten Nationen werden. Großbritannien hat sehr große Kohlenreserven; man schätzt, daß seine nachgewiesenen Reserven bei der gegenwärtigen Fördermenge den Bedarf von etwa 500 Jahren decken. Die Kohlenförderung Großbritanniens war in dem Zeitraum zwischen den beiden Kriegen stark rückläufig und hat niemals wieder ihr Maximum von 1913 erreicht (293 Mio. Tonnen). Die Förderhöhe in den vergangenen Jahren war die der Jahrhundertwende, wobei der Anstieg zwischen 19()() und 1913 verlorengegangen ist. Die Förderung im Jahre 1938 lag um 6Ü Mio. Tonnen niedriger als 1913. Die neuen Eisen- und Stahlindustrien, die an Stelle des Ruhrgebietes in Europa entstehen werden, werden eine so mächtige unabdingbare Stellung besitzen, daß sie eine dauerhafte und wirksame Schranke gegen eine erneute Industrialisierung der Ruhr darstellen werden. Wie die britische Industrie aus dem hier vorgeschlagenen Programm Nutzen ziehen würde

  • 1. Die britische Kohlenindustrie würde sich von der Depression der dreißiger Jahre durch die Gewinnung neuer Märkte erholen. England würde den größten Teil des europäischen Kohlenbedarfs decken, der früher vom Ruhrgebiet mit einer Jahresproduktion von 125 Mio. Tonnen gedeckt wurde. Die daraus folgende Steigerung der britischen Kohlenförderung würde die Entwicklung eines konzentrierten Programms erlauben zur Erweiterung und Neuordnung von Englands führender, seit 1918 von Depressionen betroffenen Industrie und würde es erleichtern, die depressiven Bereiche zu beseitigen.
  • 2. Die Verringerung der deutschen Industriekapazität würde die deutsche Konkurrenz mit den britischen Exporten auf dem Weltmarkt ausschalten. England würde nicht nur viele Auslandsmärkte wiedergewinnen, die es nach 1918 an Deutschland verloren hat, sondern es

wird auch an den Lieferungen aller Art von Verbrauchs- und Industriegütern teilhaben, welche die verwüsteten Länder Europas in den ersten Nachkriegsjahren für ihren Wiederaufbau benötigen.

  • 3. Die Übereignung eines großen Teiles des deutschen Schiffsbestandes an England, sowohl von Handels- als auch Kriegsschiffen, wie auch von Werftanlagen wird ein wichtiger Punkt in Englands Programm zur verstärkten Erholung der Wirtschaft im Rahmen einer Wiedergutmachung nach dem Kriege sein.
  • 4. Großbritanniens Devisenposition wird gestärkt und der Druck auf das Pfund durch die Ausweitung seiner Exporte und Dienstleistungen im Bereich des Schiffswesens vermindert werden.
  • 5. Die Gewähr von Frieden und Sicherheit würde für England den unvergleichlich größten wirtschaftlichen Nutzen aus dem hier vorgeschlagenen Programm bringen, denn es soll bewirken, daß Deutschland niemals wieder einen erfolgreichen Krieg auf dem Kontinent führen kann. England würde in der Lage sein, das Programm für den wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbau in Angriff zu nehmen, wie es im Beveridge-Plan vorgestellt ist, sowie auch das Regierungsprogramm für Vollbeschäftigung, ohne sich über zukünftige finanzielle Belastungen durch die Unterhaltung einer umfangreichen Armee und einer riesigen Rüstungsindustrie auf unabsehbare Zeiten Sorgen machen zu müssen.
  • 6. Die politische Stabilität Großbritanniens würde gestärkt werden durch seine wachsende Fähigkeit, den dringenden inländischen Forderungen nach wirtschaftlicher Reform nachzukommen die sich aus den Garantien für äußere Sicherheit und für eine Ausweitung der

Exporte ergeben.

Das Ergehen der deutschen Wirtschaft ist Sache der Deutschen und nicht der Alliierten Militärbehörden

Die wirtschaftliche Sanierung Deutschlands ist ein Problem des deutschen Volkes und nicht der Alliierten Militärbehörden. Das deutsche Volk muß die Folgen seiner eigenen Handlungen tragen. Der einzige Zweck der bewaffneten Macht als Kontrollorgan der deutschen Wirtschaft sollte sein, die militärischen Operationen und die militärische Besetzung zu fördern. Die Alliierte Militärregierung soll keineswegs die Verantwortung für solche wirtschaftlichen Probleme übernehmen wie Preiskontrollen, Rationierung, Arbeitslosigkeit, Produktion, Wiederaufbau, Verteilung, Verbrauch, Wohnungsfragen oder Verkehrswesen oder irgendwelche Maßnahmen ergreifen, die geeignet wären, die deutsche Wirtschaft zu erhalten oder zu stärken. Die Verantwortung für die Erhaltung der deutschen Wirtschaft und der Bevölkerung bleibt dem deutschen Volk selbst überlassen mit den Möglichkeiten, die unter den gegebenen Umständen zur Verfügung stehen mögen. Es sollten nicht mehr Hilfsgüter importiert oder aus deutschen Warenlagern verteilt werden, als es der Minimalbedarf erforderlich macht, um Krankheiten und solche Unruhen zu verhüten, welche die militärischen Maßnahmen oder die Besetzung gefährden oder behindern könnten. Die Alliierten Militärbehörden sollten keine Verantwortung für Versorgung,Verteilung oder auch Unterstützungsmaßnahmen, einschließlich der Versorgung mit Lebensmitteln und medizinischem Bedarf, übernehmen. Der deutsche Importbedarf sollte strikt auf Minimalquoten für kritische Einzelartikel beschränkt werden und sollte in keinem Falle Vorrang vor den Versorgungsbedürfnissen der befreiten Territorien haben. Die landwirtschaftlichen Vorräte in Deutschland sollten für die deutsche Bevölkerung verwendet werden, jedoch unter der Voraussetzung, daß der deutsche Verbrauch auf einem Minimum gehalten wird, um auf diese Weise einen möglichst großen Überschuß an landwirtschaftlichen Produkten für die befreiten Länder zur Verfügung zu haben. Die Alliierten Militärbehörden sollten sich nicht mit der Wiederherstellung von Kriegsschäden befassen mit Ausnahme derer, die für die Gesundheit der Bevölkerung absolut unentbehrlich sind. Die Deutschen werden selbst die Verantwortung haben, ihre Sache so gut zu machen, wie sie es eben können.

Einflußnahme auf die Entwicklung der deutschen Wirtschaft

Ein Langzeitprogramm zur Beeinflussung der strategischen Bestandteile der deutschen Wirtschaft sollte für einen längeren Zeitraum in Kraft gesetzt werden, und zwar für mindestens 20 Jahre. Die zu beeinflussenden Bereiche wären die folgenden:

  • 1. die deutschen Auslandsguthaben, eingeschlossen Patente und Urheberrechte;
  • 2. der deutsche Außenhandel;
  • 3. Verrechnung- und Handelsabkommen mit dem Ausland;
  • 4. Kapitalimporte und Kapitalexporte;
  • 5. Industrien, die strategische Materialien herstellen, außer denen, für die bereits besondere Bestimmungen getroffen worden sind;
  • 6. die deutsche Handels- und Fischereiflotte;
  • 7. die Binnenschiffahrt, d.h. auch Kanäle und Flüsse.

Es ist wesentlich, daß die oben genannten strategischen Bestandteile der deutschen Wirtschaft überwacht werden, damit die Deutschen nicht durch ihre Nutzung erneut darangehen, verschiedene Teile ihrer Industrie- und Wirtschaftsstruktur für zukünftige militärische und aggressive Zwecke wieder aufzubauen. Deutschland war in der Welt führend, wenn es darum ging, bei der Anwendung von Zolltarifen, Meistbegünstigungsklauseln, bei der Devisenkontrolle, der Kontrolle über den Transithandel, bei Einfuhrquoten, internationalen Kartellen, Patenten und Urheberrechten zum Zweck benachteiligender und unlauterer Handelsvorteile gegenüber seinen Nachbarn aufzutreten. Hier lag die eigentliche Ursache für viele schwelende Wunden und konkurrierende Handelskriege die ganzen zwanziger und dreißiger Jahre hindurch.

Was bezüglich der deutschen Umerziehung geschehen soll

Der militaristische Geist, der das deutsche Volk durchdringt, wurde von allen Erziehungseinrichtungen in Deutschland über viele Jahrzehnte hinweg planmäßig genährt. Schulen, Oberschulen und Universitäten wurden sehr wirksam dazu benutzt, in die Kinder und in die Jugend der Nation den Samen des aggressiven Nationalismus und den Wunsch zur Beherrschung der Welt einzupflanzen. Eine Umerziehung des deutschen Volkes muß daher Teil des Programms sein, Deutschland unfähig zu machen, eine aggressive Macht zu sein. Die Umerziehung kann nicht wirksam von außerhalb des Landes durchgeführt und von ausländischen Lehrern getragen werden Sie muß von den Deutschen selbst geleistet werden. Die harten Tatsachen der Niederlage und der Notwendigkeit zur politischen, wirtschaftlichen und sozialen Umgestaltung müssen die Lehrmeister des deutschen Volkes werden. Das bestehende Erziehungssystem, das völlig nazifiziert ist, muß vollkommen neu geordnet und umorganisiert werden. Die Hauptaufgabe wird darin bestehen, politisch zuverlässige Lehrer ausfindig zu machen und so schnell wie möglich neue Lehrer auszubilden, die von einem neuen Geist beseelt sind. Bei den Vereinten Nationen sollte eine Kommission für Erziehungsfragen geschaffen werden, welche die höchste Amtsgewalt in allen Fragen der Erziehung und bei den Organen der öffentlichen Meinung ausüben wird. Sämtliche Lehr- und Erziehungseinrichtungen, welcher Art auch immer, sind zu schließen. Ihre Wiedereröffnung wird abhängen

  • (1) von der Möglichkeit, Lehrkörper zusammenzustellen, in die politisches Vertrauen gesetzt werden kann;
  • (2) von der Umgestaltung der Lehrpläne;
  • (3) von der Fertigstellung neuer Lehrbücher, um die völlig unbrauchbaren Bücher der Vergangenheit zu ersetzen. Für eine Übergangszeit sollten die Ernennungen von Fachkräften an den Erziehungsanstalten der Genehmigung der Kommission der Vereinten Nationen für Erziehungsfragen unterworfen sein. Während es noch möglich sein könnte, nach einer verhältnismäßig kurzen Zeit wieder Lehrkörper für die Grundschulen zusammenzustellen, werden wohl alle höheren Bildungseinrichtungen, die in der Vergangenheit die Hauptzentren der militaristischen, pan-germanischen Propaganda waren, möglicherweise noch mehrere Jahre lang geschlossen bleiben müssen. Der deutsche Militarismus kann nicht durch Zerstörung des Nazismus allein beseitigt werden
  • (1) Das Nazi-Regime ist in seinem Wesen der Höhepunkt des unveränderten deutschen Dranges zur Aggression.
    • (a) Die deutsche Gesellschaft ist während mindestens drei Generationen von machtvollen Kräften beherrscht gewesen, die den deutschen Staat und die deutsche Nation zu einer Maschine der militärischen Eroberung und der Selbstüberhöhung gemacht haben. Seit 1864 hat Deutschland fünf Angriffskriege [sic] gegen andere Mächte begonnen, wobei jeder Krieg größere Zerstörung über weitere Gebiete brachte als der vorhergehende.
    • (b) Wie auch im Falle Japans, hat die schnelle Entwicklung eines modernen Industriesystems in Deutschland die wirtschaftliche Grundlage des deutschen Militarismus unermeßlich gestärkt, ohne jedoch die Ideologie des preußischen Feudalismus oder ihren Rückhalt in der deutschen Gesellschaft zu schwächen.
    • (c) Das Nazi-Regime ist kein Auswuchs einer sonst gesunden Gesellschaft, sondern es wächst organisch aus dem deutschen Staatskörper heraus. Schon vor der Machtergreifung des Nazi-Regimes hat die deutsche Nation eine unvergleichliche Fähigkeit an den Tag gelegt, sich von einer militaristischen Clique verführen zu lassen, die ihr das Versprechen auf wirtschaftliche Sicherheit und politische Herrschaft gab als Gegenleistung für die disziplinierte Hinnahme ihrer Führerschaft. Was das Nazi-Regime getan hat war die systematische Verderbnis der passiven deutschen Nation in einem beispiellosen Maßstab und die Umgestaltung zu einer

organisierten und entmenschlichten Militärmaschine, in die noch alle Kräfte der modernen Technik und Wissenschaft eingegliedert worden sind.

  • (2) Die Auflösung der Nazi-Partei allein wird deshalb nicht die Vernichtung des militaristischen Geistes sicherstellen welcher dem deutschen Volk über Generationen eingeflößt wurde und dem man im letzten Jahrzehnt eine überwältigende Stoßkraft verlieh. Dies wird notwendigerweise ein mühsamer Prozeß sein und während einer langen zukünftigen Zeitspanne würde es geradezu ein Spielen mit dem Schicksal der Zivilisation sein, sich auf eine unbewiesene deutsche Fähigkeit zur Selbsterneuerung zu verlassen angesichts einer bewiesenen Fähigkeit zur Schaffung von neuen Vernichtungswaffen für die Verwendung in Angriffskriegen. Daher wird zusätzlich zur Entwaffnung und zur Schwächung Deutschlands als Militärmacht den Interessen der Weltsicherheit am besten gedient sein mit

folgenden Maßnahmen.'

    • (a) Zwangsmäßige Verringerung der Industriekapazität Deutschlands, so daß es aufhört eine größere wirtschaftliche militärische und politische Macht zu sein.
    • (b) Stärkung aller Nachbarn Deutschlands auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet im Verhältnis zu Deutschland: damit wird seine Einsicht in die Nutzlosigkeit der militaristischen Philosophie, aus welcher die Aggression entsteht, umso wahrscheinlicher.

Bestrafung bestimmter Kriegsverbrechen und Behandlung besonderer Gruppen.

A. Bestrafung bestimmter Kriegsverbrecher

(1) Hauptverbrecher.

Eine Liste von Hauptverbrechern dieses Krieges, deren offenkundige Schuld von den Vereinten Nationen allgemein festgestellt worden ist, soll so bald wie möglich aufgestellt und den entsprechenden militärischen Behörden übermittelt werden. Die Militärbehörden sollen in Bezug auf alle Personen, die auf einer solchen Liste enthalten sind, folgendermaßen angewiesen werden:

  • (a) Sie sollen so schnell wie möglich ergriffen und so schnell wie möglich nach ihrer Ergreifung identifiziert werden; die Identifizierung soll von einem Offizier im Generalsrang bestätigt werden.
  • (b) Sobald diese Identifizierung durchgeführt worden ist, soll die identifizierte Person umgehend von Erschießungskommandos hingerichtet werden, die aus Soldaten der Vereinten Nationen zusammengesetzt sind.

(2) Bestimmte andere Kriegsverbrecher.

  • (a) Von der Alliierten Militärregierung sollen Militärkommissionen eingesetzt werden zum Prozeß wegen gewisser Verbrechen, die während dieses Krieges gegen die Zivilisation begangen worden sind. So bald wie praktisch möglich sollen Vertreter der befreiten Länder Europas in diese Kommissionen aufgenommen werden. Diese Verbrechen sollen die Verbrechen einschließen, welche im folgenden Abschnitt erfaßt sind, und jene anderen Verbrechen, wie man sie diesen Militärkommissionen von Fall zu Fall zur Verhandlung zuweisen wird.
  • (b) Jede Person, die verdächtigt wird, verantwortlich zu sein für die Verursachung des Todes irgendeines menschlichen Wesens (durch Befehlsausgabe oder anderweitig) oder teilgenommen zu haben bei der Verursachung des Todes irgendeines menschlichen Wesens in

den folgenden Fällen, soll verhaftet und sofort von diesen Militärkommissionen abgeurteilt werden; es sei denn, daß eine der Vereinten Nationen vor dem Prozeß gefordert hätte, daß eine solche Person zur Durchführung eines Prozesses wegen ähnlicher Anklagen in ihren Gewahrsam gebracht wird, und zwar für Taten, die innerhalb ihres Territoriums begangen worden sind:

    • (I) wenn der Tod durch eine Kriegsregeln verletzende Handlung verursacht wurde;
    • (II) wenn das Opfer als Geisel zur Vergeltung für Taten anderer Personen getötet wurde;
    • (III) wenn das Opfer den Tod erlitt aufgrund seiner Nationalität, Rasse, Hautfarbe, seines Glaubens oder seiner politischen Überzeugung.
  • (c) Jede Person, die von den Militärkommissionen wegen der in Paragraph (b) aufgeführten Verbrechen überführt ist, soll zum Tode verurteilt werden, es sei denn, daß die Militärkommissionen in Ausnahmefällen beschließen, daß mildernde Umstände gegeben sind, in welchem Falle auf eine andere Bestrafung erkannt werden kann, einschließlich Deportation zu einem Straflager außerhalb Deutschlands. Nachdem Schuldspruch soll das Urteil sofort vollstreckt werden.

B. Festnahme bestimmter Gruppen

Alle Mitglieder der folgenden Gruppen sollen in Haft gehalten werden, bis der Umfang der Schuld jeweils festgestellt ist:

  • (a) SS.
  • (b) Gestapo.
  • (c) Alle höheren Amtsträger der Polizei, der SA und anderer Sicherheitsorganisationen.
  • (d) Alle höheren Amtsträger der Regierung und der Nazi-Partei
  • (e) Alle führenden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens die eng mit dem Nationalsozialismus identifiziert sind.

C. Registrierung

Es ist ein geeignetes Registrierungsprogramm zu erstellen mit der Absicht, alle Mitglieder der Nazi-Partei und ihrer angegliederten Organisationen, der Gestapo, der SS und der SA, zu identifizieren.

D. Arbeitsbataillone

Abgesehen von der Frage festgestellter Schuld wegen besonderer Verbrechen bildet die bloße Zugehörigkeit zur SS, zur Gestapo und zu ähnlichen Gruppen einen ausreichenden Grund zur Einschließung in Zwangsarbeitsbataillone die außerhalb Deutschlands bei Wiederaufbaumaßnahmen eingesetzt werden.

E. Auflösung der Nazi-Organisationen

Die Nazi-Partei und alle ihre angegliederten Organisationen wie die Arbeitsfront, die Hitler- Jugend, Kraft durch Freude usw. sollen aufgelöst und ihr Eigentum und ihre Akten beschlagnahmt werden. Es müssen alle erdenklichen Anstrengungen gemacht werden, jeden Versuch zu verhindern, sie im Untergrund oder in getarnter Form wieder herzustellen.

F. Verbot der Ausübung gewisser Rechte

Alle Mitglieder folgender Gruppen sollen aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden, das Wahlrecht und die Erlaubnis zur Bekleidung öffentlicher Ämter verlieren. Sie dürfen nicht mehr als Journalist, im Lehrberuf oder im Rechtsberuf tätig sein oder im Bankwesen, in der Produktion oder im Handel irgendeine führende Stellung einnehmen:

  • (1) Mitglieder der Nazi-Partei.
  • (2) Sympathisanten der Nazis, die mit Worten oder Taten das Nazi-Programm faktisch unterstützt oder ihm Vorschub geleistet haben.
  • (3) Die Junker.
  • (4) Die Offiziere des Heeres und der Kriegsmarine.

G. Verbot der Auswanderung

  • (1) Es ist eine Bekanntmachung herauszugeben, die allen in Deutschland ansässigen Personen das Verlassen Deutschlands oder den Versuch dazu verbietet, ausgenommen mit Erlaubnis der Alliierten Militärregierung.
  • (2) Die Verletzung dieses Verbotes soll ein Straftatbestand sein, der von den Militärkommissionen der Alliierten Militärregierung abzuurteilen ist, und harte Strafen, einschließlich der Todesstrafe, sollen vorgeschrieben werden.
  • (3) Von den Militärbehörden sind alle denkbaren Schritte zu unternehmen, um alle diese Personen am unerlaubten Verlassen des Landes zu hindern.