Barents, Willem
Willem Barents[z] ( um 1550 auf der Insel Terschelling im Dorf Formerum; 20. Juni 1597 bei Nowaja Semlja) war ein deutscher Seefahrer und Entdecker aus den Niederlanden.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Zwischen 1594 und 1597 unternahmen Deutsche aus Holland drei Expeditionen, um die Nordostpassage zu finden. Wegen der damals herrschenden kleinen Eiszeit waren die Bedingungen sehr viel schwieriger als gegenwärtig (2016), und die Vereisung trat noch in weit südlicheren Breitengraden auf. Auf allen drei Fahrten nahm Willem Barents als Steuermann teil. Nachdem Willem Barents bereits im Jahre 1594 eine Expedition zur Auffindung des nordöstlichen Seeweges nach China unternommen hatte, die ihn bis 77° nördlicher Breite führte, und nachdem im Jahre 1595 eine zweite holländische Entdeckungsfahrt unternommen worden war, die ebenso ergebnislos verlaufen war, unternahmen Willem Barents, Jacob van Heemskerk und Jan Cornelisz Rijp im Jahre 1597 eine erneute Expedition, auf der sie unter 74°30' die Bäreninsel und unter 80° Spitzbergen entdeckten. Mit an Bord war der junge Handelsvolontär Gerrit de Veer, der während der Reise Tagebuch schrieb und die erste Überwinterung in der Arktis miterlebte. Willem Barents hatte mit seiner Mannschaft neun Monate im ewigen Eis zugebracht, davon fast drei Monate in der Dunkelheit der Polarnacht. Nach der Überwinterung auf Nowaja Semlja starb Willem Barents während der Heimreise an Skorbut. Nach ihm sind die Barentssee und auf Nowaja Semlja die Barentsbucht benannt. Erst 200 Jahre später gelang die erste Durchfahrt durch die Nordostpassage.
Der norwegische Kapitän Elling Karlsen fand fast 300 Jahre später, im Jahre 1871, das völlig unversehrte Winterhaus von Barents. Das Geschirr stand noch auf dem Tisch, und ein von Willem Barents sicherheitshalber zurückgelassener Brief steckte im Kamin.
Die letzte Fahrt
- Nach dem Mißerfolg der zweiten niederländischen Reise auf der Suche nach einer NO-Passage waren zwar nicht die Teilnehmer, wohl aber die Auftraggeber entmutigt. Außerdem wollte man wohl zunächst den Ausgang der ersten Handelsreise einer niederländischen Flotte um das Kap der Guten Hoffnung nach Ostindien abwarten, die im April 1595 ausgesegelt war. Nur der bekannte Amsterdamer Kartograph Petrus Plancius entwarf einen neuen Plan. Er glaubte, daß man China auf einem viel dichter am Pol vorbei- oder sogar direkt über ihn hinwegführenden Weg erreichen könnte.
- 1596 liefen erneut zwei Amsterdamer Schiffe aus, um eine nördliche Durchfahrt nach China zu suchen. Die Expedition stand unter dem Oberbefehl von Willem Barents, der bereits die beiden ersten Reisen ins Eismeer mitgemacht hatte. Er war ein Schüler des Plancius und hatte sich auch schon als Kartograph hervorgetan. Ihm zur Seite standen die Schipper der beiden Schiffe, Jan Comelisz Rijp und Jacob van Heemskerck, zwei erfahrene Seeleute.
- Den Verlauf dieser Reise schildert auf lebendige Art das Tagebuch eines Mitfahrenden, des jungen Gerrit de Veer. Barents scheint von Beginn an entgegen der von Plancius verfaßten Instruktion eine nordöstliche Route bevorzugt zu haben, nämlich um Nowaja Semlja herum, wie er es 1594 schon einmal versucht hatte. Zunächst jedoch konnte sich Rijp, der für die Ausführung der Instruktion eintrat, durchsetzen. Vom Nordkap aus folgte man einem nördlichen Kurs und entdeckte zunächst die Bären-Insel und dann Spitzbergen. Das Eis verhinderte ein weiteres Vordringen, so daß man zur Bären-Insel zurückkehrte. Hier trennten sich die beiden Schiffe, offenbar wegen Meinungsverschiedenheiten über das weitere Vorgehen. Rijp versuchte erneut erfolglos, in der Nähe Spitzbergens eine Passage zu finden, und kehrte im Herbst in die Niederlande zurück.
- Barents setzte mit seinem Schipper Heemskerck nach Nowaja Semlja über. Es gelang ihnen, die Nordspitze der Insel zu umrunden und deren Ostküste eine Strecke weit in südliche Richtung zu verfolgen, bevor das Schiff in einer Bucht (der Barents-Bai) vom Packeis eingeschlossen und die Mannschaft zum Überwintern gezwungen wurde. Die Schilderung dieser rund zehn Monate, die die Männer dort unter extremen Bedingungen überlebten, gehört ohne Zweifel zu den großartigsten und spannendsten Dokumenten aus der Entdeckungs- und Seefahrtsgeschichte, die uns überliefert sind.[1]
(1596/97)
1596
Am 27. August trieb das Eis rund um das Schiff und es war gutes Wetter. Wir gingen an Land, und als wir ein Stück des Weges landeinwärts gegangen waren, begann [der Wind] kräftig aus SO zu wehen und das Eis sich gewaltig vor dem Bug aufzupacken. Es trieb das Schiff vorne gut vier Fuß in die Höhe, so daß es achtern in eine Lage kam, als ob es mit seinem hinteren Teil auf Grund säße und also hätte auseinanderbrechen müssen.
[...]
Am 28. wich das Eis wieder etwas und das Schiff senkte sich wieder in seine natürliche Lage. Noch bevor es sich ganz zurechtgesetzt hatte, ging Willem Barents mit dem anderen Steuermann vor den Bug, um zu sehen, wie es um das Schiff stand und um wieviel es emporgehoben worden war. Während sie auf Knien und Ellenbogen liegend damit beschäftigt waren, [die Höhe] zu messen, stürzte das [Vor-] Schiff mit einem solchen Krachen [auf das Eis] herunter, daß sie bereits meinten, ihr Leben verloren zu haben, da sie nicht gewußt hätten, wo sie sich hätten in Sicherheit bringen sollen.
Am 29. August, als das Schiff wieder seine richtige Lage hatte, unternahmen wir große Anstrengungen, um mit eisernen Kuhfüßen und anderen Instrumenten die Eisschollen zu zerbrechen, die übereinandergeschoben [um das Schiff] lagen. Aber alle Arbeit war vergebens und alle Mühe verloren, so daß wir es Gott überlassen und von ihm Rettung erwarten mußten, denn das Eis trieb nicht weg, was [allein] uns weitergeholfen hätte.
Am 30.August begann sich das Eis bei einem heftigen Wind aus Süden bis Westen und dichtem Schneetreiben wiederum und noch viel gewaltiger als vorher übereinander und gegen das Schiff zu schieben, wodurch dieses ganz emporgehoben und eingeklemmt wurde. Es begann in allen Fugen zu krachen und zu bersten,so daß es schien, als würde es in hundert Stücke brechen, was sehr schrecklich anzuhören und zu sehen war, so daß einem von diesem greulichen Schauspiel die Haare zu Berge standen. In dieser Gefahr wurde das Schiff nun (da sich das Eis, das es so einzwängte, von beiden Seiten unter es schob) geradewegs in die Höhe gehoben, als ob es mit einer Schraubenwinde hochgestemmt worden wäre.
[...]
Am 11. September war das Wetter ruhig und wir gingen zu acht Personen an Land, gut mit Gewehren versehen, um festzustellen, ob stimmte, was die anderen drei uns gesagt hatten, daß nämlich in der Nähe des Flusses Holz läge. Denn da wir bis dahin einige Male [in unserem Boot] lange herumgeschweift und dabei mehrmals ins Eis und dann wieder aus ihm heraus gekommen waren und unseren Kurs dementsprechend geändert hatten, so hatten wir inzwischen festgestellt, daß wir [mit dem Schiff] nicht [mehr] aus dem Eis herausgelangen konnten, sondern dort festsaßen und nicht wieder, wie so oft vorher, loskommen konnten. Und da es auf Herbst und Winter zuging, zwang uns die Not, Rat zu schaffen und nach Lage der Dinge die besten Vorbereitungen zu treffen, um dort zu überwintern und abzuwarten, in welches Abenteuer uns Gott schicken wollte. Daher fanden wir es ratsam — um besser vor der Kälte und den wilden Tieren geschützt zu sein —, dort eine Hütte oder ein Haus zu errichten, um uns darin so gut wir konnten, zu erhalten und alles weitere Gott anzubefehlen.
[Es fanden sich am Strand tatsächlich ganze angetriebene Bäume, die sowohl als Bau- wie als Brennmaterial dienen konnten. Auf Schlitten wurden sie mühsam zur Baustelle gezogen].
[...]
Am 26. September wehte ein Westwind und die See war offen. Aber unser Schiff blieb ebenso fest liegen [wie vorher], so daß es uns mehr Verdruß als Freude machte. Doch es war Gottes Werk, mit dem wir zufrieden sein mußten, und wir begannen, das Haus abzudichten. Ein Teil unserer Mannschaft holte Brennholz, der andere Teil zimmerte und war am Haus beschäftigt. Wir waren nun noch sechzehn Personen, denn unser Zimmermann war gestorben, und von uns übrigen war außerdem noch einer krank.
[...]
5. Oktober. [...]
Am selben Tag brachen wir das Vorunter des Schiffes ab und deckten mit den Planken das Haus, [und zwar] in der Mitte etwas höher für den Wasserablauf. Wir bekamen es an diesem Tag fast dicht. [...]
[...]
Am 7. war ziemlich gutes, doch sehr kaltes Wetter und wir kalfaterten oder trieben das Haus dicht und brachen den Achterraum [des Schiffes] ebenfalls aus, um das Haus weiter abzudichten. Der Wind lief an diesem Tag rundum.
[...]
Am 24. Oktober kam der Rest unserer Mannschaft, nämlich acht Personen, ins Haus und schleppte den kranken Mann auf einem Schlitten [herbei]. Wir schleiften mit großer Mühe und Arbeit unser Beiboot (scheeps Bock) zum Haus und kehrten seinen Boden nach oben, um es in zukünftigen Zeiten (falls Gott uns die Gnade verlieh, über den Winter zu kommen) wieder zu benutzen). [...]
Da die Zeit bevorstand, in der uns die Sonne (das höchste und beste, das wir [in dieser Einöde] sehen konnten) verlassen sollte, holten wir mit allem Fleiß täglich noch Schlitten mit Gütern aus dem Schiff ins Haus, sowohl Eßwaren als Getränke und alles, was sonst nötig war. Der Wind kam aus Norden.
[...]
Am 4. November war ruhiges Wetter. Nun sahen wir die Sonne nicht mehr, da sie nicht länger über dem Horizont stand. [An diesem Tag] befahl unser Schiffsarzt, nach seinem Entwurf aus einem Weinfaß ein Bad zu machen, in dem man ein Dampfbad nehmen konnte. Einer nach dem anderen gingen wir allesamt hinein und fanden uns sehr wohl dabei, so daß es unserer Gesundheit sehr zustatten kam. Am selben Tag fingen wir einen weißen Fuchs. [Die Füchse] ließen sich nun - anders als früher - oft sehen, denn während uns die Bären mit der Sonne verließen und nicht zurückkamen, bevor die Sonne wieder erschien, so zeigten sich dagegen die Füchse in der Zeit, in der die Bären abwesend waren.
[...]
8. November. [...]
Am selben Tag teilten wir das Brot untereinander auf. Jeder Mann erhielt vier Pfund und zehn Lot für acht Tage, so daß wir nun acht Tage lang an einer Tonne Brot aßen, womit wir vorher nur fünf oder sechs Tage ausgekommen waren. Fleisch und Fisch zu rationieren war noch nicht notwendig, aber unsere [gewöhnliche Menge an] Getränken hatten wir nicht zur Verfügung. Darin mußten wir zusammenlegen und untereinander teilen, denn unser schönes Bier, das wir noch besaßen, hatte durch den Frost fast seine gesamte Stärke eingebüßt und ein großer Teil davon war außerdem verloren gegangen.
[...]
Am 20. November war schönes, stilles Wetter, der Wind kam aus Osten. Wir wuschen unsere Hemden, aber es war so kalt, daß sie, nachdem wir sie gewaschen, ausgewrungen und eben aus dem warmen Wasser [gezogen hatten], so steif froren, daß wir sie alle neben ein großes Feuer legen mußten. [Dort] weichte die dem Feuer zugewandte Seite auf, aber die abgekehrte blieb ebenso steif gefroren [wie vorher], so daß [die Hemden] eher gebrochen waren, als daß wir sie hätten auseinanderziehen können. So mußten wir sie wieder ins siedende Wasser legen, damit sie auftauten, so eine gewaltige, große Kälte herrschte.
[...]
Am 3. Dezember war immer noch dasselbe Wetter und wir konnten nur in unseren Kojen liegen und dabei deutlich das Eis in der See krachen hören, obwohl diese eine halbe Meile von uns entfernt lag. Es machte einen schrecklichen Lärm von Bersten und Krachen, so daß wir vermuteten, daß die großen Eisberge aufeinanderstießen und -geschoben wurden, die wir im Sommer so viele Faden dick hatten daliegen sehen. Und da wir in diesen zwei oder drei Tagen wegen des beißenden Rauchs kein so großes Feuer machten wie bisher, fror es im Haus so gewaltig, daß Wände und Balkendecke von einer gut zwei Finger dicken Eisschicht überzogen waren, ja sogar das Innere der Kojen, in denen wir lagen, ebenso dick. Während dieser drei Tage, in denen wir wegen des schlechten Wetters nicht herauskonnten, stellten wir das Zwölfstundenglas auf, ließen es auslaufen und drehten es dann wieder um, worüber ständig gewacht wurde, damit wir uns in der Zeitrechnung nicht irrten. Denn die Kälte war so groß, daß die Uhr eingefroren war und nicht mehr ging, obwohl wir schon mehr Gewichte als früher anhingen.
[...]
Am 7. Dezember herrschte noch ebenso schlechtes Wetter und es wehte ein fliegender Sturm aus NO, der eine so gewaltige Kälte mitbrachte, daß wir keinen Rat wußten, uns davor zu schützen. Und als wir untereinander berieten, wie wir es am besten anstellen sollten, so schlug einer unter uns vor, die Steinkohlen, die wir auch aus dem Schiff ins Haus gebracht hatten, nun in der äußersten Not zu gebrauchen und ein Feuer damit zu entfachen, da dies einen heißen und langandauernden Brand geben werde. Am Abend legten wir ein großes Feuer mit den genannten Steinkohlen an, das große Hitze spendete, aber wir rechneten nicht mit dem Gegenschlag. Denn da uns die Wärme so sehr erquickte, suchten wir nach einer Möglichkeit, sie lange zu halten. Wir fanden es daher ratsam, alle Türen und den Schornstein dicht zu verstopfen, um die liebliche Wärme drinnen zu halten. Dann gingen wir jeder in unsere Koje, um zu schlafen, frohgemut wegen der erreichten Wärme, und schwatzten lange Zeit miteinander. Aber schließlich befing uns eine merkwürdige Duseligkeit, und zwar den einen mehr als den anderen. Wir wurden dessen erst gewahr durch einen, der krank darniederlag und dies darum weniger vertragen kennte. [Dann] merkten wir auch an uns selber, daß uns eine große Bangigkeit überkam, so daß einige, die noch am kräftigsten waren, aus ihren Kojen kamen und zuerst den Schornstein und dann die Tür aufstießen. Aber derjenige, der die Tür öffnete, fiel dabei in Ohnmacht (swijm) und stürzte mit lautem Stöhnen auf den Schnee nieder, was ich hörte, da meine Koje neben der Tür lag. [Ich] lief hin und sah ihn in seiner Bewußtlosigkeit liegen, holte schnell Essig (edick) und rieb damit sein Gesicht ab, wodurch er wieder zu sich kam. Als nun die Türen geöffnet waren, wurden wir alle wiederum durch die Kälte, die uns zuvor ein so harter Feind gewesen war, erfrischt und erquickt. Sie war also die Ursache unserer Rettung, denn wir wären unzweifelhaft alle ohnmächtig geworden und dann gestorben, Nachdem wir wieder etwas zu uns gekommen waren, gab der Schipper jedem etwas Wein, um unsere Herzen zu stärken.
[...]
Anno 1597
Nachdem wir nun mit großer Kälte, Gefahr und Ungemach das Jahr zu Ende gebracht hatten, traten wir in das Jahr 1597 nach der Geburt Unseres Herrn ein. Und selbiges Jahr nahm denselben Anfang, wie der Ausgang des Jahres 96 gewesen war, denn das Wetter blieb ebenso schlecht, kalt und unerträglich (onghesturich) mit viel Schneetreiben, so daß wir am 1. Januar im Haus bleiben mußten. Der Wind kam aus Westen. Am selben Tag begannen wir, den Wein in Rationen von einem kleinen Maß auszuteilen, und zwar in zwei Tagen eines. Und da wir fürchteten, daß es noch lange dauern würde, bevor wir diesen Ort verlassen konnten (wozu die Hoffnung ohnehin gering war), so sparten einige denselben Wein noch so lange auf, wie sie konnten, damit sie, falls das Abenteuer noch lange dauern sollte, zur Not noch etwas vorrätig hätten.
[...]
Am 5. war das Wetter etwas sanfter. Wir gruben die Tür wieder auf, damit wir herauskommen konnten, und trugen all den Abfall nach draußen, der während der Tage, an denen wir eingeschlossen gewesen waren, angefallen war. Wir säuberten alles, holten Holz herein, hackten es und waren den ganzen Tag damit beschäftigt, um so viel wie möglich in Vorrat zu haben, denn wir fürchteten, wieder eingeschlossen zu werden. Und da in der Frontseite (Portael) [unseres Hauses] drei Ausgänge oder Türen waren und das Haus unter Schnee begraben lag, nahmen wir die mittlere Tür heraus und gruben ein großes Loch oder eine Höhle in den Schnee außerhalb des Hauses, wie ein Gewölbe oder einen Keller, in den wir gehen konnten, um unsere Notdurft zu verrichten, und um den anderen Abfall hineinzuwerfen.
Nachdem wir uns nun den ganzen Tag abgerackert hatten, fiel uns ein, daß es der Abend vor Dreikönigen war. Wir begehrten vom Schipper, daß er uns in all unserem Verdruß auch einmal etwas Vergnügen gönnen solle. Dazu wollten wir einen Teil der Weinrationen einbringen und anlegen, deren Zuteilung uns alle zwei Tage zustand und von denen [wir] etwas aufgespart oder übrig hatten. Also erquickten wir uns an diesem Abend etwas und spielten „Kleiner König“, wobei uns zwei Pfund Mehl zur Verfügung standen, die wir mitgenommen hatten, um die Kardusen zu kleben. Daraus buken wir Pfannkuchen in Öl und legten in jeden einen Weißbrot-Zwieback, den wir in Wein tunkten, und ließen uns träumen, wir waren in unserem Vaterland bei unseren Freunden. Wir wurden davon so vergnügt, als ob wir zu Hause eine herrliche Mahlzeit gehabt hätten, so gut schmeckte es uns. Wir hatten auch Lose ausgeteilt und unser Konstabler wurde König von Nowaja Semlja, das zweihundert Meilen lang war und zwischen zwei Meeren eingeschlossen lag.
[...]
Am 24. Januar war schönes, klares Wetter mit einem westlichen Wind. Ich ging mit Jacob Heemskerck und noch einem dritten aus unserer Hütte zum Strand, wo ich, für uns alle völlig unerwartet, zum allerersten Mal die Kimme der Sonne sah. Deshalb eilten wir schnell zu unserem Haus oder unserer Hütte zurück, um es Willem Barents und den anderen Gefährten als eine erfreuliche Nachricht zu verkünden. Willem Barents als kluger und erfahrener Steuermann wollte dies unter keinen Umständen glauben, da es noch ungefähr 14 Tage vor der Zeit sei, zu der sich die Sonne auf unserer Breite zeigen sollte. Wir dagegen behaupteten hartnäckig, daß wir die Sonne gesehen hatten, worüber verschiedene Wetten abgeschlossen wurden.
Am 25. und 26. herrschte nebliges und diesiges Wetter, so daß man keine Aussicht hatte. Die, die dagegen gewettet hatten, glaubten schon, gewonnen zu haben, aber am 27. war das Wetter klar und hell und wir sahen allesamt die Sonne mit ihrer vollen Scheibe über dem Horizont [stehen], woraus genugsam zu ersehen ist, daß wir sie am 24. erblickt hatten.
[...]
[Am 22. Februar mußte ein Teil der Mannschaft, darunter de Veer, mit dem Schlitten neues Brennholz holen].
Und der Rückweg wurde uns so sauer, daß wir fast den Mut verloren. Denn wir waren durch die lange Kälte und die Beschwernisse so schwach und aufgerieben, daß wir kaum noch Kraft hatten. Wir begannen schier zu verzweifeln [und zu fürchten], daß uns die Kräfte [ganz] verlassen würden und wir nicht länger Holz holen könnten, wodurch wir hätten erfrieren müssen. Aber die augenblickliche Not und die Hoffnung auf Besserung gaben uns zusätzliche Stärke, so daß wir mehr taten, als unsere Körperkräfte [eigentlich] zuließen.
[...]
Am 4. Juni war schönes und nicht sehr kaltes Wetter mit klarem Sonnenschein. Ungefähr mit der südöstlichen Sonne gingen wir zu elft zu unserer Schute an den Graben (cingel), in dem sie lag, und schleppten sie zum Schiff. Die Arbeit fiel uns leichter als zuvor, als wir es versucht hatten und aufgeben mußten. Die Ursache, daß wir nun besser vorankamen, lag unseres Erachtens darin, daß der Schnee nun zusammengesackt, härter und dadurch fester geworden war, auch war unser Mut nun vielleicht größer, da wir sahen, daß die [Jahres-] Zeit uns offenes Wasser bescherte, so daß wir darauf vertrauten, daß wir von dort wegkommen würden. Also blieben drei [von uns] bei der Schute, um sie aufzuzimmern. Da es eine Heringsschute war, die hinten schmal zulief, sägten sie sie hinten etwas auf und versahen sie mit einem Spiegel, damit sie In See besser zu gebrauchen war. Auch erhöhten sie die Bordseiten etwas (boyden se op) und machten sie so auf die bestmögliche Weise zurecht. Die anderen Kameraden arbeiteten fleißig im Haus, um alle Dinge, die für die Reise nötig waren, vorzubereiten. Sie schleppten an diesem Tag zwei Schlitten mit Lebensmitteln und anderen Gütern zum Schiff, das ungefähr auf halbem Weg zwischen dem Haus und dem offenen Wasser lag, damit man später einen viel kürzeren Weg hatte, um die Waren ans Wasser zu bringen, wenn wir abfahren wollten. Und alle Arbeiten, die wir verrichteten, fielen uns leicht durch die Aussicht, von diesem wüsten, wilden, strengen, Verdruß bringenden, kalten Land fort zu kommen.
[...]
Am 13. Juni war gutes, schönes Wetter und der Schipper ging mit den Zimmerleuten zum Schiff. Sie machten die Schute und das Beiboot so weit fertig und rüsteten sie so weit aus, daß nun nichts anderes mehr zu tun blieb, als sie zu Wasser zu bringen. Und da der Schipper ebenso wie die anderen, die bei ihm standen, sah, daß das Wasser offen war und eine gute Kühlte aus dem Westen wehte, ging er wieder ins Haus und gab Willem Barents (der seit langem krank war) zu verstehen, daß er es für ratsam halte und der geeignete Zeitpunkt [gekommen] sei, von dort abzufahren. Und sie beschlossen zusammen mit den einfachen Gefährten, die Schute und das Beiboot zu Wasser zu lassen und im Namen Gottes unsere Reise anzutreten, um von Nowaja Semlja zu scheiden.
[Zuvor schrieb Barents auf einem Zettelchen kurz ihre Geschichte auf. Es wurde in einem Musketenmaß verschlossen im Schornstein aufgehängt.]
Nachdem wir nun hierin alle übereingekommen waren, brachten wir das Beiboot zu Wasser und ließen einen Mann in ihm. Darauf [folgte] die Schute, und dann schleppten wir gut elf Schlitten mit Waren, sowohl Lebensmittel und Wein, den wir noch hatten, als auch Handelsgüter [zu den Booten], was wir mit aller Emsigkeit taten, um so viel wie möglich zu bergen. [.. .] Schließlich stiegen wir in die Schuten, auf die wir aufgeteilt waren und in denen je ein Kranker saß. Der Schipper ließ beide Boote sich Bord an Bord nebeneinander legen und uns das Schreiben unterzeichnen, [...] das im Wortlaut folgt. Danach empfahlen wir uns der Gnade Gottes und gingen bei einem WNW-Wind und angesichts einer ziemlichen Strecke offenen Wassers unter Segel.
[Die Heimreise in zwei offenen Booten, dem Wetter ausgesetzt, unzureichend verpflegt und ohne nautische Hilfsmittel, war entbehrungsreich und gefährlich. Sie führte um die Nordspitze Nowaja Semljas herum und dann die Westküste der Insel entlang. Am 20.Juni starben sowohl Willem Barents als auch Claes Andriesz im Abstand einer halben Stunde. Die restlichen zwölf Überlebenden trafen am 30.August bei Kola auf ihren alten Reisegefährten Jan Cornelisz Rijp, der sie mit Nahrung versorgte und auf seinem Schiff mit nach Hause nahm. Am 1.November 1597 erreichten sie Amsterdam.]
Kurzbeschreibung der Reisen:[2]
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Bilder aus den Schilderungen Gerrit de Veers
Verfilmungen
Literatur
- Herbert Friedrich: Die Eissee. Die letzte Reise des Willem Barent, Verlag Neues Leben, Berlin 1990, ISBN 3-355-00429-4
- Das Tagebuch Gerrit de Veers:
- Original im niederdeutschen Dialekt:
- Übertragung ins Hochdeutsche:
- Beschreibung der drei neuen Schifffahrten, um nach Cathay und China zu kommen: Die Reisen des Willem Barents über das Nordmeer in den Jahren 1594, 1595 und 1596. Notiert und erlebt von Gerrit de Veer
(deutsche Übersetzung von Levinus Hulsius, Nürnberg 1598) (Bestellmöglichkeit des Faksimile-Nachdrucks, Bestellmöglichkeit des preiswertesten Nachdrucks) - Ausgabe 1598: Warhafftige Relation. Der dreyen newen vnerhörten, seltzamen Schiffart, so die holländischen vnd seeländischen Schiff gegen Mitternacht, drey Jar nach einander, als Anno 1594. 1595. vnd 1596. verricht.: Wie sie Nottvvegen, Lappiam, Biarmiam, vnd Russiam, oder Moscoviam (vorhabens ins Königreich Cathay vnd China zukommen) vmbsegelt haben. Als auch wie sie das Fretum Nassoviae, VVaygats, Novam Semblam, vnd das Land vnter dem 8o. Gradu Latitud. so man vermeint das Groenland sey, gefunden: vnd was für gefahr, wegen der erschröcklichen Bern, Meerwunder, vnd dem Eyss, sie aussgestanden (PDF-Datei, Netzbuch)
- Beschreibung der drei neuen Schifffahrten, um nach Cathay und China zu kommen: Die Reisen des Willem Barents über das Nordmeer in den Jahren 1594, 1595 und 1596. Notiert und erlebt von Gerrit de Veer
- Englische Übersetzung: