Müller, Herta
Herta Müller ( 17. August 1953 in Nitzkydorf, Rumänien) ist eine deutsche Schriftstellerin. Sie gilt als Chronistin des Alltagslebens in der Diktatur.[1] Am 10. Dezember 2009 wurde sie mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Herta Müller wurde als Banater Schwäbin, einem Teil der deutschen Minderheit in Rumänien, im Banat geboren. Ihr Großvater war ein wohlhabender Bauer und Kaufmann. Er wurde unter dem kommunistischen Regime enteignet. Ihre Mutter war zu jahrelanger Zwangsarbeit in die UdSSR deportiert worden. Ihr Vater, ein ehemaliger SS-Soldat, verdiente seinen Lebensunterhalt als Lkw-Fahrer. Nach dem Abitur studierte sie an der Universität des Westens Temeschburg Germanistik und rumänische Literatur. Ab 1976 arbeitete sie als Übersetzerin in einer Maschinenfabrik, wurde allerdings 1979 nach ihrer Weigerung, mit der rumänischen Securitate zusammenzuarbeiten, entlassen. Aufgrund dessen, wurde sie arbeitslos und erhielt später ein Publikationsverbot.[2] Herta Müller verdiente ihren Lebensunterhalt mit zeitweiliger Lehrtätigkeit in Schulen und Kindergärten sowie mit privatem Deutschunterricht. Ihr erstes Buch Niederungen konnte 1982 in Rumänien, wie alle Publikationen, nur in zensierter Fassung erscheinen.
In den 1980er Jahren beantragte sie aus politischen Gründen die Ausreise in die Bundesrepublik, wohin sie 1987 mit ihrem damaligen Ehemann, dem Schriftsteller Richard Wagner, übersiedelte. In den folgenden Jahren erhielt sie eine Reihe von Lehraufträgen als „Writer in residence“ an Universitäten im In- und Ausland. 2005 war sie „Heiner-Müller-Gastprofessorin“ an der Freien Universität in Berlin.
Herta Müller gehörte bis zu ihrem Austritt 1997 dem P.E.N.-Zentrum Deutschland an; seit 1995 ist sie Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
2008 entbrannte eine innenpolitische Diskussion um die Teilnahme des Historikers Sorin Antohi und des Germanisten Andrei Corbea-Hoişie an einer Tagung des „Berliner Rumänischen Kulturinstituts“ am 25. Juli 2008, obwohl beide Informanten der Securitate im kommunistischen Rumänien waren. Herta Müller kritisierte deren Einladung in einem offenen Brief. Im Rahmen dieser Auseinandersetzung griff der aus dem Banat stammende Historiker, Philosoph und Literat Carl Gibson Herta Müller an und warf ihr in seinem Buch „Symphonie der Freiheit“ Systemloyalität unter dem Ceauşescu-Regime vor.
In einem Artikel in der Wochenzeitung Die Zeit vom 23. Juli 2009 mit dem Titel „Die Securitate ist noch im Dienst“ beschreibt Herta Müller allerdings, welchen Machenschaften des rumänischen Geheimdienstes sie ausgesetzt war und noch heute ist. Die Akten der Securitate offenbaren, daß sie und damit ihre unermüdliche Kritik an der Diktatur Ceauşescus durch Diskreditierungsmaßnahmen unglaubwürdig gemacht werden sollte. So wurden etwa von der Securitate entworfene Briefe an deutsche Rundfunkanstalten geschickt, in denen sie als Agentin beschuldigt wurde. Weiterhin beschuldigten sie führende Personen der Landsmannschaft der Banater Schwaben, die informelle Mitarbeiter der Securitate waren, im Auftrag der Kommunistischen Partei Rumäniens zu schreiben.
2009 wurde ihr Roman Atemschaukel, der durch ein Grenzgänger-Stipendium der Robert Bosch Stiftung ermöglicht wurde, für den Deutschen Buchpreis nominiert und gelangte ins Finale der besten sechs Romane. In diesem Buch zeichnet die Autorin den Weg eines jungen Mannes in ein Deportationslager nach Rußland nach, das exemplarisch für das Schicksal der deutschen Bevölkerung in Siebenbürgen nach dem Zweiten Weltkrieg steht. Als Modell diente ihr dabei das Erleben des 2006 verstorbenen Lyrikers und Büchnerpreisträgers Oskar Pastior, dessen mündliche Erinnerungen Herta Müller in mehreren Heften notiert hat.
2009 erhielt Herta Müller den Nobelpreis für Literatur für 2009. Sie habe „mittels Verdichtung der Poesie und Sachlichkeit der Prosa Landschaften der Heimatlosigkeit“ gezeichnet, hieß es in der Würdigung. Begründet wurde die Vergabe des Nobelpreises mit der Intensität der von ihr verfaßten Literatur. Die Ehrung ist mit zehn Millionen Kronen (1,09 Millionen Euro) dotiert.
Auszeichnungen
Herta Müller erhielt unter anderem folgende Auszeichnungen:
- 1981: Adam-Müller-Guttenbrunn-Förderpreis des Temeswarer Literaturkreises
- 1982: Literaturpreis des VKJ und Debütpreis des rumänischen Schriftstellerverbandes für Niederungen
- 1984: Aspekte-Literaturpreis
- 1985: Rauriser Literaturpreis
- 1985: Förderpreis zum Literaturpreis der Stadt Bremen
- 1987: Ricarda-Huch-Preis
- 1989: Marieluise-Fleißer-Preis
- 1989: Deutscher Sprachpreis, gemeinsam mit Gerhardt Csejka, Helmuth Frauendorfer, Klaus Hensel, Johann Lippet, Werner Söllner, William Totok, Richard Wagner
- 1990: Roswitha-Preis
- 1991: Kranichsteiner Literaturpreis
- 1992: Deutscher Kritikerpreis
- 1994: Kleist-Preis
- 1995: Europäischen Literaturpreis Prix Aristeion
- 1995/96: Stadtschreiberin von Bergen
- 1997: Literaturpreis der Stadt Graz
- 1998: Ida-Dehmel-Literaturpreis und den International IMPAC Dublin Literary Award (für den Roman Herztier)
- 1999: Franz-Kafka-Preis der Stadt Klosterneuburg
- 2001: Cicero-Rednerpreis
- 2002: Carl-Zuckmayer-Medaille
- 2003: Joseph-Breitbach-Preis (zusammen mit Christoph Meckel und Harald Weinrich)
- 2004: Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung
- 2005: Berliner Literaturpreis
- 2006: Würth-Preis für Europäische Literatur
- 2006: Walter-Hasenclever-Literaturpreis
- 2007/08: Stipendium Internationales Künstlerhaus Villa Concordia
- 2009: Heine-Ehrengabe der Heinrich-Heine-Gesellschaft Düsseldorf
- 2009: Nobelpreis für Literatur
- 2009: Franz-Werfel-Menschenrechtspreis (Der mit 10.000 Euro dotierte Preis ist nach dem jüdischen Schriftsteller Franz Werfel (1890-1945) benannt und wird alle zwei Jahre vergeben.)
- 2010: Hoffmann-von-Fallersleben-Preis für zeitkritische Literatur
Siehe auch
Verweise
- Herta Müller erhält Literaturnobelpreis, JF, 8. Oktober 2009
Fußnoten
- Deutscher Nobelpreisträger
- Träger des Nobelpreises für Literatur
- Deutscher Autor
- Literatur
- Deutsche in Rumänien
- Ehrendoktor der Universität Paderborn
- Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern
- Träger des Bayerischen Maximiliansordens für Wissenschaft und Kunst
- Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung
- Ehrendoktor der Friedrich-Schiller-Universität Jena
- Geboren 1953