Quelle / Hat Deutschland Rechte?

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Hat Deutschland Rechte? ist ein Text des Staatsrechtlers Rudolf Laun über die Frage der deutschen Souveränität nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 und der völkerrechtswidrigen Handlungsunfähigmachung der bislang letzten deutschen Regierung am 23. Mai 1945, der in der Zeitung „Die Zeit“ im Jahre 1947 erschien.


Quelle
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Es gibt Millionen von Menschen innerhalb und außerhalb Deutschlands, die der Meinung sind, es bestehe kein Deutsches Reich mehr. Man macht hierfür vielfach geltend, es gäbe keinen Reichsgesetzgeber, keine Reichsregierung, keinen zentralen Machtapparat, kein aktives und passives Gesandtschaftsrecht Deutschlands usw., kurz, es seien wesentliche Merkmale des Staates nicht mehr vorhanden. Da nach geltendem Völkerrecht im allgemeinen nur Staaten völkerrechtliche Rechte haben können, schließt man häufig, daß wir völkerrechtlich, also gegenüber dem Ausland, völlig rechtlos seien.

Derartigen Behauptungen muß aufs schärfste widersprochen werden.

Die Mächte haben die Wahl gehabt, die vier Teile, in die sie Deutschland zerlegt haben, zu annektieren. Dann wäre kein Rechtssubjekt Deutsches Reich mehr vorhanden. Wir hätten dann völkerrechtlich die Rechtsstellung der Untertanen der britischen, amerikanischen, französischen oder russischen Gebietshoheit. Aber die Annexion haben die Mächte ausdrücklich abgelehnt. Das heißt, sie haben die Übernahme des Gebiets in ihren eigenen Länderbestand abgelehnt und uns weder die Rechte ihrer Staatsbürger noch der sonstigen Bewohner ihrer Territorien zuerkannt. Folglich ist Deutschland nicht ihr Gebiet, sondern unser Gebiet und daher für sie besetztes feindliches Ausland. Für dieses Gebiet haben sie zwar, wie ich in meiner Einführung zur Haager Landkriegsordnung, Hamburg 1946, darzutun versucht habe, die Geltung der Haager Landkriegsordnung oder des ihr entsprechenden allgemeinen Gewohnheitsrechtes durch ein Sonderrecht ersetzt, das sich ausschließlich auf das Recht des Siegers stützt. Aber damit ist noch nicht zum Ausdruck gebracht, daß sie das Rechtssubjekt Deutsches Reich vernichten wollten. Damit hätten sie für Deutschland den allerletzten Rest von Völkerrecht ausgelöscht. Dies kann man im Zweifel unmöglich als ihren Willen hinstellen, denn damit würde an die elementarsten Grundsätze der Menschlichkeit gerührt, zu der sie sich doch bekennen.

Ich habe die Ansicht, daß das Reich ein Rechtssubjekt sei, mehrfach vertreten, zuletzt in der "Zeit" vom 19. Dezember 1946. Hiergegen wendet sich ein Artikel "Kein Staat aus eigenem Recht" in "Der Tagesspiegel". Berlin, vom 13. Februar. Er bestreitet, daß das Deutsche Reich weiterbestehe, und beruft sich hierfür hauptsächlich auf die Theorie des Staatsrechtslehrers Professor Hans Kelsen, Deutschland bilde keinen Staat, sondern stünde im "Kondominium" der vier Besatzungsmächte, etwa wie Schleswig-Holstein 1864 bis 1866 im Kondominium Preußens und Österreichs stand.

Kelsen, der zuerst in Wien und dann in Köln öffentliches Recht vertrat und jetzt in Kalifornien lehrt, ist einer der konsequentesten und bekanntesten Vertreter des juristischen Positivismus, nach dem die physische Macht des Staates die Grundlage des Rechts ist. Kelsen sucht diesen Positivismus mit der von Kant übernommenen Unterscheidung des Sollens vom Sein und mit der von Stammler übernommenen sogenannten "reinen Rechtslehre" zu stützen. In einem seiner Hauptwerke, 1911, verkündet er, alles Recht sei Staatsrecht. Es ist eine Theorie der absoluten Staatsallmacht, und sie hat ihn später dazu geführt, die Staatsidee mit der Gottesidee zu vergleichen. Auch das Völkerrecht erscheint ihm hier, 1911, als etwas nur aus dem Staatsrecht Abgeleitetes. Es stammt also ausschließlich aus der physischen Macht der souveränen Staaten. Folgerichtiger juristischer Positivismus bringt im allgemeinen der physischen Macht des Staates darum besonderes Interesse entgegen, weil sie nach seiner Anschauung die ausschließlich letzte Quelle alles Rechts ist. Kelsen bewährte seine Auffassung, indem er gegen Ende des ersten Weltkrieges in der von ihm redigierten "Österreichischen Zeitschrift für öffentliches Recht" die juristischen Grundlagen für den damaligen Wunsch des österreichischen Generalstabes zu legen suchte, demzufolge nach beendetem siegreichem Krieg drei Generalstäbe bestehen sollten, ein österreichisch-ungarischer, ein österreichischer und ein ungarischer.

In einem zweiten größeren Werk von 1920 hält Kelsen es für juristisch unentscheidbar, ob der "Primat". das heißt die Überordnung, dem Völkerrecht oder dem Staatsrecht zukomme[...] Jetzt scheint er, wenn er dies auch schwerlich ausdrücklich so formulieren würde, dem Willen der vier Siegermächte, so wie er ihn auslegt, den "Primat" über das allgemeine Völkerrecht zuzugestehen.

Die Originalaufsätze Kelsens über die jetzige Rechtslage Deutschlands, auf die sich der "Tagesspiegel" stützt, sind mir bisher in Hamburg nicht zugänglich. Kelsens Theorie ist aber bekannt aus einem Aufsatz des Justizministers-Georg A. Zinn im Januarheft der "Süddeutschen Juristenzeitung". Hier muß ich mich auf einige kurze Bemerkungen über das Kondominium beschränken. Kondominium heißt wörtlich Mitherrschaft oder gemeinsame Herrschaft. Ja, der Ausdruck ist aus dem Privatrecht ins Völkerrecht übernommen worden und hieß im Privatrecht Miteigentum oder gemeinsames Eigentum. "Herrschaft" aber ist doppeldeutig; es kann bedeuten: erstens Herrschaft über eigenes Gebiet oder "Eigentum", oder aber zweitens - Herrschaft über fremdes Gebiet oder "Eigentum". Wenn Kelsen die Rechtsstellung Deutschlands jener von Schleswig-Holstein 1864 bis 1866 und einigen ähnlichen Bildungen in der Geschichte des Völkerrechts gleichstellt, so verwechselt er offensichtlich diese beiden ganz verschiedenen Falle von "Mitherrschaft". Schleswig-Holstein war von Dänemark an Preußen und Österreich abgetreten worden. Wäre es nur an Preußen oder nur an Österreich übertragen worden, so hätte man dies Annexion genannt. Kondominium hieß also nichts anderes als gewissermaßen gemeinsame Annexion. Gerade die Annexion haben aber die alliierten Mächte abgelehnt, also auch die gemeinsame Annexion. Diese Analogie paßt daher hier gar nicht, ebensowenig wie jene des privatrechtlichen Miteigentums, sondern etwa jene mit Belgien und Serbien 1914 bis 1918. Deutschland hatte Belgien: Osterreich-Ungarn Serbien besetzt, aber nicht annektiert. Geradesogut hätten beide Großmächte jedes der beiden Länder in zwei Zonen teilen und dort eine Mitherrschaft begründen können, wie sie jetzt in Deutschland besteht. Dann hätte es in Belgien und in Serbien je eine deutsche und eine österreichisch-ungarische Zone gegeben, aber es hätte kein Gebietsübergang stattgefunden, sondern alle vier Zonen wären besetztes feindliches Gebiet gewesen. Kein Jurist von Namen aber hat meines Wissens je bezweifelt, daß Belgien und Serbien während der Besetzung die völkerrechtlichen Rechtssubjekte geblieben sind, die sie vorher waren. Was würde nun aus uns, wenn wir weder die Rechte der Bewohner des Gebieter der siegreichen Mächte noch die Rechte des besetzten Feindeslandes hätten? Wir wären vollständig rechtlos gegenüber dem Ausland, nur Rechtsobjekte und gar nicht Rechtssubjekte. Wir wären Staatssklaven gegenüber den Besatzungsmächten. Ohne Zweifel betrachtet jedoch die ungeheure Mehrheit der zivilisierten Menschen aller Völker und Staaten jede Art von Sklaverei als unmoralisch und schließt die Sklaverei aus der Völkerrechtsgemeinschaft aus. Es ist daher nicht erlaubt, den juristischen Willen der siegreichen Mächte in solchem Sinne auszulegen, zumal sie sich stets auf die Prinzipien der Demokratie berufen haben. Auch die UNO oder jede allgemeine Völkerrechtskonferenz würde ganz gewiß die Argumentation zurückweisen, daß eine Völkerrechtsgemeinschaft, die aus 50 oder 60 Demokratien und einem vollständig rechtlosen Volk bestünde, nicht eine Gemeinschaft von Demokratien, sondern eine Gemeinschaft von Sklavenhaltern wäre. Es muß daher der Wille der alliierten Mächte so ausgelegt werden, daß sie dem deutschen Volk die Rechtssubjektivität und die Menschenrechte nicht grundsätzlich abgesprochen haben. Falls auf der Moskauer Konferenz oder bei künftigen Friedensverhandlungen oder sonst in der Öffentlichkeit die Frage diskutiert werden sollte, ob Deutschland seit der Besetzung noch ein Rechtssubjekt und daher fähig sei, Rechte geltend zu machen, kann ich - abgesehen von mehreren deutschen Stimmen, darunter einem Rechtsgutachten des Finanzgerichtshofs in München vom 27. Februar 1946 - auf drei ausländische Zeugnisse von hervorragendem Gewicht für meine und gegen Kelsens Auffassung hinweisen: erstens das Seiner Majestät des Königs von England und seines Ersten Sekretärs für auswärtige Angelegenheiten; zweitens das des Herrn Zivilgouverneurs von Hamburg; drittens ein Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich. Am 2. April 1946 hat Seiner Majestät Erster Sekretär für auswärtige Angelegenheiten einen Erlaß herausgegeben, wonach sich Seine Majestät mit Deutschland noch im Kriegszustand befindet. Wenn nun in der Konsequenz der Lehre Kelsens das geographische Deutschland nicht mehr Reichsgebiet, sondern schlechthin Herrschaftsgebiet der Besatzungsmächte wäre, dann wäre der König von England im Krieg mit seinem eigenen Herrschaftsgebiet oder wäre es doch am 2. April 1946 gewesen. (...)

Quelle: „Die Zeit“, Ausgabe 11, 1947 (Netzarchiv)