Quelle / Rede vom 20. Juli 1870 (Otto von Bismarck)

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In der 2. Sitzung des Norddeutschen Reichstages hielt der Bundeskanzler Otto von Bismarck folgende Rede:

Quelle
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Meine Herren, ich bitte um Verzeihung, daß ich im Drange der Geschäfte zu spät gekommen bin. Ich hatte mir vorgenommen, dem Reichstage die Sammlung der Actenstücke heut vorzulegen, welche sich über die Entwickelung des vorliegenden Kriegsfalles in den Händen der Regierung befinden; sie sind mir noch nicht zur Hand, ich erwarte sie jedoch im Augenblick. Ich habe einstweilen nur zu erklären, daß sich wohl selten ein so wichtiges europäisches Ereignis vollzogen und zwischen den verschiedenen Höfen vorbereitet hat, wo die Zahl der Actenstücke, in denen der Geschichtsforscher dereinst die Ursache desselben suchen wird, so karg bemessen wäre, wie hier.

(Hört! Hört!)

Wir haben nämlich von der Kaiserlich französischen Regierung in der ganzen Angelegenheit nur eine einzige amtliche Mittheilung erhalten: es ist dies die gestrige Kriegserklärung!

(Hört! Hört!)

Es ist dies die erste und einzige amtliche Eröffnung, welche seit der Anfrage des französischen Geschäftsträgers - ich glaube am 5. oder 4. -, was wir von der Sache wüßten, und unserer Antwort, daß wir Nichts davon wüßten, überhaupt unseres Wissens von Seiten der französischen Regierung ausgegangen, jedenfalls an uns mitgetheilt ist. Alle Besprechungen, die der Graf Benedetti, mag er seine Eigenschaft als französischer Botschafter dabei geltend gemacht haben oder nicht, die er an einem Badeorte unter vier Augen mit Sr. Majestät, meinem Allergnädigsten Herrn, gehabt hat, sind, wie jedem Kenner internationaler Verhandlungen ohne Versicherung geläufig sein wird, Gespräche persönlicher und privater Natur, die für internationale Verhältnisse keine amtliche Bedeutung haben.

(Sehr richtig!)

Auch alle persönlichen Erklärungen, die man von Sr. Majestät dem Könige dort im Wege anscheinend wohlwollender Privatconversationen zu erlangen versucht hat und die vielleicht, wenn Se. Majestät nicht die eigene Festigkeit des Charakters auch auf die Haltung im Privatleben übertrügen, hätten erreicht werden können, würden doch niemals staatliche Acte gewesen sein, sondern persönliche Aeußerungen, so lange sie der Monarch nicht in dieser seiner staatsrechtlichen Eigenschaft anderweitig bekräftigt und dadurch seinen Willen bekundet hätte, sie zu Staatsacten zu machen. Nachdem ich dies über die französische Kriegserklärung vorausgeschickt habe, erlaube ich mir einen kleinen Blick auf die anderen Actenstücke zu werfen, die hauptsächlich in Mittheilungen des Auswärtigen Amtes des Bundes bestehen, die ergangen sind, nachdem die Sache schon nicht mehr gut zu machen war, um den anderen Regierungen darzulegen, wie die Dinge sich entwickelt hatten. In der Ordnung, wie sie hier aufgeführt sind, werden sie nicht ganz bleiben können, und ich bitte den Herrn Präsidenten, zu gestatten, daß ich wegen der Redaction der Drucksachen mich nachher mit den Herren vom Bureau benehmen darf. Es enthalten diese Mittheilungen das bekannte Zeitungstelegramm, welches dem französischen Ministerium als schließlich einzige Ursache des Krieges übrig geblieben ist und auch nur dadurch zu dem Zwecke benutzt werden konnte, daß man es als eine Note bezeichnet hat,

(Hört! Hört!)

die von Seiten der Königlichen Regierung an andere Regierungen erlassen ist. Ich will mich auf die Definition von Noten nicht einlassen, aber die Mittheilung eines Zeitungstelegramms, die dazu bestimmt war, unsere Vertreter bei den deutschen und den anderen Regierungen, die wir uns befreundet hielten, darüber zu orientiren, wie die Entwickelung der Sache augenblicklich liegt und wie unsere Stimmung eine festere sei, als auf anderer Seite vielleicht geglaubt wurde, nachdem wir an den Grenzen, die uns die nationale Ehre zieht, angekommen zu sein glaubten - eine solche Zeitungsmittheilung hat das französische Ministerium öffentlich als Note qualifiziert. Die Herren haben sich wohl gehütet, dem Drängen der wenigen besonnenen Oppositionsmitglieder in Paris nachzugeben und dieses Actenstück vorzulegen;

(Hört! Hört!)

denn das ganze Gebäude, die ganze Unterlage der Kriegserklärung wäre in Nichts verflogen, sobald die Volksvertretung dieses angebliche Actenstück gekannt hätte und namentlich seine Form - es war kein Actenstück, es war ein benachrichtigendes Telegramm! In Nr. II. und III sind zwei bereits durch die Zeitungen bekannte authentische Darstellungen der im Grunde nicht staatlichen, aber doch für die Genesis der Situation im hohen Grade wichtigen Vorgänge in Ems, die den Herren bereits aus den Zeitungen bekannt sind, denen aber doch ein größeres Ansehen dadurch verliehen wird, daß sie, wie sie es ihrem Ursprunge nach verdienen, unter die amtlichen Actenstücke aufgenommen werden. Dann viertens ein Bericht des Frhrn. von Werther aus Paris vom 12. Juli. Dies ist ein Actenstück, welches zwischen preußischen Behörden, aber immer noch kein solches, das zwischen Frankreich und Preußen gewechselt ist. Dieser Bericht des Norddeutschen Botschafters erzählte und theilte mit den Inhalt der Unterredung, welche er mit dem französischen Minister der Auswärtigen Angelegenheiten und gleichzeitig mit dem Justizminister Herrn Ollivier gehabt hatte. Der Bericht gab uns Nachricht von den bekannten unannehmbaren Forderungen eines Entschuldigungsbriefes, den Se. Majestät zu schreiben habe, und gab dessen Inhalt an.

(Hört! Hört! Heiterkeit!)

Ich habe dem Botschafter darüber keine weitere amtliche Antwort ertheilt als diejenige: ich wäre überzeugt, daß er die mündlichen Eröffnungen des französischen Ministers mißverstanden hätte; Eröffnungen dieser Art schienen mir absolut unmöglich,

(Sehr gut!)

und jedenfalls weigerte ich mich, in meiner Eigenschaft als verantwortlicher Minister diesen Bericht Sr. Majestät zur amtlichen Verhandlung vorzulegen.

(Bravo! Sehr gut!)

[...]

Dann kommt der französische Text der Kriegserklärung, die ja im Druck schon bekannt ist, in deutscher Uebersetzung, aber hier im französischen Original in den Acten des Reichtags abgedruckt werden wird, und das Circular an die Gesandten des Norddeutschen Bundes zur Mittheilung an die Gesandten über die Ursachen, wie der Krieg entstanden sei, und über unser Verhalten dazu. Es besteht dieses Circular aus einem neueren, in der That das Hauptstück jetzt bildenden, und einem etwa zwei Tage älteren, was bei der schnellen Entwickelung aber bereits veraltet war und nur noch nachträglich und historisch mitgetheilt wurde, weil es auf der Grundlage beruhte, daß die Kriegserklärung noch nicht uns behändigt worden war. Der Herr Präsident wird mir vielleicht gestatten, gleich nach der Sitzung die nöthigen Besprechungen über diese Redaction und Sonderung der, wie ich mich entschuldigen muß, noch etwas ungeordneten Sachen zu halten. Die Herren werden es natürlich finden, daß in diesen Zeiten die Arbeiten Tag und Nacht so gehen, daß die Beamten kaum im Stande sind, denselben ohne Erschöpfung zu folgen.

(Lebhaftes Bravo!)

Quelle: Ausgewählte Reden des Fürsten von Bismarck, 1903, S. 104ff. (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!