Schwanensee (Ballett)

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Szene aus dem Akt II
(Theater Tiflis, 2006)

Schwanensee (russ. Лебединое озеро, Lebedinoye ozero) ist der Titel einer von Peter Tschaikowski komponierten Ballett-Suite. Das in den Jahren von 1875–1876 komponierte Werk (op. 20) wurde am 20. Hornung 1877 am Moskauer Bolschoi-Theater uraufgeführt[1], ist heutzutage das wohl populärste Ballett überhaupt[2] und für viele zu einem Synonym für Ballett geworden.[3]

Entstehungsgeschichte

Tschaikowski trug sich bereits lange mit dem Gedanken, eine Ballettmusik zu komponieren, als ihm im Jahr 1875 der Chefdramaturg des Bolschoi-Theaters, Wladimir Begitschew, den Auftrag für eine Ballettmusik erteilte. Tschaikowski nahm den Auftrag an und sprach sich für einen fantastischen Stoff aus der Ritterzeit aus. Das Libretto, das Begitschew dann in Zusammenarbeit mit Wassilij Gelzer verfasste, basiert auf dem deutschen Märchen Der geraubte Schleier, das Johann Carl August Musäus zwischen 1782 und 1786 veröffentlichte. [4]

Personen

Die Personen der Handlung sind:

  • Die gute Fee Odetta, frz. Odette
  • Die Prinzessin-Mutter als regierende Fürstin,
  • Ihr Sohn Prinz Siegfried
  • Dessen Erzieher Wolfgang
  • Der Freund des Prinzen, Benno von Sommerstern
  • Der böse Zauberer von Rotbart
  • Seine Tocher Odilija, frz. Odile
  • Der Zeremonienmeister Baron von Stein und seine Frau Baronessa
  • Freiherr von Schwarzenfeld und seine Frau
  • Drei Höflinge, Freunde des Prinzen, ein Herold und ein Bote, Dorfbewohner, Höflinge, Pagen, Diener und Gäste, sowie etliche Schwäne [5]

Aufbau

Darstellung von F. Gaanen für das Bühnenbild des 2. Aktes (Moskau, 1877).

Das Stück ist in ein vorangehende Einleitung und vier Akte unterteilt. Die ersten beiden Akte sind in fünf, und die letzten beiden Akte in vier Szenen untergliedert. Mit Einzelnummern ergibt sich folgende Gestaltung:

  • Akt I mit den neun Teilen Scène, Valse, Scène, Pas de trois, Pas de Deux, Pas d` action, Sujet, Danse des coupes, Finale [6]
  • Akt II mit den fünf Teilen Scène, Scène, Scène, Danses des cygnes, Finale [7]
  • Akt III mit den zehn Teilen (Scène), Danses du corps de balett et des nains, Scène, Pas de six, Danse hongroise / Czardas, Danse espagnole, Danse napolitaine, Mazurka, Scène [8]
  • Akt IV mit den fünf Teilen Ent`r acte, Scène, Danses des petits cygnes, Scène, Scène finale und dem optional einschiebbarem Danse russe

Handlung

Der Stoff von Schwanensee wirkt märchenhaft. Der junge Prinz Siegfried hat das problem, nach seiner Volljährigkeit bis zum nächsten Tag eine Braut finden zu müssen.

Akt I

Prinz Siegfried feiert seinen 21. Geburtstag. Die Königsmutter kommt dazu, wirft ihm seine Unbeschwertheit vor und erinnert ihn, dass am nächsten Tag ein Hofball stattfinden wird und er unter den Gästen eine Braut wählen solle. Die Tänze werden fortgesetzt, bis der Prinz sich absondert und von einer vagen Melancholie erfasst wird. Am Himmel sieht er weiße Schwäne vorüberziehen und beschließt, mit seinen Freunden auf die Jagd zu gehen.

Akt II

Als ein Schwarm wilder Schwäne über seinen Garten fliegt, legt der jagdlustige Prinz mit der Armbrust auf den führenden Vogel an. Daraufhin verwandeln sich die Schwäne in junge Mädchen. Die Schwanenkönigin Odette erklärt dem Prinzen, daß sie alle vom Zauberer Rotbart und ihrer bösen Stiefmutter in Schwäne verwandelt wurden, die ihre menschliche Gestalt nur des Nachts zurückerhielten. Der Zauber könne nur durch die Liebe und Treue eines Mannes gebrochen werden. Allerdings müsse Odette sterben, falls der Geliebte sie betrügt. Siegfried findet Gefallen an der attraktiven Odette und schwört ihr ewige Treue.

Akt III

Auf einem großen Ball am nächsten Tag hat Siegfried dann die Qual der Wahl und muss sich aus dem Angebot von sechs Prinzessinnen eine zukünftige Braut erwählen. Der böse Zauberer Rotbart erscheint mit seiner Tochter Odile, einer in schwarz gekleideten Doppelgängerin von Odette. Prinz Siegfried fällt dummerweise auf den gemeinen Trick herein und stellt Odile seiner Mutter als zukünftige Braut vor. Dies hat zwangsläufig zur Folge, dass Odette sterben muss, weil Prinz Siegfried sie ja betrogen hat.

Akt IV

Daß Siegfried seinen Irrtum noch erkennt und sich Odette um Vergebung bittend zu Füßen wirft, nützt nun auch nichts mehr. Der böse Zauber nimmt seinen Lauf und Odette stirbt in den Armen von Prinz Siegfried. Es gibt aber auch Inszenierungen mit anderem Ausgang. Manchmal stirbt Siegfried und Odette überlebt, und es gibt auch Versionen mit einem glücklicheren Ausgang, in denen beide überleben. [9]

Formale Gestaltung und Musik

Schwanensee-Thema (2. Akt, Nr. 2, Szene) in den Oboen[10]

Schwanensee ist äußerlich noch ein herkömmliches Nummernballett, welches durch die Handlung verdeutlichende rezitativische Szenen und Tänze, welche die dramatische Situation in verdichteter Form resümieren oder aber als Gesellschaftstänze und großangelegte Divertissements einen mehr schmückenden Charakter haben, unterteilt ist. Der Versuch einer stärkeren Aneinanderbindung der einzelnen Teile ist aber nicht zu überhören.[11] Man kann Schwanensee somit als Mischform aus Divertissement und Balett d`action sehen. In der Partitur wird auch konsequent zwischen Tänzen und Szenen unterschieden. Während die Tänze ohne allzu große enge Beziehung zur Handlung für sich stehen, wird diese in den Szenen illustriert und vorangetrieben.[12] Tschaikowski bedient sich zur dramaturgischen Integration der Nummern und Akte verschiedener, teilweise auch für die damalige Zeit, neuartiger Mittel. Erstens konzentriert er sich auf gewisse melodische Grundmuster, wie z.B. dem eröffnenden Oboenthema als erstem Schwanenthema, oder dem sich schon ab Takt 13 in den Bässen ankündigenden Schicksalsmotiv. Ein weiteres Mittel ist die klare Organisation des Stückes über tonal verwandte Tonarten. Die Musik zu Schwanensee verfügt über eine Überfülle an lyrischen und einprägsamen Melodien, vitale Rhythmen, eine differenzierte Harmonik und brillante Instrumentation. Diese werden mittels variierender Begleitung in einer Tiefe und Breite verarbeitet, wie sie es in der Balettmusik vorher nicht gab. Die Musik mancher Szenen ist fast symphonisch zu nennen, da sie nach allen Regeln der Kunst durchgeführt wird. [13] [14] Die Melodie des Schwanensee-Themas aus dem zweiten Abschnitt des zweiten Aktes ist zum populärsten Stück des Werkes geworden, und ist auch häufig in Klavier-Heften für Anfänger in vereinfachten Bearbeitungen zu finden.

Orchestrale Besetzung

Das Orchester ist besetzt mit Piccoloflöte, jeweils zwei Flöten, Oboen, Klarinetten in A, Fagotten, Trompeten und Kornetten in A, drei Posaunen, vier Hörnern in F, Bassposaune oder wahlweise Tuba, Pauken in G, D und A, Triangel, Tamburin, Kastagnetten, Kleiner und Großer Trommel, Becken, Tamtam, Glockenspiel, Harfe und einem aus ersten und zweiten Violinen, Violen, Celli und Kontrabässen bestehenden Streichorchester. [15] [16]

Detaillierte Darstellung der Akte und Szenen

Die Einleitung ist in vier Abschnitte gegliedert. Der 20-taktige Abschnitt A symbolisiert mit einem von der Oboe, danach den Klarinetten im pianissimo vorgestelltem und später von den Streichern gesteigertem Thema die verzauberten Schwäne. Die Abschnitte B und C symbolisieren dann die Welt des bösen Zauberers von Rotbart. Der 15-taktige Abschnitt B bringt ein schon leicht bedrohlich wirkendes, sequenziertes viertöniges Motiv in tieferen Instrumenten wie Fagott, Cello und Kontrabass. Abschnitt C setzt in 15 Takten ein synkopiertes Motiv der gesamten Bläsergruppe zu erregten Rhythmen der Streicher- und Schlagzeuggruppe im fortissimo ein. Im Abschnitt D wird dann wieder das Motiv der Schwäne aus Abschnitt A verwendet. [17]

  • Akt I:
    • Scène: Die dreiteilige Scène der Form A-B-A beginnt mit einem festlichen und marschartigen Teil in D-Dur. Prinz Siegfried feiert im Park des Schlosses mit Freunden seinen Geburtstag. Die Gäste sitzen an Tischen und trinken Wein. Der erste Teil wird von fanfarenartigen Motiven der Blechbläser und rasanten 16-tel-Figuren der Streicher bestimmt. Der kurze zweite Abschnitt B hat eher sanften, pastoralen Charakter. Eine Gruppe von Bauern kommt um dem Prinzen zu gratulieren. Die Musik beginnt mit einer Melodie der Oboen über offenen Quinten der Fagotte. Nach wenigen Takten treten dann die Flöten und Streicher hinzu. Danach bittet der Hofmeister des Prinzen, Wolfgang, die Bauern, diesen mit Tänzen zu erfreuen, und es erklingt wieder der A-Teil.
    • Valse:
    • Scène:
    • Pas de trois:
    • Pas de Deux:
    • Pas d` action:
    • Sujet:
    • Danse des coupes:
    • Finale:

Musik zu: Schwanensee (Finale, Akt I)

  • Akt II:[18]
    • Scène:
    • Scène:
    • Scène:
    • Danses des cygnes:
    • Finale:
Bolero-Rhythmus und Melodie der Klarinetten im Danse Espagnole (3. Akt, Nr. 6) [19]
  • Akt III:
    • (Scène):
    • Danses du corps de balett et des nains:
    • Scène:
    • Pas de six:
    • Danse hongroise / Czardas:
    • Danse espagnole:
    • Danse napolitaine:
    • Mazurka:
    • Scène:
    • Danse Russe: Diesen optional verwendbaren Tanz komponierte Tschaikowski auf Wunsch der Primaballerina Paulina Karpakowa für die Premiere. Diese führte ihn als Solo zwischen dem neapolitanischen und spanischen Tanz auf. Er ist der Partitur als Zusatznummer beigegeben. [20]
  • Akt IV:
    • Ent`r acte::
    • Scène:
    • Danses des petits cygnes:
    • Scène:
    • Scène:
    • Finale:

Rezeption

Die Uraufführung von Schwanensee in einer Inszenierung von Wenzel Julius Reisinger mit der Primaballerina Pelagaja Karpakowa und eine Aufführung im Jahr 1880 waren nicht sehr erfolgreich. Die Musik wurde als zu symphonisch und zu „wagnerisch“ empfunden und auch als untänzerisch bzw. untanzbar bezeichnet. Die Inszenierung wie auch die Choreographie wurden als schwach bewertet. Dennoch blieb es etwa sechs Jahre auf dem Spielplan.[21][22] Der Wert der Uraufführung wurde durch ungenügende Vorbereitung und teilweise technisch unprofessionelle Darsteller sowie eine ungeschickte Ausstattung gemindert. Außerdem wurden schwierige musikalische Stellen einfach weggelassen und durch einfacherere Auschnitte aus Werken anderer Komponisten ersetzt. Der Choreograf John Cranko schrieb dazu:

... geschichtliche Ereignisse wurden völlig geändert, Nationaltänze wurden in ganz falschen Ländern und total unpassenden Kostümen getanzt (...) Danach wurde vom Komponisten verlangt, eine Anzahl allgemein beliebter Rhythmen wie Polka, Galopp, Walzer oder Mazurka zu liefern. ... das Ganze wurde von einem Ballettmeister auf einer Diskant-Violine geprobt, so daß der Tanz mit dem Orchester zusammengebracht manchmal einen sonderbaren Gegensatz zur Musik darstellte. Auch mußte die Primaballerina von den 'Nummern' befriedigt sein, und war sie es nicht, war es leicht, die Stücke zu streichen, unbekümmert darum, ob die musikalische Sequenz unterbrochen wurde oder nicht.[23]

Im Jahr 1878 lobte dagegen Hermann Laroche Schwanensee als das beste Balett das er jemals erlebt habe. Besonders rühmte er die „melodische Erfindungsgabe“, kritisierte allerdings Tschaikowskis „übertriebene Liebe zu den Blechbläsern und dem Schlagzeug“. Der Siegeszug von Schwanensee durch alle großen Opernhäuser der Welt begann erst zwei Jahre nach Tschaikowskys Tod nach der epochemachenden Neueinstudierung durch Marius Pepita und Lew Iwanow, die am 27. Hartung 1895 im St. Petersburger Mariinski-Theater Premiere hatte.[24]

Weitere Inszenierungen und Neuinterpretationen

  • George Balanchine, New York
  • Bourmeister, Moskau
  • John Cranko, Stuttgart
  • John Neumeier, „Illusionen - wie Schwanensee“, in Hamburg 1976 uraufgeführt
  • Orlikowski, Basel
  • Matthew Bourne's Schwanensee-Comedy mit Ballett-Tänzern

2011 wurde Natalie Portmann, jüngstes Jury-Mitglied des "61. Festival de Cannes", Direktorin des "65. Festival Internacional de Venecia", geboren am 9. Juni 1981 in Jerusalem als Natalie Hershlag mit dem Oscar der besten Tänzerin für ihre Darstellung als "Schwarzer Schwan" ausgezeichnet.

Quelle

Teile dieses Artikels (Text / Noten) stammen als gemeinfreies Werk ursprünglich vom Benutzer Pfitzners Hansi (hier bei Metapedia angemeldet als Benutzer Schwanendreher) aus der Pluspedia.

Video

Galakonzert des Russischen Staatsballetts zur Wiedereröffnung des Bolschoi-Theaters, Moskau im Oktober 2011:

Fußnoten

  1. Schwanensee auf www.homepages.thm.de
  2. Schwanensee auf www.festspielhausbregenz.at
  3. Aus dem Programmheft der Schwanensee-Aufführungen durch das Ballet Classique de Paris und das Symphonie-Orchester Breslau im Festspielhaus Baden-Baden vom 7. Dezember 1994 bis 24. Januar 1995, pierrette-Verlag GmbH, S.3
  4. Constantin Floros: Peter Tschaikowsky, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2006, S. 99
  5. Thomas Kohlhase: P.I. Cajkovskij / Die Balette, S. 20; auf www.tschaikowsky-gesellschaft.de
  6. Anm.: frz. Valse heißt Walzer und Danses des coupes bedeutet Becher-Tanz.
  7. Anm.: Danses des cygnes heißt Tänze der Schwäne.
  8. Anm.: Danse hongroise / Czardas, Danse espagnole und Danse napolitaine meinen Ungarischer, Spanischer und Neapolitanischer Tanz.
  9. Constantin Floros: Peter Tschaikowsky, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2006, S. 99 und 100
  10. Das Schwanensee-Thema auf Youtube
  11. Carl Dahlhaus (Hrsg.) und Sieghart Döhring (Leitung): Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters, Piper, München, 1994, Band V (Werke: Piccinni - Spontini), der Artikel zu Wenzel Reisinger, S. 213
  12. Constantin Floros: Peter Tschaikowsky, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2006, S. 100
  13. Carl Dahlhaus (Hrsg.) und Sieghart Döhring (Leitung): Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters, Piper, München, 1994, Band V (Werke: Piccinni - Spontini), der Artikel zu Wenzel Reisinger, S. 213 und 214
  14. Constantin Floros: Peter Tschaikowsky, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2006, S. 100 und 101
  15. Partitur auf IMSLP Petrucci Music Library
  16. Thomas Kohlhase: P.I. Cajkovskij / Die Balette, S. 20; auf www.tschaikowsky-gesellschaft.de
  17. Die Einleitung auf YouTube
  18. Akt II mit Rudolf Nureyev und Margot Fonteyn auf YouTube
  19. Anm.: In der Partitur doppeln die Flöten die Melodie eine Oktave höher und die Streicher führen zusätzlich den im Notenbeispiel zu sehenden Rhythmus der Kastagnetten aus.
  20. Carl Dahlhaus (Hrsg.) und Sieghart Döhring (Leitung): Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters, Piper, München, 1994, Band V (Werke: Piccinni - Spontini), der Artikel zu Wenzel Reisinger, S. 215
  21. Lincoln Kirstein: Four centuries of balett - Fifty Masterworks, Praeger Publisher Inc., New York, 1970, S. 178; Online hier nachzulesen
  22. Constantin Floros: Peter Tschaikowsky, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2006, S. 101
  23. Zitiert nach Thomas Kohlhase: Einführungen in ausgewählte Werke Petr Ilʹič Čajkovskijs, Verlag Schott, 1996, S. 13
  24. Carl Dahlhaus (Hrsg.) und Sieghart Döhring (Leitung): Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters, Piper, München, 1994, Band V (Werke: Piccinni - Spontini), der Artikel zu Wenzel Reisinger, S. 216