Das Grab der Wahrheit
Das Grab der Wahrheit ist ein Gedicht von Gerd Honsik.
Text
- Von einem weiß ich, den einst anzuklagen
- die Pharisäer baten zu der Zeit,
- da seine Worte voll Gefährlichkeit
- und seine Meinung kaum noch zu ertragen.
- So wie die Dinge damals lagen,
- hat es sich oftmals seither zugetragen:
- Ein falsches Zeugnis vorgebracht,
- Gesetz von der Besatzungsmacht,
- und wenn auch keine Dornenkron’,
- so doch ein wenig Spott und Hohn.
- Und wenn auch nicht für Judaslohn:
- der Karriere dient es schon.
- Und wenn auch nicht aufs Kreuz gespießt,
- so freie Meinung doch gebüßt.
- Verfolgung. Manchmal lebenslang.
- Durch Kerker. Oft auch Tod durch Strang.
- Und immer irdisches Gericht.
- Stets eilt Gehorsam vor der Pflicht.
- Wer will dafür Richter sein?
- Wer bückt sich nach dem ersten Stein?
- Die Lüge braucht kein Tribunal,
- jedoch die Wahrheit, vorbestraft
- mit Rechtskraft, hunderttausend Mal,
- zu Scheiterhaufen und oder Haft
- verdammt, gilt’s zu enthaupten,
- weil viele sie sonst glaubten.
- Ins Grab aus Fels gelegt hinein,
- darauf gewälzt ein Riesenstein!
- Die sie so sehr gefürchtet haben,
- gekreuzigt schnell. Und schnell begraben.
- Doch wenn auch Wächter Wache standen
- vor solchen Steinen, tonnenschwer,
- stets kam die Stunde, da sie fanden
- das Grab der Wahrheit gähnend leer.
- Die Wachen fort. Der Stein abhanden
- und Menschen raunend ringsumher
- „Seht, sie ist auferstanden!“