Das Indizierungslied
Das Indizierungslied ist ein Lied des deutschen Liedermachers Frank Rennicke nach einem Text von „Eulenspiegel“, das 1996 auf dem Album „Trotz alledem“ erschien.
Text
- Im „Freiesten Rechtsstaat“, der uns je beschert,
- ist alles erlaubt, fast nichts wird verwehrt.
- Und sind die Programme in all den Fernsehglotzen,
- der Stumpfsinn der Presse rundrum auch zum Kotzen!
- Hier kann jeder seinen Unsinn verbreiten –
- niemand ist da, wird dagegen einschreiten.
- Ob nackte Busen, ob Knacke-, Schwabbelpo –
- gewiß denken Minister, das macht die Jugend froh!.. .
- Kehrreim:
- Wir leben nun mal in der wunderbaren BRD –
- hier ist alles frei, doch längst nicht mehr o. k.!
- Da gibt es zum Schutz der Jugend eine Bundesprüfstell’
- die mauschelt vor sich hin und fühlt sich ziemlich hell!
- Das Gewerbe, meint der Gesetzgeber, ist frei,
- darum sind die vom ältesten auch sehr schnell dabei.
- Ob Horror, ob Porno, das ist doch einerlei –
- der Mensch, der ist mündig – drum zeigt man alles frei !
- Zensur, sagt das Gesetz, sie wird nicht geübt –
- bei uns kann jeder, vom Staate ungetrübt,
- frei seine Meinung bilden aus allen Sachen –
- damit ganz Bestimmte wieder richtig Kasse machen!
- Kehrreim
- Den Staat stört es nicht, daß vielerlei Mist
- sowie Schund und Unrat darunter wohl ist.
- Es stört ihn auch wenig, wenn linke Banausen
- des deutschen Volkes Würde schamlos zerzausen.
- Wen kümmert’s schon, wenn in allen Zeitungsläden,
- auf allen TVs Sex und Crime sind zugegen?!
- Der Schutz der Jugend, der ist dann einerlei –
- man sagt, daß dies der Preis der Freiheit sei!
- Kehrreim
- Nur etliche Bücher sind ganz ungeniert,
- dem Leser entzogen, man sagt hier „indiziert“.
- Das heißt nicht „verboten“ und ist doch ziemlich gleich,
- von Flensburg bis Passau im ach so freien „Reich“.
- Erscheint mal irgendwo ein aufrechtes Buch,
- dann trifft es sehr schnell des Zensors Fluch.
- 'Ne Behörde stellt ’nen Antrag – einfach geht das hier
- dann tagt das Gremium – alles and’re ist Papier!
- Kehrreim
- Autor und Verlag können’s drehen, wie sie wollen,
- ihr Buch ist ganz einfach im Handel „verschollen“.
- Ab 18 noch käuflich, doch nur unterm Ladentisch –
- ein Hinweis ist verboten – alles and’re findet sich.
- Und weist mal ein Buchhändler – noch nicht ganz „in“,
- in seinem Prospekt auf ein solches Buch hin,
- dann packt ihn der Staatsanwalt ruck-zuck am Kragen –
- denn was hier indiziert ist, darf der Händler nicht sagen!
- Kehrreim
- Und wenn hier ein Sänger aus voller Brust singt,
- was ihm hierzuland – und auch anderen stinkt,
- bekommt er knallhart ein Auftrittsverbot –
- und lebt er vom Singen – gerät er halt in Not!
- CDs und Kassetten, die Arbeit von Jahren,
- sind Müll durch das Bonner Indizierungsverfahren.
- Rechtsstaat, Rechtsstaat, wie bist du wundervoll –
- keiner kann hier hören, was er nicht hören soll!
- Kehrreim
- Zum „Freiesten Rechtsstaat“ hat man dies’ erklärt,
- doch der hat’s nicht gerne, wenn der Bürger erfährt,
- daß das Gebilde vom Parteienstaat –
- die Demokratie kaum zur Grundlage hat!
- Sie schimpfen auf die Nazis und was die wohl mal taten,
- und wollen den Rechtsstaat lange schon verraten.
- Sie klagen an den einen Bücherbrand –
- heute indiziert man halt im bundesdeutschen Land!
- Kehrreim
- Und doch bricht die Wahrheit überall ihre Bahn –
- aufrechte Menschen klagen diese Heuchler an.
- Trotz Indizierung wird Freiheit wieder sein –
- in Deutschland freies Wort – Inquisation über Bord!
- Wir lieben nun mal dieses wunderschöne deutsche Land
- und räumen es bald auf, mit Herz und mit Verstand!
- Bald dient die Bundesprüfstelle wieder gutem Zweck –
- denn dann bin ich dort Chef – und der Schreck ist dann weg!
- (gesprochen:)
- Darauf könnt ihr euch verlassen,
- denn dann kommen vernünftige Anträge,
- und die bearbeite ich dann,
- und die jetzigen Bosse schicken wir in die Rente,
- ach was, in die Rente, die schicken wir in die Wüste
- mit ’nem Salzstreuer in der Hand, ist doch wahr ...![1]
Literatur
- Frank Rennicke: Liederbuch: alle meine Lieder von Anfang an. Texte mit Gitarrengriffen, Selbstverlag 1995