Dies irae

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Dies irae (lat. | dt. „Tag des Zorns“) ist ein nach den Anfangsworten benannter lateinischer Hymnus auf das Weltgericht, dem die prophetische Stelle im Buch Zephania 1, 14-18 nach der lateinischen Übersetzung der Vulgata zu Grunde liegt. Er stammt aus dem 13. Jahrhundert und hat, nach ziemlich sicherer Annahme, den Franziskaner Thomas von Celano zum Verfasser. Im 14. Jahrhundert (vor 1385) wurde der Hymnus zuerst von der Kirche aufgenommen; seine Stelle als zweite Nummer der Totenmesse (Requiem) erhielt er erst später, endgültig und in der bis heute gebräuchlichen Form erst im Laufe des 17. Jahrhunderts. Bereits früh und sehr häufig wurde er ins Deutsche übersetzt.

Lateinischer Originaltext und deutsche Übertragungen

Die erste inhaltlich freie Übertragung erhält Versmaß und Reim des lateinischen Originaltextes aufrecht. Daneben steht die Version des deutschen Dichters Andreas Gryphius.

Lateinischer Originaltext
Dies irae dies illa,[1]
Solvet saeclum in favilla:
Teste David cum Sibylla.
Quantus tremor est futurus,
Quando iudex est venturus,
Cuncta stricte discussurus!
Tuba mirum spargens sonum
Per sepulcra regionum
Coget omnes ante thronum.
Mors stupebit et natura,
Cum resurget creatura,
Iudicanti responsura.
Liber scriptus proferetur,
In quo totum continetur,
Unde mundus iudicetur.
Iudex ergo cum sedebit,
Quidquid latet apparebit:
Nil inultum remanebit.
Quid sum miser tunc dicturus?
Quem patronum rogaturus,
Cum vix iustus sit securus?
Rex tremendae maiestatis,
Qui salvandos salvas gratis:
Salva me, fons pietatis.
Recordare Iesu pie,
Quod sum causa tuae viae:
Ne me perdas illa die.
Quaerens me, sedisti lassus:
Redemisti crucem passus:
Tantus labor non sit cassus.
Iuste iudex ultionis,
Donum fac remissionis,
Ante diem rationis.
Ingemisco, tamquam reus:
Culpa rubet vultus meus:
Supplicanti parce Deus.
Qui Mariam absolvisti,
Et latronem exaudisti,
Mihi quoque spem dedisti.
Preces meae non sunt dignae:
Sed tu bonus fac benigne,
Ne perenni cremer igne.
Inter oves locum praesta,
Et ab haedis me sequestra,
Statuens in parte dextra.
Confutatis maledictis,
Flammis acribus addictis,
Voca me cum benedictis.
Oro supplex et acclinis,
Cor contritum quasi cinis:
Gere curam mei finis.
Lacrimosa dies illa,
Qua resurget ex favilla
Iudicandus homo reus:
Huic ergo parce Deus.
Pie Iesu Domine,
dona eis requiem. Amen.
Deutsche Übertragung (unbekannter Übersetzer)
Tag der Rache, Tag der Sünden,
Wird das Weltall sich entzünden,
wie Sibyll und David künden.
Welch ein Graus wird sein und Zagen,
Wenn der Richter kommt, mit Fragen
Streng zu prüfen alle Klagen!
Laut wird die Posaune klingen,
Durch der Erde Gräber dringen,
Alle hin zum Throne zwingen.
Schaudernd sehen Tod und Leben
Sich die Kreatur erheben,
Rechenschaft dem Herrn zu geben.
Und ein Buch wird aufgeschlagen,
Treu darin ist eingetragen
Jede Schuld aus Erdentagen.
Sitzt der Richter dann zu richten,
Wird sich das Verborgne lichten;
Nichts kann vor der Strafe flüchten.
Weh! Was werd ich Armer sagen?
Welchen Anwalt mir erfragen,
Wenn Gerechte selbst verzagen?
König schrecklicher Gewalten,
Frei ist Deiner Gnade Schalten:
Gnadenquell, lass Gnade walten!
Milder Jesus, wollst erwägen,
Dass Du kamest meinetwegen,
Schleudre mir nicht Fluch entgegen.
Bist mich suchend müd gegangen,
Mir zum Heil am Kreuz gehangen,
Mög dies Mühn zum Ziel gelangen.
Richter Du gerechter Rache,
Nachsicht üb in meiner Sache
Eh ich zum Gericht erwache.
Seufzend steh ich schuldbefangen,
Schamrot glühen meine Wangen,
Lass mein Bitten Gnad erlangen.
Hast vergeben einst Marien,
Hast dem Schächer dann verziehen,
Hast auch Hoffnung mir verliehen.
Wenig gilt vor Dir mein Flehen;
Doch aus Gnade lass geschehen,
Dass ich mög der Höll entgehen.
Bei den Schafen gib mir Weide,
Von der Böcke Schar mich scheide,
Stell mich auf die rechte Seite.
Wird die Hölle ohne Schonung
Den Verdammten zur Belohnung,
Ruf mich zu der Sel'gen Wohnung.
Schuldgebeugt zu Dir ich schreie,
Tief zerknirscht in Herzensreue,
Sel’ges Ende mir verleihe.
Tag der Tränen, Tag der Wehen,
Da vom Grabe wird erstehen
Zum Gericht der Mensch voll Sünden;
Lass ihn, Gott, Erbarmen finden.
Milder Jesus, Herrscher Du,
Schenk den Toten ew’ge Ruh. Amen.


Version von Andreas Gryphius
Zorntag! Tag, der, was wir ehren,
Wird durch schnelle Glut zerstören,
Wie Sybill und Petrus lehren.
Ach, welch Schrecken, welch Bewegen!
Wenn Gott selbst wird Richtbank hegen,
Und scharf alles überlegen.
Die Posaun' wird Wunder klingen,
Durch Gruft, Grab und Marmel dringen,
Alle vor den Höchsten zwingen.
Die Vernunft, der Tod erschüttert,
Indem das Geschöpf sich wittert,
Und vor Christi Richtstuhl zittert.
Schau! das Buch wird aufgeschlagen,
In das Alles eingetragen,
Warum Welt und Fleisch zu fragen!
Wenn das Urteil nun entdecket,
Wird man seh'n, was jetzt verstecket,
Hier verliert, was je beflecket.
Armer! ach, was werd ich sagen?
Wen um Schutz und Beistand fragen?
Wenn Gerecht' auch selber zagen?
Fürst, um den viel tausend wachen,
Der umsonst will selig machen
Reiss mich aus der Höllen Rachen!
Süsser Jesu, nimm zu Herzen,
Dass du vor mich gingst in Schmerzen,
Lass mich nicht mein Heil verscherzen.
Du hast mich durch Kreuz und Wunden,
Müd' und seufzend, kaum gefunden;
Ist die Müh' in Nichts verschwunden?
Ernster Gott! ach Herr, entschlage
Mich der Bürden, die ich trage,
Ehe mich dein Grimm betage!
Ich erseufz', ich bin verklaget!
Ich erröth', ich steh' verzaget!
Herr, um den du dich gewaget.
Der Marien Gnad' ankündet,
Der des Schächers Band entbindet,
Hat mein Hoffen auch entzündet.
Viel zu schlecht ist meine Bitte,
Gütigster, hilf mir aus Güte!
Vor der Höllen Glut behüte!
Mit den Schafen mich erhöhe,
Dass ich von den Böcken gehe,
Und an deiner Rechten stehe!
Rufe, wenn von dir vertrieben,
Die der Höllen zugeschrieben,
Mich mit denen, die dich lieben!
Dass ich mich zu dir erhebe!
Bei den Auserwählten schwebe,
Und in Ewigkeit dir lebe!
Knieend heb' ich auf die Hände!
Mein Herz ist wie Asch' und Brände,
Jesu, sorge vor mein Ende!
Tränentag, voll Angst und Krachen!
In dem aus dem Staub erwachen
Soll ein Mensch, den Gott wird richten,
Jesu, hilf das Urteil schlichten!

Literatur

  • F.G. Lisco: DIES IRAE, Hymnus auf das Weltgericht. Als Beitrag zur Hymnologie. Berlin 1840 (PDF-Datei)

Fußnoten