Diskussion:Heß, Rudolf/Archiv/2014
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Obduktions-Beriche u.a.
Derzeit noch abrufbar bei: http://web.archive.org/web/20001204210100/http://www.meinungsfreiheit.de/download.php3?fs=8 --Ariovist 00:37, 6. Brachet (Juni) 2014 (CEST)
Abschrift der Eidesstattliche Erklärung von Prof. Dr. med. Dr. med. h.c. Wolfgang Spann, Professor emeritus des Instituts für Rechtsmedizin in München. Auch als Download im HTML-Format erhältlich: eidspann.zip (378 KB).
An den 'Service Registering Officer' für Nordwesteuropa
in Sachen des Gesetzes von 1957 über Geburten, Todesfälle und Eheschließungen (Sonderbestimmungen) UND in Sachen der Eintragung von RUDOLPH WALTHER RICHARD HESS im Sterberegister
Ich, Professor Dr. med., Dr. med. h.c. Wolfgang SPANN, Professor emeritus des Instituts für Rechtsmedizin der Universität München, Frauenlobstraße 7a, 80337 München, gebe folgende feierliche und aufrichtige Erklärung ab:
1.Ich bin Professor emeritus am Institut für Rechtsmedizin in 80337 München, Frauenlobstr. 7a. Eine Kopie meines Lebenslaufs wird vorgelegt und mir mit der Kennzeichnung "WS1" gezeigt [gesperrt wegen Datenschutz].
2.Ich gebe diese eidesstattliche Erklärung im Zusammenhang mit dem Tod des ehemaligen Reichsministers Rudolf Hess am 17. August 1987 ab.
3.Ich habe vor mir folgende Dokumente, die jetzt vorgelegt und mir mit der Kennzeichnung "WS2" gezeigt werden:
3. 1. Eine Kopie der Sterbeurkunde von Rudolf Heß. Darin steht unter "Todesursache": "Erstickung durch Zusammendrücken des Halses durch Aufhängen. Bestätigt von Professor Dr. med. J.M. Cameron, Phd FRCS FRCPath, Professor für Forensische Pathologie an der Universität London."
3. 2. Den Bericht über die von Dr. J. Malcolm Cameron am 19. August im Britischen Militärhospital am Leichnam von Heß durchgeführte Autopsie. Die Autopsie fand in Anwesenheit medizinischer Vertreter der vier Alliierten statt. Der Bericht sprach von einer mit einem Strangwerkzeug übereinstimmenden linearen Spur an der linken Seite des Halses. Dr. Cameron erklärte, daß der Tod seines Erachtens auf Erstickung, bedingt durch Zusammendrücken ("Kompression") des Halses durch Aufhängen, zurückzuführen sei.
4.Zusammen mit meinem Kollegen, Professor Dr. Eisenmenger, führte ich am 21. August 1987 um 9.00 Uhr die Obduktion der Leiche von Rudolf Hess (nachstehend "der Verstorbene" genannt) durch, bei der Dr. Seidl und mit seiner Einwilligung Polizeibeamter Nefzger mit Beamten der Münchner Kriminalpolizei zugegen waren. Letztere waren nur als Beobachter anwesend. Der Untersuchungsbericht wird jetzt vorgelegt und mir mit der Kennzeichnung "WS3" gezeigt. Es wird mir auch eine Auswahl von fünf Photos mit der Kennzeichnung "WS4" vorgelegt, die während der Obduktion angefertigt wurden.
5.Unsere Feststellungen sind in dem Bericht vollständig enthalten, und ich stütze meine hier ausgedrückte Meinung auf diese Feststellungen.
6.Nach unseren Feststellungen im Schädel- und Halsbereich war die Todesursache eine zentrale Lähmung, verursacht durch Gewalteinwirkung gegen den Hals, einhergehend mit Unterbrechung der Sauerstoffzufuhr zum Gehirn. Unsere Feststellungen stimmen also insofern mit den Befunden von Professor Dr. Cameron überein, als die Todesursache auch seiner Meinung nach Erstickung durch Zusammendrücken des Halses war. Dies setzt voraus, daß der entscheidende Vorgang, der den Tod herbeiführte, eine Kompression der Halsarterien mit Unterbrechung der Sauerstoffzufuhr zum Gehirn und nicht eine Kompression der Atemwege war.
7.Die weitere Schlußfolgerung von Dr. Cameron, wonach diese Kompression durch Aufhängung verursacht wurde, läßt sich nicht zwanglos mit unseren Feststellungen vereinbaren. Der mit Aufnahmen dokumentierte Befund im Bereich des Halses zeigt sowohl im Nacken als auch auf der Halsvorderseite eine in etwa waagrecht verlaufende Spur eines Abdruckes, wie sie in der Regel in Fällen von Gewaltausübung gegen den Hals mittels eines Strangwerkzeuges festzustellen ist. Unter Punkt 9 des Berichtes wiesen wir auf eine deutlich abgrenzbare Verfärbung hin, die vom hinteren Rand des großen Kopfnickermuskels "schräg nach unten zur Mitte und zur rechten Seite" verlief. Unter Punkt 10 beschrieben wir außerdem eine doppelläufige Verfärbung, die auf der Rückseite des Halses "fast horizontal" verlief. Diese bezog sich jedoch auf den Zustand der Leiche nach einer zuvor bereits erfolgten Autopsie, bei der die Beschaffenheit des vorderen Halsbereiches durch die hier verlaufende Sektionsnaht verfälscht wurde, so daß der schräge Verlauf der hier beschriebenen Zeichnung weniger bedeutsam ist als der fast horizontale Verlauf der Druckmarke am Nacken, da die Haut dort in ihrem ursprünglichen Zustand in Augenschein genommen wurde. Aus diesem Grund wird in der Zusammenfassung unserer Befunde in unserem Bericht ausdrücklich erwähnt, daß die rund um den Hals verlaufende Druckmarke in dem Bereich hinter dem linken Ohr ihren höchsten Punkt erreichte, "soweit nach dem Obduktionsschnitt noch erkennbar".
8.Dies ist von besonderer Bedeutung, weil die Feststellungen am Hals, verbunden mit den Blutaustritten in den Bindehäuten der Augenlider, für eine Gewalteinwirkung gegen den Hals durch ein Strangwerkzeug sprechen. In der Gerichtsmedizin wird seit langem zwischen zwei Arten der Strangulierung mit einem Strangwerkzeug unterschieden, nämlich zwischen Erhängen und Erdrosseln. Die Aufgabe des Gerichtsmediziners beginnt mit der Unterscheidung zwischen diesen beiden Möglichkeiten anhand der anatomischen Befunde, d.h. der vom Strangwerkzeug hinterlassenen Spur.
9.Die Gerichtsmedizin betrachtet den Verlauf der Strangfurche am Hals als klassischen Indikator für die Unterscheidung zwischen den Strangulierungsformen des Erhängens und Erdrosselns. Ein gerader waagrechter Verlauf der Zeichnung um den Hals gilt als charakteristisches Anzeichen von Erdrosseln. Im Falle des Erhängens dagegen verläuft die Zeichnung nach oben in Richtung des Festpunktes, an dem die Strangulierungsvorrichtung angebracht wurde, wobei die Spuren mehr oder weniger ausgeprägt zu diesem Punkt hin verlaufen können. Beim sogenannten typischen Erhängen, bei dem der Körper der Definition zufolge frei hängt, mit dem höchsten Punkt des Strangeindruckes in der Mitte der Rückseite des Halses und einer einzigen Schlinge um den Hals, verläuft die Strangfurche in der Regel steil und symmetrisch zu beiden Seiten des vorderen Halsbereiches nach oben.
Beim atypischen Erhängen dagegen verläuft die Strangzeichnung - wenn auch nur eine der drei oben erwähnten Definitionen nicht gegeben ist - möglicherweise asymmetrisch und geringfügig nach oben tendierend. Ein weiteres Beurteilungskriterium ist, daß die Strangzeichnung beim Erdrosseln häufig in Höhe oder unterhalb das Kehlkopfes verläuft, während sie beim Erhängen in der Regel oberhalb des Kehlkopfes zu beobachten ist.
10.Bei seiner Schlußfolgerung, daß der Tod durch Ersticken, bedingt durch Zusammendrücken des Halses durch Erhängen, verursacht wurde, scheint Professor Cameron versäumt zu haben, auch die andere Art der Strangulation, nämlich Erdrosseln, in Erwägung zu ziehen. Erdrosseln bedeutet definitionsgemäß Strangulation mit einer um den Hals gelegten Vorrichtung und aktives Zusammenziehen durch eine andere Person oder in sehr seltenen Fällen durch das Opfer selbst, während das durch das Strangulationswerkzeug bewirkte Zusammendrücken beim Erhängen passiv durch das eigene Körpergewicht des Opfers oder eines Teils von diesem herbeigeführt wird. Für diese Unterscheidung wäre eine Untersuchung des Verlaufs der Strangfurche notwendig gewesen. Auf den genauen Verlauf der Zeichnung wird im Bericht von Professor Cameron nicht eingegangen. Im zweiten Absatz des Teils des Autopsieberichts, der die Überschrift "Äußere Untersuchung" trägt, heißt es lediglich: "Eine feine lineare Zeichnung von ca. 3" (7,5 cm) Länge und 0,75 cm Breite wurde quer über die linke Seite des Halses verlaufend bemerkt, die mehr zu Tage trat, als die Leiche mit UV-Licht in Augenschein genommen wurde ..." Hier wird weder der Verlauf der Strangmarke am Hals, so wie wir sie beschrieben haben, noch ihr Verlauf an der Kehle oder ihre Position, in bezug auf den hervortretenden Kehlkopf beschrieben und beurteilt. Wie jeder erfahrene Gerichtsmediziner weiß, werden einige durch Gewalteinwirkung herbeigeführte Hautveränderungen deutlicher sichtbar, je mehr Zeit nach dem Tod vergangen ist, was praktisch immer eine Frage des Austrocknens nach Verletzung der obersten Hautschicht ist, während in diesem Fall die Strangzeichnung - wie unsere Fotos belegen - auf Rotfärbung, d.h. Blutverdrängung oder - anders ausgedrückt Blutung zurückzuführen ist.
Die Strangmarken am Hals von Rudolf Heß müssen deshalb bereits anläßlich der Autopsie von Prof. Cameron deutlich sichtbar gewesen sein.
11.Dies ist der Grund, warum wir zu dem Schluß kommen, daß die Schlußfolgerungen von Professor Cameron nicht mit unseren Feststellungen vereinbar sind. Da auf der unverletzten Haut des Halses, wo die Möglichkeit einer Verfälschung durch die Naht des Sektionsschnittes auszuschließen ist, ein fast horizontaler Verlauf der Strangfurche erkennbar war, deutet diese Feststellung ebenso wie die Tatsache, daß die Zeichnung am vorderen Hals offensichtlich nicht über dem Kehlkopf lag, eher auf einen Fall von Erdrosseln als auf Erhängen hin. Unter keinen Umständen sind die Feststellungen ohne weiteres mit typischem Erhängen zu erklären. Auch die von uns im Gesicht festgestellten, durch Blutstauung verursachten geplatzten Blutgefäße sind nicht mit typischem Erhängen vereinbar. Da keine genauen Einzelheiten über den Geschehnisablauf und kein Bildmaterial vom Ort der Auffindung zur Verfügung stehen, können wir besondere Formen von atypischem Erhängen nicht ausschließen.
In der deutschsprachigen Rechtsmedizin existiert eine Definition für sog. typisches Erhängen. Die entscheidenden Kriterien sind, daß: 1.der höchste Punkt des Strangwerkzeuges in der Nackenmitte liegt, 2.der Körper frei hängt, einige Autoren geben noch ein weiteres Kriterium an, nämlich 3.das Strangwerkzeug den Hals nur mit einer Windung umgreift.
Als atypisch wird das Erhängen dann bezeichnet, wenn eines er o.g. Kriterien nicht verwirklicht ist.
Ein waagerechter Verlauf der Strangfurche und damit das Strangwerkzeuges - wie im Fall von Rudolf Hess - würde in jedem Fall entweder ein Erdrosseln oder ein atypisches Erhängen voraussetzen, da kein höchster Punkt des Strangwerkzeuges in der Nackenmitte lag.
Eine atypische Erhängungsart mit waagerechtem Strangverlauf ist nur dann vorstellbar, wenn das Opfer liegt und der Fixierpunkt des Strangwerkzeuges mehr oder weniger senkrecht oberhalb der Halsregion sich befindet.
12.Zur Art der Abdruckmarke sollte festgehalten werden, daß die zumindest an der Rückseite des Halses festgestellte Doppelläufigkeit nicht voraussetzt, daß ein Strangwerkzeug als doppelte Schlinge angelegt worden sein muß. Es ist durchaus möglich, daß es sich bei dem Strangwerkzeug um eine elektrische Schnur handelte, die dort mit der Haut in Berührung kam, wo die weiße Stelle im Halsbereich besonders deutlich zu Tage tritt, während die doppelläufige Rotfärbung durch feinste Blutungen in die Haut auf beiden Seiten der Marke herbeigeführt wurde.
13.Schließlich ist noch eine kurze grundsätzliche Stellungnahme zu den Verletzungen des Halsskeletts und zu den Blutungen in den Weichteilen des vorderen Halses erforderlich. Bei Gewalteinwirkung gegen den Hals, egal in welcher Art und Weise, ist es bei gerichtsmedizinischen Untersuchungen - zumindest in den deutschsprachigen Ländern - üblich, die Sektion der Halsorgane in einem sogenannten blutlosen Feld durchzuführen und die Muskulatur schichtweise zu präparieren. Ein blutloses Feld wird in der Weise hergestellt, daß man nach Entfernen des Gehirns und Öffnen der vom Herz zum Hals und in umgekehrter Richtung verlaufenden Blutgefäße das Blut in diesen Gefäßen durch Kippbewegungen des Halses abfließen läßt. Diese Vorgehensweise wird als erforderlich erachtet, da während der Autopsie, wenn diese Maßnahmen nicht getroffen werden, Blut aus den noch gefüllten Gefäßen austreten kann, so daß die Stärke der danach festgestellten Blutungen nicht mehr hinreichend beurteilt werden kann. Die Vorgehensweise wird dann im Autopsiebericht festgehalten. Ein solcher Hinweis fehlt im Protokoll von Professor Cameron. Dann werden aber bei Professor Cameron ungewöhnlich starke Blutungen in den Weichteilen des Halses beschrieben, und zwar in den Muskelbändern auf der linken Seite des Halses und am linken Kieferrand, ferner im oberen Bereich der rechten Seite des Kehlkopf-Schildknorpels und auch hinter dem Kehlkopf, insbesondere oberhalb der rechten Seite, die genauso deutlich wie die Kontusionen der Muskelbänder auf der linken Halsseite gewesen sein sollen. Darüber hinaus sollen auch hinter beiden 'Corniculum laryngis', insbesondere am rechten großen Horn ("superior cornu"), deutlich sichtbare Kontusionen feststellbar gewesen sein. Nach unseren Obduktionserfahrungen sind derart massive Blutungen an so verschiedenen Stellen in Fällen von typischem Erhängen nicht zu erwarten und in Fällen von atypischem Erhängen sowie Erdrosseln ungewöhnlich, um nicht zu sagen selten. Doch da weder der Umfang der Blutungen noch ihre genaue Position bezogen auf die Abdruckmarke auf der Haut beschrieben wurden und wir keinen Bericht über die Situation des Auffindens haben, sehen wir uns nicht in der Lage, den Wert dieser Feststellungen schlüssig zu erörtern. Laut Autopsiebericht von Professor Cameron wurde bei der Obduktion das Leichnams offensichtlich eine Videokamera benutzt, aber es sollen keine Standfotos aufgenommen worden sein. Vielleicht gibt es aber einen Film, der das Obduktionsverfahren und die einzelnen Feststellungen in präziserer Weise als der Obduktionsbericht dokumentiert. Wenn ein solcher Film existiert und dieser in Augenschein genommen werden kann, sind wir gern bereit, uns weiter zu den Feststellungen und ihrer Beurteilung zu äußern.
14.Aus den Photos in Anlage "WS4" ist zu ersehen, daß es sich eindeutig um keinen Fall von typischem Erhängen handelte. Am Nacken verläuft eine horizontale Zeichnung ohne jede Tendenz nach oben. Vor allem aber ist die Linie überhaupt nicht unterbrochen. Dies beweist, daß eine Strangulationsvorrichtung verwendet worden sein muß, und zwar nicht nur flüchtig, sondern lange genug, um diese Zeichnung zu verursachen.
Es ist die Ausnahme, daß jemand sich selbst stranguliert, denn, wenn er bewußtlos wird, läßt seine Kraft nach und er läßt wieder los. Bei einem an der Oberfläche glatten Elektrokabel ist zu erwarten, daß dieses beim Nachlassen den Zuges auseinander gleitet.
15.Abschließend sind wir der Meinung, daß die in der Sterbeurkunde niedergelegte Todesdiagnose keinesfalls gesichert ist. Obwohl wir mit Erstickung durch Zusammendrücken des Halses als Todesursache übereinstimmen, halten wir ein Erhängen als Todesursache für nicht bewiesen. Unsere Befunde sprechen vielmehr dafür, daß der Tod infolge Erdrosselns eingetreten ist.
Erklärt vor mir in: München
am: 24. Januar 1995
Unterschrift des Erklärenden: [Unterschrift Prof. Spann]
(Bezeichnung der Person bzw. Amtsperson, die die Erklärung entgegennimmt): Notar Bernd Höfling, München