Französisch-sowjetischer Beistandsvertrag

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Der französisch-sowjetische Beistandsvertrag (auch französisch-sowjetischer Militärpakt; offiziell: Vertrag über den gegenseitigen Beistand zwischen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und der Republik Frankreich) stellte einen gegen das nationalsozialistische Deutsche Reich gerichteten Vertrag im Zuge der Einkreisungspolitik der Westmächte dar. Er wurde am 27. Februar 1936 von der französischen Nationalversammlung ratifiziert. Da dieser Pakt ein klarer Bruch des Locarnovertrages war, fühlte sich Reichskanzler Adolf Hitler auch an diesen Vertrag nicht mehr gebunden und verfügte die Verlegung von Wehrmachtverbänden in das zuvor entmilitarisierte Rheinland. Ein von Hitler angebotener deutsch-französischer Nichtangriffspakt zur Friedenssicherung in Europa wurde von Frankreich abgelehnt.


Quelle
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Vertrag über den gegenseitigen Beistand zwischen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und der Republik Frankreich, 2. Mai 1935

Das Zentrale Exekutivkomitee der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und der Präsident der Französischen Republik, beseelt vom Wunsch, den Frieden in Europa zu festigen und seine Segnungen ihren Ländern zu sichern, möglichst umfassend und präzise jene Bestimmungen des Statuts des Völkerbundes in Anwendung zu bringen, die auf die Unterstützung der nationalen Sicherheit, der territorialen Integrität und der politischen Unabhängigkeit der Staaten ausgerichtet sind, entschlossen, ihre Anstrengungen der Vorbereitung und dem Abschluß eines europaweiten Abkommens, das dieses Ziel verfolgt, zu widmen und bis dahin, soweit es von ihnen abhängt, für eine effektive Umsetzung der Bestimmungen des Statutes des Völkerbundes zu sorgen, haben beschlossen, mit diesem Ziel einen Vertrag abzuschließen.

Als ihre Bevollmächtigten haben sie ernannt:
Das Zentrale Exekutivkomitee der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken:
Herrn Vladimir Potemkin, Mitglied des Zentralen Exekutivkomitees, den Außerordentlichen und Bevollmächtigten Botschafter der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken beim Präsidenten der Französischen Republik,

Der Präsident der Französischen Republik:
Herrn Pierre Laval, Senator, Außenminister.

Diese haben sich – nachdem sie die Beglaubigungsschreiben ausgetauscht und der Form und Ordnung entsprechend anerkannt haben – auf folgende Bestimmungen verständigt:

Artikel l
Im Fall, daß die UdSSR oder Frankreich zum Objekt einer Drohung oder der Gefahr eines Angriffs von seiten irgend eines europäischen Staates werden, verpflichtet sich Frankreich bzw. die UdSSR, unverzüglich Konsultationsgespräche aufzunehmen, um Maßnahmen für die Einhaltung der Bestimmungen des Artikels 10 des Statuts des Völkerbundes zu treffen.

Artikel 2
Im Fall, daß unter den Bedingungen, wie sie im Artikel 15 § 7 des Statutes des Völkerbundes vorgesehen sind, die UdSSR und Frankreich – trotz der aufrichtig friedlichen Absichten beider Länder – zum Objekt eines nichtprovozierten Angriffs von seiten irgendeines europäischen Staates werden, werden sich Frankreich und die USSR gegenseitig unverzüglich Beistand und Unterstützung leisten.

Artikel 3
Eingedenk dessen, daß laut Artikel 16 des Statuts des Völkerbundes jedes Mitglied des Völkerbundes, das wider den Verpflichtungen, wie sie in Artikel 12, 13 oder 15 des Statuts festgelegt sind, zu kriegerischen Mitteln greift, selbst als jemand betrachtet wird, der den Anschlag des Krieges gegenüber allen anderen Mitgliedern des Völkerbundes verübt, verpflichten sich die UdSSR und Frankreich für den Fall, daß einer von ihnen unter diesen Bedingungen und ungeachtet der aufrichtig friedlichen Absichten beider Länder zum Objekt eines unprovozierten Angriffs von seiten irgend eines europäischen Staates wird, gegenseitig unverzüglich Beistand und Unterstützung zu leisten, wobei sie gemäß Artikel 16 des Statuts vorgehen werden. Die gleiche Verpflichtung wurde für den Fall eingegangen, daß die UdSSR oder Frankreich zum Objekt eines Angriffs von seiten irgend eines europäischen Staates unter den Bedingungen wird, die in den Paragraphen 1 und 3 des Artikels 17 des Völkerbundstatutes vorgesehen wurden.

Artikel 4
Da die Verpflichtungen, die oben festgelegt wurden, den Pflichten der Hohen Vertragsschließenden Parteien als Mitgliedern des Völkerbundes entsprechen, ist nichts im vorliegenden Vertrag enthalten, was als Einschränkung für die Aufgabe des Letztgenannten zu verstehen wäre, Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, den allgemeinen Frieden wirksam zu schützen, oder als eine Einschränkung der Pflichten, die sich für die Hohen Vertragsschließenden Parteien aus dem Statut des Völkerbundes ergeben.

Artikel 5
Der vorliegende Vertrag, dessen russische und französische Fassungen die gleiche Verbindlichkeit besitzen, ist zu ratifizieren, und die Ratifikationsurkunden sind, sobald es möglich sein wird, in Moskau auszutauschen. Er ist im Sekretariat des Völkerbundes zu registrieren. Der Vertrag tritt mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft und hat eine Laufzeit von fünf Jahren. Im Falle, daß er von keiner der Hohen Vertragsschließenden Parteien mit einer Frist von mindestens einem Jahr vor Ablauf gekündigt wird, bleibt er ohne zeitliche Beschränkung in Kraft, wobei jeder Hohen Vertragsschließenden Partei die Möglichkeit zusteht, durch einen entsprechenden Antrag mit einjähriger Frist seine Wirkung zu beenden. Die Bevollmächtigten beglaubigten mit ihren Unterschriften den vorliegenden Vertrag und versahen ihn mit ihren Siegeln.

Ausgefertigt in Paris, in zwei Exemplaren.
2. Mai 1935
V. Potemkiné
Pierre Laval

Unterzeichungsprotokoll

Bei der Unterzeichnung des sowjetisch-französischen Vertrages über gegenseitigen Beistand dieses Datums unterschrieben die Bevollmächtigten folgendes Protokoll, das in die auszutauschenden Ratifikationsurkunden zum Vertrag aufgenommen wird.

I.
Es gilt als verabredet, daß Artikel 3 die Verpflichtung jeder Vertragschließenden Partei zur Folge hat, der anderen unverzüglich Beistand zu gewähren, indem sie sich unverzüglich nach den Empfehlungen des Völkerbundrates richtet, sobald diese auf Grund Artikel 16 des Völkerbundsstatuts erlassen worden sind. Es gilt gleichfalls als verabredet, daß die beiden Vertragschließenden Parteien gemeinsam vorstellig werden, um zu erreichen, daß der Völkerbundsrat seine Empfehlungen mit der ganzen Schnelligkeit, wie sie die Umstände erfordern, erläßt, und daß, wenn der Völkerbundsrat ungeachtet dessen aus irgendeinem Grund keinerlei Empfehlungen erläßt oder kein einstimmiger Beschluß zustande kommt, die Beistandspflicht deshalb nichtsdestoweniger zur Anwendung kommt. Es gilt als verabredet, daß die in dem vorliegenden Vertrag vorgesehenen Beistandsverpflichtungen sich nur auf den Fall beziehen, daß ein Angriff gegen das eigene Gebiet der einen oder der anderen der Vertragschließenden Parteien erfolgt.

II.
Da es die gemeinsame Absicht beider Regierungen ist, durch den vorliegenden Vertrag keine Verpflichtungen zu verletzten, die Frankreich oder die Sowjetunion im Verhältnis zu dritten Staaten, auf Grund veröffentlichter Verträge, früher eingegangen sind, gilt als verabredet, daß die Bestimmungen des vorliegenden Vertrages keine Anwendung erfahren können, die mit den von einer der Vertragschließenden Parteien übernommenen Verpflichtungen unvereinbar wäre und die die Vertragschließende Partei Sanktionen internationalen Charakters aussetzen würde.

III.
Da die beiden Regierungen den Abschluß eines Regionalabkommens für wünschenswert erachten, dessen Ziel die Organisierung der Sicherheit der Vertragschließenden Staaten ist und das möglicherweise Verpflichtungen des gegenseitigen Beistandes einschließt oder solche nach sich zieht, räumen sich beide Regierungen die Befugnis ein, mit ihrer gegenseitigen Zustimmung gegebenenfalls an solchen Abkommen in einer unmittelbaren oder mittelbaren Form, je nach dem, wie sie geeignet erscheint, teilzunehmen, wobei die Verpflichtungen dieser verschiedenen Abkommen an die Stelle der aus dem vorliegenden Vertrag folgenden Verpflichtungen treten.

IV.
Beide Regierungen stellen fest, daß die Verhandlungen, die zur Unterzeichnung des vorliegenden Vertrages geführt haben, anfänglich aufgenommen wurden, um ein Sicherheitsabkommen zu vervollständigen, das die Staaten Nordosteuropas, nämlich die UdSSR, Deutschland, die Tschechoslowakei, Polen und die der Sowjetunion benachbarten baltischen Staaten umfaßt; neben diesem Abkommen sollte ein Beistandsvertrag zwischen der Sowjetunion, Frankreich und Deutschland abgeschlossen werden, durch den sich jeder dieser drei Staaten verpflichten sollte, demjenigen unter ihnen Beistand zu gewähren, der Gegenstand eines Angriffes von Seiten eines dieser drei Staaten wäre. Obgleich die Umstände bisher den Abschluß dieser Abkommen, die beide Seiten weiterhin als wünschenswert erachten, noch nicht gestattet haben, sind die in den französisch-sowjetrussischen Beistandsabkommen enthaltenen Verpflichtungen nichtsdestoweniger so zu verstehen, daß sie nur in den Grenzen angewandt werden sollen, die in dem früher geplanten Dreier-Abkommen vorgesehen waren. Unabhängig von den in dem vorliegenden Abkommen folgenden Verpflichtungen wird gleichzeitig daran erinnert, daß gemäß dem am 29. November 1932 unterzeichneten französisch-sowjetischen Nichtangriffspakt und ohne Beeinträchtigung der Universalität der Verpflichtungen dieses Paktes im Falle, daß eine der beiden Seiten Gegenstand eines Angriffes von seiten einer oder mehrerer dritter europäischer in dem oben erwähnten Dreier-Abkommen nichtgenannter Mächte werden würde, die andere Vertragschließende Partei sich während der Dauer des Konfliktes jeder mittelbaren oder unmittelbaren Hilfe oder Beistandsleistung an den Angreifer oder die Angreifer zu enthalten hat, wobei im übrigen beide Seiten erklären, daß sie durch keinerlei Beistandsabkommen gebunden sind, das im Gegensatz zu dieser Verpflichtung stünde.

Ausgefertigt in Paris, in zwei Exemplaren,
2. Mai 1935
V. Potemkiné
Pierre Laval


Bewertung des Vertrages

Gerd Schultze-Rhonhof kommt in seinem Buch „1939: Der Krieg, der viele Väter hatte“ zu folgender Einordnung dieses Vertrages:

„1935 ersetzen Frankreich und die Sowjetunion einen auslaufenden Nichtangriffspakt von 1932 durch einen neuen Freundschafts- und Beistandspakt. Zu diesem Pakt gehört allerdings ein Zusatzprotokoll, in dem sich die Sowjetunion und Frankreich ihre Waffenhilfe auch für den Fall zusagen, daß eines der beiden Länder von einem Drittland angegriffen wird, und – das ist das Besondere – das auch, wenn der Völkerbund eine solche Waffenhilfe nicht empfiehlt. Damit behalten sich die Sowjetunion und Frankreich vor, bei einem Streit mit dritten Staaten in eigener Machtvollkommenheit zu entscheiden, wer der Aggressor ist. Da die inzwischen wieder gut aufgerüstete Sowjetunion nicht damit rechnen kann, von den kleinen Baltenstaaten oder von den militärisch weit unterlegenen Polen oder Rumänien angegriffen zu werden, macht der Pakt nur in einem Krieg mit Deutschland einen Sinn. Frankreich hatte sich jedoch in Locarno mit Vertrag verpflichtet, keine militärischen Operationen gegen Deutschland mehr zu führen, es sei denn zur eigenen Verteidigung oder aufgrund früherer Verpflichtungen, die Frankreich gegenüber den Polen und den Tschechen eingegangen war. Ein französisches Versprechen, der Sowjetunion im Falle einer deutsch-sowjetischen Auseinandersetzung mit Waffenhilfe beizustehen, ist also ein Bruch des Paktes von Locarno. Und in Locarno – und das ist hier von Bedeutung – wird deutscherseits die schon erwähnte Entmilitarisierung des deutschen Rheinlands zugesagt, die Hitler nun im Gegenzuge kündigt. Der Unterzeichnung des Französisch-Sowjetischen Vertrags am 2. Mai 1935 geht eine Monate dauernde diplomatische Auseinandersetzung zwischen Paris und Berlin voraus, an der mittelbar auch die Garantiemächte des Locarno-Paktes ihren Anteil haben. Im April 1935 warnt der britische Außenminister Simon die französische Regierung,
‚daß England beunruhigt sein würde, wenn Frankreich einen Vertrag unterschriebe, der es eventuell in einen Krieg mit Deutschland hineinziehen könnte und das unter Bedingungen, die mit dem §2 des Locarno-Paktes unvereinbar sind.‘
Am 25. Mai 1935 übersendet die deutsche Regierung der französischen ein Memorandum, in dem sie geltend macht, daß der neue sowjetisch-französische Vertrag im Widerspruch zu Artikel 16 der Völkerbundsatzung steht, und daß er nach deutscher Auffassung den Locarno-Pakt verletzt12. Die französische Regierung erwidert, daß der neue Vertrag ja keine französisch-sowjetische Militärallianz begründe und ansonsten völlig in Übereinstimmung mit dem Völkerbundvertrag und dem Pakt von Locarno stünde. Zur eigenen Sicherheit konsultiert Frankreich auch die Garantiemächte von Locarno, England, Italien und Belgien und läßt sich bestätigen, daß diese den Locarno-Pakt auch nach Abschluß des Französisch-Sowjetischen Beistandspakts für weiter gültig halten.
Im Januar 1936 versucht die Reichsregierung noch einmal, den Französisch-Sowjetischen Vertrag auf andere Weise abzuwenden. Sie bietet Paris an, einen deutsch-französischen Nichtangriffspakt zu schließen. Frankreich lehnt den Vorschlag ab. Damit hat Berlin außenpolitisch eine Runde an Paris verloren. Am 27. Februar 1936 wird der Sowjetisch-Französische Beistandspakt von der französischen Nationalversammlung ratifiziert.“[1][2]

Reichskanzler Adolf Hitler bewertete den Pakt wie folgt:

„Frankreich hat diesen Vertrag nicht abgeschlossen mit einer x-beliebigen europäischen Macht. Frankreich hatte schon vor dem Rheinpakt Beistandsverträge sowohl mit der Tschechoslowakei als auch mit Polen. Deutschland nahm daran keinen Anstoß, nicht nur weil diese Pakte zum Unterschied des französisch-sowjetischen Paktes sich den Völkerbundsfeststellungen unterwarfen, sondern weil sowohl die damalige Tschechoslowakei wie besonders Polen primär stets eine Politik der Vertretung der nationalen eigenen Interessen dieser Staaten führen werden. Deutschland hat nicht den Wunsch, diese Staaten anzugreifen und glaubt auch nicht, daß es im Interesse dieser Staaten liegen wird, einen Angriff gegen Deutschland vorzunehmen. Vor allem aber: Polen wird Polen bleiben und Frankreich Frankreich. Sowjetrußland aber ist der staatlich organisierte Exponent einer revolutionären Weltanschauung. Seine Staatsauffassung ist das Glaubensbekenntnis zur Weltrevolution. Es ist nicht feststellbar, ob nicht morgen oder übermorgen auch in Frankreich diese Weltanschauung erfolgreich sein wird. Sollte aber dieser Fall eintreten – und als deutscher Staatsmann muß ich auch damit rechnen – dann ist es sicher, daß dieser neue bolschewistische Staat eine Sektion der bolschewistischen Internationale sein würde, d. h. die Entscheidung über Angriff oder Nichtangriff wird dann nicht von zwei verschiedenen Staaten nach deren objektivem eigenen Ermessen getroffen, sondern von einer Stelle aus direktiv erteilt. Diese Stelle aber würde im Falle dieser Entwicklung nicht mehr Paris, sondern Moskau sein.“[3]

Fußnoten

  1. Gerd Schultze-Rhonhof: 1939: Der Krieg, der viele Väter hatte. Der lange Anlauf zum Zweiten Weltkrieg, 2. Auflage, Seite 85–88
  2. Die Rheinlandbesetzung 1936, Vorkriegsgeschichte.de
  3. Rede vom 7. März 1936 (Adolf Hitler)