Grässe, Johann Georg Theodor

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Johann Georg Theodor Grässe auch Graesse, Gräße (* 31. Januar 1814 in Grimma; † 27. August 1885 in Niederlößnitz) war ein deutscher Literaturhistoriker und Sagensammler.

Er war Privatbibliothekar des sächsischen Königs Friedrich August II., und dann in der Folge Inspektor des Dresdner Münzkabinetts, Direktor der Dresdner Porzellansammlung und schließlich im Rang eines Hofrats Direktor des Grünen Gewölbes.

Der Literatur blieb er dabei immer treu. Sein bis heute bekanntestes Werk dürfte der „Sagenschatz des Königreichs Sachsen“ sein, das 1855 in der ersten und 1874 in der zweiten und erweiterten zweibändigen Auflage erschien. Diese Auflage enthielt knapp über 1.000 Sagen, die der Autor „aus Chroniken, mündlichen und schriftlichen Ueberlieferungen und anderen Quellen gesammelt und herausgegeben“ hatte.

Leben

Quelle
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Johann Georg Theodor Grässe, der einzige Sohn des Professors und Conrectors an der Landesschule zu Grimma, Johann Gottlob Grässe, ist geboren den 31. Januar 1814 und erhielt von seinem Vater den ersten Unterricht. Kurz nach seiner Aufnahme in die Tertia der erwähnten gelehrten Schule starb sein Vater (1827) und er kam als Pensionär in das Haus des Professors Witzschel. Letzterer war, ehe er an der Landesschule angestellt war, viel gereist und ein grosser Freund der fremden Sprachen, was von grossem Einfluss auf den Bildungsgang des jungen Grässer ward. Derselbe bezog im Jahr 1833 die Universität Leipzig, wo er unter G. Herrmann und G. Weiske Philosophie und Archäologie studierte. Nachdem er Doktor der Philosophie geworden war, begab er sich nach Halle, um sich dort zu habilitieren, und gehörte dort bald zu dem engeren Kreise von jungen Gelehrten, welchen der berühmte Bernhardy um sich versammelte. Hier schloss er sich auch an Ad. Stahr, Echtermeyer und Rüge an, und so kam es, dass er von ihnen als Mitarbeiter für die Fächer der Literaturgeschichte und Märchen- und Sagenkunde für die berühmten Hallischen Jahrbücher engagiert ward, jenes Journals, das bekanntlich durch die Opposition, welche es der bisherigen Geschmacksrichtung in Deutschland machte, sich einen bleibenden Namen in der Deutschen Literaturgeschichte erwarb. Mittlerweile hatte Grässe davon abgesehen, die akademische Karriere zu verfolgen, und hatte sich nach Dresden gewendet, wo er im Jahre 1838 zuerst als interimistischer Lehrer an der Kreuzschule eine Anstellung fand, die bald zu einer festen (1840) ward, und die er nun bis Ostern beibehielt. Gr. gehörte neben seinem Studiengenossen H. Köchly zu den beliebtesten Lehrern am damaligen Collegium der Kreuzschule; allein seine Neigung für neuere Sprachen und Altertumskunde machten es wünschenswert, die Gymnasialkarriere zu verlassen. Durch seine Sprachkenntnisse war er Sr. Maj. dem König Friedrich August bekannt geworden, der ihn zu seinem Privatbibliothekar (1843) ernannte. In seiner freien Zeit pflegte er noch seine früheren orientalischen Studien und gab verschiedenen jungen vornehmen Engländern, die sich in dem bekannten Kreuse'schen Institut befanden, und sich für ihre militärische Laufbahn in der Indischen Armee ausbildeten, Unterricht im Hindostanischen, welches Gr. damals geläufig sprach. In die Zeit seiner Gymnasialkarriere fällt nun aber die Entstehung seines berühmten Lehrbuchs der allgemeinen Litterärgeschichte, von welchem der erste Band im Jahre 1837, der letzte aber 23 Jahre später 1860 im Verlage der Arnoldischen Buchhandlung in Dresden erschienen. Dieses Werk, welches in 2 Bänden das Altertum, in drei das Mittelalter und in ebensovielen das 16—19½te Jhdt. umfasst, ist die erste Geschichte der Litteratur, welche alle Fächer des menschlichen Wissens behandelt und den Entwickelungsgang aller Wissenschaften und Künste bis zur Mitte dieses Jahrhunderts schildert; keine Nation hat ein ähnliches Universalwerk aufzuweisen, wie auch in allen biographischen Wörterbüchern Deutschlands und des Auslands anerkannt ist, und namentlich für die Litteratur des Mittelalters und des 16. Jhdts. In allen irgend bedeutenden Sprachen wird das Gr. Werk stets als einziges Quellenwerk dastehen; man wird in demselben keinen irgend nur hervorragenden Namen, in welcher Sprache der Welt es auch sei, vermissen.

Nachdem inzwischen ein kürzer abgefasstes und mehr für das grössere Publikum bestimmtes Handbuch der allgemeinen Litteraturgeschichte (Dresd. und Lpzg. 1848 — 50, 4 Bände) erschienen war, schrieb Grässe seinen in französischer Sprache abgefassten Tresor des livres rares et precieux (Dresde, Kunze 1860 — 70) in 7 grossen Quartbänden, ein Werk, welches heute noch neben Brunet's Manuel du libraire das bedeutendste bibliographische Quellenwerk und so gut wie vergriffen ist. Dasselbe gilt von seinem in mehrere fremde Sprachen übersetzten Handbuch der alten Numismatik (Lpzg., Schäfer 1850), dem ersten Werke, worin Münzen auf galvanoplastischem Wege reproduziert sind. Auf dem Gebiete der Kunstgeschichte machte sich Gr. bekannt durch seine Beiträge zur Geschichte der Porzellanfabrikation (Dresden 1863) seinen beschreibenden Katalog des Grünen Gewölbes V. Auflage 1881 — die französischen und englischen Ausgaben sind keine Uebersetzungen, sondern selbständige von Gr. in diesen Sprachen verfasste räsonnierende Kataloge), seinen beschreibenden Katalog der K. Porzellansammlung (Dresden 1873) und seine Zeitschrift für Mythologie (ebd. 1878 ff.). Sein Guide de l'amateur de porcelaienes (Dresde Schönfeld), von dem im Jahre 1880 die VI. Aufl. erschien, hat ihm neben Franks in London den Namen eines der ersten Porzellankenner Europas gesichert. Dasselbe gilt für die anderen Gebiete der mittelalterlichen und neueren schönen Künste von seinem Guide de l'amateur d'objets d'art etc. (Dresde 1877 II. Aufl.) Kulturhistorisch sehr interessant sind die humoristischen Bierstudien (Dresden 1872) des Verfassers. Sein Werk über die deutschen Vor- und Taufnamen (Dresden 1875), in welchem zuerst auf das Celtische Rücksicht genommen ist, hat ihm einen bleibenden Namen als Sprachvergleicher gesichert. Auf dem Gebiete der vergleichenden Mythologie der Sagenkunde hat er sich durch seinen Sächsischen Sagenschatz (Dresden, Werner II. Aufl. 1848) seinen Preuss. Sagenschatz (Glogau 1868—70 2 Bde.) und seine Illustrirten Geschlechts-, Namen- und Wappensagen (Dresden, Werner 1876), sowie durch seine mit dem berühmten Norwegischen Dichter Asbjörnsen zusammen herausgegebenes Märchenbuch: Nord und Süd (Dresden 1858), welches auch ins Norwegische überging, endlich durch seine in zweiter Auflage 1861 gedruckten und in mehrere Sprachen übersetzten Monographien über Taufen und den Ewigen Juden vorteilhaft bekannt gemacht. — Grässes letzte Werke waren rein philologische; er publizierte für den litterarischen Verein zu Stuttgart zwei schwer zu verstehende mittelalterliche lateinische Moralwerke: das Speculum Sapientia des Bischoifs Cyrillus und den Dialogus Creaturarum des Nicolaus Pergamenus — ersteres dem 9., letzteres dem 13. Jhdt. angehörig — in einer lesbaren Ausgabe (1881). Rein kulturhistorisch ist sein Jägerbrevier (Wien 1869 II. A.), sein Jägerhörnlein (Dresden 1869) und seine Hubertusbrüder (Wien 1875).

Gr. legte im Jahre 1852 seine Stelle als Direktor des Münzkabinets nieder, um die Direktion der K. Porzellansammlung zu übernehmen; im J. 1863 zum Direktor des Grünen Gewölbes ernannt, behielt er die obengenannte Stelle bei, und im Jahre 1877 ward ihm auch noch die Direktion des inzwischen mit dem Gr-Gew. verbundenen Münzkabinets übertragen. Die jetzige Aufstellung der K. Porzellansammlung im Johanneum ist sein Werk, ebenso die des Münzkabinets mit seinem Auslageschrank im Gr.-Gew., wie er denn auch die bisherigen gänzlich unpraktischen Kataloge desselben so umarbeitete, dass nunmehr nach demselben jede Münze in wenig Minuten selbst von einem Laien gefunden werden kann. Den Hofratstitel erhielt Gr. im Jahre 1854, (den N. S. Verdienstorden im J. 1876, den Königl. Preuss. Kronenorden 1879, den Orden der Eisernen Krone 1880 und den Russischen St. Annenorden im Jahre 1880). Leider traf ihn in diesem Jahre das Unglück, dass sein bisheriges gutes (rechtes) Auge den schwarzen Star bekam (auf dem linken hatte er ihn seit Jahren), er liess sich auf dem linken durch Gräfe in Halle operieren; allein trotzdem sah er sich genötigt, am 1. Mai 1882 in Pension zu gehen, weil er den grellen Glanz der Münzen und Edelsteine nur schwer ertrug. S. M. d. König verlieh ihm in Anerkennung seiner Verdienste um die genannten drei Aemter den Rang eines geheimen Hofrats und seit dieser Zeit lebte Gr. nur noch seinen litterarischen Studien. Seine kritischen Ausgaben der Legenda aurea des Jacobus a Voragine (1845) und des Speculum Sapientiae des Cyrillus und des Dialogus creaturarum des Nikolaus Pergamenus verschafften ihm eine päpstliche Medaille Pius IX. und eine zweite Sr. H. d. Papstes Leo XIII., eine Auszeichnung, die wohl ausser ihm kein zweiter Protestant erfahren hat. — Nach längerem Leiden verstarb G. am 27. August [1885] auf seinem Landsitz Warkerbarthsruhe in Lossnitz bei Dresden.

Quelle: Neuer Anzeiger für Bibliographie und Bibliothekwissenschaft Von Julius Petzholdt, Joseph Kürschner, Berlin & Stuttgart 1885, S. 257ff. (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!


Werke (Auswahl)

  • Gesta Romanorum. 2 Bände, Dresden 1842. (Band 1, Band 2) Band 1 Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
  • Lehrbuch einer allgemeinen Literärgeschichte aller bekannten Völker der Welt (Leipzig 1837-60, 4 Bde. in 13 Abtlgn.) (Ein durch die Fülle bibliographischer Nachweisungen und die Masse des zusammengetragenen Stoffes seltenes Dokument deutschen Sammlerfleißes. Einen Auszug daraus mit übersichtlicher Darstellung und berichtigender Umarbeitung gab er als Handbuch der allgemeinen Litteraturgeschichte (Dresden 1844-50, 4 Bde.) heraus.) (in Auswahl auf Archive.org)
  • Bibliothek magica (Leipzig 1843) (PDF-Datei)
  • Bibliotheca psychologica (das. 1845) (PDF-Datei)
  • Legenda aurea des Jacobus de Voragine (das. 1846) (PDF-Datei)
  • Der Tannhäuser und ewige Jude, 1861 (PDF-Datei)
  • Sagenschatz des Königreichs Sachsen (das. 1855, 2. Aufl. 1874, Neuauflage herausgegeben von Joachim Jahns, 3 Bde, Dingsda-Verlag, Querfurt 1999, ISBN 3-928498-56-8,ISBN 3-928498-62-2 und ISBN 3-928498-73-8) (PDF-Datei, HTML-Version)
  • Sachsens Fürsten in Bildern mit geschichtlichen Erläuterungen. Dresden 1856.
  • Mit Peter Christen Asbjörnsen: Nord und Süd. Ein Märchen-Strauß. Dresden 1858. (PDF-Datei)
  • Orbis latinus, Verzeichnis der lateinischen Benennungen der bekanntesten Städte etc. Dresden 1861. (PDF-Datei)
  • Märchenwelt. Verlag Moritz Schäfer. Leipzig 1865.
  • Sagenbuch des preußischen Staats. 2 Bände, Dresden 1866–71. (HTML-Version, PDF-Dateien: Band 1, Band 2)
  • Bierstudien, Dresden 1872 (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
  • Beschreibender Katalog der königlichen Porzellansammlung. Dresden 1874. (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
  • Sachsens Fürsten aus dem Haus Wettin (das. 1875)
  • Geschlechts-, Namen- und Wappensagen des Adels deutscher Nation. Dresden 1876. (PDF-Datei)
  • Beschreibender Katalog des Grünen Gewölbes (5. Aufl. 1881) (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!

Verweise