Denkmal für die ermordeten Juden Europas
Bei dem 27,6 Millionen Euro teuren[1] „Holocaust-Mahnmal“ (offiziell Denkmal für die ermordeten Juden Europas) handelt es sich um eine mitten in Berlin gelegene shoaistische Kult- und Pilgerstätte.
Inhaltsverzeichnis
Erläuterung
Die Wallfahrtsstätte besteht aus 2.711 Stelen, gefertigt aus rund 22.000 Tonnen Beton, sowie einem unter dem Stelenfeld gelegenen, vom Tageslicht weitgehend abgeschirmten, bunkerartigen „Ort der Information“ mit Foyer und vier sogenannten „Themenräumen“. Die shoaistische Sakralanlage soll an die sechs Millionen Juden erinnern, welche nach der Holocaust-Massenvernichtungsthese während der Zeit des Nationalsozialismus ermordet worden sein sollen. Initiatorin war die jüdische Journalistin Lea Rosh, der Bau wurde am 25. Juni 1999 vom Bundestag beschlossen, die Einweihung fand am 10. Mai 2005 statt.
Durch Größe, Lage, Gestalt und Anmutung beansprucht es die Funktion des Identitäts- und Sinnzentrums der BRD. Der Journalist Thorsten Hinz sieht das Denkmal als symbolischer Telos einer verfehlten Historie an, als archimedischer Punkt, von dem aus die Kultur und Geschichte Deutschlands erklärt und seine Politik und sein Staatsethos als eines der Schuld, Schande und Dauersühne bestimmt werden.[2] Das Besondere an seiner Inauguration ist, daß die Deutschen selber bzw. ihre Eliten sich dazu bereit fanden, dem „negativ-germanozentrierten Paradigma“, das in zwei Weltkriegen wirksam wurde, zusammen mit dem jüdischen Paradigma, für das der „Holocaust“ zentral ist, in der Mitte ihrer Hauptstadt ein Denkmal zu setzen.[3]
Das Versammlungsrecht und das Meinungsstrafrecht wurden Anfang 2005 so verschärft, daß am Mahnmal keine legalen regierungskritischen Demonstrationen mehr möglich sind.
Seit 2007[4] werden an immer mehr Stelen Risse verzeichnet. Fast jede siebte müsse voraussichtlich mit Stahlmanschetten gesichert werden, die probeweise im März 2012 angebracht wurden.[5]
Lage
Das Mahnmal mit der Fläche von fast zwei Fußballfeldern[6] besteht aus einer Ansammlung von grauen Quadersteinen, die ein Gefühl der Beklemmung bei dem Betrachter, der dazwischen hindurchgeht, bewirken sollen. Das Areal befindet sich im Schnittpunkt zentraler politischer und nationaler Symbole und Institutionen: von Reichstag und Bundesrat, von Potsdamer Platz und Brandenburger Tor, von Goethe-Denkmal und Wilhelmstraße, der ehemaligen preußisch-deutschen Regierungsmeile. Auf einem Teil des Denkmals stand einst die Neue Reichskanzlei. Unter dem Quaderfeld befindet sich ein Museum.
Geschichte
Erste Pläne
Im August 1988 forderte die jüdische Fernsehpublizistin Lea Rosh, Autorin der Dokumentation „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“, während einer Podiumsdiskussion im Martin-Gropius-Bau die Errichtung eines Denkmals für die Opfer der Judenverfolgung. Noch im selben Jahr gründete Rosh den Verein „Perspektive Berlin“ und übernahm den Vorsitz. In einem Presseaufruf vom 30. August 1989 verlangte sie auf dem „Gestapogelände“ die Errichtung eines „unübersehbaren Mahnmals“, da es „auf deutschem Boden, im Land der Täter […] bis heute keine zentrale Gedenkstätte, die an diesen einmaligen Völkermord […] erinnert.“, gebe. Unterzeichner dieses Aufrufs waren meist linke bzw. der SPD nahestehende Persönlichkeiten wie Günter Grass, Heiner Müller, Christa Wolf und Udo Lindenberg.[7]
- „Ich verlange von diesem Land der Täter ein Mahnmal.“ — Lea Rosh| zitiert in: „Nationaler Mythos oder historische Trauer?“[8]
Im Juni 1989 führte „Perspektive Berlin“ einen Ideenwettbewerb durch, hauptsächlich finanziert durch die Krupp-Stiftung. Auf den meist nicht öffentlichen Veranstaltungen wurde beschlossen, ein Austellungs- und Dokumentationszentrum am Prinz-Albrecht-Palais einzurichten.
Kritik an Roshs Plänen gab es vor allem durch den Verein „Aktives Museum Faschismus und Widerstand“, der ihr Lobbyismus, fehlende demokratische Kultur und teure Anzeigen vorwarf. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma beklagte, daß man die Zigeuner vom „Holocaust“-Gedenken ausschließen und damit zu Opfern „zweiter Klasse“ mache.[9]
Noch im Jahr 1989 hatte „Perspektive Berlin“ 10.000 Unterschriften gesammelt, u. a. von Klaus von Dohnanyi und Jan Philipp Reemtsma, und gewann die Mitarbeit von Industriellen wie Marcus Bierich und Edzard Reuter. Nach der Beitritt der DDR zur BRD hatte Rosh die Unterstützung großer Teile der politischen Klasse sicher.[10] Die staatliche Anerkennung des Projektes folgte im März 1992, als Rosh die Zusage des CDU-Bundesinnenministers Rudolf Seiters erhielt, daß der Bund das Vorhaben unterstützen würde. Im selben Jahr sagte der Berliner Kultursenator Ullrich Roloff-Momin (SPD), daß Bund und Land die Hälfte der Baukosten übernehmen wollen.[11]
Der Wunsch, auch nichtjüdische Opfergruppen in das Mahnmal einzubeziehen, lehnte Rosh ab:
- „… Zum Schluß sitzen die NS-Soldaten mit dabei, da konnte man nicht lange darüber reden, ob junge, zur SS gezogene Soldaten nicht auch Opfer dieses Nationalsozialismus waren.“
Wettbewerbe
Erster Wettbewerb
Im April 1994 wurde durch Bund, Land und den Förderkreis der erste Wettbewerb gestartet. Dabei wurden mehr als 2.600 Wettbewerbsunterlagen an poteintielle Teilnehmer versandt. Eingereicht wurden 528 Entwürfe, womit rund 1.500 Personen am Wettbewerb teilnahmen.[12] Das bundesweite Verfahren lief anonym und richtete sich an bildene Künstler. Zusätzlich lud man noch weitere zwölf Künstler aus dem Ausland ein. Eine Kooperation mit Architekten, Landschaftsplanern, Historikern usw. wurde wegen der „Bedeutung und Schwierigkeit der Aufgabe“ empfohlen.
- „Heutige künstlerische Kraft soll die Hinwendung in Trauer, Erschütterung und Achtung symbiotisch verbinden mit der Besinnung in Scham und Schuld. Erkenntnis soll erwachsen können, auch für zukünftiges Leben in Frieden, Freiheit, Gleichheit und Toleranz.“ — Wettbewerbsvorgaben, 1994
Beschluß und Bau
Am 26. Juni 1991 beschloß der Bundestag mit großer Mehrheit, ein Denkmal für die ermordeten Juden in den Ministergärten zu errichten und verpflichtete sich zu weiteren zentralen Gedenkstätten für die anderen Opfergruppen. Dabei wurde der Entwurf von Peter Eisenman angenommen und der Baubeginn für das Jahr 2000 angegeben. Der Förderkreis und der neugewählte Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) präsentierten am 19. Juli 2001 eine Spendenkampagne mit großformatigen Zeitungsartikeln und einem riesigen Plakat an der Baustelle des Mahnmals, auf dem „den holocaust hat es nie gegeben“ stand.
Die Kampagne und vor allem das Plakat sorgten für große Verwirrung und Proteste. Die Berliner Zeitung titelte am 5. August 2001: „Ist das der Obersalzberg?“ Es folgten Anzeigen wegen „Volksverhetzung“. Drei Wochen später wurde die Werbekampagne auf Druck des Zentralrates der Juden beendet.
Im Sommer 2003 kam es zum Baustop, da das Stiftungskuratorium auf Betreiben von Lea Rosh und Alexander Brenner (Vertreter der Jüdischen Gemeinde Berlin) die Firma Degusa von der Lieferung der Graffitischutzbeschichtung ausschließen wollte, mit der Begründung, daß eine Tochterfirma des Unternehmens während des Zweiten Weltkrieges Zyklon B hergestellt habe.[14] Doch Architekt Eisenmann und die Berliner Senatsverwaltung setzten sich mit der weiteren Verwendung des Degussa-Produktes durch.[15] Das Berliner Stadtmagazin Tip wählte im Dezember 2003 Lea Rosh aufgrund des Vorfalls zur „peinlichsten Berlinerin“.[16]
Einweihung
Die offizielle Einweihung fand am 10. Mai 2005 statt. Während der offiziellen Veranstaltung präsentierte Lea Rosh einen Backenzahn, den sie 1988 auf dem Gelände des KL Belzec (bei Lublin) gefunden haben will. Dieser solle in eine der Stelen eingeschlossen werden. Die bei den Feierlichkeiten anwesende Direktorin der Gedenkstätte Auschwitz Krystyna Oleksy zeigte sich schockiert und warf ihr Grausamkeit und Störung der Totenruhe vor. Nach Protesten der Jüdischen Gemeinde Berlins und des Zentralrats der Juden übergab Rosh im Juli 2005 den Backenzahn der Gedenkstätte Belzec.
Lea Rosh wurde am 13. August 2006 das Bundesverdienstkreuz von Bundespräsident Horst Köhler verliehen und durch Klaus Wowereit überreicht.
Kosten
Für den Bau des Denkmals wurden 27,6 Millionen Euro aus Mitteln des Bundeshaushalts ausgegeben: 14,8 Millionen Euro für das Stelenfeld, 10,5 Millionen Euro für den Bau des Ortes der Information und 2,3 Millionen Euro für den Ausstellungsbau. Das Grundstück mit einem Wert von ca. 40 Millionen Euro stellte der Bund kostenlos zur Verfügung.
Die Stiftung, die das Denkmal trägt, hat einen laufenden Jahresetat von 2,1 Millionen Euro, die aus dem Haushalt des Bundes-Kulturstaatsministers finanziert werden. Wolfgang Thierse trat im Juni 2006 von seinem Posten als Vorstandsvorsitzender der Denkmalstiftung zurück, weil dieser Etat wegen der großzügigen Veranstaltungen und Präsentationen um mindestens 600.000 Euro überschritten wurde. Er forderte eine Erhöhung des Etats auf mindestens 2,7 Millionen Euro jährlich und eine Zusammenführung mit den authentischen Gedenkstätten.[17]
Kritik
Kritisiert wurde bei dem Bau die fragwürdige Gestaltung, die von einigen als „häßlich“ bezeichnet wurde, sowie die Tatsache, daß die Gedenkstelle nur an jüdische, nicht aber an andere Opfer erinnert. Der NPD-Vorsitzende Udo Voigt meinte zu dem Mahnmal sarkastisch, daß er es begrüße, wenn man dort schon das Fundament für die neue deutsche Reichskanzlei geschaffen habe.[18] Von großen Teilen der Bevölkerung wird das Mahnmal als „platzverschwendend“ und übertrieben bezeichnet. Zuweilen wird auch befürchtet, daß das Mahnmal nur weitere Judengegnerschaft schüre und diese nicht abbaue.
Das gigantische Mahnmal wurde trotz leerer Kassen und gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit erzwungen. Die 2.711 Stelen aus Beton – „ein Raster der Schande mitten in der Hauptstadt, im Herzen der Berliner Republik“[19] – symbolisieren den verzweifelten Versuch, eine äußerst fragwürdige Darstellung des „Holocaust“ mit seinen angeblich über sechs Millionen ermordeten Juden zu zementieren und einer rationalen Erörterung endgültig zu entziehen.
Ferner wurde kritisiert, daß der angebliche Effekt der Steine ausblieb, da es einer großen Anzahl von Personen schwerfiele, die Steinbauten als Erinnerung für den Holocaust zu sehen. Dies scheint auch durch die Tatsache, daß viele Touristen verbotenerweise auf den Steinen herumspringen, bestätigt.
Zitate
- „Ich fahre jeden Tag am zukünftigen Holocaust-Denkmal vorbei. Das ist so penetrant und plump. Es fordert jetzt schon zum Vandalismus auf. Ein entseeltes Labyrinth aus Beton, in dem wahrscheinlich nur gesprayt, gedealt und geschändet wird. Es ist wieder nur ein Monument deutscher Unbelehrbarkeit.“ — Wolfgang Joop, deutscher Modeschöpfer, in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ vom 3. August 2003
Chronologie des „Holocaust“-Mahnmals
- August 1988: Lea Rosh fordert die Errichtung eines Holocaust-Denkmals in Berlin.[20] Im Land der Täter müsse ein „weithin sichtbares Zeichen“ für die „Opfer der Nazidiktatur gesetzt werden“. Das Mahnmal soll auf dem Gelände der ehemaligen Reichskanzlei im Zentrum Berlins gebaut werden.
- Im September 1988 ruft Lea Rosh in Berlin eine „Initiative engagierter Bürger“ ins Leben, die – unterstützt von namhaften Persönlichkeiten – einen privaten „Förderkreis zur Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas e. V.“ gründet und fortan die Errichtung eines „riesigen, unübersehbaren Mahnmals“ (Zitat: Lea Rosh) betreibt. Damit greift Rosh eine Idee Eberhard Jäckels (Hitler-Tagebücher) auf, der sie bei der Realisierung auch unterstützt.
- April 1992: Die Bundesregierung stimmt einem Standort am Brandenburger Tor zu.
- Mai 1994: Ein künstlerischer Wettbewerb wird ausgeschrieben. Es melden sich 1.200 Wettbewerbsteilnehmer.
- März 1995: Die Jury vergibt zwei erste Preise für den Architekten Simon Ungers und für eine Künstlergruppe um Christine Jackob-Marks.
- Juni 1995: Die Auslobenden – Bund, Berlin und Förderkreis – einigen sich auf den Marks-Entwurf: eine elf Meter hohe, 20.000 Quadratmeter große schiefe Ebene aus Beton. In diese sollen die Namen der Holocaust-Opfer eingemeißelt werden.
- Juli 1995: Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) bezeichnet den Entwurf als „nicht akzeptabel“ und fordert eine erneute Diskussion. Das durch die israelische Gedenkstätte Yad Vashem inspirierte Projekt, an dem sich neben Förderkreis und Land Berlin auch der Bund beteiligte und ein 20.000 Quadratmeter großes Areal zwischen Brandenburger Tor und Potsdamer Platz zur Verfügung stellte, wurde Gegenstand eines jahrelangen, zum Teil erbitterten öffentlichen Streites. Dieser brachte Rosh u. a. im Sommer 1995 in die Schlagzeilen, nachdem Kanzler Helmut Kohl (CDU) durch sein Veto gegen den preisgekrönten Entwurf einer fußballfeldgroßen Namensplatte mit 4,2 Millionen eingravierten Opfernamen eine neue Kontroverse auslöste.[21] Der Senat verschiebt wegen der Berlin-Wahl seine Entscheidung über den Bau auf 1996.
- Januar 1997: Berlins Kultursenator Peter Radunski (CDU) schlägt vor, neue Entwürfe für das Mahnmal einzuholen.
- Juli 1997: 25 in- und ausländische Künstler, darunter neun Preisträger des ersten Wettbewerbs, werden gebeten, ihre Modelle vorzustellen.
- November 1997: Vier Siegerentwürfe werden präsentiert, unter anderem der des Neu Yorker Architekten Peter Eisenman, der ein Stelenfeld vorsieht.
- Januar 1998: Zweite Ausschreibung, Sieger: Peter Eisenman. Idee: ein begehbares Feld mit 4.200 Betonstelen.
- Oktober 1998: Die rot-grüne Bundesregierung legt in ihrem Koalitionsvertrag fest, daß der Bundestag über das Mahnmal entscheiden soll.
- Erst nach dem Regierungswechsel im September 1998 wurde die Angelegenheit von der Koalition aus SPD und Grünen an den Bundestag übergeben, der sich mehrheitlich (314 gegen 209 Stimmen) für den verkleinerten Stelenfeld-Entwurf des jüdischen Architekten Peter Eisenman aussprach. Ein „Ort der Information“ über den „Mord an den Juden“ sollte integriert werden. Rosh protestierte gegen ein Mehrzweckhaus mit „Denkmals-Appendix“.[22] Sie sah das Denkmal gefährdet und zu Gunsten eines Museums von dem Gelände verdrängt und räumte deshalb ihren Platz in der „Stiftung Deutsches Holocaust-Museum“. Die Kosten für das monumentale Bauprojekt wurden auf 25 Millionen D-Mark veranschlagt.[21]
- Juni 1999: Der Bundestag entscheidet sich mit klarer Mehrheit für den Eisenman-Entwurf, nimmt aber Änderungen vor. Auf Anraten Roshs soll er um einen unterirdischen „Ort der Information“ ergänzt werden. Darin soll der Holocaust dokumentiert werden. – Zitat: Lea Rosh: „Herzstück ist dabei der ‚Raum der Namen‘, in dem die Daten von rund 3,5 Millionen Juden dokumentiert werden“. Etwa 1.000 Biographien sollen mit der Eröffnung für die Besucher multimedial zugänglich sein.
- Januar 2000: Symbolischer Baubeginn. Am vorgesehenen Standort unweit des Brandenburger Tores werden drei Informationstafeln enthüllt. Damit wird symbolisch der Baustart vollzogen.
- Mai 2000: Das Kuratorium favorisiert ein Modell Eisenmans, den „Ort der Information“ unterirdisch zu bauen.
- Juli 2000: Das Kuratorium stimmt dem Eisenman-Entwurf für den „Ort der Information“ zu. Er geht von zirka 800 Quadratmeter Ausstellungsfläche aus.
- Oktober 2000: Die zentrale israelische Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem erklärt sich bereit, der Mahnmal-Stiftung eine Datenbank mit allen bekannten Namen der jüdischen Holocaust-Opfer für den „Ort der Information“ zur Verfügung zu stellen.
- November 2000: Für das Mahnmal und den „Ort der Information“ werden Kosten in Höhe von 54 Millionen Mark veranschlagt.
- Mai 2001: Auf dem Mahnmal-Areal werden elf Musterstelen aufgestellt. Der Architekten-Entwurf sieht nunmehr 2.700 Betonstelen vor.
- Juli 2001: Ein Werbeplakat des Fördervereins, auf dem groß stand: „den holocaust hat es nie gegeben“, und darunter, kleingedruckt: „Es gibt immer noch viele, die das behaupten, in 20 Jahren könnten es noch mehr sein. Spenden Sie deshalb für das Denkmal für die ermordeten Juden Europas“, sorgte im Juli 2001 für massive Kritik und Strafanzeigen. Rosh begründete die „Schockwerbung“ mit dem Argument: „So ein einzigartiges Ereignis wie der Holocaust muss einzigartig vermittelt werden.“ Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, sagte, der Holocaust sei nicht dazu geeignet, mit „schreierischen, provokanten und letztendlich falschen PR-Gags das Richtige zu erreichen“. Im August 2001 gab Rosh, die in diesem Zusammenhang auch in ihrem Engagement scharf angegriffen wurde, das Ende der Plakataktion bekannt und bedauerte, daß der Spendenaufruf Anlaß zu Mißverständnissen gegeben habe.[21]
- April 2003: Baubeginn am Holocaust-Mahnmal
- 4. April 2003: Nach Querelen zwischen Eisenman, Regierung und Bauverwaltung beginnt die Arbeit am Denkmal.
- August 2003: Die Aufstellung der Stelen beginnt.
- Oktober 2003: Baustop. Das Kuratorium trennt sich vom Unternehmen Degussa, das mit dem Graffiti-Schutz beauftragt war, weil eine Tochterfirma im Zweiten Weltkrieg in die Produktion des Giftgases Zyklon B verwickelt war, das angeblich zur Judenvernichtung eingesetzt wurde.
- November 2003: Das Kuratorium revidiert seinen Beschluß.
- Im Oktober/November 2003 entbrannte ein Streit über die Beteiligung der Firma Degussa am „Holocaust-Mahnmal“, an dem seit Oktober 2001 gebaut wurde. Zum Schutz der 2.711 Betonstelen – vor allem gegen Farbschmierereien – sollte ein Speziallack von Degussa verwendet werden. Weil deren Tochterfirma Degesch in der Zeit des Nationalsozialismus das Insektizid „Zyklon B“ herstellte und vertrieb, protestierten Initiatoren des Denkmals, an ihrer Spitze Lea Rosh und Salomon Korn. Andere, darunter Paul Spiegel und der Architekt Peter Eisenman, bemühten sich um Vermittlung. Schließlich entschied das Stiftungskuratorium unter dem Vorsitz von Wolfgang Thierse, daß das Mahnmal weitergebaut werden solle – unter Verwendung des Degussa-Baustoffes.[21]
- März 2004: Spitzenvertreter der Jüdischen Gemeinde Berlins fordern wegen einer verbalen Entgleisung Eisenmans dessen Rückzug. Hintergrund ist ein von ihm erzählter „Judenwitz“ in einer Sitzung des Kuratoriums, woraufhin mehrere Mitglieder unter Protest den Saal verließen. Thierse soll im Auftrag der Gemeinde vermitteln und bei Eisenman eine Entschuldigung einholen. Eisenman entschuldigt sich für seine Äußerung.
- 12. Juli 2004: Richtfest. Die Hälfte der 2.711 Stelen steht.
- Dezember 2004: Die letzte Stele wird aufgestellt.
- Am 10. Mai 2005 wurde mit einem Festakt in Berlin das schließlich 27,6 Millionen Euro teure Denkmal für die Juden Europas eröffnet. Rosh sorgte in ihrer Ansprache für Aufsehen, als sie einen „Backenzahn“ und einen gelben Stoffstern präsentierte. Sie kündigte an, ein „persönliches Versprechen“ einzulösen und den Zahn mit samt dem Stoffstück in einer der Stelen zu versenken. Den Zahn habe sie im Sand neben einem der langen Gräber in einem polnischen „Vernichtungslager“ (Belzec) gefunden. Dabei habe sie geschworen, „daß wir den Ermordeten ein Denkmal setzen. Und dieser Zahn wird darin einen Platz finden“. Dies habe sie dann mit dem Architekten des Mahnmals, Peter Eisenman, verabredet. Der Stoffstern sei ihr von einer Frau in Amsterdam übergeben worden, deren Mutter während des Zweiten Weltkrieges ums Leben kam. Diese hatte ihrer Tochter zuvor das Stoffstück als Erinnerung in die Hand gedrückt. Rosh habe der Tochter versprochen, daß der Stern einen würdigen Platz findet. Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, nannte den Plan „pietätlos“ und religiös fragwürdig, man sollte nicht versuchen, daraus „einen Reliquienschrein zu machen“.[23] Nach empörten Reaktionen nahm sie von dem Vorhaben Abstand und kündigte an, den Zahn nach Belzec zurückzubringen. Von ihren Gegnern wurde Rosh, die das Mahnmal als ihr „Lebenswerk“ bezeichnet hat, auch schon wahlweise mit Titeln wie „Gedenkdomina“, „Holocaustkassandra“ oder „Berufsjüdin“ bedacht.[21][24][25][26][27][28]
- Mit der Fertigstellung des Mahnmals 2005 sah Rosh ihre Arbeit dort nicht beendet, so wollte sie Besuchergruppen durch die Ausstellung führen und sich um die Finanzierung für den „Raum der Namen“ im „Ort der Information“ kümmern. Ein anderes Mahnmal war auf Betreiben von Rosh bereits 1994 in Hannover enthüllt worden: ein von Michelangelo Pistoletto entworfenes Denkmal mit den eingemeißelten ca. 2.000 Namen von Juden. Auch ein weiteres Mahnmal für Juden in Berlin war bereits in Planung.
- September 2005: Vier Monate nach der Einweihung des Holocaust-Mahnmals war die Stiftung für das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ in Finanznot geraten. Die Unterhaltskosten für das Mahnmal sind teurer als geplant. Über 550.000 Euro fehlen in der Haushaltskasse. Für das Mahnmal waren für dieses Jahr 2,1 Millionen Euro vorgesehen (sie werden vom Bund bezahlt), die nun nicht mehr reichten. Die Kosten für das Holocaust-Mahnmal explodieren. Die Eröffnungsveranstaltung für das Stelenfeld am 9. Mai (mit viel Polit-Prominenz) war teurer als vorgesehen. Dazu kamen noch Mehrkosten für Info-Broschüren, die Stiftung ließ viele Hefte zusätzlich drucken.[29]
- Im November 2005 wurde Rosh für weitere zwei Jahre als Vorsitzende des Förderkreises „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ bestätigt. Der Historiker Eberhard Jäckel bleibt einer ihrer Stellvertreter. Neu in den Vorstand gewählt wurde u. a. der frühere Berliner Justizsenator Wolfgang Wieland.
- 2006: Erste Baumängel am Denkmal werden der Öffentlichkeit präsentiert.
- Im Sommer 2007 stellte sich heraus, daß über 400 Stelen des Holocaust-Mahnmals rissig sind.[30]
- Mai 2010: Holocaust-Mahnmal feiert fünfjähriges Bestehen. 2.200 der 2.711 Beton-Stelen zeigen Risse.[31]
- März 2012: Das Holocaust-Mahnmal bröckelt weiter. Probeweise sollen Manschetten den drohenden Abbruch von Betonteilen verhindern. Etwa jede siebte Stelen müsse gesichert werden.[32] Betroffen seien Stelen, die zwischen einem und zwei Metern hoch sind.
„Raum der Namen“
Der „Raum der Namen“ ist eine Kultstätten unterhalb der Holocaust-Anlage. Hier werden Filme und Ausstellungen gezeigt. Botschafter[33] des Förderkreis Denkmal für die ermordeten Juden Europas e.V. werben bei „Charity Dinner“ für Spenden und für weitere Gedenksteine.
Unterstützer und Charity-Botschafter des Förderkreisprojektes „Raum der Namen“ sind ARD-Moderatorin Anne Will, die Schauspielerin Iris Berben, der Anwalt Peter Raue sowie der Regisseur Michael Verhoeven.
Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas
Uwe Neumärker ist Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas.[34]
2009 wurde der dreiköpfige Stiftungsvorstand abgeschafft. Diesem gehörten Bernd Neumann (CDU) als Vorsitzender sowie die SPD-Bundestagsabgeordnete Monika Griefahn und der Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz an. Sie zählen zu dem 23köpfigen Stiftungskuratorium. Vorsitzender ist Bundestagspräsident Norbert Lammert, Stellvertreterin die Initiatorin des „Holocaust“-Mahnmals, Lea Rosh.[35]
Mitglieder der Stiftung sind: Volker Beck, Monika Grütters, Eva Högl, Norbert Lammert, Thomas de Maizière, Petra Pau, Michael Roth, Kai Wegner, Dagmar Wöhrl.
Botschafter für den Förderkreis „Denkmal für die ermordeten Juden Europas e.V.“ sind die Schauspieler Ulrich Matthes und Gerd Wameling.
Wolfgang Benz ist Sprecher des Beirates für das Holocaustmahnmal.
Die Stiftung für das „Holocaust“-Denkmal in Berlin soll in Zukunft auch die Verantwortung für das „Homosexuellen-Mahnmal“ und das Denkmal für die Zigeuner (Sinti und Roma) in der Hauptstadt tragen. Das sieht ein von der Bundesregierung beschlossener Gesetzentwurf vor (2009).
Siehe auch
- Topographie des Terrors
- Daniel Libeskind, jüdischer Architekt
- Holocaustreligion
- Sechs Millionen
- Holocaust Handbooks
- Schwulendenkmal Berlin
Literatur
- Meine Ehre heißt Reue, Institut für Staatspolitik, Wissenschaftliche Reihe, Heft 11, 2007, ISBN 978-3-939869-11-5; archiviert
Verweise
- Angriff auf Mahnmal-Gelände. Mahnmal könnte bis zu 50 Millionen Mark kosten, konrad-fischer-info.de, 3. Januar 2000
- Neue Millionen für KZ-Gedenkstätten. Was Minister Naumann unter Kultur versteht, konrad-fischer-info.de, 5. Januar 2000
- Mahnmal? Nein danke!
- Satiricus: »Sie haben uns ein Denkmal gebaut« – Von Judensternen und Backenzähnen in: Vierteljahreshefte für freie Geschichtsforschung 9(1) (2005), S. 26 f.