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Josua Norton, (geb.: 17. 1. 1811; gest.: 8. 1. 1880), Jude aus England wird heute in amerikanischen Enzyklopädien kaum mehr aufgeführt. Sein merkwürdiger Lebenslauf als erster und einziger Kaiser der Vereinigten Staaten von Amerika verdient es jedoch in Erinnerung zu bleiben.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Kindheit und Jugend
Josua Norton wurde in England geboren, Aufzeichnungen der Kirchengemeinde von Priors-Lee besagen, daß er am 17. Januar 1811 als Sohn der Juden John und Sarah Norton geboren wurde. Andere Quellen geben abweichende Geburtsdaten an.
Als junger Mann zog Norton mit den Eltern 1820 nach Südafrika. Hier kam er zu einem kleinen Vermögen, mit dem er um 1849 nach Kalifornien übersiedelte, gerade als dort, im von Indianern spärlich besiedelten Gebiet, der Goldgräber-Run einsetzte. Durch geschickte Bodenspekulationen in der Region von San Francisco hatte er im Handumdrehen eine Viertelmillion verdient. 1852 noch einer der erfolgreichsten Geschäftsleute mußte Norton 1858 als Vierzigjähriger nach wirtschaftlichem Zusammenbruch Bankrott erklären. Ursachen waren eine Brandkatastrophe, welche seine Lagerschuppen vernichtete und Fehlspekulationen mit Reis wodurch er sein gesamtes Vermögen verlor.
Er griff zum Wanderstab und war in der Region vier Jahre lang nicht mehr gesehen. Diese Zeit der Wanderschaft und Schicksalsschläge hat ihn vermutlich zum Lebenskünstler und Philosophen werden lassen, denn er hatte sein Geheimnis entdeckt ein sorgenfreies Leben auf Kosten der Mitmenschen zu führen.
Regentschaft als Kaiser Norton I.
Enttäuscht von den Unzulänglichkeiten in den VSA nahm Norton buchstäblich das Zepter selbst in die Hand: Im September 1859 kam er auf diese Idee und ernannte sich zum „Kaiser der Vereinigten Staaten“ („Norton I., Emperor of The United States”). Wie sein Vorbild Napoleon dehnte er seine Machtfülle noch aus, indem er dem Titel noch den Zusatz „Protektor (Schutzherr) von Mexiko“ beifügte.
“At the pre-emptory request of a large majority of the citizens of these United States, I Joshua Norton, formerly of Algoa Bay, Cape of Good Hope, and now for the last nine years and ten months past of San Francisco, California, declare and proclaim myself the Emperor of These United States.” („Die Forderung einer großen Mehrheit der Bürger der Vereinigten Staaten vorwegnehmend, ernenne ich, Joshua Norton, stammend aus Algoa Bay am Kap der Guten Hoffnung und nunmehr seit neun Jahren und zehn Monaten in San Francisco, Kalifornien, lebend, mich selbst zum Kaiser dieser Vereinigten Staaten.“)
Über Nacht war er eine Größe geworden, eine Persönlichkeit die das Tagesgespräch und die Schlagzeilen der Presse bildete. Originell war nun seine ganze Erscheinung, und er erinnerte in seinem kunterbunten Aufputz an südamerikanischen Revolutionsgenerale mit seiner blauen Uniform, vergoldeten, großen Epauletten und bauschigen Hosen. Auf seinem schon angegrauten Haupt saß ein goldbestickter Generalshut, nie fehlte der Regenschirm oder ein Knüppel, nur an Festtagen umgürtete er seine Lenden mit einem martialischen Schleppsäbel. Mit seinen Hunden Brummer und Lazarus sah man den Emperor festen Schrittes gravitätisch durch die Straßen schreiten. Die Hunde waren bald ebenso bekannt wie ihr Herr.
In diesem Aufzug sprach er in den Kontoren der Kaufleute und Banken vor, nicht schüchtern sondern jeder Zoll ein König und forderte in gebieterischem Ton den ihm zustehenden Obulus; mit ein paar Cents ließ er sich nirgends abspeisen und – es war Ehrensache für jeden Chef dem Emperor den Tribut zu zollen! Seine Steuertaxe betrug 2,50 Dollar, größere Firmen sogar 10 Dollar, Neulingen die dem Brauch nicht vertraut waren drohte der dann erzürnte Herrscher mit Pfändung und sowenig ernst gemeint und unmöglich diese Mahnung auch war, hatte sie Erfolg. Nach dem Erhalt erstellte er über den Empfang Quittungen mit kaiserlichem Siegel aus. Die auf diese originelle Art eingetriebenen Summen verwandte Norton I. keineswegs für sich, sondern verteilte sie als Almosen an seine bedürftigen Untertanen. Er nahm sich persönlich deren Sorgen an und trug ihnen philosophische Reden zu einer Vielzahl von Themen vor. Seine gesamten persönlichen Ausgaben spendeten freigebige Mitbürger; sein „Palais“,in einem Mietshaus in der Sacramento-street bezahlte eine Freimaurerloge und wenn in der Presse bekannt wurde, daß nun seine Uniform schäbig war und eine neu nötig wäre, fanden sich sofort Untertanen den Emperor neu einzukleiden. Darunter befanden sich auch Stadträte, die mit einem Adelsbrief entschädigt wurden. In jedweden Restaurants, Tabaktrafiken, bei Dampferfahrten, auf der Pacificbahn etc. war Norton I. generell eingeladen, da er eine lebende Reklame und Sehenswürdigkeit darstellte. Wer die Frechheit besaß, den spleenigen Kaiser, der übrigens jeden Sonntag in Galauniform dem Gottesdienst der evangelischen Kirche beiwohnte, zu übersehen oder irgendeiner Form zu mißachten, war schnell in Verruf. Seine jüdische Abstammung war ihm sichtlich unangenehm.
Zum Begleichen kleinerer Schulden gab der Kaiser eigene Dollarnoten aus, die von lokalen Geschäften durchaus angenommen wurde. Die Banknoten besaßen einen Nennwert zwischen 50 Cent und 10 Dollar.
Amtsausübung, Kaiserliche Anordnungen
Die „Amtsausübung“ des Kaisers verlief nach einer recht gut dokumentierten Routine. Kaiser Norton I. mischte tüchtig in Regierungsangelegenheiten mit und erließ zahlreiche Anordnungen, die tatsächlich in den Tageszeitungen von San Francisco erschienen.
Er erklärte beispielsweise, daß nach seiner Machtübernahme der Kongreß, überflüssig sei, und erließ folgerichtig am 12. Oktober 1859 einen Erlaß zu seiner Auflösung.
Er gab bekannt, daß „Betrug und Korruption die ehrliche und angemessene Äußerung des Volkswillens verhindern; daß offene Verstöße gegen die Gesetze immer wieder vorkommen, die von Banden, Parteien, politischen Vereinigungen und Sekten angestachelt werden; daß ebenfalls der einzelne Bürger nicht den Schutz von Person und Eigentum genießt, den er verdient“. Der Kaiser forderte „alle interessierten Seiten“ zum Treffen in Platt’s Music Hall, San Francisco im Februar 1860 auf, „auf daß man das beklagte Übel bekämpfe“. Sein Erlaß wurde von den „rebellierenden“ Politikern in Washington jedoch ignoriert. Da offenbar ernstere Maßnahmen notwendig waren, befahl Kaiser Norton I. in einem weiteren kaiserlichen Erlaß vom Januar 1860 der Armee, die Rebellenkongreß zu beseitigen:
“WHEREAS, a body of men calling themselves the National Congress are now in session in Washington City, in violation of our Imperial edict of the 12th of October last, declaring the said Congress abolished; WHEREAS, it is necessary for the repose of our Empire that the said decree should be strictly complied with; NOW, THEREFORE, we do hereby Order and Direct Major-General Scott, the Command-in-Chief of our Armies, immediately upon receipt of this, our Decree, to proceed with a suitable force and clear the Halls of Congress.” („DA eine Gruppe von Menschen, die sich selbst der Nationalkongreß nennt, in offener Verletzung Unseres kaiserlichen Erlasses vom 12. Oktober letzten Jahres, der den genannten Kongress für aufgelöst erklärt hat, zur Zeit in Washington tagt; DA es höchst notwendig für das Ansehen unseres Reiches ist, daß diesem Erlaß strikt Folge geleistet wird; DAHER NUN geben Wir hiermit Befehl und Anweisung an Generalmajor Scott, den Oberbefehlshaber unserer Armeen, unverzüglich mit gegebenem Nachdruck die Hallen des Kongresses zu räumen.“)
Sehr zur Verärgerung seiner Majestät leistete die VSA-Armee dem Befehl nicht Folge. Dies zog weitergehende Erlasse im Jahre 1860 nach sich, welche die weiterhin jegliche Vereinigungen von ehemaligen Kongreßmitgliedern untersagten und ganze Republik auflösen sollten. Der Kampf gegen die früheren Repräsentanten kam in den fünfundzwanzig Jahren der kaiserlichen Herrschaft von1855 bis 1880 nie völlig zum Ruhen. Zeitweise erlaubte jedoch der Kaiser – allerdings sehr mißmutig – dem Kongreß die Weiterarbeit.
Kaiser Norton I. verschärfte seine Maßnahmen, nachdem er sich vom störrischen Kongreß herausgefordert fühlte, in diesem stets schwelenden Konflikt: Am 4. August 1869 schaffte er die demokratische und auch die republikanische Partei per kaiserlichem Erlaß ganz ab. Der fehlende Respekt, der sich in der Bezeichnung des gewählten kaiserlichen Regierungssitzes San Francisco als Frisco ausdrückt, veranlaßte Kaiser Norton I. im Jahre 1872 zu folgendem Erlaß:
“Whoever after due and proper warning shall be heard to utter the abominable word ‘Frisco’, which has no linguistic or other warrant, shall be deemed guilty of a High Misdemeanor, and shall pay into the Imperial Treasury as penalty the sum of twenty-five dollars.” („Jeder, der nach ausdrücklicher Warnung bei der Benutzung des fürchterlichen Begriffs ‚Frisco‘, welcher keine sprachliche oder sonstige Berechtigung hat, ertappt wird, wird groben Fehlverhaltens für schuldig erachtet werden und hat dem Kaiserlichen Schatzamt zur Strafe eine Summe von fünfundzwanzig Dollar zu entrichten.“)
Einige seiner kaiserlichen Erlasse zeugten gar von Weitsicht, wenngleich sie damals unrealisierbar waren. Z. B. Erlasse zur Gründung eines „Völkerbundes“ oder Erlasse zur Untersagungen jeglicher Religions- und Sektenstreitigkeiten. Ferner erhob der Kaiser Norton I. mehrmals die Forderung, eine Hängebrücke zwischen Oakland und San Francisco zu errichten, die dann im Jahr 1933 auch gebaut wurde.
Fall Barbier
Im Jahr 1867 ereignete sich eine Affäre, als der Polizist Armand Barbier es wagte Norton I. in Haft zu nehmen. Er wollte ihn, natürlich gegen seinen Willen der Untersuchung auf Geisteskrankheiten unterziehen zu lassen. Dies führte schnell zu lauten Protesten bei den Bürgern und in den Zeitungen von San Francisco. Der Polizeikommandant Patrick Crowley reagierte und setzte Norton I. wieder auf freien Fuß, und entschuldige sich öffentlich im Namen der Polizeikräfte. Als Folge dieses Skandals wurde dem Kaiser in der Folgezeit auf der Straße von den Polizisten salutiert.
Tod, Beisetzung des VSA-Kaisers
In seinen letzten Amtsjahren war der Kaiser Norton I. immer wieder Gegenstand vielfältiger Gerüchte, Unterstellungen und Spekulationen.
Die gutwillige und größtenteils schadens- und folgenlose Herrschaft des Kaisers Norton I. endete am Abend des 8. Januar 1880, als Norton auf dem Weg zu einer Vorlesung an der National Academy of Sciences auf der Straße zusammenbrach.
Der San Francisco Chronicle publizierte am folgenden Tag, dem 9. Januar 1880 auf seiner Titelseite einen respektvollen Nachruf unter der Überschrift: Der König ist tot. “On the reeking pavement, in the darkness of a moonless night under the dripping rain, and surrounded by a hastily gathered crowd of wondering strangers, Norton I, by the grace of God, Emperor of the United States and Protector of Mexico, departed this life. …” („Auf dem elenden Pflaster, im Dunkel einer mondlosen Nacht im tropfenden Regen und umgeben von einer rasch versammelten Menge staunender Fremder, verstarb Norton I., von Gottes Gnaden Kaiser der Vereinigten Staaten und Schutzherr von Mexiko. …“ )
Der Morning Star, Zeitung in San Francisco, veröffentlichte einen Leitartikel mit der Überschrift: „Norton der Erste, von Gottes Gnaden Kaiser dieser Vereinigten Staaten und Schutzherr von Mexiko, verstorben“.
Kaiser Norton I. war in völliger Armut gestorben. Eine Durchsuchung seines Zimmers förderte nur seine Sammlung von Wanderstöcken, den Briefwechsel mit Queen Victoria und 1.098.235 Börsenanteile an einer (wertlosen) Goldmine zutage. Der Pacific Club, eine Vereinigung von Geschäftsleuten, organisierte des Kaiser Beisetzung.
Es kam zu großen und würdigen Trauerfeierlichkeiten: „Die Trauergemeinschaft enthielt alle Klassen vom Kapitalisten bis zum Armen, vom Geistlichen bis zum Taschendieb, wohlgekleidete Damen und jene, deren Tracht und Betragen auf ihre soziale Ausgestoßenheit verwies, obwohl die Tracht der Arbeiter überwog.“
– Imperial Norton is dead and turned to clay. In: San Francisco Chronicle, 11. Januar 1880
Presseberichte erwähnen bis zu 25.000 Menschen, die die Straßen säumten, als sein Sarg zum Friedhof gebracht wurde. Der amerikanische Kaiser Norton I. fand seine Ruhestätte auf dem Freimauerer-Friedhof von San Francisco. Im Jahr 1934 wurden seine Gebeine umgebettet; seitdem ruht Joshua Norton auf dem Woodlawn-Friederikahof in Colma, Kalifornien. Der Grabstein bezeichnet ihn als „Norton I., Kaiser der Vereinigten Staaten, Schutzherr von Mexiko“.
Im Januar 1980 gab es in San Francisco eine Reihe von Zeremonien und Gedenkveranstaltungen anläßlich des 100. Todestages des einzigen Kaisers der Vereinigten Staaten.
Ehrung
Von 2003 bis 2011 wurde in der San Francisco Bay Area der nach ihm benannte Science-Fiction-Preis verliehen.
Literatur
• Albert Dressler: Emperor Norton of the United States. Dressler, Sacramento 1927.
• Allen Stanley Lane: Emperor Norton, Mad Monarch of America. Caxton Printers, Caldwell Ida 1939.
• David Warren Ryder: San Francisco’s Emperor Norton. Ryder, San Francisco 1939.
• Robert E. Cowan: The Forgotton Characters of Old San Francisco. The Ward Ritchie Press, Los Angeles 1964.
• William M. Kramer: Emperor Norton of San Francisco. Norton B. Stern, Santa Monica 1974.
• William Drury: Norton I, Emperor of the United States. Dodd, Mead & Company, New York 1986.
• Michael Robert Gorman: The Empress Is a Man. Stories from the Life of José Sarria. Haworth Press, New York 1998,
• Theodor Kirchhoff: Norton der Erste, der Kaiser von den Vereinigten Staaten. In: Die Gartenlaube, Jahrgang 1869, Heft 32, S. 512.