Moriz von Hessen

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Moriz der Gelehrte, Landgraf zu Hessen.jpg

Moritz von Hessen, genannt „der Gelehrte“ (Lebensrune.png 25. Mai 1572 in Kassel; Todesrune.png 15. März 1632 in Eschwege), war von 1592 bis 1627 regierender Landgraf von Hessen-Kassel.

Werdegang

Nach dem Tode seines Vaters, Landgraf Wilhelm IV., „dem Weisen“, am 25. August 1592, übernahm Moritz die Regentschaft. Mit seinem Amtsantritt wehte ein frischer Wind am Kasseler Hof: Der junge Fürst war umfassend gebildet (er sprach acht Sprachen), liebte wissenschaftliche Experimente und, das war in dieser Qualität neu, die schönen Künste. Moritz komponierte, dichtete, konnte in der Architektur mitreden und hatte eine Schwäche für das Schauspiel. Er war ein Freund großer Ritterspiele, Aufzüge und Allegorien.

Wirken

Zu seinem Wirken heißt es:[1]

Landgraf Moriz von Hessen, geb. zu Cassel den 25. Mai 1572, erhielt eine gründliche wissenschaftliche Bildung, welche er auch litterarisch bethätigte, folgte seinem Vater am 26. August 1592 in der Regierung nach und starb am 15. März 1632, nachdem er, schon seit Jahren verbittert, im März 1627 von der Regierung zurückgetreten war. Landgraf Moriz schrieb selbst lateinische Schauspiele und war der erst deutsche Fürst, welcher englische Komödianten längere Zeit hielt (1592-1612[?]) und sich ein eigenes Hoftheater baute. Dieses, das nach seinem ältesten Sohne Ottoneum genannte Gebäude, war ein Schauspielhaus in unserem Sinne, in welchem sich Bühne und Zuschauerraum unter Dach in einem Hause befanden (...). Der Hauptbau desselben, allerdings im Äußeren und in der Anlage (namentlich durch Abbruch der wohl namentlich für große Musikaufführungen bestimmten Apsis) vielfach verändert, steht noch in Cassel; es ist das alte Kunsthaus und enthält jetzt naturwissenschaftliche Sammlungen.

Neue Deutsche Biographie

M. erhielt von seinem Vater eine sehr gründliche Ausbildung, die in den Rechts- und Staatswissenschaften durch den Erzieher Tobias Homberg vermittelt wurde, in der Musik durch Georg Otto und in der Theologie durch →Caspar Cruciger d. J. (1527–97), der wegen seines Widerstandes gegen das Konkordienwerk die Univ. Wittenberg hatte verlassen müssen. Vor der philosophischen und der theologischen Fakultät der Univ. Marburg legte M. 1587 ein glänzendes Examen ab. Naturwissenschaftliche Kenntnisse konnte er unmittelbar am Kasseler Hof, einem Zentrum astronomischer, mathematischer und botanischer Forschungen, erwerben. Schon früh trat auch seine ausgeprägte Neigung zu den schönen Künsten, zur Musik, zum Theater und zur Poetik hervor. M. besaß eine hervorragende Sprachbegabung, die ihm nicht nur die Lektüre der klassischen griech. und lat. Autoren sowie des modernen engl. Dramas und der franz. Literatur, sondern auch eigene poetische Versuche in diesen Sprachen ermöglichte. Als er 1592 die Herrschaft antrat, schien er auf den von Wilhelm IV. gelegten Grundlagen als Friedensfürst weiterregieren zu können. Im Gegensatz zu seinem sparsamen Vater fühlte M. sich jedoch verpflichtet, seinem Hof einen besonderen Glanz zu verleihen.|Nach seiner Hochzeit 1593 boten vor allem die Tauffeste für seine Kinder Anlaß zu aufwendigen Veranstaltungen mit Turnieren, „Inventionen“, Theateraufführungen und Balletten. Seit 1594 kamen hierfür wandernde engl. Komödianten und Tänzer; mit dem 1604-06 errichteten „Ottoneum“ erhielt Kassel den ersten festen Theaterbau in Deutschland. In der Hofkapelle, wo auch der junge Heinrich Schütz seine Ausbildung erhielt, waren hervorragende ital. Sänger und Instrumentalisten angestellt. M. trat auch mit eigenen Dramenentwürfen und Kompositionen hervor. Der Aufenthalt von John Dowland am Hof blieb, trotz fürstlicher Besoldung, nur Episode.
Aus der 1598 von M. gegründeten Hofschule ging das „Collegium Mauritianum“ hervor, um den Söhnen des Adels ebenso wie der bürgerlichen Beamtenschaft die erforderliche Bildung zu vermitteln. M. entwarf den Lehrplan und verfaßte Lehrbücher, u. a. Einführungen in die Philosophie und Ethik und einen Thesaurus linguae Latinae (Ms. 1603). Für den Druck der eigenen Werke und der Disputationen am Collegium wurde 1596 die erste Druckerei in Kassel eingerichtet. Dort erschien die auf M.s Anregung von →Wilhelm Dilich verfaßte „Hessische Chronica“ (1605). M.s Hof war auch das Zentrum eines Kreises meist medizinisch ausgebildeter Alchemisten. →Hermann Wolf, Jacob Mosanus, →Johann Daniel Mylius und →Johannes Hartmann standen unmittelbar in seinen Diensten, und Vertreter einer esoterischen Richtung wie Raphael Eglinus und →Joachim Morsius pflegten eine intensive Korrespondenz mit ihm. Im Unterschied zu vielen seiner Standesgenossen war M. nicht ausschließlich an der Gewinnung von Gold interessiert; in ihm verband sich ein Interesse an metaphysischer Naturerkenntnis mit der Neigung zur Erforschung des praktischen Nutzens alchemisch konzipierter Medikamente und die Bereitschaft, auch unorthodoxe theologische und soziale Aspekte wie das Rosenkreuzertum zu akzeptieren. Aus seinem Verständnis der komplexen allegorisch-metaphorischen Züge leitete sich M.s Überzeugung ab, er sei als Fürst durch göttliche Gnade auch dazu prädestiniert, den mystischen Kern alchemischer Weisheit zu ergründen. M. hielt in der Tradition des Kasseler Hofs auch die Verbindung zu den namhaftesten Vertretern der Astronomie und der Mathematik seiner Zeit wie Tycho Brahe in Kopenhagen, Willibrord Snellius in Leiden und John Dee in London aufrecht. Die Arbeiten des Mathematikers und Instrumentenbauers →Jost Bürgi wurden in Kassel von →Benjamin Bramer fortgesetzt.
Sein Mäzenatentum, dazu die Kosten für Bauwerke, für die M. zahlreiche Entwürfe zeichnete, und vor allem seine aufwendige Hofhaltung mit Festen, Empfängen und zahlreichen Reisen überstiegen die Finanzkraft des kleinen Landes bei weitem. Versuche, in frühmerkantilistischem Geist durch die Ansiedlung engl. und niederländ. Tuchmacher (seit 1596), mit der Errichtung von Manufakturen und durch die Erschließung von Bodenschätzen neue Einnahmequellen zu schaffen, blieben erfolglos. Seit 1594 wiesen die Räte immer wieder auf den desolaten Zustand der Finanzen hin, der sich noch verschlimmerte, wenn politische und militärische Aktionen hinzutraten. In der Reichspolitik folgte M. einem durch Wilhelm IV. vorgezeichneten Mittelweg zwischen dem konservativen luth.-orthodoxen Kursachsen und der Kurpfalz, die durch eine unklare Stellung zur Augsburger Konfession und zum Religionsfrieden gekennzeichnet war. Während sein Vater Konfrontationen vermeiden konnte, war M. durch die seit dem Reichstag 1594 unruhigere Konfessionspolitik und durch die wachsende Gefahr eines Übergreifens der franz. und niederländ. Religionskriege auf das Reich zum Handeln gezwungen. Mit der Kurpfalz, der er aus konfessionellen Gründen zuneigte, führte er seit 1596 intensivere Verhandlungen, wollte sich aber dem geplanten Bündnis ohne einen gleichzeitigen Beitritt Kursachsens und Kurbrandenburgs nicht anschließen. Die Landgfsch. Hessen blieb der 1608 zustandegekommenen prot. Union daher zunächst fern und folgte erst, als Kurbrandenburg 1610 im Konflikt um die Jülicher Erbfolge beitrat. M.s erster Versuch, politische Ziele mit militärischen Mitteln durchzusetzen, endete 1598 mit einem Fiasko. Nach dem Einfall der Spanier am Niederrhein hatte M. als Kreisobrister des Oberrhein. Kreises auf eigene Kosten ein Heer gegen die Festung Rees geführt, das sich nach glücklosen Operationen auflöste. Die aus den Erfahrungen des Feldzugs entwickelte Reform der hess. Kriegsverfassung, das von M. 1600/01 entworfene „Defensionswerk“, mit dem das Söldnerwesen durch eine Art allgemeine Wehrpflicht ersetzt wurde, war nur in der Theorie zweckmäßig, hat sich in der Praxis aber nicht bewährt. Als M. das gewaltsam rekatholisierte Hochstift Paderborn 1604 durch eine Koadjutorie eines seiner Söhne für Hessen gewinnen wollte, mußte er das Landesaufgebot bereits nach wenigen Tagen wieder auflösen. Seine|Arrondierungspolitik hatte nur im Fall der Fürstabtei Hersfeld Erfolg. Das fast rein ev. Stift wurde mit der Einsetzung seines ältesten Sohnes Otto als Administrator (1606) faktisch der Landgrafschaft eingegliedert. Dagegen scheiterte der Versuch 1615 bzw. 1621, in der Lehnsgfsch. Waldeck die hess. Landesherrschaft mit Waffengewalt durchzusetzen.
Die Differenzen mit den benachbarten Territorien sowie die Hinwendung zum Calvinismus schwächten M.s Stellung in der Reichspolitik. Der fehlende Rückhalt am Kaiserhof wirkte sich verhängnisvoll aus im Kampf um die Marburger Erbschaft nach dem Tode Ludwigs IV. Zunächst besaß M. die besseren rechtlichen Argumente gegenüber seinem Miterben Ludwig V. in Darmstadt, doch veränderte er mit der Einführung der sog. Verbesserungspunkte 1605 den Bekenntnisstand in Oberhessen und verstieß damit gegen die klaren Bestimmungen des Testaments seines Oheims. Bereits 1603 hatte M. damit begonnen, gegen den Widerstand in der luth. Kirche Gebräuche, die ihm als Überreste des kath. Kultus erschienen, abzustellen. Das neu eingeführte Brotbrechen und das Bilderverbot galten als offensichtliche Hinwendung zum Calvinismus. Die theologische Rechtfertigung der Neuerungen wurde insbesondere von Gregor Schönfeldd. Ä. und Johannes Crocius durchgefochten; die reichsrechtliche Absicherung übernahm der einflußreiche Jurist →Hermann Vultejus. 1618 nahmen hess. Theologen, darunter M.s Hofprediger Paul Stein, an der Synode von Dordrecht, einer Generalkonferenz des calvinist. Europa, teil. Die konfessionspolitische Entscheidung des Landgrafen war nicht unbeeinflußt von seiner Ehe mit Gfn. Juliane von Nassau-Siegen, durch die M. in engste verwandtschaftliche Beziehungen zu diesem Grafenhaus eintrat, das eine entschieden ref. Politik im Reich verfolgte. Innenpolitisch wurde durch Juliane das Gewicht der calvinist. Partei in Kassel verstärkt und damit der Gegensatz des Landgrafen zur Ritterschaft, die schon wegen des Defensionswerks und vor allem wegen der Verbesserungspunkte unzufrieden war, verschärft. In der Reichspolitik galt die Landgfsch. Hessen-Kassel bald neben der Kurpfalz, das ebenfalls zur nassau. Verwandtschaft gehörte, als Protagonist der calvinist. Sache. In dem von dem Darmstädter Vetter angestrengten Reichshofratsprozeß erging seit 1606 eine Reihe ungünstiger Entscheidungen. Diese konnten vorerst zwar nicht durchgesetzt werden, aber sie blieben eine ständige Bedrohung, die, verbunden mit der sich steigernden Krisenstimmung in der Dekade vor dem 30jährigen Krieg, in wachsender Unsicherheit, Gereiztheit und Schroffheit des Landgrafen sowie in einem wachsenden Mißtrauen gegenüber Verbündeten und selbst seiner engsten Umgebung ihren Ausdruck fand. M. hatte beim Regierungsantritt die alten Räte seines Vaters beibehalten; auch der 1605 eingerichtete Geheime Rat war anfangs überwiegend mit Angehörigen althess. Beamtenfamilien besetzt. Seit der Behördenreform 1609/10 jedoch berief M. zunehmend Fremde in die Ratsgremien und in Vertrauensstellungen, was bei der einheimischen Beamtenschaft Unzufriedenheit weckte.
Unheilvoll wirkten sich die gestörten Vertrauensverhältnisse aus, als am 11.4.1623 das Reichshofratsurteil erging, das dem Darmstädter die ganze Marburger Erbschaft und wenig später halb Niederhessen als Kostenpfand einräumte. Im Herbst erfolgte die Einquartierung der Ligatruppen unter Tilly in Hessen. M.s diplomatische Reisen zu den prot. Höfen Norddeutschlands trugen bei aller Hektik deutliche Züge von Eskapismus. Nicht nur die hess. Stände, auch Landgfn. Juliane warfen ihm offen vor, das Land in den Ruin geführt und dann im Stich gelassen zu haben. Als die Stände selbständig mit Tilly in Verhandlungen eintraten, um dem Abzug der Ligatruppen oder wenigstens eine Verringerung der Kriegslasten zu erreichen, wurden sie von M. des Landesverrats beschuldigt. Der damit eingetretene Bruch war endgültig. Die Stände, die Räte und vor allem die Landgräfin drängten M., die Regierung niederzulegen. Am 17.3.1627 mußte er den Verzicht zugunsten seines Sohnes Wilhelm erklären. Zuvor hatte Juliane noch durchgesetzt, daß mit dem Hausvertrag vom 12.2.1627 ihr und ihren Kindern ein Viertel von Niederhessen, die sog. Quart, zur Sicherung ihrer Einkünfte überlassen wurde. In seinen letzten Lebensjahren fand der verbitterte M. kaum die erhoffte Muße zu wissenschaftlicher Arbeit. Zwischen seinen rastlosen Reisen versenkte er sich fast ausschließlich in alchemistische Studien. Mit seiner Frau stritt er sich um Geld, Hausrat und die Erziehung der Kinder. Landgf. Wilhelm V. mußte sich gegen Einmischungsversuche des Vaters wehren. In Eschwege, wo M. 1630 seinen dauernden Aufenthalt genommen hatte, starb er, nachdem er sich vorher mit seiner am Sterbebett versammelten Familie versöhnt hatte. Ein bleibendes Zeugnis dieser Versöhnung bildet das „Mausoleum Mauritianum“ (1635), das 1638 zum „Monumentum sepulcrale“ (²1640) erweiterte Gedächtniswerk mit Leichenpredigten, Lebensbeschreibungen und Trauergedichten auf den toten Landgrafen. Trotz der panegyrischen Tendenz sind die darin enthaltenen Lebensbeschreibungen nicht unkritisch und erwähnen auch M.s Jähzorn und seinen Starrsinn. In der Literaturgeschichte gilt M. als bedeutender Anreger und Förderer vor allem des Theaters. Seine musikalischen Werke werden noch heute aufgeführt. Die Geschichtsschreibung des 19. Jh. sah überwiegend positive Züge in der Politik des Landgrafen und lastete sein Scheitern eher der Unzuverlässigkeit seiner Verbündeten und dem Egoismus der hess. Ritterschaft an. Dagegen wirft die neuere landesgeschichtliche Forschung M. mangelnde politische und militärische Fähigkeiten verbunden mit einer kompensierenden Überheblichkeit vor und bewertet das Ende seiner Regierung als einen Tiefpunkt der hess. Geschichte. Ein Wandel dieser Auffassung deutet sich in jüngsten Forschungsansätzen an, in denen M.s Scheitern weniger in seinen Charaktereigenschaften als in politischen und militärischen Zwängen gesehen wird.[2]

Familie

Moritz heiratete 1593 Agnes zu Solms-Laubach (1578–1602), Tochter von Johann Georg von Solms-Laubach (1546–1600). Der Ehe entstammten folgende Kinder:

⚭ 1613 Katharina Ursula von Baden-Durlach (1593–1615)
⚭ 1617 Agnes Magdalene von Anhalt-Dessau (1590–1626)

Nach dem Tod von Agnes heiratete er 1603 Juliane von Nassau-Dillenburg (1587–1643). Mit ihr hatte er sieben Söhne und sieben Töchter:

⚭ 1633 Sophia Juliana von Waldeck (1607–1637)
⚭ 1642 Kunigunde Juliane von Anhalt-Dessau (1608–1683)
⚭ 1646 Pfalzgräfin Eleonore Katharina von Zweibrücken (1626–1692)
⚭ 1647 Gräfin Maria Eleonore von Solms-Hohensolms (1632–1689)
⚭ 1690 Alexandrine von Dürnizl (Todesrune.png 1754)
  • Christine (1625–1626)
  • Philipp (1626–1629)
  • Elisabeth (1628–1633)

Literatur

  • Theodor Hartwig: Schrift über die Hofschule zu Cassel unter Landgraf Moritz, 1865 (PDF-Datei)

Fußnoten

  1. Bilderatlas zur Geschichte der deutschen Nationallitteratur herausgegeben von Gustav Könnecke (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
  2. Moritz der Gelehrte, in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 136–139