Würde der Frauen
Würde der Frauen ist ein 1795 von Friedrich Schiller geschriebenes Gedicht. Die sechszeiligen Strophen mit dem leichteren daktylischen Metrum ist dem Lobe der Frauen gewidmet, während in den achtzeiligen mit dem ernsteren trochäischen Versmaß das Streben des Mannes charakterisirt wird. Die Frau, vor allem die deutsche, steht als ruhender Pol im Gegensatz zum umherschweifenden Mann und als Hüterin der Sitten. Das Wesen und die eigentliche Bestimmung der Frauen wird dargestellt als Ergänzung zum kämpferischen aber auch oft maßlosen Wirken des Mannes, der nur durch eine Vereinigung mit einem weiblichen Wesen in eine enger begrenzte Sphäre zurückgeführt zu werden vermag.
Strophen des Gedichts
- Ehret die Frauen! sie flechten und weben
- Himmlische Rosen ins irdische Leben,
- Flechten der Liebe beglückendes Band,
- Und in der Grazie züchtigem Schleier
- Nähren sie wachsam das ewige Feuer
- Schöner Gefühle mit heiliger Hand.
- Ewig aus der Wahrheit Schranken
- Schweift des Mannes wilde Kraft;
- Unstät treiben die Gedanken
- Auf dem Meer der Leidenschaft;
- Gierig greift er in die Ferne,
- Nimmer wird sein Herz gestillt;
- Rastlos durch entlegne Sterne
- Jagt er seines Traumes Bild.
- Aber mit zauberisch fesselndem Blicke
- Winken die Frauen den Flüchtling zurücke,
- Warnend zurück in der Gegenwart Spur.
- In der Mutter bescheidener Hütte
- Sind sie geblieben mit schamhafter Sitte,
- Treue Töchter der frommen Natur.
- Feindlich ist des Mannes Streben,
- Mit zermalmender Gewalt
- Geht der wilde durch das Leben,
- Ohne Rast und Aufenthalt.
- Was er schuf, zerstört er wieder,
- Nimmer ruht der Wünsche Streit,
- Nimmer, wie das Haupt der Hyder
- Ewig fällt und sich erneut.
- Aber, zufrieden mit stillerem Ruhme,
- Brechen die Frauen des Augenblicks Blume,
- Nähren sie sorgsam mit liebendem Fleiß,
- Freier in ihrem gebundenen Wirken,
- Reicher, als er, in des Wissens Bezirken
- Und in der Dichtung unendlichem Kreis.
- Streng und stolz, sich selbst genügend,
- Kennt des Mannes kalte Brust,
- Herzlich an ein Herz sich schmiegend,
- Nicht der Liebe Götterlust,
- Kennet nicht den Tausch der Seelen,
- Nicht in Thränen schmilzt er hin;
- Selbst des Lebens Kämpfe stählen
- Härter seinen harten Sinn.
- Aber, wie leise vom Zephyr erschüttert,
- Schnell die äolische Harfe erzittert,
- Also die fühlende Seele der Fraun.
- Zärtlich geängstet vom Bilde der Qualen,
- Wallet der liebende Busen, es strahlen
- Perlend die Augen von himmlischem Thau.
- In der Männer Herrschgebiete
- Gilt der Stärke trotzig Recht;
- Mit dem Schwert beweist der Scythe,
- Und der Perser wird zum Knecht.
- Es befehden sich im Grimme
- Die Begierden wild und roh,
- Und der Eris rauhe Stimme
- Waltet, wo die Charis floh.
- Aber mit sanft überredender Bitte
- Führen die Frauen den Scepter der Sitte,
- Löschen die Zwietracht, die tobend entglüht,
- Lehren die Kräfte, die feindlich sich hassen,
- Sich in der lieblichen Form zu umfassen,
- Und vereinen, was ewig sich flieht.