Über Dr. Rudolf Steiner

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Über Dr. Rudolf Steiner ist ein Text des evangelischen Professors D. Traub über Rudolf Steiner, der in der Zeitschrift Deutschlands Erneuerung im Jahre 1921 veröffentlicht wurde.

Quelle
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Eine geistige Seuche geht durch das Land

Man hat uns wirtschaftlich und politisch wehrlos gemacht, nun soll das deutsche Volk auch geistig zugrunde gehen. Darum stellen sich Apostel und Propheten ein, welche das „materialistische“ Zeitalter ablösen wollen und zu dem Zweck „in Geist“ „machen“. Wahrlich, man kann geradezu in „Geist“ ersaufen, soviel Angebot ist da. Niemand wünscht heißer eine geistige Wiedergeburt unseres Volkes, als wir; aber die Art und Weise, wie sie heute reklamemäßig aufgezogen wird, ist eine geistige Erkrankung unseres Volkes.

Im „Tag“ preist Herr Graf Keyserlingk den großen indischen Dichter Rabindranath Tagore, der jetzt nach Darmstadt gekommen ist, um Deutschland zu „erlösen“. Also auf nach Darmstadt! In Stuttgart sitzen Tausende von Menschen zu den Füßen von Steiner oder von einem neuen Totenerwecker oder in der Zeltmission oder bei anderen Brüdern von „Geist“, welche den Mut haben, 50 Mk. Eintrittspreis dafür zu verlangen, daß einer zu ihnen spricht, der die Erlösung der Welt in sich verkörpert mit den Worten „Ich bin die Wahrheit und das Leben.“

Freilich wehren sich besonders die Anhänger von Herrn Steiner mit allen Mitteln dagegen, daß man ihren Heiligen in eine solche Linie einrückt. Ein umfangreiches Werk „Vom Lebenwerk Rudolf Steiners“ (Verlag Ch. Kaiser, München) ist erschienen, in welchem er als eine „Hoffnung neuer Kultur“ in allen Tonarten gepriesen wird. Auf Schweizer Boden zu Dornach hat man einen Steinertempel errichtet, mit dem außerordentlich bescheidenen Titel „Goetheanum!“ 5 Millionen Franken sollen dafür verwendet worden sein, und man fragt sich manchmal, woher diese Gelder zusammengeströmt sind. (Für den „kommenden Tag“ werden Aktienbeteiligungen auch in die Millionen gesucht!) Jedenfalls scheint es uns kein Vorzug dieser „Schöpfung“ zu sein, daß auch während des Krieges dort vor Vertretern aller Nationen Vorträge gehalten werden konnten.

Der Stil dieses Kunstwerks wird in der Zeitschrift „Die Drei“ als eine „neue Offenbarung“ hingestellt. Steiner habe selbst den Bau geleitet, daraus erhelle seine geistige Bedeutung.

Aber genug! Steiner hat das Recht, daß man sich mit ihm selbst auseinandersetzt. Niemals haben wir freilich das Verfahren der alten gnostischen Sekten und Dialektiker so fein ausgebildet gefunden, wie hier. Man behandelt alle Bücherweisheit und Wissenschaft der alten Zeit verächtlich, zugleich aber weist man den Leser von einem Buch auf das andere, wenn er die wahre Lehre des Meisters der Weisheit, Steiner kennen lernen will. Fragt man, was er eigentlich mit seiner Behauptung will, wird man auf ein weiteres Buch verwiesen; findet man hier die Antwort nicht, dann heißt es: Sie müssen eben dort nachschlagen, da stehts! Und so geht die Sache weiter. Die berühmte „Dreigliederung des sozialen Organismus“ beruft sich auf die „Kernpunkte“ der sozialen Frage oder auf den „Aufruf an das deutsche Volk und an die Kulturwelt“ oder auf die „Philosophie der Freiheit“ usw. Dieses Verfahren ist wohl berechnet. Es soll eine Weihrauchwolke von Erkenntnis und Geheimnissen verbreitet werden, welche vor allem auf den Halbgebildeten einen verwirrenden Eindruck des Staunens und der Bewunderung ausübt. Man läßt den Jünger gar nicht zu eigenem Bewußtsein kommen. Jeder Einwand der gesunden Vernunft wird niedergeschlagen, indem auf eine neue „Enthüllung“ aufmerksam gemacht wird. Bei der Gelegenheit kauft man sich ein Buch nach dem andern und ist nachher – so klug wie zuvor! Aber der Zweck ist erreicht: die meisten sind müde geworden und glauben, daß schließlich „eben doch etwas dahintersteckt“.

Dazu kommt ein anderer Kniff. Von vornherein stellt sich Steiner selbst als Märtyrer hin, der verhöhnt wird. Auch in seinem Buch über die Dreigliederung rechnet er bereits mit dem Hohn, der eben ertragen werden muß, und wenn dann die Zeit vorbei sei, – dann, ja dann „werden selbst die verbohrtesten Menschen nicht mehr standhalten gegenüber der Idee der sozialen Dreigliederung“. Das ist wieder sehr geschickt gemacht. Für den Angegriffenen werden so von vornherein Sympathien erweckt, ohne daß überhaupt eine sachliche Wertung und geistige Auseinandersetzung stattgefunden hat. Diese selbst wird von vornherein in ihrer Wirkung herabgesetzt.

Aber sind wir nicht ungerecht? Bedeutet die Erscheinung Steiners nicht wenigstens insofern Glück, als er aus dem materialistischen Zeitalter herausführt und die Menschen wieder zu „geistiger Vertiefung“ anleitet? Wir bestreiten das rundweg. Es ist lange nicht alles Geist, was sich so nennt. Im Gegenteil. Die Art geistiger Vertiefung, wie sie Steiner durch seine mystischen Konzentrationsmittel auf der einen Seite und durch seine Hellseherei auf der anderen Seite herbeiführt, bedeutet nur eine neue Materialisierung des Geistes. Er wird dadurch an die Oberfläche gezogen. Man kann in Geist machen – eine herrliche Gelegenheit für hysterische Männer und Frauen! Geist ist aber etwas anderes, als mystische Versenkung und hellseherische Fähigkeiten. Will man die Art echten Geistes kennen lernen, muß man zu den Helden des Geistes gehen. Sie reden sehr wenig von Geist, sondern sind Geist; sie geben keine Apparate und Präparate, sondern schaffen Charaktere. Wirklicher Geist ist nämlich zuletzt nichts anderes, als Charakter. Die Vertiefung des Charakters hat nichts zu tun mit jener räumlich arbeitenden, oberflächlichen Kultur einer gesteigerten Nervenerregung und einer Anlage Einzelner zu gewisser Fernsicht, welche geradezu ein Anreiz zu krankhaften Erscheinungen ist, sobald sie von einer nervös erregten, halbgebildeten Menge in Anspruch genommen wird. Daß wir mit dieser schroffen Kritik nicht Unrecht haben, beweist die andere Tatsache, daß Dr. Steiner zwar die materialistische Geschichtsauffassung eines Marx ablehnt, im Grund aber mit ihr arbeitet. Er gibt ihr vollständig recht für die Vergangenheit, behauptet, daß in der Zeit vor dem Kriege tatsächlich das Geistes- und Rechtsleben nichts anderes gewesen sei, als ein Überbau des wirtschaftlichen Lebens. Nur für die Zukunft soll es anders sein, laut seiner Idee der Dreigliederung. Man kann aber den Teufel nicht mit dem Beelzebub austreiben. Wenn man sieht, wie in der Zeitschrift „Die Drei“ ein Schüler von Herrn Steiner sich an Kant vergreift und seine Erkenntnis lächerlich macht als Erzeugnis eines „Besitzinstikts“, dann hat man hier ein so krasses Beispiel materialistischer Geschichtsauffassung, wie man es geschmackloser und abstoßender gar nicht erleben kann. Das Jonglieren mit allen Begriffen und Vorstellungen gehört gerade zu dem Geheimnis, den Menschen, den man zum Jünger machen will, möglichst irre zu mache, zu umnebeln, um ihn dann willenlos für die tiefe Erkenntnis des Steinerproblems heranreifen zu lassen. Im „Boschzünder“ rechnet Otto Debatin mit Rudolf Steiner glänzend ab. Als gesunder Mensch meint er: „Ich habe nun einmal eine gefühlsmäßige Abneigung gegen eine ‚geistige‘ Bewegung, in der Inkarnationen, Zigarettenreklame, Dreigliederung, Schulreform, Hellseherei, eurhythmische Tanzkünste, Tempelarchitektur, wirtschaftliche Assoziationen und noch vieles andere mehr zu einer seltsamen Mischung verarbeitet werden.“

Was sagt denn nun eigentlich Rudolf Steiner über die berühmte Dreigliederung selbst? Im Gegensatz zur Vergangenheit sollen künftig die Gebiete des geistigen, wirtschaftlichen und rechtlichen Lebens „selbständig nebeneinander“ sich entfalten. Es müsse ein Wirtschaftsleben entstehen, in dem „nur Gütererzeugung und Güterzirkulation sachgemäß verwaltet“ werden, in dem aber aus der Stellung des Menschen in dem Wirtschaftskreislauf „nichts bewirkt wird für seine rechtliche Stellung zu anderen Menschen und für die Möglichkeit, die in ihm veranlagten Fähigkeiten durch Erziehung und Schule zur Entfaltung zu bringen.“ Wie wird nun das Wirtschaftsleben gestaltet? In der Form von „Assoziationen, die als gleichgerichtete Wirtschaftszweige sich einander angliedern und durch ihre Organe der Idee der Dreigliederung verwalten.“ Dabei darf das Rechtsleben helfen; es soll aber beileibe nicht zu tun haben mit der Form des „alten Re-gierens“. „An die Stelle des alten Regierens tritt die Idee des dreigliedri-gen sozialen Organismus“ (wörtlich so ausgedrückt!). Diese Idee wird (also: sie wird!) die Beziehung der Menschen „so regeln, wie sie demokratisch der mündig gewordene Mensch dem mündig gewordenen Menschen gegenüber regeln kann, ohne daß bei dieser Regelung die Macht mitspricht. Denn das „geistige Leben“ sei eben die Hauptsache. Die Erziehung soll nur „freie Menschen“ schaffen. Es sei ein Unding, daß Staat und Wirtschaft die Menschen ausbilden wollten, so daß sie sich für ein bestimmtes Amt eigneten. Was ein Mensch in einem bestimmten Lebensalter wissen und können soll, das muß sich „aus der Menschennatur heraus ergeben“. Staat und Wirtschaft werden sich so gestalten müssen, daß sie den Forderungen der Menschennatur entsprechen. Nicht der Staat oder das Wirtschaftsleben haben zu sagen „so brauchen wir den Menschen“, sondern „das geistige Glied des sozialen Organismus soll aus seiner Selbstverwaltung heraus die entsprechend begabten Menschen zu einem gewissen Grad der Ausbildung bringen und Staat und Wirtschaft sollen sich gemäß den Ergebnissen der Arbeit im geistigen Glied (!!) einrichten“. Deshalb wird die völlige Losreißung des Unterrichtswesens vom Staats- und Wirt-schaftsleben verlangt. Die Menschen müssen aus dem „frei auf sich ge-stellten Geistesleben“ die Lebensantriebe empfangen, welche durch die bisherigen Regierungsimpulse in ihnen wirkten. Die Wirtschaftsverwaltung muß von „jedem politisch rechtlichem Machteinschlag befreit werden“. Die Wirtschaft soll sich allein nach Richtlinien bestimmen lassen, die sich „aus dem Quell der Wirtschaft und deren Interessen ergeben“. Menschenwesen soll auf Menschenwesen in völliger Freiheit wirken. Deshalb darf aber die Wirtschaft ja nicht eine freie sein. Der freie Markt ist nach Steiners Auffassung die Quelle alles Übels. Alle Wirtschaft muß dem Zufall des Marktes entrissen werden. Zwischen Konsum und Produktion muß in vernunftgemäßer Weise eine Vermittlung stattfinden.

Das sind im wesentlichen die erschütternden Grundgedanken der vielberühmten und angestaunten „Dreigliederung“, welche nun mit Dampfkraft arbeitet; eine Waldorfschule in der Nähe von Stuttgart ist errichtet, die mit großen Kapitalien des Herrn Kommerzienrat Molt Menschen anstellt, Dutzende von jungen Leuten verzaubert, und man brüstet sich, ein Allheilmittel für die Rettung der Welt gefunden zu haben. Jedes nähere Eingehen auf die Frage, wie denn diese „Idee“ nun praktisch wirken soll, widerspricht einem so großen Geist wie Dr. Steiner. Er enthüllt die wunderbare Weisheit: „Die Einzelheiten des Wirtschaftslebens sind unermeßlich viel.“ Dafür können keine Weisungen gemacht werden. Aber „wer nach den Kernpunkten der sozialen Frage arbeitet, wird das Zurechtkommen um so besser gestalten, je sachgemäßer man verfährt“. Jeder Mensch, der sich einigermaßen mit Volkswirtschaft abgegeben hat, geschweige wer sich Jahrzehnte damit beschäftigt hat, wird mit Recht wütend über eine derartige hochmütige Salbaderei. Aber das paßt eben zum Ganzen. Die „Idee“ wird es machen. Diese „Idee“ ist nichts als ein leerer Rahmen. Aber sie arbeitet „von selbst“, und wer sich ihr anvertraut, wird schon den rechten Weg finden, und er hat dabei den Vorzug, Schüler einer „Idee“ zu sein. Ideen hat ja nur Herr Steiner; alle die Leute, die unser Wirtschaftsleben groß gemacht und darüber sich Rechenschaft gegeben haben, sind Stümper. Die Dreigliederung marschiert! Die Zeitschriften über die Dreigliederung wachsen. Die Dreigliederung wird angebetet. Wehe dem, der den Kniefall weigert! Er versteht nichts, er ist „Materialis“. Der Geist beginnt erst in der internationalen Bücherei für Sozial- und Geisteswissenschaften des kommenden Tags, Aktiengesellschaft für Anthroposophie und Dreigliederung – hast du noch Atem? Ich nicht! Aber wenn du keinen Atem mehr hast, dann bist du ja ein freier Mensch und würdig, einzugehen zu den Freuden der Erkenntnismysterien von Dornach! Herrgott, behüte mich! ich habe noch Atem und sage: Das ist alles dilettantenhafter Schwindel, weiter nichts. Ich schäme mich, daß ein Deutscher die ehrliche soziale Arbeit von Geschlechtern in Theorie und Praxis so „verbessert“, ohne etwas darin zu arbeiten!

Nicht aus Neid oder Übermut oder Unkenntnis schreiben wir so bitter über diese heutigen Erscheinungen, sondern wir sagen: Wenn ein Mensch früher sich erlaubt hätte, solche allgemeine Oberflächlichkeiten zu sagen, so wäre man eben über ihn zur Tagesordnung übergegangen und hätte höchstens gedacht, schade für das Papier! Daß einer aber hervortritt und mit solchen allgemeinsten Redensarten es fertig bringt, erwachsene Menschen zu „begeistern“, das ist ein entsetzliches Zeugnis für den geistigen Tiefstand unseres Volkes oder vielmehr für die ungeheure Halbbildung unserer sogenannten gebildeten Kreise. Denn die Steinerschen Gedanken werden getragen von der sogenannten „Intelligenz“. Ein wesentlicher Charakterzug dieser Intelligenz ist aber der, in ihrem Denken gedankenlos zu sein und in ihrer Arbeit keine Stetigkeit und Zähigkeit zu besitzen. Oder urteilen wir wirklich zu stark?

Der Hauptfeind Steiners ist der Staat. Alles richtet sich gegen den Staat. Der Staat ist für ihn nur Macht und Gewalt. Weiter nichts. Kein Wunder, daß man kaum einen Ansatz in seinen Gedanken davon findet, was Staat und nationales Leben für ein Volk und seine Kultur bedeuten. Dabei geht er von der falschen Voraussetzung aus, daß die alte Auffassung, welche im Staat eine unentbehrliche Kraft der Lebensentfaltung gesehen hat, „zu Ende sei“. Wenn sich Steiner nämlich darauf beruft, daß „die eine Gruppe von Menschen, aus der die führenden Persönlichkeiten vor dem Kriege hervorgegangen sind, noch in den Anschauungen lebe, die zum Niedergang geführt haben“, so möchten wir ihn fragen, ob denn diese Gedanken bei den Franzosen, Engländern und Amerikanern auch zum Niedergang geführt haben? Sie führten weder dort zum Niedergang noch bei uns, aber bei uns hat man diesen Gedanken nicht geglaubt. Bei uns vertraute man nicht dem Staat, sondern der materialistischen Geschichtsauffassung von Marx und Engels und darum sind wir besiegt worden. Frankreich und England aber sind mit denselben Gedanken aus dem Kriege herausge-kommen, wie sie ihn geführt haben, nämlich im Bewußtsein der Größe und Macht des Staatsgedankens. Und es gehört ein ungeheurer Trug-schluß dazu, uns jetzt zu nasführen und dem Staat die Schuld an unserem Niedergang zu geben. Ach ja! Des Pudels Kern der ganzen Steinerschen Werbearbeit ist: Der Anhänger des alten Staatsgedankens soll als ideenlos, materialistisch hingestellt werden. „Geist will“ man dem deutschen Volk zu trinken geben, bis es vollends ganz – geistlos – wird und die verachtet, die noch Geist und Charakter genug haben, um in Zucht, Gehorsam, Ehrfurcht, Autorität, Wehrhaftigkeit keine brutale Macht, sondern die Erziehung zu beglückender Mannhaftigkeit zu erkennen, ohne die es keine Erlösung gibt. Lassen wir all diese Narrheiten beiseite, als ob der offene, freie Markt beiseite geschafft werden müsse. Wer heut noch nicht begreift, daß wir durch all die Assoziationen und Zwangswirtschaften entsittlicht und entnervt worden sind, dem ist nicht zu helfen. Halten wir uns nicht bei der Verlogenheit eines falschen Liberalismus auf, der meint, durch Einsicht und Verständigung auf die dauernde Besserung der Menschen zu wirken, und der das gute Wort „Freiheit“, das die deutsche Sprache mit reichem Inhalt von Frieden und Huld gefüllt hat, auflöst in eine Nebelwelt von freiem Menschentum, die die Verantwortung gegenüber dem Staat als lästige Fessel empfindet, und nur ihren eigenen Anlagen dienen. Lassen wir auch die Kindlichkeit beiseite, mit welcher in der Zeitschrift „Drei“ über die pädagogischen Tiefen der neuen Erziehung erzählt wird. Wir werden uns damit am andern Ort beschäftigen. Hier kommt es uns allein darauf an, zu zeigen, daß dieser neue „Geist“ in bewußten Gegensatz treten soll zu der staatlichen Weltauffassung und so das arme deutsche Volk, das seinen eigenen Staat tatsächlich schon verloren hat, nun noch die geistige Rechtfertigung für diese ungeheure Schuld erfahren soll. Der neue „Geist“ verführt die Anhänger, weil er wenig Forderungen und Pflichten kennt, weil er mit einer ungeheuren Einbildung auftritt, die Schlüssel zu den Welträtseln zu besitzen, weil er die einzigartige politische Armseligkeit unseres Volkes noch als Zeugnis des „Geistes“ verwertet, der nichts vom Staat, sondern nur von Geistespflege wissen darf.

Wir haben keine Lust, andere zu kritisieren, und wünschten, heutzutage mit allen zu leiden, damit alle zur Tat neugeboren werden. Aber hier handelt es sich um die Pflicht des Seelsorgers. Die Seele unseres Volkes darf uns nicht mit geistigen Dämpfen verwirrt, sondern muß in herbe Zucht sittlicher Pflicht zum Vaterland genommen werden, damit sie wieder gesundet. Aus Steiners Schriften weht kein erfrischender, gesunder Geist. Der geschäftemachende Weise moderne Art ist kein Erlöser. Und es ist ein Satyrspiel, wie uns eine Okkultistin Frau Elsbeth Ebertin aus Bamberg schreibt, daß Herr Dr. Steiner „unter sehr kritischen Aspekten“ stehe. „Vom astrologischen Standpunkt“ aus ist es ihr geradezu erstaunlich, wie sich sein vorhergesagtes Schicksal erfülle. Man könne ihn in Anbetracht des drohenden Unheils bedauern. Denn er gehöre „zu den – Februargeborenen des Jahres 1861, die unterm besonders ungünstigen Zeichen des Uranus stehen!“ Na also! Herr Fehrenbach, der verflossene Reichskanzler, schrieb der Dame, daß er „zu den Januargeborenen gehöre und sich hoffentlich das Glück der Januargeborenen erfülle!“

Der arme Januargeborene hatte Pech! Aber es ist bezeichnend, daß ein deutscher Reichskanzler in den Tagen um Spaa überhaupt sich noch Zeit nimmt, über astrologische Dinge mit einer Dame zu scherzen. In welcher Stickluft soll nach dem Willen unserer Regierenden unseres deutschen Volkes Seele atmen! Sie soll nach ihrem Willen verdummen und sich verrenken vor Geistigkeit und sternguckerischem Geistreichtum. Denn wir sind halt bestimmt zum Volk der Dichter und Denker!

Gott sei Dank haben wir die große Zeit erlebt. Das war im Krieg. Damals standen wir auf der Höhe, als man sang: Deutschland muß leben, auch wenn wir sterben müssen.

Quelle: Deutschlands Erneuerung – Monatsschrift für das deutsche Volk, 5. Jahrgang 1921, Heft 8, August, S. 458–463