Die Unkräuter des Altvatergebirges im Volksmund

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Floh-Knöterich (Polygonum persicaria)
Ampfer-Knöterich (Polygonum lapathifolium)
Weißer Gänsefuß (Chenopodium album)

Die Unkräuter des Altvatergebirges im Volksmund ist ein Artikel von Alois Klee aus der Zeitschrift Altvater – Zeitschrift des mähr.-schles. Sudeten-Gebirgs-Vereins (Ausgabe März/April 1963), der die volkstümlichen nordmährischen Bezeichnungen der dort vorkommenden Unkrautsorten wiedergibt.

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Die nachstehenden Aufzeichnungen beziehen sich in erster Linie auf den Kreis Römerstadt, also auf durchwegs hohe Anbaulagen. Es mögen daher einzelne Angaben fehlen, soferne in gewissen Gebieten des Altvaterlandes noch andere Volksnamen für dieses oder jenes Unkraut entstanden waren oder Unkräuter vorkamen, die man in den hohen Lagen des Kreises Römerstadt nicht kannte.

Daß gerade das Altvatergebiet mehr als manches andere volkstümliche Unkrautnamen entwickelt hatte, ist in erster Linie dem dort heimischen Leinbau zu danken. Während der Bauer dieser Landschaft in Getreide und Hackfrucht einiges Unkraut in Kauf nahm, war er beim Lein auf tunlichste Sauberkeit des Bestandes erpicht. Das hatte seine triftigen Gründe. Denn beim Lein schmälerte ein starker Unkrautbesatz nicht nur wie bei anderen Pflanzen den Ertrag, sondern verschlechterte auch im hohen Maße die Güte und Veredlungsfähigkeit des Erntegutes. Verunkrauteter Flachs gab weniger Ausbeute und daher weniger Geld.

Der Kampf gegen die Unkräuter im Lein mußte mangels brauchbarer mechanischer und chemischer Hilfsmittel fast ausschließlich mit Handarbeit geführt werden. So stellte denn auch das Flachsjäten eine erhebliche Arbeitslast dar. Dabei mußte manche Unkrautart tausendmal in die Hand genommen werden und das hat wohl dazu geführt, daß sich feste Bezeichnungen für die leicht erkennbaren und häufigsten Unkräuter einbürgerten.

Da das Jäten des Flachses bei der Männerwelt höchst unbeliebt war, fiel diese Arbeit in der Regel den Frauen und der Jugend zu und manche in Ehren und Arbeit grau gewordene Flachsjäterin war in der Kenntnis der üblichen Unkrautnamen erstaunlich bewandert. Der Bauer selbst pflegte sich am Kampf gegen das Unkraut hauptsächlich bei der Reinigung des Saatgutes zu beteiligen. Da es in früherer Zeit noch an leistungsfähigen und gut arbeitenden Reinigungsmaschinen fehlte, war man auf handbetriebene Geräte wie endloses Tuch, Leinklapper und verschiedene Handsiebe angewiesen. Diese Hilfsmittel vermochten, kombiniert angewandt, ein sauberes Saatgut zu ergeben, stellten aber an die Geduld des Bauern beachtliche Anforderungen. Dabei hatte der Bauer Gelegenheit, die Unkrautsnamen gründlich kennen zu lernen und man übertreibt nicht mit der Behauptung, daß in Kenntnis der Unkrautsnamen die alten Flachsbauern ihren Berufsgenossen aus anderen Gebieten weit überlegen waren.

Auf botanische Genauigkeiten ließ sich der Volksmund begreiflicherweise nicht ein. So wurden die im Lein ebenso unbeliebten wie häufigen Knötericharten (Polygonum persicaria und lapathifolium) gemeinsam als R o t i c h bezeichnet. Auch die vorkommenden dreierlei Arten der Gattung Gänsedistel (Sonchus) wurden allesamt als M i l c h- oder S a u d i s t e l benannt. Die Unkrautwicken (Vicia hirsuta, tetrasperma und angustifolia) führten alle die Bezeichnung V o g e l w i c k e, obwohl die richtige Vogelwicke (Vicia cracca) gar kein Unkraut, sondern eine wertvolle Wiesenpflanze ist. Ähnliches geschah mit dem weißen Gänsefuß (Chenopodium album) und der Melde (Attriplex patula), die kurzerhand beide als Melde, mundartlich als M ö a d, angesprochen wurden. Die auf dem Acker verhaßten Ampferarten – „das sind meine größten Feinde“, sagte einmal ein Herzogsdorfer Bauer – der Krause und der Grindampfer (Rumex crispus und obtusifolius), die allerdings nur ein Kenner unterscheiden kann, führten beide den Namen O c h s e n z u n g e. Sie störten nicht nur auf dem Acker, sondern waren vielfach auch eine zweifelhafte Verzierung auf Hauswiesen, wenn sich auf diese die überlaufende Jauche ergoß.

Die Flachsjäter hatten vielfach Ursache, sich über einzelne typische Leinunkräuter besonders zu ärgern. Dahin gehörten der Leinlolch (Lolium remotum), genannt L e i t g r a s, der Erdrauch (Fumaria officinalis), den man A l t b r a u t nannte, der windende Knöterich (Polygonum convolvulus), einfach als W i n d bezeichnet, schließlich die Hanfnessel oder der Hohlzahn (Galeopsis ladanum), der den Namen L u g n trug. Dazu kamen vielfach andere, keineswegs auf den Leinacker beschränkte Unkräuter, wie der Hederich (Raphanus raphanistrum), dessen Namen der Volksmund auf H a t s c h e r i c h umformte, oder der Ackerschachtelhalm (Equisetum arvense), allgemein als K a t z e n s c h w a n z bezeichnet, vielfach auch das Feldtäschel- oder Hellerkraut (Thlaspi arvense), das man mundartgerecht T a s c h l e k r a u t nannte.

In mißratenen Kleefeldern tobten sich die Hundskamille (Anthemis arvensis), als H u n d s b l u m e jedem Bauernkind bekannt, und der kleine Sauerampfer (Rumex acetosella), den der Volksmund als S a u e r u m p benannte, zum Ärger des betroffenen Bauern aus. Noch ärgerlicher war das gelegentliche Auftreten von Kleeseide (Cuscuta trifolii), die man als N e s s e l s e i d e bezeichnete, wahrscheinlich aus der Beobachtung her, daß eine Abart dieser Schmarotzerpflanze auf Brennesseln wucherte. Wenig geratene Kleefelder zeigten oft genug noch einen weiteren, in Massen auftretenden Gast, den Spitzwegerich (Plantago lanceolata), dem die Bauern den etwas spöttisch gemeinten Namen A p o t h e k e r g r a s beilegten.

Von anderen Unkräutern wären noch einige Volksbezeichnungen zu verzeichnen. So wurde die früher recht häufige, im Zeitalter der besseren Saatgutreinigung aber selten gewordenen Roggentrespe (Bromus secalinus) als T r a s p, der auf den Getreidewurzeln schmarotzenden Klappertopf beider Formen (Alectorolophus major und hirsutus) als K l a f f e r, die Kornrade (Agrostemna githago) als R a d – meist als R a t gesprochen – die im Hausgarten und auf Rübenäckern häufige Vogelmiere (Stellaria media) als M e i e r und die verhaßte Quecke (Agropyron repens) in der Regel mit dem Mehrzahlwort d i e Q u a c k e n benannt. Auch hier nahm man es nicht so genau und bezog den Ausruck Quacken auch auf andere unter- oder oberirdische Grastriebe.

Ungebetene Gäste im Getreide waren auch das Klettenlabkraut (Galium aparine), K l a b e r genannt, und der zwar wenig schädliche, aber einen unvorteilhaften Ackerzustand anzeigende Ackerknaul (Sclerantus annuus), den die Mundart als K n ö j zu bezeichnen gebot. Einige Unkräuter entbehrten einer Volksbezeichnung und trugen auch im bäuerlichen Alltag die richtigen botanischen Namen. Dazu gehörten die Ackerdistel (Cirsium arvense), das Ackerstiefmütterchen (Viola tricolor), die Kornblume (Centaurea cyanus) und der Huflattich (Tussilago farfara). — Für manche belanglosere Unkrautarten wie Ackerspörgel (Spergula arvensis), purpurrote Taubnessel (Lamium purpureum), Ackervergißmeinnicht (Myosotis arvensis), weiches Honiggras (Holcus mollis), Hirtentäschel (Capsella bursa pastoris) und andere hatte man vielfach gar keinen Namen in Benützung. Was man nicht kannte, galt einfach als „Gras“, obwohl es sich dabei fast niemals um wirkliches Gras handelte.

Auf Grasflächen erfreute sich dagegen der Löwenzahn (Taraxacum officinale) der Sonderbezeichnung M a i p u m p e, während an den Wasserläufen die dort wirklich zur Pest ausgeartete Pestwurz (Petasites) den Namen L a t t i c h trug. An den Grenzen von Gras- und Ackerland waren auch der Geisfuß (Aegopodium podagraris) unter dem Namen G i e r s c h und der Rainfarn (Tanacetum vulgare) heimisch, dessen Name auf R ä m p f e r vereinfacht wurde. Seine drahtigen Stengel ragten selbst aus hoher Schneedecke noch hervor und seine Fruchtstände wurden in solcher Zeit von Distelfinken und Goldammern nach noch vorhandenen Samen durchsucht.

Es war ein Segen für unsere von der Natur nicht verwöhnten Gebirgsbauern, daß Boden und Klima das Vorhandensein einiger anderwärts viel Sorge verursachender Unkräuter verhinderten. Das gilt vor allem vom Ackersenf (Synapis arvensis), vom Flughafer (Avena fatua), vom Windhalm (Agrostis spica venti), von der Ackerwinde (Convovulus arvensis) und vom Franzosenkraut (Galinsoga parviflora).

Es ist anzunehmen, daß sich unter den neuen Herren des Landes und ihrer neuen Art der Bodenbewirtschaftung auch die Unkrautflora gewandelt haben wird. Ärmlicher wird sie nicht geworden sein, denn die ackerbauliche Sorgfalt unserer Gebirgsbauern dürfte mit diesen zugleich das Land verlassen haben.

Quelle: Altvater – Zeitschrift des mähr.-schles. Sudeten-Gebirgs-Vereins, Ausgabe März/April 1963, S. 52–53