Diskussion:Ginsburg, Alexander (1936)

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DER SPIEGEL 29/1988 vom 18.07.1988, Seite 50-51

Bei der Suche nach Millionensummen, die der ehemalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden verschwinden ließ, sind neue Spuren im Ausland aufgetaucht. *

Die drei Männer waren guten Mutes, als sie Ende November vergangenen Jahres im Bundesfinanzministerium vorsprachen. Werner Nachmann, damals Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, sein Generalsekretär Alexander Ginsburg und Saul Kagan von der New Yorker "Conference on Jewish Material Claims against Germany" wollten weitere Millionen für die jüdische Sache aushandeln. Die mehr als 400 Millionen Mark, die Bonn seit 1980 als Wiedergutmachung gezahlt hatte, waren nahezu aufgebraucht.

Als Ministerialbeamte zusätzliche Gelder in Aussicht stellten, zuckte Nachmann, erinnert sich ein Gesprächsteilnehmer, erschreckt zusammen. Denn die Ministerialen stellten eine Bedingung: Vorher wollten sie die Verwendung der bereits geflossenen Beträge prüfen lassen.

Der Schock muß bei dem Karlsruher Altwarenverwerter Nachmann, der insgesamt rund 33 Millionen Mark abgezweigt hatte, tief gesessen haben. Danach klagte er vor Freunden erstmals über Herzbeschwerden.

Auch etwas anderes deuten Vertraute des jüdischen Spitzenfunktionärs, der im Januar gestorben ist, im nachhinein als Reaktion auf seine Furcht, er könne erwischt werden. Zwischen Weihnachten und Neujahr flog Nachmann nach Spanien. Dort, vertraute er einem Bekannten an, habe er neue Kontakte für seine Altwarengeschäfte hergestellt.

Der Spanien-Trip zu einer Zeit, als es für Nachmann immer brenzliger wurde, beschäftigt nun die Prüfer, die immer noch nach den verschwundenen Summen suchen. Daß der Zentralratschef etliche Millionen auf der Iberischen Halbinsel gebunkert hat, meinen

Glaubensgenossen auch aus dem Verhalten seiner Witwe schließen zu können. Kurz nach dem Tod ihres Mannes habe Aviva Nachmann im Freundeskreis angedeutet, so ein Bekannter, sie müsse die Geschäfte weiterführen und dazu auch mal nach Spanien reisen; dort habe Nachmann etwas ganz Tolles aufgebaut.

Aktiv wurde die Witwe auch daheim. Am Tage nach seinem Tod, so erinnert sich eine langjährige Mitarbeiterin Nachmanns, sei Aviva Nachmann mit dem Familien-Anwalt im Büro des Zentralrats aufgetaucht. Beide hätten die Schreibtische durchwühlt und Unterlagen an Ort und Stelle vernichtet.

Vorrangig will der Zentralrat jetzt klären lassen, welche tollen Geschäfte Nachmann in Spanien getrieben hat oder ob er nur eine falsche Fährte legen wollte, um vom Verbleib der veruntreuten Gelder abzulenken. Als sicher jedenfalls erscheint Gläubigern und Glaubensgenossen, daß der Vorsitzende des Zentralrats erhebliche Summen ins Ausland transferiert hat - auf Nummernkonten in die Schweiz oder über elsässische Firmen, die als Geldwaschanlagen dienten, nach Frankreich.

Den verzweigten Kanälen des Geldabflusses spürt im Auftrag des Zentralrats nun auch das "Ermittlungsbüro für Industrie und Wirtschaft" des Frankfurter Detektivs Klaus-Dieter Matschke nach. Von der Staatsanwaltschaft verspricht sich der Acherner Konkursverwalter Eberhard Braun kaum Hilfe: "Die ermittelt gegen Unbekannt, und wenn sie nicht bald einen Mittäter hat, macht sie die Akte zu."

Immerhin erschließt sich dem Konkursverwalter mittlerweile, mit welchen Tricks Nachmann jahrelang Millionenbeträge, die er vom Zentralratskonto auf die Schrottfirma "Otto Nachmann" umbuchte, dort wieder herausholte. Nachmann verschleierte die Entnahmen, so steht es im 28 Seiten starken Braun-Bericht für das Konkursgericht, indem die Buchführung über den "Materialeinsatz im Zeitraum zwischen 1980 und 1986 erheblich manipuliert" wurde.

Braun errechnete eine "durchschnittliche Materialeinsatzquote von 89 Prozent" der Kosten, was "schlechterdings nicht sein kann". Ohne daß Nachmanns Karlsruher Firma Waren erhielt, sind laut Prüfbericht allein vier Millionen Mark an drei Firmen im elsässischen Bischwiller geflossen: an "LAffinerie de lEst SA", "LAffinerie Hirsch SARL" und die "Nachmann France SARL". Die Schrottfirmen haben ihren Sitz in der Rue de lIndustrie 7 und sind, so der Braun-Bericht, "eng mit der Person Werner Nachmann verbunden".

Bei der badisch-elsässischen Geldwäsche spielt nach Erkenntnissen Brauns der Kaufmann Bernard Hirsch aus Bischwiller "eine Schlüsselrolle". Der Mitinhaber der Schrottbetriebe behauptet jedoch, die Nachmann-Millionen seien auf den Firmenkonten nicht eingegangen. Mit möglichen Mauscheleien habe er "gar nichts zu tun".

Der Altwarenhändler aus dem Elsaß taucht aber auch in einem "Zwischenbericht" des Düsseldorfer Steuerberaters Heinz Penner über die Kontenbewegung des Zentralrats seit 1980 auf. In einer Aufstellung über insgesamt 29 Scheckzahlungen vom Konto einer elsässischen Bank erscheint Hirsch mit _(Mutter Hertha, Witwe Aviva und Sohn Marc ) _((hinten), bei der Trauerfeier für Werner ) _(Nachmann am 28. Januar. )

zweimal 100 000 und einmal 30 000 Mark.

Das umfangreiche Verzeichnis zeigt, wie ungeniert der "sanfte Bankräuber", so der israelische Publizist Henryk M. Broder über Nachmann, private Rechnungen mit Schecks des Zentralrats bezahlte. So flossen beispielsweise 285 000 Mark an den Baden-Badener Kaufmann Leo Keller, dem Nachmann das Geld für eine Eigentumswohnung schuldete, die er für seine Bekannte Brunhilde Harmening gekauft hatte.

Frau Harmening, die von Bekannten mal als Geliebte Nachmanns, mal als Strohfrau für seine Geschäfte geschildert wird, gehörte zu dem Personenkreis, der aus Zentralratsgeldern ständig bedacht wurde. Im Juni 1982 stellte ihr Nachmann zwei Schecks über 17 000 und 20 000 Mark aus. Damals gründete Nachmann zusammen mit Brunhilde Harmening und deren Tochter Yvonne Felsberg die Boutiquen-Kette "Yvonnes Moden". In das Unternehmen steckte er später sechseinhalb Millionen Mark, deren Verbleib noch unklar ist.

Schon beim Kauf der Kettenläden griff Nachmann nach Schecks des Zentralrats. Für die Filiale in München bediente er sich mit 50 000 Mark. Bei den Kaufverhandlungen, erinnert sich die frühere Inhaberin Gretel Schultes, hat er "um jeden Tausender rumgeschachert und, Gott hab ihn selig, seine Begleiterin ganz furchtbar behandelt".

Daß sich Nachmann jahrelang selbst bedienen konnte, wirft nun auch auf seinen langjährigen Generalsekretär Alexander Ginsburg, 73, ein schlechtes Licht. Konkreter Anlaß: Scheck Nr. 913 einer elsässischen Bank, datiert vom 9. Juni 1983, war ausgestellt auf Liesel Ginsburg, die Frau des Ende August ausscheidenden Funktionärs.

Der Version des Zentralrats, diese "mehr als peinliche" Zuwendung sei zur Finanzierung der Hochzeit des Ginsburg-Sohnes gedacht gewesen, als Geschenk oder Darlehen, widerspricht die Frau des Generalsekretärs. Sie habe Nachmann "nur einen Freundschaftsdienst" erwiesen: Er habe "wieder mal Bargeld gebraucht", sie habe den Scheck eingelöst und ihm die Scheine gegeben.

In Schwierigkeiten hat Nachmann mit seinem Millionenbetrug eine ganze Reihe von Personen und Organisationen gebracht. So schleuste er über die Konten des Oberrats der Israeliten Badens, dem Nachmann ebenfalls vorstand, rund zehn Millionen Mark des Zentralrats, die er größtenteils in seine Geschäfte steckte. Der Oberrat hat nun fällige Verbindlichkeiten von über drei Millionen Mark angehäuft; es droht die Zwangsversteigerung des jüdischen Gemeindezentrums Freiburg.

Nachmanns greise Mutter Hertha, 88, rechtmäßige Eigentümerin des Familienbetriebes "Otto Nachmann", haftet laut Konkursbericht "persönlich" für die Firmen-Verbindlichkeiten, die ihr Sohn einging. Dabei hatte die bescheiden lebende Frau durchschnittlich nur 6800 Mark im Jahr der Firma entnommen, Sohn Werner dagegen 230 000 Mark. Für das Haus Bismarckstraße 37 in Karlsruhe, in dem Nachmanns Mutter wohnt und das jetzt zwangsveräußert wird, sucht der Konkursverwalter deshalb nach einem Käufer, der es der Greisin "ermöglicht, den Lebensabend in diesem Haus vollends zu verbringen".

Daß Nachmann stets die Nähe der Prominenz suchte und fand, ist vor allem einigen Politikern nun unangenehm. Eine enge Beziehung pflegte Außenminister Hans-Dietrich Genscher zu dem Zentralratsvorsitzenden. Den "lieben Werner" lud der Liberale nebst Gattin schon mal zu sich nach Hause ein.

Auch vom Auswärtigen Amt (AA) ließ sich Nachmann bedienen. Bei einer Iran-Reise 1976, die Genschers Ministerbüro für ihn organisierte, bat Nachmann darum, den Besuch der Israel-Mission "zu streichen" und statt dessen "einen kurzen Ausflug an das Kaspische Meer" zu unternehmen. Die Unterbringung wünschte der Funktionär "in den entsprechenden Luxus-Hotels". Schon 1973 hatte das AA Nachmann einen Diplomatenpaß (Nr.G 18178) ausgestellt, der unter Genschers Amtsführung verlängert wurde. Eine Berechtigung zu dem Sonderstatus hatte er nach den Richtlinien des Ministeriums nicht.

Den Sonderausweis nutzte Nachmann vielfältig. Als er 1979 beim US-Generalkonsul in Stuttgart ein Visum für seine Frau Aviva beantragte, damit diese "an der Reise des Herrn Ministerpräsidenten Späth nach Amerika teilnehmen" könne, brachte er seinen Diplomatenstatus ins Spiel: Er selbst habe "einen deutschen diplomatenpaß" und ein US-Visum "Diplomatic No. 016082".

Auch auf Polizeibehörden übte Nachmann mit dem Diplomatenstatus Druck aus. So etwa, als er einen Sonderausweis beantragte - den Waffenschein. Mutter Hertha, Witwe Aviva und Sohn Marc (hinten), bei der Trauerfeier für Werner Nachmann am 28. Januar.

DER SPIEGEL 29/1988

Verwechselung

Hier haben die Artikelbearbeiter übersehen, daß es zwei Ginsburgs gibt. Einen Schriftsteller und einen Judenratssekretär (Alexander Ginsburg (Generalsekretär)). Dieser hier war nicht ZdJ-BRD Generalsekretär! --Wehrkraftverstaerker 00:51, 29. Lenzing (März) 2015 (CET)