Europas Schande
Europas Schande ist ein Gedicht von Günter Grass, welches am 26. Mai 2012 in der Süddeutschen Zeitung erschien. Grass zeigt in diesem Gedicht Verständnis für die Wut der Griechen (bzw. →Neugriechen), die sich von Europa verlassen fühlen, und verdreht damit einmal mehr die Tatsachen. Woher das Geld kommen soll, das den Griechen weiterhin einen angenehmen Lebensstandard ermöglicht, verschweigt Grass ebenso, wie die Tatsachen, daß in Griechenland Korruption, Steuerhinterziehung und Bilanzfälschungen zur Erlangung volkswirtschaftlicher Vorteile an der Tagesordnung sind.[1] [2][3]
Text
Dem Chaos nah, weil dem Markt nicht gerecht,
bist fern Du dem Land, das die Wiege Dir lieh.
Was mit der Seele gesucht, gefunden Dir galt,
wird abgetan nun, unter Schrottwert taxiert.
Als Schuldner nackt an den Pranger gestellt, leidet ein Land,
dem Dank zu schulden Dir Redensart war.
Zur Armut verurteiltes Land, dessen Reichtum
gepflegt Museen schmückt: von Dir gehütete Beute.
Die mit der Waffen Gewalt das inselgesegnete Land
heimgesucht, trugen zur Uniform Hölderlin im Tornister.
Kaum noch geduldetes Land, dessen Obristen von Dir
einst als Bündnispartner geduldet wurden.
Rechtloses Land, dem der Rechthaber Macht
den Gürtel enger und enger schnallt.
Dir trotzend trägt Antigone Schwarz und landesweit
kleidet Trauer das Volk, dessen Gast Du gewesen.
Außer Landes jedoch hat dem Krösus verwandtes Gefolge
alles, was gülden glänzt gehortet in Deinen Tresoren.
Sauf endlich, sauf! schreien der Kommissare Claqueure,
doch zornig gibt Sokrates Dir den Becher randvoll zurück.
Verfluchen im Chor, was eigen Dir ist, werden die Götter,
deren Olymp zu enteignen Dein Wille verlangt.
Geistlos verkümmern wirst Du ohne das Land,
dessen Geist Dich, Europa, erdachte.