Urteil im Sobibor-Prozeß in Berlin vom 8. Mai 1950

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Im Mai 1950 kam es in Berlin zu einem Prozeß gegen den ehemaligen Kraftfahrer im KL Sobibor, Erich Hermann Bauer. Im Folgenden ist das Urteil vom 8. Mai 1950 wiedergegeben.

Quelle
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LG Berlin vom 8.5.1950, PKs 3/50

Im Namen des Volkes

Strafsache gegen

den Kraftfahrer Erich Hermann Bauer, geboren am 26. März 1900 in Berlin, wohnhaft in Berlin, seit dem 2. August 1949 in dieser Sache in Untersuchungshaft in Alt-Moabit

wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit.

Das Schwurgericht des Landgerichts in Berlin hat in der Sitzung vom 8. Mai 1950 für Recht erkannt:

Der Angeklagte wird wegen fortgesetzten Verbrechens gegen die Menschlichkeit zum Tode verurteilt. Ihm werden die bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit aberkannt. Er hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

GRÜNDE

Der Angeklagte ist im Jahre 1900 als Sohn eines Tapezierers und Dekorateurs als das mittlere von drei Kindern geboren. Er besuchte vom 6. bis zum 14. Lebensjahr in Berlin die Volksschule, ohne sitzen zu bleiben. Anschließend daran erlernte er das Dreherhandwerk. Seine Gesellenprüfung legte er nicht ab, da er inzwischen beim 3. Jägerbataillon als Soldat eingezogen wurde. Ohne verwundet zu werden, kämpfte er in Frankreich bis zum September 1918 und geriet dann in französische Gefangenschaft, aus der er Anfang 1920 entlassen wurde. Nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft arbeitete er als Packer und Hausdiener bei einer Berliner Firma. Von seinen Ersparnissen erlernte er die Marmorschleiferei und nahm an einem Fahrkursus teil. Von 1923 an war er als Kraftfahrer tätig. Von 1933 bis zum Jahre 1940 arbeitete er als Straßenbahnschaffner bei der BVG. 1940 wurde er als Kraftfahrer zur Wehrmacht eingezogen. Er wurde bei einer Krankentransportkolonne eingesetzt, deren Tätigkeit darin bestand, mit Krankenautos Verwundete aus dem Lazarett abzuholen oder Soldaten, die im Urlaub erkrankt waren, aus den Wohnungen zum Lazarett zu transportieren. In dieser Stellung verblieb er bis Anfang 1942 in Berlin. Unwiderlegt behauptet der Angeklagte, ohne einen Antrag gestellt zu haben, plötzlich als Kraftfahrer der Polizei zugeteilt worden und nach 14 Tagen in dieser Eigenschaft nach Lublin in Polen gekommen zu sein. Dort war er der Dienststelle des höheren SS- und Polizeiführers Lublin als Kraftfahrer unterstellt und kam wenige Tage später zum SS-Kommando Sobibor, dem das Konzentrationslager Sobibor unterstand. Dort erhielt er statt seiner Polizeiuniform eine SS-Uniform. Bei der Polizei in Berlin hatte er den Dienstgrad eines Oberwachtmeisters, im Konzentrationslager Sobibor die Stellung eines Oberscharführers bekleidet. Nach Auflösung des Lagers im Dezember 1943 kam er zu seiner Polizeieinheit nach Lublin zurück und wurde dann zur Ordnungspolizei nach Triest abkommandiert. Dort war er als Kraftfahrer tätig. Nachdem er Mitte April 1945 seine Einheit verloren hatte, setzte er sich mit einigen Kameraden nach der Heimat ab. Bei Kriegsende geriet er in Kärnten in amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der er 1946 entlassen wurde. Bei seiner Rückkehr nach Berlin im Jahre 1947 arbeitete er bis zu seiner Verhaftung als Trümmerarbeiter.

Der Angeklagte, der sich bis zum Jahre 1933 nicht mit Politik befaßt hatte, trat 1933 – angeblich auf Wunsch der Direktion der BVG – in die SA ein und hatte dort den Rang eines Scharführers inne. Auf Vorschlag der SA wurde er auf seinen Antrag in die Partei aufgenommen. Am 30. Juli 1949 wurde der Angeklagte nach vorheriger mündlicher Verhandlung von der Entnazifizierungskommission Kreuzberg entnazifiziert. Dieser Behörde will er nur den ausgefüllten Fragebogen, dagegen aber keinen Lebenslauf eingereicht haben. Seine Tätigkeit im Lager Sobibor verschwieg er, da er danach nicht gefragt worden sei. Als Entlastungszeugen hatte er – nach seiner Einlassung – frühere Arbeitskameraden der BVG gestellt, die auch vernommen worden seien. Im Jahre 1927 trat der Angeklagte aus der evangelischen Religionsgemeinschaft aus. Der Angeklagte ist bisher nicht vorbestraft.

Das im Jahre 1942 in Polen angelegte Konzentrationslager Sobibor, das zur Vergasung ausländischer Juden diente, lag ungefähr 120 km von Lublin entfernt. Es wurde verwaltet von 30 Mann Besatzung, zum Teil SS-Angehörigen, zum Teil Personen, die wie der Angeklagte in SS-Uniformen eingekleidet waren, außerdem lebten dort Wachmannschaften, die sich aus den Reihen der Ukrainer zusammensetzten. Das Lager bestand aus drei Teilen, den Lagern I, II und III. Die Lager I und II waren als Unterkunft der Bewohner des Lagers, unter denen sich auch arbeitende jüdische Häftlinge befanden, bestimmt, während Lager III als „Bad für Juden“ erkennbar gemacht und nach außen getarnt, die Gaskammer war, in der die eingelieferten jüdischen Häftlinge vergast wurden. Die Gaskammer bestand aus einem massiven Gebäude, das mit Lager II durch einen gewundenen 2–3 m breiten Schlauchgang verbunden war. Dieser Gang war mit Stacheldraht umfriedet und durch dazwischen geflochtenes Reisig gegen Sicht getarnt. Nach einem Bericht der War Crimes Commission sollen nach Angaben polnischer Bahnarbeiter, die an der Sobibor Bahnstation damals beschäftigt waren, in Verbindung mit Angaben von früheren überlebenden Gefangenen dieses Lagers mindestens 250.000 mit der Eisenbahn in das Lager beförderte Personen vergast worden sein. In dieser Zahl sind aber alle die Personen nicht einbegriffen, die zu Fuß, in Autos oder Lastwagen das Lager Sobibor erreichten. Nach Schätzung der Zeugen L. und R. sind bis zu einer Million Juden aus allen Teilen Europas vergast worden. Der Angeklagte selbst beziffert die Zahl der vergasten Juden auf 50–100.000. Das Lager Sobibor hatte direkten Gleisanschluß. Dieser führte bis zum Lager I. Von Lager I nach Lager III führte noch eine Schmalspurbahn, die nur für den Lagerverkehr bestimmt war. Die Häftlinge, die nach Sobibor zur Vergasung geschickt wurden, kamen fast immer mit der Bahn in Waggons an. Teilweise trafen bis zu drei Transporte am Tag ein, von denen jeder viele Hundert Häftlinge umfaßte. Bei ihrer Ankunft wurden die Häftlinge meistens von einem höheren SS-Führer in Empfang genommen, der ihnen einigermaßen freundlich ein Bad und eine Entlausung in Aussicht stellte und sie zu diesem Zweck aufforderte, sich im Lager I oder II ihrer Sachen zu entledigen. Bestimmte Häftlinge, die zur Arbeit verwendet und daher nicht vergast werden sollten, wurden aus den Reihen der Ankommenden gleich bei ihrer Ankunft herausgenommen. Zu ihnen gehörten auch die als Zeugen vernommenen früheren Häftlinge L., R., C. und B. Die Häftlinge, Männer sowohl wie Frauen und Kinder, mußten sich entkleiden und wurden dann durch den Verbindungsgang von Lager II zu III, bei jedem Wetter völlig nackt, getrieben, wo sie, wie der Angeklagte angibt, durch ein mittels eines Motors erzeugtes Gas, wahrscheinlich Kohlengas, vergast wurden. Anfangs wurden die Leichen in große, zuvor ausgeschaufelte Gruben – 50 mal 50 m – geworfen und mit Chlorkalk bedeckt. Da der dadurch entstehende Geruch nicht ertragbar war, wurden die Leichen im Winter 1942/1943 mit einem Bagger wieder herausgeholt und verbrannt. Die Asche wurde in Fässern gesammelt und zum Düngen der gärtnerischen und landwirtschaftlichen Anlagen des Lagers verwendet. In der Folgezeit wurden die Leichen sofort nach der Vergasung verbrannt. Bei kleineren Transporten – nur wenige Hundert Häftlinge – bei denen die Inbetriebnahme der Gasanlage nicht „lohnte“, wurden die Häftlinge erschossen. Die Vergasung und anschließende Verbrennung war allen Lagerinsassen bekannt, da jeder den Widerschein des Feuers sehen konnte und der durchdringende Geruch verbrannter Leichen in der Luft deutlich wahrzunehmen war. Nach einer groß aufgezogenen Revolte der Häftlinge am 22. Oktober 1943 wurde das Lager Sobibor Ende 1943 aufgelöst.

In diesem Lager übte der Angeklagte sein Schreckensregiment aus und unterließ nichts, um die Häftlinge noch schlimmer zu quälen als es seine übrigen Kameraden schon taten. Sein Erscheinen erweckte bei allen Häftlingen besondere Furcht und Bestürzung, weil damit nach den Bekundungen der Zeugen mindestens Prügel und Grausamkeiten verbunden waren. Die nachstehend ausgeführten zahlreichen Einzelfälle zeigen, welche Vielfalt an Möglichkeiten der Angeklagte ausnutzte, die Häftlinge zu mißhandeln, sie menschlich zu entwürdigen und sie schließlich zu vernichten.

1. Tätigkeit als Gasmeister. Sobald ein neuer Transport von Häftlingen im Lager eingetroffen war und sich entkleidet hatte, geleitete sie der Angeklagte, der bei den Häftlingen schon als „Bademeister“ bekannt war, in die als „Bad“ getarnte Gaskammer. Dabei schritt er dem Zuge teils voran, teils ging er neben den Häftlingen und trieb sie mit Stockschlägen zu schnellerer Gangart an. Im Lager III bediente er dann als einziger die Gasanlage, um sie zu vernichten.

2. Haarabschneiden vor der Vergasung. Anläßlich einer Besichtigung des Lagers Sobibor durch den Führer der SS Himmler wurde erstmalig angeordnet, daß den zu vergasenden Frauen die Haare abgeschnitten werden sollten. Das Haarabschneiden wurde von jüdischen Jünglingen vorgenommen, die dazu bestimmt waren. Es fand unmittelbar vor der Baracke III, der Vergasungsbaracke, statt. Der Angeklagte beaufsichtigte diesen Vorgang öfter.

3. Erschießen kranker Häftlinge. Bei kleineren Transporten, bei denen eine Vergasung nicht „lohnte“ ober bei Transporten kranker Häftlinge, die infolge der Strapazen der Bahnfahrt zum Gehen nicht mehr in der Lage waren, unterstützte der Angeklagte den in Frankfurt/Main verhafteten und jetzt dort in Haft befindlichen Lagerführer G., der die Häftlinge eigenhändig erschoß, indem auch er Hand an die Häftlinge legte und sie erschoß.

4. Vergasen von 300 jungen Mädchen. Bei einem Besuch Himmlers führte ihm der Angeklagte, angetan mit Stahlhelm und Brustschild die Vergasung von 2–300 besonders hübschen jungen Jüdinnen vor.

5. Hetzen von Hunden auf die Häftlinge. Wenn ein Transport von Häftlingen vergast war, lud man ihre Sachen – Schmuck und Bekleidungsgegenstände – in die Waggons, um sie nach Deutschland zu befördern. Dafür bestimmte Häftlinge wurden mit dieser Arbeit befaßt. Wenn die Häftlinge den ungefähr 100 m langen Weg zwischen den einzelnen Lagern und den Waggons nach Ansicht des Angeklagten nicht genügend schnell zurücklegten, weil sie unter der Last der Pakete bald zusammenbrachen, schlug er sie und hetzte zwei im Lager befindliche große, dafür abgerichtete Hunde auf die Häftlinge, die ihnen die schwersten Bißwunden beibrachten.

6. Transport aus Maidanek. Einmal kam ein Transport jüdischer Häftlinge in einer Stärke von ungefähr 15.000 Mann aus dem Lager Maidanek, das keine Vergasungsanlage besaß, zum Vergasen an. Da die Vergasungsanlage im Lager Sobibor gerade nicht in Ordnung war, mußten sie tagelang im Lager I auf ihre Vernichtung warten, ohne beköstigt zu werden. Viele von ihnen starben daher an Entkräftung. Als andere, denen etwas Essen gereicht werden sollte, sich darum schlugen, schossen die SS-Leute und auch der Angeklagte in diesen Haufen wehrloser Menschen. Der Angeklagte tötete dabei auch mindestens vier bis fünf Häftlinge.

7. Schlagen des Zeugen L. Als der Zeuge L. im Auftrage des Angeklagten dessen Wagen mit Benzin zu tanken hatte, verschüttete er einige Tropfen. Das erzürnte den Angeklagten derart, daß er ihn mit einer Peitsche schlug und mit Füßen derart roh an sein Schienbein trat, daß der Zeuge tagelang nicht laufen konnte.

8. Schlagen und Schikanieren des Jungen Max. Der Angeklagte beobachtete eines Tages, wie nach seiner Meinung ein ungefähr 14 Jahre alter Junge Max einem Pferd des Lagers einen Fußstoß versetzte. Tatsächlich hatte dieser Junge mit seinem Fuß nur auf die am Boden liegende Leine des Pferdes getreten. Der Angeklagte holte darauf einige SS-Führer des Lagers herbei und schlug gemeinsam mit ihnen derart auf den Jugendlichen ein, daß dieser bewusstlos zusammenbrach. Auch in den weiteren Tagen wurde Max wegen dieses Vorfalles mit Schlägen derart verfolgt, daß er nach wenigen Tagen so geschwächt war, daß er im Lager III erschossen wurde.

9. Schießen beim Ausladen der Häftlinge. Da die polnischen und ukrainischen Häftlinge im Gegensatz zu Häftlingen anderer Nationen bei der Ankunft im Lager Sobibor ihr Schicksal kannten oder mindestens ahnten, versuchten immer einige von ihnen, beim Ausladen zu entfliehen. Der Angeklagte, der beim Ausladen meistens zugegen war, schoß auf diese Häftlinge und schlug auch mit Peitschen oder Stöcken auf sie ein.

10. Erschießen revoltierender Häftlinge. Häftlinge, die auf einem Aussenkommando arbeiteten, töteten, als sie Wasser holen gingen, ihren ukrainischen Wachmann. Als dies bemerkt wurde, wurde ein Teil der bei diesem Kommando tätigen Häftlinge sofort an Ort und Stelle erschossen. Der Rest der gefangenen Häftlinge wurde vom Angeklagten ins Lager gebracht und dort in Gegenwart aller im Lager anwesender Häftlinge als abschreckendes Beispiel erschossen. Der Angeklagte schoß zum Schluß dieser Aktion ebenfalls in den Haufen dieser Häftlinge hinein. Es konnte aber vom Gericht nicht einwandfrei festgestellt werden, ob die Personen, auf die er schoß, schon tot oder noch am Leben waren.

11. Erschießen zweier junger Burschen. Als der Angeklagte einmal mit einem Kraftwagen durch das Lager fuhr und ihm zwei im Lager lebende junge Häftlinge, die mit einem Handwagen Proviant transportierten, im Alter von 17 bis 18 Jahren nicht schnell genug auswichen, sprang er aus dem Fahrzeug heraus und erschoß diese jungen Menschen.

Der Angeklagte gibt zu, schon kurz nach seinem Eintreffen im Konzentrationslager Sobibor im März oder April 1942 von den Vorkommnissen im Vernichtungslager gewußt und insbesondere auch Kenntnis davon gehabt zu haben, daß Tausende von Juden aller Nationen dort vergast und erschossen wurden; er bestreitet aber mit wenigen Ausnahmen, die noch aufzuführen sind, an den Greueltaten und unmenschlichen Handlungen gegenüber jüdischen Häftlingen beteiligt gewesen zu sein. Er lehnt es insbesondere ab, der Gasmeister des Lagers gewesen zu sein. Er sei dort nur Kraftfahrer gewesen, dessen Aufgabe darin bestanden habe, Proviant heranzuholen. Das Vergasen hätten anfangs aktive SS-Leute aus Oranienburg besorgt. In späterer Zeit sei ein gewisser „Toni“ Gasmeister gewesen, über den er keine näheren Angaben machen könne. Nur einmal sei ihm, der mit technischen Dingen vertraut gewesen sei, von einem Lagerführer Stangel aufgetragen worden, sich die Zündkerzen der Gasanlage im Lager III anzusehen, um neue Reservekerzen zu beschaffen. Dabei habe er aber den Gasraum selbst nicht betreten, sondern nur den getrennt davon liegenden Maschinenraum. Zugegeben hat der Angeklagte nur, daß er einige Male zur Vergasung bestimmte Personen von Lager II durch den oben beschriebenen Verbindungsgang in das Lager III getrieben hat. Er will diese aber nicht mit Stöcken oder einer Peitsche geschlagen sondern sie nur manchmal mit einem Stock zu einer schnelleren Gangart angetrieben haben.

Trotz seines Leugnens ist der Angeklagte in diesem Punkt auf Grund der glaubhaften eidlichen Aussagen der Zeugen L. und R., früheren Häftlingen des Lagers Sobibor, überführt. Beide identifizieren den Angeklagten als den Mann, der im Lager Sobibor als Gasmeister eingesetzt war. Der Zeuge L. hatte sich während seines Aufenthalts im Lager von Mai 1942 bis Oktober 1943 die Züge des Angeklagten derart genau eingeprägt, daß er ihn nach sechs Jahren zufällig auf einem Rummelplatz in Kreuzberg wiedererkannt hat und zur Anzeige bringen ließ. Beide Zeugen haben auf das Bestimmteste bekundet, dass er und kein anderer – mindestens bis zum Sommer 1943 – die Vergasung vorgenommen hat. Die Kenntnis der Zeugin R., die vom 22.12.1942 bis Oktober 1943 im Lager Sobibor lebte, rührt daher, daß sie den Angeklagten bei ihrer Tätigkeit im Lager genau hat beobachten können. Sie war nämlich längere Zeit hindurch mit der Pflege einer Angorakaninchenzucht betraut. Die Ställe der Kaninchen befanden sich in unmittelbarer Nähe des Ganges, der die Lager II und III verband. Sie lagen dem Gang so nahe, daß sie sich bei ihrer Tätigkeit oft mit dem Rücken unmittelbar an den mit Reisig verkleideten Drahtzaun angelehnt hat. Durch Lücken im Grün konnte sie bei Eintreffen jedes neuen Transportes beobachten, daß der Angeklagte in einem blauen Monteuranzug als Einziger den Gang zwischen den beiden Lagern II und III durchquerte, um nach Vergasung der neu eingetroffenen Häftlinge auf dem gleichen Wege wieder zurückzukehren. Die Zeugin hat während dieser ganzen Zeit niemals beobachtet, daß eine andere Person vor der Vergasung der neu eingetroffenen Häftlinge diesen Weg gegangen ist. Den vom Angeklagten als „Toni“ bezeichneten Gasmeister kennt weder diese Zeugin noch der Zeuge L. Die Zeugin verneint es auch auf das Bestimmteste, daß eine andere Person ständig im Lager III gewohnt hat, die die Vergasungen vorgenommen haben könnte. Keiner der dreißig SS-Leute oder Führer des Lagers ist nach ihrer Meinung im Lager III untergebracht gewesen. Ihr sei das daher so gut bekannt, als sie zu den Frauen gehört habe, die die Wäsche der SS-Leute besorgt hätten. Niemals sei einem der Männer Wäsche ins Lager III gebracht worden. Auch der Zeuge L. hat im wesentlichen die gleichen Wahrnehmungen wie die Zeugin R. gemacht. Er war mit Aussenarbeiten im Lager II beschäftigt, und zwar mit landwirtschaftlichen Arbeiten im Pferdestall, durch den der Gang vom Lager II zum Lager III führte. L. hat beobachtet, daß der Angeklagte im Jahre 1942 und Anfang 1943 – etwa zehn Monate hindurch ununterbrochen – jeden Morgen von seiner Wohnung im Lager II in einem blauen Monteuranzug in das Lager III ging, mittags zurückkam und nachmittags wieder bis zum Abend im Lager III verblieb. Abgesehen von diesen eigenen Wahrnehmungen der Zeugen haben sie bekundet, daß es im ganzen Lager bekannt gewesen sei, daß der Angeklagte der Gasmeister gewesen sei. Aus diesem Grunde bezeichneten ihn die Häftlinge unter sich auch nur als den „Bademeister“. Beide Zeugen erklären seine Einlassung, er sei nur Kraftfahrer im Lager gewesen, schon deshalb für völlig unwahr, als gar kein Proviant gefahren zu werden brauchte, weil in dem Lager Sobibor Lebensmittel für mehrere Jahre gestapelt gewesen seien, da jeder Transport, insbesondere die aus Holland, mit ungeheuren Mengen von Proviant versehen gewesen seien, was der Angeklagte hat zugeben müssen. Wenn der Angeklagte oder einer der anderen Führer den Kraftwagen gelegentlich gebraucht hätten, dann nur, um private Geschäfte oder dgl. zu tätigen. Die Aussagen dieser beiden Zeugen werden unterstützt durch die Aussagen der kommissarisch vernommenen – inzwischen ausgewanderten – ehemaligen Häftlinge B. und C., die unter ihrem Eid den Angeklagten als den Gasmeister des Lagers bezeichnet haben. Durch diese einwandfreien Zeugenaussagen ist der Angeklagte der Lüge überführt, ganz abgesehen davon, daß seine eigene Einlassung in sich schon unglaubhaft ist. Es ist nicht zu verstehen, warum gerade der Angeklagte, der sonst niemals in den Gasraum oder in den Maschinenraum des Lagers III gekommen sein will, ein einziges Mal damit beauftragt worden sein sollte, sich die Zündkerzen anzusehen, um neue zu beschaffen, wenn – wie er sich selbst einläßt – genügend Reservekerzen vorhanden gewesen sind. Schließlich hat er selbst zugeben müssen, keine neuen Zündkerzen beschafft zu haben. Daß der Angeklagte sich als Gasmeister ganz besonders hervorgetan hat, geht auch aus einer Äusserung eines Ukrainers Waldemann Koschawatzki, der für die Juden etwas übrig hatte, gegenüber dem Zeugen C. hervor: „Ihr Juden habt nur zu weinen (zu klagen) über den Bauer, der ist euer Gasmeister!“

Wenn gegenüber diesen eindeutigen Zeugenaussagen der Zeugen L. und R., C. und B. die kommissarisch vernommenen Zeugen G. und K. bekundet haben, daß der Angeklagte nur als Kraftfahrer tätig gewesen sei, ist das Gericht diesen Bekundungen nicht gefolgt, sondern hat sie für offensichtliche Lügen gehalten. Bei den Zeugen G. und K. handelt es sich um SS-Leute, die zur gleichen Zeit wie der Angeklagte führende Persönlichkeiten im Lager Sobibor gewesen sind und wegen der Anschuldigung, Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Lager Sobibor begangen zu haben, sich zur Zeit und auch zur Zeit ihrer kommissarischen Vernehmung vor dem Amtsgericht Frankfurt/Main in Untersuchungshaft befinden bezw. befanden. Während K. nach den Bekundungen der Zeugen L. und R. auf dem Schuhplatz tätig war und die Häftlinge einigermaßen anständig und menschlich behandelt hat, soll das Gegenteil bei dem Zeugen G. der Fall gewesen sein. Er galt neben dem Angeklagten als einer der Schlimmsten. Haben diese Menschen, die in diesem Verfahren praktisch weniger als Zeugen als Mitangeklagte zu werten sind, ohnehin schon ein großes Interesse daran, sich gegenseitig zu schützen und ihre damalige Tätigkeit zu verschleiern, damit nicht der Angeklagte seinerseits in dem Verfahren gegen sie später eine ungünstige Aussage macht, so ergibt sich die offensichtliche Unrichtigkeit, insbesondere der Angaben des G. u. a. schon daraus, daß er den „Filaster“ als Gasmeister bezeichnet, von dem die beiden Zeugen L. und R. bekunden, daß er nur eine untergeordnete Funktion auf dem Schuhplatz neben dem Zeugen K. bekleidet habe. Der Zeuge G. sagt auch ferner die Unwahrheit, wenn er bekundet, daß Judenverbrennungen erst im Jahre 1943 vorgenommen worden sind und daß ihm Mißhandlungen oder Erschießungen von Juden im Lager Sobibor unbekannt gewesen seien. Diese Aussage steht sogar im Gegensatz zu dem Eingeständnis des Angeklagten selbst, der schon von seinem Eintreffen in Sobibor im Jahre 1942 an bis 1943 Vergasungen ebenso wie Mißhandlungen der Juden beobachtet hat. Nach alledem stellen sich die Aussagen dieser Zeugen, vor allem des G. – K. will sich auf die meisten Vorgänge sowieso nicht mehr besinnen können – als glatte Lüge dar, so daß es für das Gericht keiner Frage unterlag, daß es den Aussagen der Zeugen L. und R. und nicht den unwahren Aussagen der Zeugen G. und K. zu folgen hatte.

Die Verteidigung des Angeklagten hat beantragt, die Zeugen K. und G. als Zeugen persönlich zu einer neuen Hauptverhandlung nach Berlin zu laden und die jetzige Hauptverhandlung zu vertagen. Die Zeugen sollten über folgende drei Beweispunkte vernommen werden: 1. darüber, ob der Angeklagte tatsächlich nur als Kraftfahrer und nicht als Gasmeister im Lager Sobibor tätig gewesen ist, 2. darüber, welche Rolle der Angeklagte bei dem Aufstand im Oktober 1943 gespielt hat, 3. darüber, ob und in welchem Umfang sich der Angeklagte an den Mißhandlungen des Jungen Max beteiligt hat.

Da das Schwurgericht den Angeklagten, wie weiter unten ausgeführt wird, nicht mit einer zur Verurteilung ausreichenden Sicherheit hat überführen können, bei der Revolte im Oktober 1943 am Torausgang auf flüchtende Häftlinge geschossen zu haben, und ihn insoweit auch nicht verurteilt hat, brauchten die Zeugen K. und G. über das Beweisthema 2 ohnehin nicht gehört zu werden. Eine Vernehmung der beiden benannten Zeugen bezüglich der übrigen zwei Punkte hielt das Gericht aus den schon in seinem Ablehnungsbeschluß zum Ausdruck gebrachten Gründen für unzweckmäßig, weil nämlich diese Beweismittel wegen völliger Unglaubwürdigkeit als ungeeignet im Sinne des §245 Abs. 2 StPO anzusehen sind. Das Gericht hat die Vernehmung der beiden Zeugen G. und K. nicht bloß deswegen abgelehnt, weil es auf Grund der Aussagen der Zeugen L. und R. bereits vom Gegenteil des von ihnen zu Beweisenden überzeugt gewesen ist. Die abweisung des Antrages gründet sich also nicht auf eine unstatthafte Vorwegnahme der Beweisprüfung sondern auf persönliche Verhältnisse der Zeugen, die ihren Aussagen jeden Wert für die Feststellung des Sachverhaltes entziehen, ihre Vernehmung also zu einer leeren Formalität machen würden. Solche Handlungen können dem Gericht – wie es unser früheres Reichsgericht wiederholt zum Ausdruck gebracht hat (RGSt. 31, 138; 46, 385; 51, 125) – nicht angesonnen werden. Die Glaubwürdigkeit dieser beiden Zeugen, die eigentlich Mittäter sind, wie oben ausgeführt worden ist, ist völlig ausgeschlossen, da ihre Aussagen, wie schon hervorgehoben, sich selbst in Widerspruch setzen zu dem Geständnis des Angeklagten, daß er selbst die zu vergasenden Häftlinge mehrmals mit Stockstößen durch den Verbindungsgang in die Baracke III zum Vergasen hineingetrieben hat, demnach also nicht nur als Kraftfahrer tätig gewesen ist.

Mit einer Vertagung der Hauptverhandlung würde auch ein anderer vom Verteidiger ins Auge gefaßte Zweck seines Antrages, nämlich eine Gegenüberstellung dieser Zeugen mit den Zeugen L. und R. nicht erreicht werden, da Letztere ihre Auswanderung in kürzester Frist angekündigt haben, so daß eine neue Hauptverhandlung ohne sie stattfinden müßte. Das Gericht hält es für ausgeschlossen, daß die beiden Zeugen G. und K. sich bei einer neuen Vernehmung in Widerspruch zu ihrer früheren Aussage setzen und bekunden werden, daß der Angeklagte etwas anderes als Kraftfahrer des Lagers gewesen ist.

Der Angeklagte bestreitet auch, den Vorgang des Haareabschneidens bei den zu vergasenden Jüdinnen beaufsichtigt zu haben. Er gibt nur zu, daß er einmal in die Baracke hineingesehen habe, in der den Frauen die Haare geschoren wurden. Er ist aber auch in diesem Punkte durch die glaubwürdige Aussage des Zeugen L. überführt, der beobachtet hat, daß der Angeklagte das Haarabschneiden manchmal beaufsichtigt hat.

Ferner leugnet der Angeklagte, die Häftlinge kleinerer Transporte, bei denen eine Vergasung nicht „lohnte“, selber erschossen zu haben. Der Zeuge L. hat demgegenüber glaubhaft bekundet, daß der Angeklagte in Transporte kranker Häftlinge grundlos hineingeschossen hat. In gleichem Sinne hat sich auch die Zeugin R. geäußert. Sie arbeitete einige Zeit lang in der Waffenkammer; dort wurden bei Ankunft von Kleintransporten die erforderlichen Patronen geholt, was sie mitangesehen hat. Auch die ukrainischen Wachmannschaften erzählten ihr bei solchen Gelegenheiten, daß nicht die Gaskammer benutzt worden sei, sondern die Häftlinge erschossen worden seien. Die gleiche Wahrnehmung hat der kommissarisch vernommene Zeuge B. gemacht.

Der Angeklagte bestreitet auch, Himmler bei seinem Besuch die Vergasung von ungefähr 2–300 jungen Jüdinnen vorgeführt zu haben. Er will zu der fraglichen Zeit Urlaub gehabt haben. Beide Zeugen bekunden demgegenüber aber, daß diese Angaben des Angeklagten unwahr sind, weil zur Zeit des Besuches von Himmler keiner Urlaub gehabt hat und sogar die Personen, die tagsüber außerhalb des Lagers beschäftigt gewesen seien, zu Ehren des hohen Gastes an diesem Tage das Lager nicht verlassen durften. Sie erinnern sich – entgegen dem Bestreiten des Angeklagten – auch noch genau, daß der Angeklagte am fraglichen Tage mit einem Stahlhelm und einem Brustschild bekleidet gewesen ist. Die Zeugin R. hat auch die zur Vergasung bestimmten jungen Mädel gesehen, die neben der Küche untergebracht waren, aus der sie Essen holte.

Auch das Hetzen von großen bissigen Hunden auf Häftlinge bestreitet der Angeklagte. Er wird aber auch hierin durch die beeidete Aussage des Zeugen L. überführt. Dieser wie auch andere Häftlinge hatten Bekleidungsstücke von Toten auf Waggons zu laden. Wenn die Häftlinge den etwa 100 m langen Weg zwischen dem Lager I und den Waggons wegen der Last der Pakete nach Ansicht des Angeklagten nicht schnell genug zurücklegten, hetzte er einen Hund, der die Größe eines Kalbes hatte, und einen bissigen Bernhardiner auf sie. Auch der Zeuge L. selbst ist von einem Hund gebissen worden.

Der Angeklagte leugnet auch, in die halb verhungerten Häftlinge des Transportes aus Maidanek geschossen zu haben. Er ist aber auch hier durch die Aussagen des Zeugen L. überführt.

Der Angeklagte will entgegen den glaubhaften Bekundungen des Zeugen L. diesen auch nicht mißhandelt haben, als er beim Tanken des Kraftwagens des Angeklagten Benzin daneben schüttete.

Auch an der Mißhandlung des Jungen Max will der Angeklagte nicht beteiligt gewesen sein. Nachdem er sich zu Beginn seiner Vernehmung an diesen Vorfall gar nicht mehr besinnen zu können meinte, hat er schließlich nur zugegeben, daß er mit einem anderen SS-Mann des Lagers, Beckmann, über das Lahmen des Pferdes gesprochen und diesem gegenüber geäußert habe: „Max hat das Pferd mit dem Fuß gestoßen.“ Er will den Jungen aber in keiner Weise mißhandelt haben. Der Angeklagte ist aber auch in diesem Punkte durch den Zeugen L., der das Pferd zu warten hatte, überführt. Als der Vorfall sich abspielte, stand der Junge Max neben dem Zeugen L. und wurde von dem Angeklagten sogar als der kleine Bruder des Zeugen angesehen.

Der Angeklagte stellt es auch in Abrede, beim Ausladen der Transporte auf Häftlinge geschossen oder sie geschlagen zu haben. Die Zeugin R. hat aber mitangesehen, wie er auf die ankommenden Häftlinge einschlug, ohne daß diese ihm Veranlassung dazu gegeben hätten, von einer Ausnahme abgesehen, bei der sich Häftlinge weigerten zu gehen und eine Jüdin mit einer Flasche schlug.

Auch an der Erschießung von dreizehn revoltierenden Häftlingen will der Angeklagte nicht beteiligt gewesen sein. Nach seiner Einlassung hat der Angeklagte, nachdem ein Wachmann von Häftlingen eines Aussenkommandos erschossen worden war, nur die Aufgabe gehabt, die im Walde liegenden Stubben und die Arbeitsgeräte der Häftlinge mit seinem Kraftwagen abzufahren. Auf welche Art und wo die restlichen Häftlinge dieses Aussenkommandos erschossen worden sein sollen, will der Angeklagte nicht mehr wissen, da bei seiner Rückkehr aus dem Walde die ganze Aktion schon beendet gewesen sei. Die Zeugen L. und R. haben aber übereinstimmend bekundet, daß der Angeklagte die nicht geflüchteten Häftlinge des Aussenkommandos mit dem Kraftwagen abgeholt und sie ins Lager gebracht hat, wo sie am Tor von Lager III vor den Augen sämtlicher Lagerinsassen zur Abschreckung erschossen wurden. Auch der Angeklagte zog noch seine Pistole und schoß auf das Menschenkneuel, ohne daß allerdings beide Zeugen einwandfrei bekunden könnten, ob die Personen, auf die Bauer schoß, noch am Leben oder schon tot waren.

Der Angeklagte leugnet auch, zwei ungefähr 17 bis 18 Jahre alte Burschen, die seinem entgegenkommenden Kraftwagen im Lager nicht schnell genug auswichen, erschossen zu haben. Insoweit ist er aber durch den kommissarisch vernommenen Zeugen C., der im Lager Sobibor als Küchenchef tätig war, überführt. Dieser Zeuge hat aus nächster Nähe beobachtet, wie der Angeklagte zufällig mit seinem Wagen an der Küche im Lager I vorbeifuhr und bei dieser Gelegenheit zwei junge Häftlinge, die Lebensmittel in einem kleinen Karren beförderten und ihm nicht schnell genug auswichen, von hinten erschossen hat.

Das Gericht hält danach den Sachverhalt im Sinn der obigen Feststellungen für erwiesen. Für nicht erwiesen erachtet das Schwurgericht den Punkt der Anklage, daß der Angeklagte selbst oder auf seine Anweisung zwei junge, sehr hübsche Jüdinnen, die seine Geliebten gewesen sein sollen, vor dem Besuch eines höheren SS-Führers umbrachte oder umbringen ließ, um keine Zeugen der von ihm begangenen „Rassenschande“ mehr zu haben. Zwar hat die Beweisaufnahme ergeben, daß der Angeklagte mit diesen jungen Mädchen im Lager II Tür an Tür wohnte, daß er sie sehr gut behandelte, und daß der Zeuge L. eines der Mädchen zu früher Morgenstunde nur mit einem Nachthemd bekleidet aus dem Zimmer des Angeklagten hat kommen sehen, daß sie also vermutlich die Geliebten des Angeklagten waren; es ist aber kein schlüssiger Beweis dafür erbracht worden, daß diese Mädchen tatsächlich bei dem Erscheinen des SS-Führers auf Geheiß des Angeklagten erschossen worden sind. Der Angeklagte hat sich dagegen verwahrt, ein Liebesverhältnis mit ihnen unterhalten zu haben, hat aber einräumen müssen, daß die Mädchen am Tage des Eintreffens der führenden Persönlichkeit plötzlich aus dem Lager verschwunden waren. Er will aber nicht wissen, was mit den Mädchen geschehen ist. Wenn auch ein starker Verdacht insofern auf dem Angeklagten ruht, hat das Schwurgericht jedoch gewisse Möglichkeiten nicht ausschließen können, daß diese Mädchen auch ohne Dazutun des Angeklagten ermordet worden sind.

Das Gleiche gilt bezüglich der Anschuldigung, er habe bei einem großen Aufstand im Lager im Oktober 1943 blindlings in die revoltierenden Häftlinge hineingeschossen, um sie an der Flucht zu hindern. Entgegen den Zeugenbehauptungen, der Angeklagte habe am Lagerausgang auf die flüchtenden Häftlinge geschossen, läßt sich der Angeklagte dahingehend ein, daß er mit Waffengewalt nur die Waffenkammer, die in der Hand der jüdischen Häftlinge gewesen sei, verteidigt habe, um die Räumung der Waffenkammer zu erzwingen, weil er ständig befürchtet habe, daß die dort gestapelte Munition explodieren würde. Die Zeugen L. und R. haben dies zwar energisch bestritten. Das Gericht hält ihre Aussage aber bezüglich dieses Vorfalles nicht frei von durch die damalige Aufregung hervorgerufenen Irrtümern. Die Zeugen, die selbst bestrebt waren, bei dieser groß angelegten Revolte von 600 Lagerinsassen durch Vernichtung ihrer Feinde ihre Freiheit wiederzugewinnen und in wüstem Durcheinander aus dem Lager flohen, haben nach allgemeiner Lebenserfahrung ihr Hauptaugenmerk natürlich auf die Rettung ihres Lebens verwandt und sich bei diesem allgemeinen Durcheinander nicht noch Vorgänge genaustens einprägen können, die nicht unmittelbar in engstem Zusammenhang damit standen. Wenn z. B. die Zeugin R. zur Mauer rannte, diese unter fortgesetztem Beschuß überkletterte, wobei sie selbst am Kopf getroffen worden ist, um dann noch ein vermintes Feld zu überqueren, kann sie nach Ansicht des Gerichts heute nicht mehr mit einer zur Verurteilung des Angeklagten ausreichenden Sicherheit bekunden, ob der Angeklagte oder einer der anderen Führer des Lagers, die ebenfalls an der Schiesserei beteiligt waren, am Torausgang auf die flüchtenden Häftlinge geschossen hat oder ob sich der Angeklagte, wie er es behauptet, bei der Waffenkammer aufhielt, um einer drohenden Explosion zu steuern.

Das Gericht hat seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten aus den klaren und folgerichtigen Bekundungen der Zeugen L., R., C. und B. gewonnen. Weitere Zeugen hat das Gericht nicht vernehmen können, weil die überlebenden Häftlinge – nach Bekundungen des Zeugen L. ungefähr 20 Personen – jetzt alle im Ausland leben. Im Gegensatz zu vielen anderen Zeugen in Prozessen ähnlicher Art haben sich diese Zeugen, insbesondere die in der Beweisaufnahme vernommenen Zeugen L. und R., nicht in Phantastereien und rachsüchtigen Äußerungen verloren, sondern nüchtern und sachlich die Fragen des Vorsitzenden beantwortet. Sie haben genaue Unterscheidungen gemacht, ob geschilderte Vorgänge ihnen aus eigener Wahrnehmung oder nur als Gerücht bekannt waren. Bei Begebenheiten, die ihnen nicht ganz genau geläufig waren, haben sie ihre Aussagen sehr vorsichtig gemacht. So haben sie beide ausgesagt, daß sie nicht ganz genau wüßten, ob der Angeklagte bei der Erschießung der restlichen dreizehn revoltierenden Häftlinge zum Schluß dieses Mordens noch auf lebende oder nur auf tote Personen geschossen habe. Wenn die Aussagen, wie es der Angeklagte behauptet, nur aus einem Gefühl erbitterter Rachsucht gemacht worden wären, wäre es für beide eine Kleinigkeit gewesen, gerade in dem letzten Punkte zu behaupten, daß der Angeklagte von Anfang an auf die lebenden dreizehn Häftlinge geschossen hätte. Die Zeugen haben gar kein Interesse daran, ihre ehemaligen Peiniger und Mörder um jeden Preis – selbst auf die Gefahr hin, sie zu Unrecht zu bezichtigen und einen Meineid zu leisten – zu belasten. Das beweist die Stellungnahme der Zeugen, insbesondere der Zeugin R., gegenüber dem in diesem Verfahren vernommenen Zeugen K. Von ihm behauptet sie – anders als von dem Angeklagten und einigen weiteren Führern des Lagers, wie z. B. G. und Frenzel – nicht, daß er die Häftlinge in gleicher Weise wie die anderen unmenschlich behandelt hat. Er soll nach ihrer Bekundung stets anständig gegenüber den Häftlingen gewesen sein. Auch eine durch die verflossenen Jahre mit ihrem chaotischen Geschehen bedingte Schwächung des Gedächtnisses dieser beiden Zeugen und eine Verwechslung sind auszuschalten. Beide Zeugen waren bei ihrem Eintreffen im Lager Sobibor ungefähr 20 Jahre alt, also in einem Alter, wo der Geist und das Gedächtnis noch frisch und unverbraucht sind.

Auch der Einwand des Angeklagten, er könne gar nicht so schlimm gewesen sein, wie ihn die Zeugen darstellen, da er sonst bei der grossen Revolte im Oktober 1943 ebenso wie verschiedene andere SS-Führer des Lagers von den Häftlingen ermordet worden wäre, wird von diesen beiden Zeugen auf glaubhafte Art entkräftet. Es war bei der großen Revolte vorgesehen, daß vor dem allgemeinen Ausbruchsversuch jeder der führenden Männer des Lagers von bestimmten, dafür ausersehenen Häftlingen ermordet werden sollte. Den Angeklagten hat man aber nicht umbringen können, da er sich zu der fraglichen Zeit gerade außerhalb des Lagers befunden hat. Erst unmittelbar vor dem Ausbruchsversuch soll er wieder zurückgekommen sein, also zu einer Zeit, zu der es schon zu spät gewesen sei, ihn unbewacht von anderen umzubringen, weil das ganze Lager schon mobilisiert war.

Das Gericht hat auch keine Bedenken getragen, die Aussagen der kommissarisch vernommenen Zeugen C. und B. zu verwenden. Die Verteidigung des Angeklagten führt zwar zutreffend an und hat auch aus diesem Grunde der Verlesung der Zeugenaussagen widersprochen, daß weder der Verteidiger noch der Angeklagte selbst von dem Termin der kommissarischen Vernehmung vorher benachrichtigt worden seien, daß also gegen die Vorschrift des §193 Abs.3 StPO verstoßen worden ist; eine Unterlassung der Terminsbenachrichtigung der zur Anwesenheit Berechtigten führt aber nur dann zur Aufhebung des Urteils, wenn dieses bei erfolgter Benachrichtigung möglicherweise anders ausgefallen wäre (RGSt. 58, 90). Eine solche Möglichkeit war aber zu verneinen. Die Verteidigung hat in keiner Weise dargelegt, inwiefern diese inzwischen in das Ausland ausgewanderten Zeugen, die für die deutschen Gerichte zur Zeit unerreichbar sind, im Beisein des Verteidigers oder des Angeklagten andere Aussagen gemacht haben würden. Schließlich runden die Bekundungen dieser beiden Zeugen die ausführlichen Aussagen der Zeugen L. und R. auch nur ab, ohne neue Einzelheiten zu bringen. Selbst wenn dem Gericht diese beiden Zeugenaussagen nicht zur Verfügung gestanden hätten, wäre es schon auf Grund der eidlichen Aussagen der Zeugen L. und R. zu derselben Entscheidung gekommen.

Mit seinem Verhalten – dem Vergasen von Hunderttausenden von Juden, dem Abschießen unschuldiger Juden, dem Schlagen und Mißhandeln von Juden und schließlich dem Beaufsichtigen des Abschneidens von Haaren bei jüdischen Frauen – hat der Angeklagte das Schutzgut verletzt, das jedes Unmenschlichkeitsverbrechen verletzen muß: die „Menschlichkeit“. Zur Humanitasverletzung gehört einmal, daß die Tat über die angegriffenen Menschen oder Menschengüter hinaus, die menschliche Persönlichkeit in ihrer Tiefe trifft. Das ist jener leib-seelische Seins- und Wirkbereich des Menschen, der nach der sittlichen Überzeugung der kultivierten Menschheit seinen Wert und seine Würde ausmacht. Er ist nicht beschränkt auf die in Verfassungen niedergelegten Menschen- oder Grundrechte. Er umfaßt außer dem Leben, der Körperintegrität, einer gewissen äusseren Freiheit und Selbstbestimmung sowie der Ehre, den gesamten unverzichtbaren Persönlichkeitsbereich des Einzelmenschen (OGHSt. I S. 14). Die Tat des Angeklagten drückte in allen Fällen aus, daß die in dem Lager befindlichen jüdischen Häftlinge in ihrem Gesamtwert ein „Nichts“, etwa „Untermenschen“ seien und entsprechend behandelt werden müßten. Die Behandlung der jüdischen Häftlinge drückte also ihre gänzliche Entwürdigung aus. Sein Verhalten hat nicht nur eine Wirkung gegenüber dem einzelnen betroffenen Juden gezeitigt, sondern durch ihn ist die Menschheit als der Träger und Schützer des ideellen Menschenwertes in dem Einzelmenschen angegriffen und von seinen Taten selbst berührt worden. Diese überindividuelle Wirkung seines Verhaltens beruht größtenteils darauf, daß die Tat im Zusammenhang steht mit dem System der nazistischen Gewalt- und Willkürherrschaft. Sie mißachtete in weitestem Maße alle ideellen Menschenwerte. Der Angeklagte hat die Häftlinge des Lagers deswegen verfolgt, weil sie Juden waren; diese Tatsache allein reichte in seinen wie überhaupt in den Augen der nationalsozialistischen Gewalthaber aus, um sie für ein Nichts zu achten und sie nur wegen ihrer rassischen Zugehörigkeit zu schikanieren und auszurotten. Der Angeklagte hat die jüdischen Häftlinge aus „politischen, rassischen und religiösen Motiven“ verfolgt. Im Schutz des nationalsozialistischen Systems, das seine Taten guthieß, hat er das rechtlose Willkürregiment dazu benutzt, diese andersrassigen, andersgläubigen und politisch anders denkenden Menschen ungestraft zu schikanieren, zu mißhandeln und zu vernichten. Durch sein Verhalten hat der Angeklagte eine Unmenschlichkeit verwirklicht und damit ein Unrecht begangen, selbst wenn er in der Nazizeit den Schein des Rechts für sich gehabt hätte. Eine Erschießung und Vergasung jüdischer Häftlinge widerspricht in jedem Falle der übergesetzlichen Rechtsordnung, die unumstößlich gilt zum Schutze eines menschenwürdigen Gemeinschaftslebens. Eine Unmenschlichkeit zu verursachen, ist nach dieser Rechtsordnung so selbstverständlich Unrecht, daß sie nicht besonders – jedenfalls im Regelfalle, der hier vorliegt – geprüft zu werden braucht (OGHSt. I S. 21).

Die festgestellten Handlungen hat der Angeklagte auch bewußt und gewollt begangen. Der Angeklagte wußte und hatte in sein Wollen aufgenommen, daß er durch sein Angriffsverhalten unmittelbar in das Sein und Wirken der im Lager befindlichen Häftlinge eingegriffen hat. Das Gesetz verlangt weiter, daß der Täter für die aus seinem Angriff folgende Verletzung der Menschlichkeit in irgend einem Grade verantwortlich ist. Dies ist bei dem Angeklagten zu bejahen. Er wußte, daß und wie infolge seines Angriffs die jüdischen Opfer geschädigt und in ihrer Tiefe mit Wirkung für die Menschheit getroffen wurden, und daß er etwas tat, was in den Augen der gesamten Menschheit verabscheuungswürdig war. Da er trotzdem so gehandelt hat, ist er für die von ihm begangene Unmenschlichkeit in hohem Grade verantwortlich.

Der Angeklagte verteidigt sich nun gegenüber allen Anschuldigungen, abgesehen davon, daß er mit ganz wenigen Ausnahmen überhaupt bestreitet, die ihm zur Last gelegten Handlungen begangen zu haben, dahin, daß er sich bei Begehung seiner Taten in einer Notstandslage befunden habe. Er verweist in diesem Zusammenhang auf das in Hamburg ergangene Urteil im Prozeß gegen Veit Harlan, den das Schwurgericht im Hinblick auf seine Notstandslage freigesprochen habe. Von diesem Prozeß kann sich das hiesige Schwurgericht kein klares Bild machen, da ihm die Urteilsgründe nicht schriftlich zur Verfügung stehen. Ganz abgesehen davon ist aus den tatsächlichen Feststellungen des vorliegenden Urteils schon ersichtlich, daß bei dem Angeklagten die Voraussetzungen des Notstandes nicht gegeben sind. Eine solche den Erfordernissen der §§52, 54 StGB entsprechende Lage ist nicht schon dann gegeben, wenn Leib oder Leben des Täters für den Fall, daß er die Ausführung des Befehls, die Juden zu vergasen oder zu erschießen, verweigert hätte, tatsächlich ernsthaft gefährdet gewesen wäre. Erforderlich ist vielmehr, daß der Täter in dem Bewußtsein dieser Gefahr und dem Bestreben, ihr auszuweichen, sich zu der befohlenen Handlung entschlossen hat. Der Angeklagte hat aber in keiner Weise dargetan, daß sich seine Handlungen als einziger Ausweg aus einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben darstellten. Er hat sogar nicht einmal glaubhaft dartun können, daß er sich in irgend einer Weise gegen die ihm angesonnenen Taten gestemmt oder versucht hat, ihnen zu entrinnen, ja nicht einmal, daß sie ihm zuwider gewesen sind. Seine erst in der Hauptverhandlung auf ausdrückliches Befragen abgegebene Erklärung, er habe einmal ein Versetzungsgesuch eingereicht, erscheint umso unglaubhafter, als er dieses damit begründet haben will, daß es ihm im Lager zu sehr „stinke“ und „zuviel Ungeziefer“ dort vorhanden sei. Selbst wenn ein solches Gesuch – entgegen der Überzeugung des Gerichts – wirklich hinausgegangen wäre, mußte sich der Angeklagte ohne weiteres sagen, daß einem so schlecht begründeten Versetzungsgesuch niemals stattgegeben worden wäre. Der Angeklagte hat nach Ansicht des Gerichts auch gar nicht gehandelt, um einer für ihn bestehenden Gefahr auszuweichen, sondern um seinen verrohten und sadistischen Gefühlen freien Lauf zu lassen und auch aus einem gewissen Macht- und Geltungsbedürfnis heraus. Aus diesem Grunde greifen die vom Angeklagten zu seinem Schutz zitierten §§52, 54 StGB nicht Platz. Im vorliegenden Fall ist nach den Feststellungen des Schwurgerichts ein Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Angeklagten und einer für ihn im Falle der Befehlsverweigerung etwa entstehenden Gefahr für Leib oder Leben nicht gegeben gewesen. Die Bereitwilligkeit und der Eifer, mit dem der Angeklagte vorging und die ihn zu einem der Schlimmsten und Gefürchtesten des Lagers machten, sowie die sonstigen im Urteil näher geschilderten Umstände, wie zum Beispiel das Hetzen von Hunden auf unter zentnerschweren Lasten gehende Häftlinge, das Erschießen zweier junger Burschen, die seinen Weg nicht schnell genug räumten, schließen mit Sicherheit die Möglichkeit aus, daß der Angeklagte zur Vermeidung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gehandelt hat. Der Angeklagte hat auch nichts dafür vorgetragen, daß er etwa irrtümlich an eine solche Gefahr geglaubt hat. Die von der Verteidigung gleichfalls angeschnittene Frage der Notwehr, §53 StGB, ist nach den tatsächlichen Feststellungen des Urteils nicht mehr zu prüfen, da in dem einzigen Fall, in dem dieser Frage von Bedeutung sein könnte, nämlich bei der Schießerei anläßlich der großen Revolte im Oktober 1943, die Schuld des Angeklagten schon aus tatsächlichen Gründen verneint worden ist.

Nach alledem ist der Angeklagte eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit überführt und schuldig – Verbrechen nach Kontrollratsgesetz Nr. 10 vom 20.12.1945 Art.II 1c, 2, 3 –. Der Angeklagte hat sich trotz der Vielzahl der vom Schwurgericht festgestellten Verfehlungen nur eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht, da das Gericht die Voraussetzungen eines Fortsetzungszusammenhanges bei ihm bejaht hat. Nach der von unserem früheren Reichsgericht ständig vertretenen subjektiv-objektiven Theorie, der sich das Schwurgericht angeschlossen hat, wird zur fortgesetzten Handlung das Vorhandensein von gleichartigen Einzelhandlungen (Gleichheit des verletzten Rechtsgutes und Gleichartigkeit der verletzenden einzelnen Akte) und Zusammenfassung durch einen einheitlichen Vorsatz verlangt. Ohne Zweifel hat der Vorsatz des Angeklagten von vornherein den Gesamterfolg, nämlich Mißhandlung und Ausrottung von Juden, umfaßt, der durch mehrere unselbständige Einzelhandlungen (Erschießen und Vergasen von Juden), von denen jede einzelne den Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit erfüllt, stoßweise verwirklicht worden ist. Auch die neben der Einheitlichkeit des Vorsatzes vom Reichsgericht geforderte objektive Gleichartigkeit der Einzelhandlungen liegt vor. Durch sein Verhalten hat der Angeklagte dasselbe Rechtsgut, die Humanitas, verletzt und seine sämtlichen Einzelhandlungen enthalten den Tatbestand des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 Art. II 1c, 2, 3.

Mit Ausnahme seiner bisherigen Straflosigkeit hat das Gericht keinen Strafmilderungsgrund finden können. Dieser fiel aber wegen der außerordentlich schweren Folgen des unmenschlichen Verhaltens des Angeklagten nicht ins Gewicht. Vielen Tausenden von Lagerinsassen hat er während seiner Tätigkeit im Lager das Leben zur Hölle gemacht und Hunderttausende rechtloser Juden haben durch ihn den Tod gefunden, sei es durch Vergasung, sei es durch Erschießen. Durch sein Verhalten hat der Angeklagte nicht nur systematisch, getreu der Naziideologie, große Teile einer Volksgemeinschaft ausgerottet, sondern das deutsche Ansehen in der Welt in Grund und Boden gerichtet. Mit Rücksicht auf den Umfang und den Grad der Tatfolgen hielt das Gericht nur die schwerste im Kontrollratsgesetz Nr. 10 vorgesehene Strafe, nämlich die Todesstrafe, als Sühne für erforderlich und angemessen.

Zwar hat der Angeklagte, der ja überhaupt die ihm zur Last gelegten Taten leugnet, sich nicht dahin eingelassen, daß er auf Befehl eines Vorgesetzten gehandelt habe, aber selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte das Gericht einen solchen nicht strafmildernd berücksichtigt, da dies nach dem Gesamtbilde von Täter und Tat unter Berücksichtigung der Strafzwecke hier nicht angebracht ist. Nach der Überzeugung des Schwurgerichts hat der Angeklagte auch nicht den leisesten Versuch gemacht, einem solchen Befehl zu entgehen, ja er hat, indem er beispielsweise bissige Hunde auf die Juden hetzte, sie bei dem Gang zur Gaskammer mit Stöcken antrieb, die jungen Burschen, die den Platz nicht schnell genug räumten, erschoß, Dinge getan, die bestimmt jenseits jedes Vernichtungsbefehls – selbst in der Nazizeit – lagen.

Wegen der Verwerflichkeit seiner Gesinnung wurden dem Angeklagten die bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit aberkannt (§32 StGB).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §465 StPO.

Quelle: Holocaust-History.org: NS-Verbrechen vor Gericht: Dokumente und Urteile: Sobibor-Prozess (Berlin) - Urteil Verweis defekt, gelöscht oder zensiert!