Gyatso, Tsangyang

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Der sechste Dalai Lama Tsangyang Gyatso

Tsangyang Gyatso (Lebensrune.png 28. April 1683 in Mon Tshona, Tibet, heute Arunachal Pradesh, Indien; Todesrune.png 14. November 1706 in der Nähe des Sees Kungga-nor auf dem Weg nach Peking) war der mysteriöse Nachfolger des „Großen Fünften“. Durch die Anweisung seines Vorgängers wurde seine Geburt erst bekannt, als er schon 13 Jahre alt war.

Leben

Kindheit/Jugend

Der Desi[1] Sangye Gyatso[2] befolgte streng die Anweisung des 5. Dalai Lamas und verheimlichte die Geburt Tsangyang Gyatsos. Offiziell war sein Vorgänger noch am Leben, aber dennoch mußte die Suche nach der Reinkarnation begonnen werden. Im Jahre 1685 erreichte den Desi die Nachricht, daß nahe der bhutanesichen Grenze unter himmlischen Vorzeichen ein Junge geboren wurde. 1688 wurde der Junge heimlich in das Kloster Nankartse gebracht, wo er unterrichtet wurde. Tsangyang Gyatso zeigte allerdings nur wenig Neigung, sich dem enthaltsamen Leben des Klosters anzuschließen.

Ordenskriege und offizielle Ernennung

Durch den geheimgehaltenen Tod des 5. Dalai Lamas war ein Machtvakuum entstanden, welches der Desi gerne zum Ausbau seiner Macht nutzte. Er ignorierte die guten Beziehungen zu China, verbündete sich mit den Mongolen und führte Eroberungskriege in Westtibet, wo der konkurrierende Karmapa-Orden noch in einigen Klöstern lehrte.

1683 zogen mongolische und tibetische Truppen nach Westtibet und übereigneten die eroberten Klöster dem Gelugpa-Orden. Der Desi selber regierte zwar unter dem Banner des Gelugpa-Ordens, führte aber ein ausschweifendes Leben. Er hatte zwei Ehefrauen, mehrere Mätressen und teilte diese zuweilen mit dem mongolischen Khan. Sein Treiben wurde vom chinesischen Kaiser nur im Glauben an den offiziell noch lebenden 5. Dalai Lama geduldet. Erst 1696, nach Vollendung des Potala-Palastes, gab der Desi den Tod des 5. Dalai Lamas bekannt und sandte einen Botschafter nach Peking, um die Ernennung von Tsangyang Gyatso bekanntzugeben. Durch diese nun offenbarte jahrelange Täuschung verschlechterten sich die Beziehungen zu China erheblich. Der chinesische Kaiser setze nun seinerseits alle Kräfte ein, um die tibetisch-mongolische Verbindung zu zerschlagen.

Der heilige Narr im Potala-Palast

Der 6. Dalai Lama war mit dieser Situation völlig überfordert. Er widmete sich auch nicht der Meditation und dem Studium der Schriften, sondern vertrieb sich seine Zeit mit Bogenschießen und nächtlichen Trinkgelagen in Lhasa, die er regelmäßig mit einem Freund unternahm. Nachdem der Desi seinen Freund von einem angeworbenen Attentäter hatte ermorden lassen, verweigerte Tsangyang Gyatsho die Ordination zum Vollmönch, legte auch die Novizengelübde ab und wurde 1702 in den Laienstand zurückversetzt. Er lebte jedoch weiter im Potala-Palast, schrieb Liebeslieder und Gedichte, feierte und lud auch Mädchen in seine Residenz ein. Sein ausschweifender Lebensstil machte ihn bei der armen Bevölkerung in Tibet und der Mongolei sehr beliebt.[3]

Tod des Dalai Lamas

Nachdem der Desi am 7. September 1705 von den Chinesen enthauptet worden war, war es nun das Ziel Chinas, den 6. Dalai Lama zu stürzen und die Macht in Lhasa zu übernehmen. Ihm wurde sein ausschweifender Lebensstil vorgeworfen, und da auch die Mongolen durch sein Treiben ihre Macht in Gefahr sahen, erklärte der mongolische Führer Lajang Khan am 11. Juni 1706 in Lhasa den 6. Dalai Lama für abgesetzt. Der Dalai Lama floh in das Kloster Drepung, wurde aber dort von den Mongolen verhaftet und in Richtung Peking eskortiert. Auf dieser Reise verstarb Tsangyang Gyatso am 14. November 1706 unter mysteriösen Umständen. Wegen seines ungezwungenen Lebensstils ist er bis heute einer der beliebtesten Lamas. Er ist der einzige Dalai Lama, der an keinerlei kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligt war.[4]

Verweis

Fußnoten

  1. Regierungschef für alle weltlichen Belange, bereits vom 5. Dalai Lama eingesetzt
  2. Es wird angenomen, daß Sangye Gyatso der leibliche Sohn des 5. Dalai Lamas war. Dies ist aber umstritten, da es zumindest offiziell keine Beweise dafür gibt.
  3. Es wird berichtet, daß die Häuser, die er mit seinen verschiedenen Geliebten während seiner nächtlichen Asuflüge in Lhasa besuchte, von den Bewohnern einen gelben Hausanstrich bekamen, da die Menschen sich von seinem Besuch sehr geehrt fühlten. Gelb ist die Farbe des Gelugpa-Ordens.
  4. Karl-Heinz Golzio / Pietro Bandini: Die vierzehn Wiedergeburten des Dalai Lama. O. W. Barth, Bern/München/Wien 1997, ISBN 3-502-61002-9