Kurzem, Alex
Alex Kurzem (geb. angeblich entweder 1935 oder 1936 als Ilya Solomonovich Galperin in Belarus; gest. 31. Januar 2022) war ein – angeblich jüdischer – Zirkuskünstler und Fernsehtechniker, der im Zweiten Weltkrieg als Uldis Kurzemnieks, dann eingedeutscht Alex Kurzem als Maskottchen lettischer Freiwilliger der Waffen-SS fungiert haben soll. 1949 emigrierte Kurzem nach Australien und verbrachte sein Leben in Melbourne. Kurzem erhält Geld des deutschen Steuerzahlers durch Beiträge der „Jewish Claims Conference“ (JCC).
Inhaltsverzeichnis
Leben
Abstammung
Alex Kurzem soll, so die ursprüngliche Geschichte, der Sohn der Juden Solomon Galperin und Chana Gildenberg gewesen sein. Inzwischen wurde die Behauptung weitgehend widerlegt, Kurzem verweigerte alle Angebote einer DNA-Untersuchung, auch als eine Zeitung 100.000 US-Dollar anbot. 2012 behauptete er dann, als sein Fall intensiver untersucht wurde, daß er nie gesagt habe, er wäre Ilya Galperin, im Gegenteil, daß wurde ihm gesagt bzw. suggeriert. 2013 gab er dann gegenüber der Herald Sun in Melbourne zu:
- „I might be. I might be anybody, but I have got no proof who I am.“
Bedeutung
Weltweite Aufmerksamkeit wurde ihm zuteil, als er sich 1997 plötzlich daran erinnerte, daß er ein Jude und „Holocaust-Überlebender“ war. Seine unglaubliche und wundervolle Geschichte wurde zum Gegenstand eines „Dokumentarfilmes“ und eines vielfach verkauften Buches seines Sohnes (in 13 Sprechen übersetzt, es brachte der Familie Millionen ein; der homosexuelle Mark Kurzem verstarb 2010[1]),[2] das auch ins Deutsche übersetzt wurde[3] und sogar vom Bundesministerium für politische Bildung unter der dramatischen Überschrift „In der Obhut des Teufels“ als „Politisches Buch“ gepriesen wird.[4]
Die angeblichen Erinnerungen
Alex Kurzems Erinnerungen beginnen in einem Dorf in Belarus am 20. Oktober 1941, dem Tag, an dem es von der deutschen Armee besetzt wurde:
- „Ich erinnere mich, wie die deutsche Armee das Dorf besetzte, alle Männer in einer Reihe aufstellte und erschoß. Meine Mutter erzählte mir, daß mein Vater getötet wurde und das wir alle getötet werden würden. Ich wollte nicht sterben, darum versuchte ich mitten in der Nacht zu fliehen. Ich gab meiner Mutter einen Abschiedskuß und rannte in die Berge und beobachtete die Stadt bis zum nächsten Morgen.“[5]
An anderer Stelle wird allerdings berichtet, daß sein Vater den „Holocaust“ überlebt habe.[6] Obwohl er sich nicht mehr genau erinnern kann, weil er wahrscheinlich mehrmals ohnmächtig wurde, weiß er aber noch genau, daß er sich in die Hand gebissen hat um nicht laut aufzuschreien und entdeckt zu werden.
- „Als das Schießen aufhörte wußte ich nicht wohin, also lebte ich im Wald, weil ich nicht zurück konnte. Ich war der einzige Überlebende. Ich muß fünf oder sechs Jahre alt gewesen sein. Ich ging in den Wald, aber niemand wollte mich. Ich klopfte an Türen und sie gaben mir Brotstücke, sagten mir aber, ich solle weiterziehen. Niemand nahm mich auf.“
Er überlebte indem er die Kleider von den Leichen toter Soldaten nahm und nach ungefähr neun Monaten im Wald wurde er von einem Mann der lettischen Polizei übergeben, die einige Zeit später in die SS eingebunden wurde. An dem selben Tag beobachtete er noch eine Exekution und dachte er würde nun auch sterben.
- „Da war ein Soldat neben mir und ich sagte: ‚Kannst du mir etwas Brot geben bevor du mich tötest?‘ Er schaute mich an und nahm mich mit hinter die Schule.
Er untersuchte mich und sah, das ich ein Jude war. ‚Nicht gut, nicht gut‘, sagte er. ‚Schau, ich will dich nicht töten, aber ich kann dich nicht hier lassen weil du dann sterbe wirst. Ich werde die mit mir nehmen, dir einen neuen Namen geben und den anderen Soldaten erzählen, daß du ein russischer Waise bist‘.“
So wurde also zum Maskotchen der lettischen SS.
- „Sie gaben mir eine Uniform, ein kleines Gewehr und eine kleine Pistole. Sie gaben mir kleine Aufgaben zur Erledigung, wie dem Polieren von Schuhen, dem Tragen von Wasser oder dem Anzünden eines Feuers. Aber meine Hauptaufgabe war es, sie zu unterhalten, damit sie sich ein bißchen glücklicher fühlten.“
In den Wochenschauen wurde er als „des Reiches jüngster Nazi“ vorgeführt und er wurde Zeuge einiger unausprechlicher Greueltaten. Doch seine SS-Meister entdeckten nie das wichtigste Detail über sein Leben:
- „Sie wußten nicht, daß ich ein jüdischer Junge war, der einem Nazi-Todeskommando entommen war. Sie dachten, ich wäre ein russisches Waisenkind.“
Kurzem, der in ständiger Angst als Jude erkannt zu werden lebte, wurde angeblich von der SS benutzt um bspw. Juden mit Schokolade in Zugwaggons zu ködern[5], die sie dann in Konzentrationslager deportierten, oder eine Bauerntochter mit einem Strauß Blumen ins Lager zu locken, damit sich die Soldaten an ihr vergehen konnten.[7]
Kriegsende und Emigration
Als die Nazis 1944 vor der Niederlage standen, habe ihn der Kommandant zu einer nationalsozialistischen Familie nach Riga gesandt und fünf Jahre später schaffte er es Australien zu erreichen, wo er für einige Zeit in einem Zirkus auftrat und schließlich ein Fernsehmechaniker in Melbourne wurde. All die Jahre hat er sein Geheimnis mit sich herumgetragen und es noch nicht einmal seiner Frau erzählt:
- „Als ich Europa verließ, sagte ich: Vergiß deine Vergangenheit. Du gehst in ein neues Land und ein neues Leben. Schalt es ab und denke nicht daran. Ich habe es geschafft. Ich erzählte den Leuten ich hätte meine Eltern im Krieg verloren, aber ich ging nicht ins Detail. Ich hielt das Geheimnis und erzählte es niemandem.“[5]
1997
Erst 1997 habe er seinem Sohn offenbart, daß er „glaubt Jude zu sein“ und daß er sich erinnere gesehen zu haben, wie seine Familie getötet worden sei.[6]
Reaktionen
Als der australische Sender ABC in Neuyork vor ein paar Jahren einen Dokumentarfilm über ihn zeigte, sei nach der Vorführung eine weinende Frau auf ihn zugekommen die sagte:
- „Es tut mir leid. Mein Vater war ein deutscher Soldat.“[7]
Entlarvung durch Zweifel
Phillip Maisel, der gut 2000 Aussagen von Überlebenden aufgezeichnet hat, gab 2012 auf Nachfrage von „The Jewish Chronicle“ zu, daß er 1996, als er die Aussage Kurzems aufnahm, nicht alles geglaubt hatte. Ebenso haben Mitglieder des „Jewish Holocaust Centre“ in Melbourne die Aussagen Kurzems in Zweifel gezogen.
Dr. Barry Resnick, Professor in Kalifornien und selbst Jude, fing 2009 an Kurzems Geschichte zu zweifeln, als er den Beitrag „Secrets Of A Nazi Mascot“ bei der renommierten Nachrichtensendung „60 Minutes“ sah.[8] Die Details der Erinnerung widersprechen sich, Prof. Dr. Resnick resümierte, es ist nicht bewiesen, daß Kurzem Jude ist, und wenn er Jude ist, ist es nicht bewiesen, daß er als Fünfjähriger zusah, wie seine Familie ermordet wurde, ebenso ist es nicht bewiesen, daß Alex Kurzem Ilya Galperin ist, nur eine DNS-Untersuchung könnte Gewißheit bringen, die Kurzem jedoch abgelehnt hatte. Zusammen mit Colleen Fitzpatrick, einer forensischen Genealogin, forcierte er eine Untersuchung. 2010 forderte im Auftrag der deutschen Bundesregierung Kurzems Unterlagen und Aussagen beim „Melbourne Holocaust Center“ an.[9]
2013 forderte Dr. Efraim Zuroff, Direktor des israelischen Büros des Simon-Wiesenthal-Zentrums, die „Claims Conference“ dazu auf, den Fall erneut zu untersuchen, da er Kurzems Geschichte für einen Schwindel und Kurzem selbst für einen Betrüger hält:
- „Everything in this case appears to point to a scam [...] Only a comprehensive investigation can finally determine whether Kurzem is indeed a Holocaust survivor, which I very much doubt, or an imposter whose main motivation was to gain fortune and fame by distorting his unusual wartime experiences.“
2013 hat die „Herald Sun“ in Melbourne, die Tageszeitung mit der größten Verbreitung in Australien, Kurzem angeboten, die DNS-Untersuchungen zu organisieren und zu bezahlen, Kurzem jedoch lehnte erneut ab. Statt dessen legte er ein Attest eines Arztes in Frankreich vor, daß angibt, Kurzem sei beschnitten, was jedoch kaum eine Relevanz für die Untersuchung hat. Eine DNS-Probe hätte schnell feststellen lassen, ob Kurzem zur Galperin-Familie gehört oder nicht, denn bei Minsk leben mehrere Angehörige, darunter zwei Halbbrüder Kurzems.
Propagandastücke
- 8.4.2004: The Age, The Mascot
- 4.4.2005: Haaretz, Holocaust survivor who concealed routes finds cousin in U.S
- 10.6.2007: Telegraph: The tale of a Nazi mascot
- 12.7.2007: Berliner Zeitung: Ich war das Maskottchen der SS
- 21.8.2007: BBC, The secret history of the Nazi mascot
- 22.8.2007: Daily Mail, Hitler's SS mascot was Jewish
- 24.9.2007: Süddeutsche Zeitung: Vom jüdischen Jungen, der die Mörder unterhielt
- 24.9.2007: Die Welt, Ein jüdischer Junge als Maskottchen der SS
- 24.9.2007: Westdeutsche Zeitung, Ein Jude als SS-Maskottchen
- 5.10.2007: Die Welt, Wie ein Jude als Hitlers Vorzeigekind überlebt
- 9.11.2007: Herald Sun, Nazi claims rejected
- 30.11.2007: New York Times, How the Littlest Nazi Turned Out to Be a Jew
- 12.2008: Jewish Times Asia, Alex Kurzem - Making Peace with Ilya Galperin
- 16.2.2009: Bundestag, In der Obhut des Teufels
- 22.2.2009: CBS News, The Youngest Corporal In The Nazi Army.
- 18.2.2010: Solinger Tageblatt, „Maskottchen“
- 12.08.2010: Berliner Morgenpost, Hitlers Vorzeigekind
... und dann
- “The Mascot” – Truth or Fiction?, J-Wire – Digital Jewish news daily for Australia and New Zealand, 16. September 2012
- Holocaust Survivor in Australia Faces Questions of Authenticity, Haaretz Daily Newspaper, 21. September 2012
- The Jewish Chronicle Online, 27. September 2012: Dan Goldberg, Australian man's Holocaust story labelled a ‘lie’
- Nazi mascot doubts: Holocaust survivor's tale under scrutiny, Herald Sun, 17. April 2013