Außerordentliche Staatliche Kommission
Die „Außerordentliche Staatliche Kommission“ (russisch: Чрезвычайная Государственная Комиссия - TschGK; vollständig: „Außerordentliche Staatliche Kommission für die Feststellung und Untersuchung der Greueltaten der deutsch-faschistischen Eindringlinge und ihrer Komplizen, und des Schadens, den sie den Bürgern, Kolchosen, öffentlichen Organisationen, staatlichen Betrieben und Einrichtungen der UdSSR zugefügt haben“) war eine am 2. November 1942 durch Erlaß des Präsidiums des Obersten Sowjets gegründete Untersuchungskommission für die „Untersuchung und Bestrafung der Verbrechen der deutsch-faschistischen Aggressoren“.
Nach Angaben der TschGK beschäftigte die Kommission 32.000 Funktionäre und 7.000.000 Sowjetbürger beteiligten sich an der Sammlung und Erstellung von Dokumenten. Die Kommission sammelte 54.000 Erklärungen sowie mehr als 250.000 Zeugenaussagen über angebliche Verbrechen der „faschistischen Eindringlinge“ und produzierte fast 4.000.000 Dokumente über den von diesen verursachten Schaden.
Der „Außerordentliche Staatlichen Kommission“ gehörten an:
- Nikolai Schwernik (1888–1970)
- Andrei Schdanow (1896–1948)
- Metropolit Nikolai von Kiew und Galizien (1892–1961)
- Walentina Grisodubowa (1910–1993)
- Jewgeni Tarle (1875–1955)
- Boris Wedenjew (1884–1946)
- Nikolai Burdenko (1876–1946)
- Trofim Lyssenko (1898–1976)
- Alexei Tolstoi (1883–1945)
- Ilja Trainin (1886–1949)
Die TschGK veröffentlichte am 24. August 1944 einen Bericht unter den Überschrift „Finnland demaskiert“, in dem behauptet wird, Finnland habe die gesamte sowjetische Bevölkerung der besetzten Gebiete in Konzentrationslager überführt, wo 40 % der Insassen zum Opfer gefallen seien. Ähnliche Beschuldigungen wie gegen Finnland wurden am 22. Juni gegen Rumänien erhoben.
Die 27 Berichte der TschGK bis 1945 bildeten das Kernstück der sowjetischen Anklage in den Nürnberger Prozessen sowie den japanischen Kriegsverbrecherprozessen. Die Unterlagen der TschGK befinden sich heute im Staatlichen Archiv der Russischen Föderation. Zahlreiche Dokumente finden sich auch in den Archivfonds von Molotow und Wyschinski im Außenpolitischen Archiv der Russischen Föderation.
Am 24. Januar 1944 wurde ein Kommuniqué unter den Überschrift „Die Wahrheit über Katyn. Bericht der Spezialkommission zur Feststellung und Untersuchung der Umstände der Erschießung der kriegsgefangenen polnischen Offiziere durch die deutsch-faschistischen Eindringlinge im Wald von Katyn“ veröffentlicht. Das umfangreiche Dokument, das als Beweisdokument USSR-054 vor dem Nürnberger Tribunal eingereicht wurde, behauptete „mit unwiderlegbarer Klarheit“, die Massenerschießungen seien von den „Deutsch-Faschisten“ durchgeführt worden. Der Metropolit Nikolai von Kiew und Galizien, der an der Erstellung des Berichtes mitwirkte, sowie Nikolai Burdenko, der ihr vorsaß, also zwei erwiesene Lügner, haben mindestens auch an dem Bericht über das Konzentrationslager Auschwitz mitgewirkt.
Dokument | Datum | Vorsitz | Beteiligte Mitglieder des TschGK | Mitteilung der Außerordentlichen Staatlichen Kommission zur… |
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USSR-001 | (Gaswagen, usw.) | |||
USSR-008 | 06.05.1945 | Schwernik | Trainin, Nikolai, Lyssenko, Burdenko | „… Feststellung und Untersuchung der Schandtaten der faschistischen deutschen Eindringlinge und ihrer Helfershelfer, über die ungeheuren Greueltaten und Verbrechen der deutschen Regierung in Auschwitz (Oswiezim)“[1] |
USSR-009 | „… Feststellung und Untersuchung Verbrechen der deutsch-faschistischen Eindringlinge in der Stadt Kiew“ | |||
USSR-054 | 24.01.1944 | Burdenko | Tolstoi, Nikolai | „… Feststellung und Untersuchung der Umstände der Erschießung von polnischen Kriegsgefangenen Offizieren im Katyner Wald durch die deutschen faschistischen Eindringlinge“[2] |
Die Berichte wurden in der Nachkriegszeit mitunter von Geschichtsschreibern wie Raul Hilberg, William L. Shirer oder Jean-Claude Pressac benutzt, um das offizielle Geschichtsbild zu zeichnen, und die von Jan Philipp Reemtsma finanzierte Antiwehrmachtsausstellung nutzte sie als „Beweismittel“.
Literatur
- Alexander E. Epifanow: Die Außerordentliche Staatliche Kommission. Stöcker, Wien 1997
- Stefan Karner: Zum Umgang mit der historischen Wahrheit in der Sowjetunion. Die „Außerordentliche Staatliche Kommission“ 1942 bis 1951, in: W. Wadl (Hg.): Kärntner Landesgeschichte und Archivwissenschaft. Festschrift für Alfred Ogris. Klagenfurt 2001, Seiten 508–523
- Marina Sorokina: People and Procedures. Toward a History of the Investigation of Nazi Crimes in the USSR, in: Kritika. Explorations in Russian and Eurasian History 6, 4 (Fall 2005), 797–831
- Inconvenient History: Wilfried Heink: A closer look at the Soviet “Extraordinary State Commission” (ESC) which claimed to have investigated “Fascist Crimes”