Der Schwan im Frauenberge

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Der Schwan im Frauenberge ist eine deutsche Sage aus Thüringen.

Inhalt der Sage

Bei Sondershausen, im Fürstenthume Schwarzburg, liegt gegen Abend ein hoher Berg, der Frauenberg genannt. Hier stand in den Zeiten des grauesten Alterthums das Bild der Göttin Jecha, in welchem die Thüringer ihre Diana verehrten. Sie wallfahrteten fleißig zu ihr auf den Gipfel des Berges, den damals dunkle heilige Haine bedeckten, und opferten reichliche Gaben an Wildpret und Geflügel. Am häufigsten geschah dies zur Zeit des heutigen Osterfestes, dann wurden der lieben Frau, so nannte man sie, unbeschreiblich viele Opfer dargebracht. Mit Bonifaz Erscheinen verschwand aber ihr Bild und an die Stelle trat die Mutter Maria, der Bonifaz auf dem Berge einen Tempel erbauen ließ. Auch zu diesem wallfahrtete man, auch ihr brachte man reichliche Opfer.

Die Zeit hat jetzt jede Spur dieses Tempels verwischt, und der heilige Hain ist nicht mehr, aber das Volk besteigt noch immer am dritten Ostertage den Berg in großen Schaaren. Warum? das weiß es wohl selbst nicht, es ist einmal so der Gebrauch. Man geht hin, es regne oder schneie, ergötzt sich an der schönen Aussicht, und nimmt von den kleinen Schraubenschnecken, die nur an diesem Berge leben, einige als Wahrzeichen mit zurück.

Das Mährchen vom Schwan im Frauenberge, das erzählt bei dieser Wallfahrt aber gewiß manches Mütterchen dem zarten Kinde, wenn es am Fuße des Berges im Dorfe Jechaburg an dem krystallhellen Brunnen sich erquickt.

„Siehst du das helle Wässerchen? siehst du, wie es aus dem Innern des Berges hervorquillt? weißt du, wo es herkommt? - Ich will dir's erzählen. Der Berg, vor dem wir da stehen, ist ganz hohl. Horch, wie dumpf es klingt, wenn ich mit dem Fuße stampfe! Sieh, in dem hohlen Berge ist ein großer, großer See. Über dem See spannt sich ein lieblich blauer Himmelsbogen aus, der ist mit vielen schönen funkelnden Sternen besäet, die flimmern und glänzen gar herrlich in dem See. Auf der ruhigen Wasserfläche rudert seit Anbeginn der Welt in ewigen Kreisen ein silberweißer Schwan, der lebt vom Ausfluß des Glanzes der Sterne, und hält im Schnabel einen güldenen prächtigen Ring. Als der liebe Gott die Erde schuf, da gab er ihm selbst den Ring in den Schnabel, damit er die Welt im Gleichgewicht erhielte. Wenn einmal der Schwan den Ring fallen läßt, dann geht die Erde unter, dann ist das Ende der Welt. Merke es dir, dann ist das Ende der Welt.“

Quelle

  • Gottschalck, Friedrich: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen, 1814