Erbhof
Als Erbhof bezeichnet man den unveräußerlichen und unbelastbaren, unteilbaren auf den Anerben übergehenden land- und forstwirtschafftlichen Besitz eines Bauern. Im Dritten Reich entstand für den Erbhof, wegen seiner besonderen völkischen Bedeutung, ein eigenes Recht, das Reichserbhofgesetz, das die Lebensgrundlage einer bäuerlichen Sippe sicherte.
Geschichte
Kernstück der rechtlichen Ordnung des Erbhofs ist das Anerbenrecht, das sich aus dem germanischen Odalsrecht im Mittelalter entwickelte und im deutschen Recht trotz aller Rechtsüberfremdung (Agrargeschichte) in vielfältiger Gestalt (z. B. im Höferecht der Provinz Hannover, in der Landgüterordnung Westfalen) bis in die Gegenwart hinein erhalten hatte, zumal das EG zum BGB der Landesgesetzgebung in der Ausgestaltung des Anerbenrechtes völlig freie Hand ließ. Vielfach erhielt sich das alte germanisch-deutsche Erbhofrecht nur noch als Erbsitte.
Trotz dieser viergestaltigen Entwicklung des germanischen-deutschen Erbhofrechtes haben sich seine Grundgedanken, wenn auch nicht immer unverfälscht, stets erhalten. Hauptziel des Erbhofrechtes war es stets, den Erbhof (Stammhof, Familiengut, Erbgut) geschlossen in der Hand der „erbgesessenen“ bäuerliche Familie zu erhalten.
Daher spricht man auch von „geschlossenen Gütern“ im Gegensatz zu den so genannten „walzenden Grundstücken“.
Der Erbhof war daher im Erbgang unteilbar (Grundsatz der Unteilbarkeit) und nur innerhalb der bäuerlichen Sippe, und zwar in der Regel im Mannesstamm, vererbbar. Vieles deutet darauf hin, daß ursprünglich der Beste der nächsten männlichen Blutsverwandten (also in der Regel der Söhne) den Erbhof erbte.
Sehr bald bildete sich aber eine feste Erbfolge (Anerbenfolge) heraus, die ohne Zustimmung der Erben (Erbenlaub) und vielfach auch der bäuerlichen Gerichte auch durch Testament nicht umgestoßen oder beschränkt werden konnte. Je nachdem, ob der älteste oder der jüngste Sohn als Anerbe den Erbhof erbte, spricht man von Ältesten- (Majorat, lateinisch) oder Jüngstenrecht (Minorat, lateinisch). Nur das bewegliche Gut, die so genannte fahrende Habe (germanisch feod), wurde geteilt; doch hatten die Miterben (weichenden Erben) durch den Anspruch auf eine der Leistungsfähigkeit des Erbhofes entsprechende Ausbildung, Ausstattung oder Aussteuer sowie durch das Heimat- und Zufluchtsrecht in Notfällen auf den Erbhof ganz bestimmte, unantastbare Anrechte.
Die durch die feste Erbfolge sich äußernde Blutsgebundenheit des Erbhofrechtes schloß die Verpflichtung in sich, das Blut der Bauernfamilie rein zu erhalten. Mißgeburten, Zeugungsunfähige, uneheliche Kinder und solche aus Ehen mit Unfreien, die ursprünglich meistens zugleich Volksfremde waren, waren in der Regel nicht erbfähig und daher vor allem von der Erbfolge in den Erbhof ausgeschlossen.[1]
Um den Erbhof als Lebensgrundlage der bäuerlichen Sippe zu erhalten, durfte der jeweilige Inhaber den Erbhof von sich aus grundsätzlich weder verkaufen noch durch Teilverkäufe schmälern (Grundsatz der Unveräußerlichkeit) noch verpfänden (Grundsatz der Unbelastbarkeit); nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Erben und in der Regel auch der bäuerlichen Gerichte war es ihm erlaubt; doch sind gerade diese Schutzbestimmmungen unter dem Einfluß der falschen Freiheitsparole des Wirtschaftsliberalismus im 19. Jahrhundert fast restlos gefallen, so daß von dem Erbhofrecht eigentlich nur die feste Erbfolge bestehen blieb, deren Anwendung meistens von der Eintragung des Erbhofs (Intabulation, lateinisch) in ein besonderes amtliches Verzeichnis (Landgüter-, Höferrolle) abhängig war. Aber auch diese letzte Schutzbestimmung zur Erhaltung des Erbhofs wurde vielfach unter dem Einfluß des plutokratischen Geistes dadurch zerstört, daß der Erbhof im Erbgange dem Kapitalbesitz gleichgestellt wurde und die weichenden Erben Geldabfindungen erhielten, die zu einer untragbaren Verschuldung das Erbhofes führten. Wo aber eine Einigung infolge der hohen Ansprüche der Miterben bei den Erbauseinandersetzungen nicht zustande kam, mußte der Erbhof zwangsversteigert werden. Nicht zuletzt unter dem Druck dieser Entwicklung ging seitdem die Kinderzahl auch im Bauerntum zurück. Durch das nationalsozialistische Reichserbhofgesetz wurde der ursprüngliche Sinn des germanisch-deutschen Erbhofrechtes zeitweilig in modifizierter Form wiederhergestellt, jedoch nach Ende des Zweiten Weltkriegs durch die alliierten Invasoren bzw. durch den „Alliierten Kontrollrat“ 1947 wieder aufgehoben.
Literatur
- Gustav Wagemann / Karl Hopp: Reichserbhofgesetz, 1935
- Otto Baumecker: Handbuch des gesamten Reichserbhofrechts, 1936
- Martin Busse: Der Erbhof im Aufbau der Volksordnung, 1936
- Merckel-Wöhrmann: Deutsches Bauernrecht
- Günther Pacyna: Bodenrecht aus deutscher Art, 1936
- Wilhelm Saure: Das Reichserbhofgestz, 1937