Reichserbhofgesetz

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Das Reichserbhofgesetz für das Deutsche Reich wurde am 29. September 1933 (zwei Tage vor dem Erntedankfest) von der nationalsozialistischen Reichsregierung erlassen. Es diente dazu, die Höfe vor Überschuldung und Zersplitterung im Erbgang zu schützen, nahm damit ältere agrarpolitische Ziele des Meierrechts wieder auf und war zugleich Ausdruck des Blut-und-Boden-Gedankens.

Das Erbhofgesetz in der Praxis

Das Rechtserbhofgesetz entstand auf dem Boden der nationalsozialistischen Weltanschauung, nach welcher der Hof ein Erbe ist, das erhalten werden muß. Die Erhaltung des Hofes verlangt, daß ein Anerbe den Hof übernimmt und eine Bauernfamilie darauf wirtschaftet. Zustände, daß drei oder vier Familien auf demselben Raum wirtschafteten, den ein Bauer für eine Familie sich geschaffen oder übernommen hat, drückten das Land zum Diener der Stadt herab und machten aus einem freien, selbstbewußten Bauerntum ein von Nebenverdienst abhängiges Zwergbesitzertum. Damit ist nichts gesagt gegen die Verbindung von Landbesitz und Lohnverdienst, wie sie sich bei vielen Landarbeitern findet. Aber ein solcher Besitz kann sich nur halten, wenn größere Höfe da sind, die Arbeitskräfte brauchen; er kann also nicht die Grundlage für die Landwirtschaft bilden. Nach der germanischen und nach der nationalsozialistischen Weltanschauung hatte der Hof nicht dem einzelnen Eigentümer zu dienen, sondern ist der Sippe verbunden und dient der Erhaltung dieser Sippe, ebenso wie die Sippe der Erhaltung des Hofes dient. Darum muß der Hof in seinem Bestande ungeschmälert bleiben, wenn der Bauer den Hof übergibt und der Anerbe ihn übernimmt. Denn nur der ungeschmälerte Bestand gibt dem Bauern die Gewißheit: Dein Enkel und Urenkel wird ebenso fest auf demselben Boden stehen und wirtschaftlich und persönlich ebenso unabhängig sein von anderen Mächten. Eine Teilung des Erbhoflandes kam deshalb nach dem Reichserbhofgesetz nur da in Betracht, wo aus dem Erbhofland gut zwei Erbhöfe gebildet werden können, z. B. überall da, wo zum Hof noch eine große Ödlandfläche gehört, auf der einer der Söhne sich als Siedler angesetzt hat. Nichts ist falscher als die Behauptung, daß die übrigen Kinder, die den Hof nicht übernehmen, „enterbt“ worden seien. Bisher ging vielfach das „Erbe“ in echtem Sinne, nämlich der Hof und das Land, in den meisten Gebieten schon nach dem bisherigen Brauch auf einen Sohn über; wurde dagegen geteilt, so wurde in Wahrheit das Erbe zerschlagen und die Sippe „enterbt“; denn die Teilstücke waren in der Regel für sich unfähig, einen neuen Erbhof zu bilden und wechselten daher als „walzende“ Güter durch Kauf oder Zusammenheiraten der Besitzer von Generation zu Generation. Ein fester Besitz der Sippe konnte sich hier nicht halten. Darum zerstört die Realteilung das Bewußtsein der erbmäßigen Bindung und Verpflichtung, also die Tradition, an die jede Kultur gebunden ist.

Das Recht der Nachgeborenen

Kennzeichnung eines Gehöftes als Erbhof

Gerne wird verbreitet, daß die Geschwister des Anerben dadurch benachteiligt waren, daß sie jetzt nicht mehr nach dem Wert des Grundbesitzes bemessene Abfindungsansprüche hätten. Sie vergessen dabei, daß die Geschwister des Anerben statt dessen nach dem Reichserbhofgesetz ein Recht auf Unterhalt und Erziehung, auf Versorgung mit Aussteuer und Ausstattung und, wenn sie unverschuldet in Not geraten, ein Heimatzufluchtsrecht auf dem Hofe haben (§ 30 Reichserbhofgesetz). Der Unterschied gegenüber der früheren Regelung lag darin, daß nach nationalsozialistischer Auffassung der Hof nicht einer Generation gebührt, die daran Rechte geltend machen könnte, sondern daß der lebenden Generation jeweils nur die Erträge des Hofes zufallen sollen. Darum waren auch die Rechte der Geschwister des Anerben insoweit begrenzt, als sie die Ertragsfähigkeit des Hofes nicht übersteigen dürfen. Früher mußte sich der Hofübernehmer im Wege der Erbauseinandersetzung oder bei Abschluß des Übergabevertrages den Hof von seinen Eltern oder Geschwistern durch die Befriedigung von Ansprüchen erkaufen, denen rechtlich keine Grenzen gesetzt waren. Das führte in vielen Fällen zur Aufnahme von Schulden, die innerhalb einer Generation nicht abgedeckt werden konnten und, da sie mit jeder Hofesübergabe wuchsen, die Überschuldung herbeiführten. Ein Drittel der gesamten landwirtschaftlichen Verschuldung ist auf Verpflichtungen aus Erbauseinandersetzungen zurückzuführen. Die Geschwister hatten sogar das Recht, den Hof ihres Bruders, der ihn im Erbgang von den Eltern übernommen hatte, zur Versteigerung zu bringen, wenn ihre Ansprüche nicht befriedigt wurden. Im Dritten Reich war der Erbhof grundsätzlich gegen Versteigerung geschützt.

Bei der früheren Erbregelung muß auch folgendes beachtet werden: Wenn die Geschwister bei der Erbauseinandersetzung ihre Ansprüche geltend machten, so stieg die Verschuldung des Hofes zum Teil derart, daß die für die Geschwister eingetragenen Hypotheken nur auf dem Papier standen, der Hof aber nach aller Voraussicht niemals in der Lage war, aus dem geringen Barüberschuß der Einnahmen, nach Abzug der Betriebskosten und der Zinsen für den laufenden Betriebskredit, noch die Schulden an die Geschwister abzudecken. Die Abfindung baute also auf trügerischer Grundlage auf. Natürlich hat das Reichserbhofgesetz in den Fällen, in denen den Bauern noch kein Überschuß zur Verfügung stand, diese Barmittel nicht hervorzaubern können. Es hat aber dem trügerischen Unwesen ein Ende bereitet, daß in solchen Fällen die Höfe überschuldet wurden. Im übrigen sorgte die nationalsozialistische Agrarpolitik dafür, daß der Bauer einen festen und auskömmlichen Preis für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse erhielt und dadurch auch wieder Geld in die Hände bekam. Die Härte, die sich daraus ergab, daß gegenwärtig bei vielen Bauern keine Mittel vorhanden waren, um den Kindern, die den Hof nicht erben und etwa seit Jahren auf dem Hofe gearbeitet haben, zu einer selbständigen Existenz zu verhelfen, lag in der Not der letzten Jahrzehnte mit ihren geringen Einkünften für die Landwirtschaft begründet und ist die schwere Schuld der liberalen Landwirtschaftspolitik, der das deutsche Bauerntum seit Anfang des 19. Jahrhunderts preisgegeben war.

Das Reichserbhofgesetz war kein starres Gesetz, das jeden einzelnen Fall nach einem allgemeinen Schema regelte. Denn die Regelung jedes einzelnen Übergabevertrages lag in den Händen von Übergeber und Übernehmer und bedurfte nur der Billigung durch das bäuerliche Gericht, das Anerbengericht, in dem zwei Bauern und ein beamteter Richter prüfen, ob die Pflichten, die der Vertrag für den Übernehmer festsetzt hatte, mit der Erhaltung des Hofes zu vereinbaren sind, oder ob sie etwa überspannten liberalistischen und individualistischen Geldansprüchen der Übergeber oder der Geschwister des Anerben entsprangen. Auf diese Weise war es möglich, in jedem Fall von dem Bedarf auszugehen, der für die weichenden Erben vorlag und in Ausnahmefällen, in denen es sich etwa um eine sonst nicht mögliche, dringende Beschaffung von Siedlungsgeld für einen Bauernsohn handelte, auch die Aufnahme von Kredit zuzulassen, soweit es die Ertragsfähigkeit des Hofes zuließ. Auf keinem anderen Rechtsgebiet kann so wie hier durch die sachverständigen, von nationalsozialistischer Gesinnung erfüllten Standesgenossen im einzelnen Falle festgesetzt werden, was rechtens war. Das Reichserbhofgesetz öffnete damit dem eigenen bäuerlichen Rechtsdenken selber den Weg zur Rechtsprechung, indem Bauern ihre eigene nationalsozialistische Rechtsauffassung in der Rechtsprechung der Anerbengerichte durchsetzten.

Dabei ist hervorzuheben: Die entscheidende Grundlage des nationalsozialistischen Bauerntums war die Pflicht und die Verantwortung, die jeden trifft, der zur Sippe gehört. Er ordnet sich der Sippe ein und beschränkt seine Ansprüche darauf, was ihm aus der Lebenseinheit des Hofes heraus gewährt werden kann. Auf dieser Gemeinschaft des Dienstes an der Sippe und am Hofe baut sich das Ansehen des Anerben und seiner Geschwister auf. Der Anerbe wird seine Brüder und Schwestern, die auf dem Hofe gearbeitet haben und ihre Pläne zur Verselbständigung nach den Mitteln gerichtet haben, die ihnen der Hof gewähren kann, als gleichwertig achten, weil der Dienst und die Einordnung in die Sippe ihre bäuerliche Haltung bezeugen. Das Ansehen des Bauernsohnes oder der Bauerntochter läßt sich daher nicht mehr nach der Höhe ihres Erbteils „errechnen“.

Hier ist noch ein Wort über die Mitgift zu sagen. Solange der Anerbe sich den Hof von seinen Eltern oder Geschwistern erkaufen mußte, spielte die Mitgift naturgemäß eine große Rolle. Diese Bedeutung hatte die Mitgift im Dritten Reich verloren, da der Bauernsohn, der den Hof übernimmt, grundsätzlich nach den Erträgen des Hofes und aus diesen Erträgen für den Unterhalt seiner Eltern und die Ausstattung seiner Geschwister zu sorgen hatte. Besitzt er freilich ein Barvermögen, so wird dieses mit herangezogen werden müssen, da der Bauer nichts „privat“ der Sippe vorenthält. Aber das Vorhandensein eines solchen Barvermögens ist nicht mehr entscheidend für die Übernahme des Hofes. Darum wird in Zukunft nicht mehr nach Mitgift geheiratet werden müssen, sondern die persönliche Tauglichkeit und der Erbwert werden voranstehen.

Kredit und bäuerliche Ehe

Um in dieser Weise den Bestand der Bauernhöfe und bäuerlichen Sippe wieder zu sichern, war es notwendig, den bäuerlichen Kredit auf eine gesunde Grundlage zu stellen. In den Erbhof hinein konnte grundsätzlich nicht vollstreckt werden. Die neue Regelung des Kredits zieht die Lehre aus dem Zusammenbruch der kapitalistischen Kreditwirtschaft, die trotz ihrer liberalen Grundsätze nach der Hilfe des Staates rufen mußte, um ihre eingefrorenen und nicht mehr zu lösenden Kredite wenigstens zum Teil zu retten. Die liberale kapitalistische Wirtschaft nämlich brachte es mit sich, daß schließlich auf dem Boden nichts mehr zu verdienen und der Boden trotz des freien „Gütermarktes“ tatsächlich unverkäuflich war. Damit entpuppte sich die „Sicherheit“ des Realkredits als Trugschluß. Denn diese „Sicherheit“ beruhte auf der Erwartung, daß bei Nichtzahlung des Schuldners in dem Versteigerungstermin ein Mieter erscheinen würde, angelockt durch die Möglichkeit, hier zu einem wesentlich geringeren Preise kaufen zu können als im freihändigen Güterwandel, und einen Betrag zahlen würde, durch den wenigstens die Hypothek gedeckt wäre. Diese Hoffnung schwand in dem Augenblick dahin, als die Preise auf dem Gütermarkt fielen und sich kein Käufer fand, um einen der Hypothek entsprechenden Erlös zu zahlen. Jetzt mußten die Osthilfegesetzgebung und die Maßnahmen zur landwirtschaftlichen Schuldenregelung eingreifen, um die ausgeliehenen Mittel, zum Teil unter bestimmten Kürzungen, überhaupt wieder an die Gläubiger zurückfließen zu lassen.

Es wäre nun nationalsozialistisch nicht zu verantworten gewesen, hätte man die zusammengebrochene, von ihrer „Sicherheit“ verlassene Kreditwirtschaft mit staatlicher Hilfe saniert, um sie dann von neuem in den alten Gleisen laufen zu lassen. Das Reichserbhofgesetz stellte deshalb den bäuerlichen Kredit wieder auf die Grundlage des persönlichen Vertrauens, wie denn Kredit auch ursprünglich Vertrauen heißt, und „Gläubiger“ sprachlich von „glauben“ kommt. Der Erbhof, der bleibende Bestand der bäuerlichen Wirtschaft, die feste Erträge bringt, und die Ehre des Bauern bieten die sicherste Gewähr für die Zahlung der Schulden, die überhaupt geboten werden kann. Wenn nun der Erbhof grundsätzlich nicht veräußert und nicht verkleinert werden kann, so ist damit seiner Ertragsfähigkeit als bleibende Grundlage für die Rückzahlung der Schuld gesichert.

Der Bauer, der den Hof von seinen Eltern und Geschwistern nicht für einen Preis „kauft“, sondern ihn geerbt hat, und der gemeinsam mit seinen Söhnen und Töchtern der Erhaltung des Hofes dient, und der andererseits infolge der nationalsozialistischen Marktordnung nicht mehr gezwungen war, selber Händler mit seinen Erzeugnissen zu sein und auf die günstigste Absatzmöglichkeit zu spekulieren, kann die Zahlung seiner Schuld wieder als Ehrensache betrachten. Die bäuerliche Ehrauffassung indes erhielt dadurch ihr Gewicht, daß sie die Voraussetzung der Bauernfähigkeit ist. Bauer kann nur sein, wer ehrbar ist. Daraus folgt, daß derjenige Eigentümer eines Erbhofes, der seine bäuerliche Ehre verliert, nicht mehr Bauer bleiben konnte.

Hier setzte die bäuerliche Gerichtsbarkeit ein, die über die bäuerliche Ehre wacht. Einem Bauern, der schlecht wirtschaftet oder seinen Schuldverpflichtungen nicht nachkommt, obwohl ihm dies bei ordnungsmäßiger Wirtschaftsführung möglich wäre, droht die „Abmeierung“, das heißt, das Anerbengericht kann diesem Bauern auf Antrag des Landesbauernführers die Verwaltung und Nutznießung seines Hofes dauernd oder auf Zeit entziehen und sie auf denjenigen übertragen, der im Falle des Todes des Bauern der Anerbe wäre. Ist ein solcher nicht vorhanden, so kann das Anerbengericht auf Antrag des Reichsbauernführers den Erbhof auf eine andere von diesem vorgeschlagene bauernfähige Person übertragen.

Erst nachdem das Gesetz mehrmals zur Besänftigung der Bauern abgeändert wurde, etwa durch die Schaffung der sogenannten Anerbengerichte, wurde es von dem Großteil der Bauern akzeptiert, ab 1943 konnten z. B. auch Frauen den Status einer Erbhofbäuerin erlangen. Am 27. Juli 1938 trat das Gesetz auch in Österreich in Kraft. 1947 wurde es vom Alliierten Kontrollrat aufgehoben. Für die britische Besatzungszone wurde statt dessen die Höfeordnung erlassen.

Literatur

  • Wilhelm Saure: Das Reichserbhofgestz. Ein Leitfaden mit Wortlaut des Reichserbhofgesetzes vom 29. September 1933. 2. Auflage

Verweise