Forensik

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Der Ausdruck Forensik wurde lange Zeit als gleichbedeutend mit „Gerichtsmedizin“ oder „Rechtsmedizin“ verwendet. Diese Zuordnung ist jedoch bei weitem zu eng, und ferner ist sie auch durch das Hinzutreten neuer Wissenschaften (wie der DNS-Sequenzierung) definitorisch unbrauchbar geworden. Die genaueste Definition würde naturwissenschaftliche, rechtsmedizinische und kriminalistische Methoden gleichermaßen zusammenfassen.[1]

Einzelgebiete und Einzelaufgaben

Klassische Forensik ist schon allein das Blutabzapfen zum Zwecke der Beweiserhebung bei Verkehrsdelikten (Drogen, Alkohol). Aber auch der Ausdruck „Kriminalbiologie“ ist keineswegs deckungsgleich mit Forensik, denn neben der Untersuchung und Identifizierung von Toten, neben der Klärung des Zeitpunkt des Todes, der Todesart usw., sind eine Fülle verwandter Aufgaben eben im Wortsinn forensische, aber nicht lediglich kriminalbiologische Aufgaben (wie die kriminalistische Entomologie es ist [= Insektenkunde], wie auch die Toxikologie [= Giftkunde], die Osteologie [= Knochenkunde], die Odontologie [= Analyse des Zahnsystems] und die Serologie [also die Auswertung von Blutspuren und anderen Sekreten und Substanzen] es ist).

Zu den über die Kriminalbiologie eindeutig hinausgehenden, jedoch ebenfalls zentralen forensischen Aufgaben zählt etwa die Analyse von Blutspuren-Mustern an Wänden (ein Gebiet der Physik), die Ballistik (also die Physik der Geschoßwege), die Daktyloskopie (also die Auswertung von Fingerabdrücken). Forensische Traumatologie wiederum befaßt sich mit nicht-körperlichen Verletzungen (bei Folteropfern und Vergewaltigungsopfern etwa) und gehört zur Rechtspsychologie.

Weitere unverzichtbare und in jüngerer Zeit rasch vorangeschrittene Seitengebiete der Forensik sind die forensische Linguistik (sie untersucht geschriebene Sprache auf einen kriminologischen Aspekt hin, zum Beispiel bei der Feststellung des Urhebers eines Erpresserbriefes oder der Fälschung einer Unterschrift). Die forensische Phonetik beschäftigt sich mit gesprochener Sprache (also etwa einem Erpresseranruf). Sie wendet phonetisches Wissen auf die Untersuchung von sprechertypischen Stimm- und Sprecheigenschaften eines Täters an. Im Bereich der sogenannten „Formspuren“ werden alle Arten von Abdrücken untersucht, wie beispielsweise eine Schuhspur oder ein Reifenprofil. Die Computer-Forensik verwendet Software zur Ermittlung krimineller Handlungen, speziell zur Aufdeckung von Kriminalität im Mobiltelefon-Sektor (etwa bei Betrugsdelikten und bei der Mobilfunk-Ortung).

Etymologie

Der Begriff Forensik stammt begriffsgeschichtlich her von Lateinisch forum (= „Forum, Marktplatz“), da Gerichtsverfahren, Untersuchungen, Urteilsverkündungen, Körperstrafen usw. im antiken Rom öffentlich und zumeist auf dem Marktplatz durchgeführt wurden. Umgangssprachlich wird heute auch eine Klinik für Forensische Psychiatrie verkürzend als Forensik bezeichnet (insbesondere wenn sie einen Maßregelvollzug beherbergt).

Forensische Psychiatrie und Psychologie

Im Blickfeld der breiten Öffentlichkeit befindet sich oftmals die Forensische Psychiatrie. Sie befaßt sich mit der Schuldfähigkeit Angeklagter und mit der Einschätzung des Gefährlichkeitsgrades von Straftätern und Sicherheitsverwahrten, sowie deren Behandlung. Während es sich bei der Forensischen Psychiatrie um ein ärztliches Berufsbild handelt (mit den bekannten hohen fachlichen Hürden und Einschränkungen für diejenigen, die auf diesem Gebiet arbeiten wollen), ist dagegen die Rechtspsychologie unverändert abhängig von Vorgaben der Geistes- oder Diskussionswissenschaften (Freudianismus). Sigmund Freuds strikte Zurückweisung der „empirischen“ Psychologie (also der Psychologie als Erfahrungswissenschaft mittels Testpsychologie oder Körperbefunden), belastet bis heute die wissenschaftliche Qualität psychologischer Gutachten (etwa der Glaubwürdigkeitsbeurteilung von Zeugen und dergleichen mehr). Auch in den – oft rücksichtslos geführten – Verfahren um das elterliche Sorgerecht, ist der gutachterliche Beitrag der Rechtspsychologen heute häufig belastet durch die ideologische Herkunft ihres Faches aus dem akademischen Freudianismus.

Nach Auffassung breiter Teile der Öffentlichkeit, sind Psychologen sogar besonders schlecht geeignet – im Vergleich etwa gegenüber Staatsanwälten und Richtern – die heiklen Fragen der Generalprävention (= Verhütung weiterer Straftaten auf die Allgemeinheit bezogen) und der Spezialprävention (= Verhütung weiterer Straftaten auf die einzelne verurteilte Person bezogen) zu beurteilen. Rein formell hat jedoch das Urteil der Psychologen (auch gegenüber der psychiatrischen Expertise) in letzter Zeit – entgegen dieser öffentlichen Einschätzung – an Gewicht gewonnen.

Literatur

  • Jürgen Thorwald: Das Jahrhundert der Detektive. Weg und Abenteuer der Kriminalistik. Verlag Buch und Welt, Berlin 1965 [Damals noch keine ISBN]
  • Norbert Borrmann: Das große Lexikon des Verbrechens. Täter, Motive und Hintergründe. Schwarzkopf und Schwarzkopf Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-896-02506-6
  • Mark Benecke: Mordmethoden. Ermittlungen des bekanntesten Kriminalbiologen der Welt. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 2002, ISBN: 3-7857-2099-8
  • Lydia Benecke: Auf dünnem Eis. Die Psychologie des Bösen. Lübbe-Verlag, Köln 2013, ISBN 978-3-785-76095-6
  • Stephan Harbort:
    • Der Beweis der Blutprobe. Boorberg, Stuttgart 1994, ISBN 3-415-01979-9
    • Rauschmitteleinnahme und Fahrsicherheit. Indikatoren, Analysen, Maßnahmen. Boorberg, Stuttgart 1996, ISBN 3-415-02126-2
    • Das Hannibal-Syndrom. Militzke, Leipzig 2001, ISBN 3-86189-209-X
    • Ich mußte sie kaputt machen. Anatomie eines Jahrhundert-Mörders. Droste, Düsseldorf 2004, ISBN 3-7700-1174-0
    • Begegnung mit dem Serienmörder. Jetzt sprechen die Opfer. Droste, Düsseldorf 2008, ISBN 978-3-7700-1263-3
    • Wenn Frauen morden. Spektakuläre Kriminalfälle – vom Gattenmord bis zur Serientötung. Eichborn, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-8218-5703-9
    • „Ich liebte eine Bestie“ – Die Frauen der Serienmörder. Droste, Düsseldorf 2009, ISBN 978-3-7700-1359-3
    • Killer-Frauen. Deutschlands bekanntester Serienmordexperte klärt auf, Knaur Taschenbuch, München 2017, ISBN 978-3-42678866-0
    • Falsche Fährten. Kriminalirrtümer und ihre Folgen. Eichborn, Frankfurt/Main 2011, ISBN 978-3821865447 (als Hörbuch ISBN 978-3821863917)
    • Aus reiner Mordlust. Der Serienmord-Experte über Thrill-Killer. Knaur 2013, ISBN 978-3426786161
  • Peter Murakami / Julia Murakami: Lexikon der Serienmörder. 450 Fallstudien einer pathologischen Tötungsart. Ullstein, München 2000, ISBN 3-548-35935-3
  • John E. Douglas / Mark Olshaker: Die Seele des Mörders. 25 Jahre in der FBI-Spezialeinheit für Serienverbrechen. Aus dem Amerikanischen von Jörn Ingwersen. Hoffmann und Campe, Hamburg 1996, ISBN 3-455-15006-3

Fußnoten

  1. Nach einem Definitionsvorschlag des Kriminalbiologen Mark Benecke: Was ist Forensik?