Kröber, Hans-Ludwig

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Hans-Ludwig Kröber (Lebensrune.png 10. Januar 1951 in Bielefeld-Gadderbaum) ist ein deutscher forensischer Psychiater. Er wuchs in Bielefeld-Bethel auf, wo sein Vater Chefarzt an den v. Bodelschwinghschen Anstalten war. Seine Mutter war dort ebenfalls als Nervenärztin tätig. Kröber ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.

Ausbildung

Kröber machte sein Abitur in Bielefeld und studierte in Münster (Westfalen) Medizin. Während seines Studiums betätigte er sich aktiv im Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW),[1] für den er bei der Bundestagswahl 1976 im Wahlkreis 95 Münster und auf der Landesliste Nordrhein-Westfalen kandidierte.[2] Seine Ausbildung zum Facharzt für Psychiatrie erfolgte wiederum in Bethel. 1984 ging Kröber an die Psychiatrische Universitätsklinik Heidelberg, wo er sich bei Werner Janzarik habilitieren konnte. 1994 erhielt er einen Ruf an die psychiatrische Universitätsklinik Hamburg.

Wirken

Seit dem 1. März 1996 ist Kröber Professor für Forensische Psychiatrie und Direktor des Instituts für Forensische Psychiatrie der Freien Universität Berlin (das mittlerweile Teil der Charité ist). Hans-Ludwig Kröber ist Mitherausgeber des Handbuchs der Forensischen Psychiatrie und der Fachzeitschrift Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie. Themen seiner Veröffentlichungen sind die Rückfälligkeit von Gewaltstraftätern und Kriminalprognosen. In mehreren spektakulären Justizfällen hat Kröber bei der Begutachtung von Straftätern mitgewirkt. Im Auftrag des Justizministeriums Baden-Württemberg sollte Kröber im Jahr 2007 den RAF-Terroristen Christian Klar begutachten. Unter anderem auf Grundlage dieses Gutachtens sollte entschieden werden, ob Klar vorzeitig aus der Haft entlassen werden würde. Klar verweigerte allerdings diese psychiatrische Begutachtung.

Pädophilie-Gutachten

Kröber war auch als Berater des Vatikan zum Thema Pädophilie tätig. In diesem Zusammenhang äußerte er sich auch zu einer möglichen Kausalität von sexuellem Mißbrauch von Kindern durch katholische Priester und dem Zölibat und verneinte diese aus seiner fachlichen Sicht.[3]

Justizirrtum im mutmaßlichen Sexualmordfall „Peggy“

Im Jahre 2001 verschwand die neunjährige Peggy Knobloch in Lichtenberg (Oberfranken) spurlos. Der als Dorfidiot bekannte Ulvi K. war wegen exhibitionistischer Taten aufgefallen und geriet frühzeitig ins Visier der Ermittlungsbehörden. Nach monatelangen Vernehmungen des 2001 Verhafteten (in denen Ulvi K. jegliche Tatbeteiligung abstritt) kam es im Sommer 2002 zu einem Spontangeständnis dieses Mannes, das Kind entführt, vergewaltigt und umgebracht zu haben. Ulvi K. wurde daraufhin 2004 zu lebenslänglichem Freiheitsentzug verurteilt.

In seinem nervenärztlichen Gerichtsgutachten hatte Hans-Ludwig Kröber – nach den wissenschaftlich gültigen Kriterien für die Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen – die Einlassungen des schwerwiegend belasteten und unter Druck aussagenden Beschuldigten Ulvi K. qualifiziert und war zu dem Ergebnis gekommen, daß dessen Geständnis als wahrheitsgemäß einzustufen sei. Diese Einschätzung gilt jedoch als wissenschaftlich unzulässig. Suggestible und labile Personen, Personen mit geringem Selbstwertgefühl und Personen mit auffallend geringer Intelligenz geraten unter solchen Umständen immer wieder einmal in die Lage, Falschgeständnisse abzugeben, um aus einer momentanen Situation herauszukommen oder als „Entgegenkommen“ gegenüber autoritär auftretenden Befragern. Ein Zeuge und ein Beschuldigter zeigen psychologisch hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit ungleichartige Verhaltensmuster. Alle jene typischen Merkmale, die eine Rolle bei der Entstehung von Falschgeständnissen spielen, waren in der Person des Ulvi K. vereinigt. (Falls noch Bewußtseinstrübungen hinzutreten, sind derartige Beschuldigte oftmals selber nicht fähig, ihr Falschgeständnis zu begreifen.)

Im Mai 2014 hob das Landgericht Bayreuth die Verurteilung zu lebenslänglicher Haft als Justizirrtum auf. Der Fall gilt nun weiter als ungeklärt, Ulvi K.s Täterschaft wegen fehlender direkter Sachbeweise als nicht erwiesen und unwahrscheinlich. Hans-Ludwig Kröber hatte den Beschuldigten in seinem Gutachten als phantasiearm geschildert und aus seinem bloßen Gesprächseindruck eine Tatausführung hergeleitet. Der Fall wird wegen des hohen öffentlichen Aufmerksamkeitspotentials vermutlich für lange Zeit als beispielhaftes Geschehen im Vorfeld eines Justizirrtums erinnerlich bleiben.[4]

Werke

  • Hans-Ludwig Kröber / Hans-Jörg Albrecht: Verminderte Schuldfähigkeit und psychiatrische Maßregel, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2001, ISBN 3-789-07386-5
  • Hans-Ludwig Kröber: Mord – Geschichten aus der Wirklichkeit, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2012, ISBN 978-3-498-03563-1
  • Hans-Ludwig Kröber / Dieter Dölling / Norbert Leygraf / Henning Sass (Hgg.): Handbuch der Forensischen Psychiatrie – Psychopathologische Grundlagen und Praxis der Forensischen Psychiatrie im Strafrecht, Steinkopff Verlag, Heidelberg 2005 ff., ISBN 978-3-798-51447-8

Siehe auch

Literatur

  • Gerhard Strate: Der Fall Mollath – Vom Versagen der Justiz und Psychiatrie. Verlag Orell Füssli, Zürich 2014

Fußnoten

  1. Mitglied seit 1974; siehe FAZ, Nr. 194 vom 22. August 2009, S. C3
  2. Vgl. Das Parlament: Nr. 39-40 vom 25. September 1976 (Ausgabe zur Bundestagswahl mit den Namen der Wahlbewerber); KBW-Wahlinformationen.
  3. Constantin Magnis: Man wird eher vom Küssen schwanger, als vom Zölibat pädophil [Interview mit H.-L. Kröber]; in: Cicero, 31. März 2010
  4. Vgl.: Gisela Friedrichsen: Spektakuläre Irrtümer, Der Spiegel, Nr. 21/2014, S. 52 f.